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Eine neue Horrorgeschichte aus dem Alien-Universum: Ein Raumschiff mit tödlicher Fracht stürzt auf einer abgelegenen Koloniewelt ab. Werden die Siedler*innen, eine technophobe Sekte, ohne moderne Waffen überleben können, oder werden ihre Schreie ungehört im All vergehen? Die Antwort darauf findet sich in Alien 2 – Erweckung von Panini Comics.

Der zweite Band von Paninis neuer Comicreihe zu den Alien-Filmen erzählt eine von den Filmenunabhängige Geschichte und ist daher für Neueinsteigende geeignet. Die grundlegenden Konzepte des Settings, eine düstere Zukunft mit übermächtigen, korrupten Konzernen und den „Xenomorph“ genannten Aliens, die zur Fortpflanzung Menschen als Wirtskörper für ihre Kinder missbrauchen, sind praktisch in diesem Satz schon zusammengefasst und genauso schnell auch im Comic erklärt. Aus diesen simplen Grundlagen entwickelt sich die Geschichte um die Kolonie auf dem Mond Euridice.

Alien 2 – Erweckung enthält nach der Hauptgeschichte „Erweckung“ noch die Geschichte „Ein Überlebender“. Die erzählt die Vorgeschichte des Protagonisten vom ersten Band, Alien – Blutlinien. Als Vorgeschichte wird auch hier kein Vorwissen oder Kenntnis des ersten Bandes benötigt.

Handlung

Alien 2 – Erweckung spielt im Jahre 2202 auf dem Mond Euridice. Hier hat die Sekte der „Spinner“ (benannt nach dem Spinnrad als Symbol für simple, ehrliche Arbeit, nicht nach ihren seltsamen Ansichten) jahrelang am Terraforming des Mondes gearbeitet. Nun soll der Vorgang bald abgeschlossen sein, und die Spinner sollen für ihre Arbeit den Mond überschrieben bekommen. Kurz bevor es soweit ist und die Kolonie autark überleben kann, soll noch ein letztes Versorgungschiff Ressourcen und neue Siedler liefern. Stattdessen stürzt es allerdings auf den Planeten ab. Aliens fliehen aus dem Wrack. In dem künstlich geschaffenen Garten Eden finden sie die perfekten Voraussetzungen, um sich ungehindert zu vermehren, und bald kämpfen die Menschen ums nackte Überleben…

Der besondere Witz dabei ist, dass die Spinner eine religiöse Sekte sind, die jeglicher fortgeschrittener Technik abgeschworen hat. Ihr Name ist damit eine Anspielung auf die historischen Aufstände von Textilarbeitern gegen Technologie und Industrialisierung, wie die im Englischen sprichwörtlichen Ludditen oder die schlesischen Weber. Außerdem bilden sie so etwas wie eine Science-Fiction Version der tatsächlich in den USA lebenden Amischen. Auch die Spinner stammten ursprünglich aus den USA, den Appalachen, die fortschreitende Technisierung der Erde entsetzte sie jedoch. Gemäß ihrem Glauben wollten die Spinner ein einfaches, ländliches Leben im Einklang mit der Natur führen. Da es auf der Erde dafür keine Möglichkeit mehr gab, gingen sie einen Pakt mit dem Teufel ein. Die Regierung der Vereinten Amerikas, die U.A., war bereit, ihnen die ehemalige Konzern-Kolonie auf dem Mond Euridice zu übergeben, wenn die Spinner den Terraforming-Prozess überwachen würden. Das strapazierte die religiösen Überzeugungen der Gruppe zwar aufs äußerste, die Verheißung eines unberührten „Garten Eden“ war aber zu groß.

Die Spinner sind damit ungewöhnliche Protagonist*innen für eine Alien-Geschichte. Den Pazifisten fehlt das Hightech-Arsenal der Colonial Marines um sich der Aliens zu erwehren. Ihre dogmatischen Überzeugungen führen auch dazu, dass mehr oder weniger prosaische Ereignisse sehr religiös interpretiert werden. Und zu guter Letzt bieten die Differenzen zwischen dem eher praktisch veranlagten Spinnern und den stark religiösen Gläubigen viel Potenzial für Konflikte in der Krise. Alien-Fans können in den Spinnern darüber hinaus eine Anspielung auf eines der verworfenen Skripte für Alien III erkennen, in dem technikfeindliche Mönche auf einer hölzernen Raumstation hätten leben sollen.

Auf jeden Fall sind die Spinner eine interessante Gruppe verschiedener Charaktere, die alle ihre eigenen Beweggründe haben. Die Beziehungen sind nicht tiefgehend, aber durchaus solide geschrieben und für einen Genre-Comic völlig zufriedenstellend. Insgesamt ist Alien 2 – Erweckung nämlich eine Horror-Geschichte, in der die wehrlosen Menschen vor den Alien-Monstern nur fliehen können. Dieser spannende externe Horror wird durch die Konflikte innerhalb der Spinner, sowie zwischen den Spinnern und dem Bodenpersonal der U.A., das die Terraforming-Maschinen bedient, noch unterstrichen.

