Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Die kürzer werdenden Tage laden dazu ein, sich mit einem Buch in den Lieblingssessel vor der Heizung zu kuscheln. Aber müssen es immer Bücher für „Erwachsene“ sein? Was ist mit all den Schätzen aus Jugendzeiten? Wir stellen euch drei Jugendbücher vor, die man als Erwachsene*r problemlos lesen kann.

Monat für Monat stellen wir euch Romane vor, die wir euch empfehlen, von denen wir euch abraten wollen oder auf die wir uns selbst freuen und bei denen es sich um Neuerscheinungen (der Begriff wird hier etwas großzügiger genutzt) handelt. Meistens sind diese Romane zudem für Erwachsene gedacht oder zumindest nicht explizit als Jugendbücher gekennzeichnet. Die Zeit, in der ich zur gedachten Zielgruppe für Jugendromane gehörte, ist rein rechnerisch eine Weile vorbei. Aber ich finde in diesem Bereich regelmäßig neues Lesefutter und nehme gerne ausgelesene Exemplare ein weiteres Mal in die Hand.

Jugendbücher für Erwachsene? Echt jetzt?

Aber klar doch. Was spricht dagegen? Dass auf dem Umschlag steht: „Bis 16 Jahre“ und du deshalb der Meinung bist, dass der Roman nichts für dich sein kann? Sicher sind die Probleme der Protagonist*innen auf typische Probleme der Zielgruppe gemünzt: Ich mag diesen Jungen, mag er mich auch? Meine Freunde benehmen sich auf einmal so komisch. Meine Eltern sind peinlich und verstehen aber auch gar nichts.

Jugendbücher können noch viel mehr als das. Und es kann schön sein, sich auf die Naivität der Protagonist*innen einzulassen; waren wir in dem Alter wirklich anders? Um euch zu beweisen, dass Jugendbücher sich auch für Erwachsene lohnen, habe ich euch drei Beispiele herausgesucht. Ob zum Wiederlesen oder Neuentdecken, hier gibt es klare Empfehlungen von mir.

Tintenherz (Cornelia Funke)

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Meggie wohnt allein mit ihrem Vater Mo und ist eine Leseratte. Mo ist nicht nur Buchbinder, sondern besitzt auch die Fähigkeit, Figuren und Gegenstände aus Büchern herauszulesen. So wunderbar und fantastisch das klingt, hat es einen Preis: für alles, was aus einem Buch herauskommt, muss etwas hinein. Und so begannen lange vor der eigentlichen Geschichte die Probleme.

Tintenherz steht gefühlt schon immer in meinem Regal und wurde bislang nie aus Platzgründen in eine Kiste im Keller verbannt. Dabei habe ich es bisher erst ein-, vielleicht zweimal gelesen. (Es liegt gerade vor mir auf dem Schreibtisch und … Kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr ein Buch dringend wieder lesen müsst?) Abgesehen davon, dass es für mich einen großen emotionalen Wert besitzt, unter anderem, weil ich so dringend wie Meggie und Mo sein und Figuren aus Büchern herauslesen können wollte, ist Tintenherz weit mehr als die Geschichte eines Mädchens. Es ist die Geschichte des Buches Tintenherz im Roman selbst und Meggie und Mo sind darin ebenso Figuren wie Staubfinger und Capricorn. Es geht darum, den Zauber des Phantastischen in unserer Welt und im eigenen Leben zu finden und zu erkennen, dass die sprichwörtliche Flucht in Bücher das Leben nicht zwingend vereinfacht. Die Macht der Bücher zieht sich durch die Nachfolgebände Tintenblut und Tintentod. In diesen verschlägt es Meggie und andere Figuren in die Tintenwelt, wo sie sich voll Tod und Eifersucht mit neuen und alten Feinden und der Verantwortung für die eigenen Taten auseinandersetzen müssen.

Außerdem tut Cornelia Funke etwas unglaublich Kluges: Vor jedem Kapitel steht ein kurzes Zitat aus einem anderen Buch, das bereits den Inhalt des entsprechenden Kapitels andeutet; die Quellen sind selbstverständlich am Ende aufgelistet. Es handelt sich dabei größtenteils um Autor*innen, von denen ich damals kaum gehört hatte. Tintenherz war mein erster bewusster Kontakt mit Intertextualität, ohne das Wort dazu zu kennen. Ich freute mich über die Zitate aus Der Hobbit und Der Herr der Ringe und mein Vater war unglaublich begeistert (und überrascht), dass ich Stevensons Die Schatzinsel lesen wollte; sein Lieblingsbuch, als er in meinem damaligen Alter war. Dank Tintenherz habe ich viel über Fantasie gelernt und bin über Bücher gestolpert, die ich andernfalls vielleicht nie entdeckt hätte.

Percy Jackson: Diebe im Olymp (Rick Riordan)

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Percy Jackson erzählt die Geschichte von dem gleichnamigen Jungen, der herausfindet, dass sein Vater der griechische Gott Poseidon ist. Damit kommt auch der Rest dieser Seite der Familie ins Spiel. Und dann ist da noch Zeus‘ verschwundener Blitz, den Percy angeblich gestohlen haben soll.

Wie viele, viele andere nutzt auch Rick Riordan den Topos der*des Auserwählten, in diesem Fall durch eine Prophezeiung. Das ist nichts Neues. Allerdings schafft es Riordan, die Prophezeiung am Ende der fünfbändigen Reihe auf befriedigende Art und Weise zu drehen. Die Percy Jackson-Reihe (und ebenso die weiteren Reihen, die sich jeweils mit der römischen, ägyptischen und nordischen Mythenwelt auseinandersetzen) lebt jedoch von der Beziehung der Figuren untereinander. Percy, Annabeth und Grover werden zu einem eingeschweißten Team. Obwohl gerade Percy und Annabeth sich wegen ihrer göttlichen Elternteile spinnefeind sein müssten; schließlich hatte Athene, Annabeths Mutter, einst den Wettstreit gegen Poseidon um den Posten der Schutzgottheit Athens gewonnen.

Damit kommen wir bereits zum zweiten starken Punkt der Reihe, der nicht nur für Kinder und Jugendliche interessant sein dürfte: die Mythen. Sicher, wir haben über die griechischen Götter und Göttinnen im Unterricht gesprochen, aber nicht wahnsinnig ausführlich – und sind wir ehrlich, das ist schon eine ganze Weile her. Aber „Uncle Rick“, wie er von Fans liebevoll genannt wird, gelingt es, Nach- und Neuerzählungen der Mythen auf eine Art und Weise einzuflechten, bei der ich nie das Gefühl hatte, dass er mir etwas beibringen will. Trotzdem, oder gerade deshalb, bleiben sie hängen. Zudem hinterfragt er diese Mythen oder gibt zumindest die Möglichkeit dazu. Hatte Circe einfach nur Spaß daran, Männer in Schweine (bzw. Meerschweinchen) zu verwandeln? Hat Kalypso es verdient, allein auf eine Insel verbannt zu werden? Und ist es nicht irgendwie nachvollziehbar, dass Kronos Rache nehmen will?

Percy Jackson bringt die Leser*innen dazu, Motivationen zu hinterfragen; auch die eigenen. Dass Percy kein glattgebügelter Held ohne Fehler ist und das ebenso wenig für die anderen Halbgötter und Halbgöttinnen in Camp Half-Blood gilt, macht dies besonders einfach und sorgt für Sympathien beim Lesen. Wie weit würdest du für deine Freunde gehen oder für eine Familie, die du nicht einmal richtig kennst? Wie gehst du mit Verrat aus deinem engsten Kreis um?

Ein großer Pluspunkt der Reihen ist übrigens die zunehmende Diversität. Während es in der Percy Jackson-Reihe noch vergleichsweise cis heteronormativ ist, kommen mit der Zeit deutlich mehr queere und PoC Charaktere hinzu und bereichern den Cast um ein Vielfaches.

Illuminae (Amie Kaufman & Jay Kristoff)

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Als mir Illuminae von dem australischen Autor*innen-Duo in der Buchhandlung empfohlen wurde, war ich zuerst skeptisch; ich hatte noch nicht viele Berührungspunkte mit Science-Fiction gehabt und ein schlechter Start mit Star Wars war nicht gerade hilfreich. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dem Ganzen eine Chance gegeben zu haben (und ja, ich habe mich bei der Buchhändlerin bedankt). Kurz gesagt geht es darum, dass Kadys und Ezras Heimatplanet angegriffen wird und sie gemeinsam mit anderen Evakuierten fliehen müssen. Allerdings werden sie weiterhin verfolgt, eine mörderische künstliche Intelligenz steuert das Schiff und es gibt ein tödliches Virus, das Menschen in eine Art Zombie verwandelt. Ach ja, und Kady und Ezra haben erst Schluss gemacht, müssen aber zusammenarbeiten.

Ich sag es ganz ehrlich, auf die Romanze hätte ich verzichten können. Dachte ich zumindest. Bevor ich richtig das Lesen angefangen hatte. Amie Kaufman und Jay Kristoff (meine Kollegin Heike hatte sich Nevernight von ihm angesehen) haben zusammen einen ganz fantastischen Humor und schaffen es, den Romance-Teil unaufdringlich in den ernsteren Teil des Plots einzubinden.

Was ich wirklich an der Reihe liebe, ist das Layout. Die Geschichte wird nicht einfach von einer*einem oder mehreren Erzähler*innen erzählt, sondern mithilfe von Chatprotokollen, Videoanalysen, verschriftlichten Tonbandaufnahmen und Notizen. Inklusive ausgestrichenen Formulierungen, Tippfehlern und zensierten Schimpfwörtern. Damit aber nicht genug. An manchen Stellen, zum Ende hin häufiger, wird aus Sicht der künstlichen Intelligenz AIDAN berichtet und durch helle Schrift auf schwarzem Untergrund verdeutlicht. Ein immenser Tintenverbrauch, klar, aber hier haben sich Heather Kelly und Jay Kristoff beim Design ordentlich ausgetobt: Wenige Worte stehen in der Leere der schwarzen Seite wie zwischen weit entfernten Sternen, die Sätze hüpfen über die Seite wie Kady bei ihrem Weltraumspaziergang und ein einzelnes Wort bildet in der Wiederholung ein Raumschiff ab. Gemeinsam mit Schemen der Raumschiffe, ablaufenden Countdowns und anderen Darstellungen wird ein Lesegefühl kreiert, das ich so noch nie hatte. Illuminae verursacht allein durch das Layout und den Satz Gänsehaut. Mir war vorher nicht bewusst, dass zwei Sätze, die mit Seiten- statt Zeilenumbrüchen zwei Doppelseiten einnehmen, eine so gewaltige Wirkung entfalten können.

Es gibt natürlich einen Grund, weshalb die Bände der Illuminae-Akten aus, nun ja, Akten bestehen, aber dazu müsst ihr leider die Trilogie lesen.

Mehr als nur Jugendbücher

Ich hoffe, ich konnte euch mit den genannten Beispielen neue Ideen für eure Jugendbuch-Leselisten geben. Auch wenn ihr laut eures Alters nicht mehr in die Zielgruppe der Jugendromane fallt: Es lohnt sich, zwischen den Jüngeren zu stöbern. Vielleicht findet ihr den einen oder anderen Schatz, den ihr mir empfehlen könnt. Solange lese ich Tintenherz und Illuminae noch einmal; mit Percy Jackson habe ich bereits den Sommer verbracht.

Artikelbilder: © dtv © Carlsen © Oetinger
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Sabrina Plote

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