Die zweite Geschichte, „Ein Überlebender, handelt von Gabriel Cruz, einem Sicherheitschef des skrupellosen Weyland-Yutani-Konzerns, und Protagonist von Alien – Blutlinien. „Ein Überlebender“ zeigt Cruz‘ erste Begegnung mit dem Alien. Der Konzern hat auf einer Raumstation insgeheim Aliens als Biowaffen gezüchtet und schickt zur finalen Probe ein Sicherheitsteam auf die Schlachtbank… „Ein Überlebender“ ist natürlich kürzer, aber auch etwas actionreicher als die Hauptgeschichte von Alien 2 – Erweckung. Gewisse Aspekte des Endes sind leicht vorherzusehen, unterhaltsam ist die Geschichte aber auch.

Charaktere

Die Charaktere von Alien 2 – Erweckung sind gut geschrieben. Sie verfügen über ein, zwei klare Merkmale, an denen man sie und ihre Rolle sofort identifizieren kann, ohne flach zu wirken. Die wichtigeren Charaktere bekommen auch genügend Hintergrundgeschichte um überzeugend zu wirken, und auch an der einen oder anderen Überraschung fehlt es nicht. Für einen Horror-Comic ist das qualitativ leicht über dem Durchschnitt und passt gut zur Geschichte.

Jane opferte sich für die Spinner. © Panini Comics

Die Hauptfigur von Alien 2 – Erweckung ist Jane Callan. Die ehemalige Wissenschaftlerin leidet an einer tödlichen Krankheit, die mit fortgeschrittener Technik heilbar wäre. Weil sie aber den Vertrag für die Kolonie auf Euridice unterschrieb, kann sie den Mond nicht verlassen, da die Spinner dann ihren Anspruch verlieren würde. Das Wissen, dass sie buchstäblich ihr Leben opfert, ließ sie verbittern und ihre Überzeugung für die Spinner verlieren.

Ambrose ist ein alter Freund Janes, mit dem sie früher mal zusammen war. Sie sind aber immer noch freundschaftlich verbunden. Sein fester Glaube hilft Jane manchmal, sich zu fassen… auch wenn seine Predigten zu den „Hunden des Verderbens“ im Angesicht der Aliens einen ganz neuen Unterton bekommt.

Simon ist ein junger Spinner mit wenig Selbstbewusstsein, der von anderen gemobbt wird. Er hegt Gefühle für Sophie, eine der U.A.-Angestellten, und als die Katastrophe losbricht ist sein erster Gedanke, sie zu retten.

Zeichenstil

Alien 2 – Erweckung wurde, wie der erste Band, von Salvador Larroca gezeichnet und kann wieder nicht begeistern. Wenn alles richtig zusammenkommt, produziert Larroca durchaus schöne oder unheimliche Panels. Jede Figur hat ihr eigenes, klar erkennbares Gesicht und gut erkennbare Mimik. Panelanordnungen und Action-Abläufe sind auch solide gefertigt.

Das Problem ist aber, wie für Larroca typisch, dass er sehr offensichtlich computergenerierte 3D-Modelle abmalt. Manchmal funktioniert das gut, aber oft wirken Figuren und Objekte dadurch unrealistisch steif oder erstarrt. Larroca schafft es nicht immer, ein Gefühl von Bewegung zu erzeugen, da er Figuren zu direkt abpaust anstatt sie in der Situation entsprechenden dynamischen Posen darzustellen. Dazu sind die Hintergründe oft leer oder die Figuren scheinen manchmal vor dem flachen Hintergrund zu schweben. Die Qualität von Licht- und Schattenwurf ist nur da gut, wo er den Verlauf offensichtlich vom Modell abpausen kann. Und seine Anatomie versagt in so mancher Splatter-Szene völlig.

Erscheinungsbild

Die Verarbeitung ist, wie üblich bei Paninis Softcovern, qualitativ hochwertig und nicht weiter zu beanstanden. Das Titelbild ist nett gewählt, wenn auch nicht sonderlich innovativ: Ein Alien von vorne. Auf den zweiten Blick erkennt man am Himmel hinter dem Alien die zwei Sonnen, die immerhin auf den außerirdischen Handlungsort hinweisen.

© Panini Comics

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor*in(nen): Philip Kennedy Johnson
  • Zeichner*in(nen): Salvador Larroca
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 176
  • Preis: 22 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Das Vorwort bietet eine gute Einführung in die Welt von Alien und erklärt auch, dass Alien 2 – Erweckung im selben Universum spielt, aber keine direkte Fortsetzung von Alien – Blutlinien ist.

Fazit

Alien 2 – Erweckung ist ein guter, unterhaltsamer Horror-Comic. Er spielt im bekannten Alien-Universum, erzählt aber eine eigenständige Geschichte, die kein Vorwissen benötigt. Die technik-feindlichen Spinner sind interessante Protagonist*innen, und für Science-Fiction im Allgemeinen ebenso ungewöhnlich wie für das Alien-Franchise im Speziellen. Die Horrorgeschichte über die Aliens, die über eine friedliche Agrarkolonie hereinbrechen, ist spannend und wird durch die solide geschriebenen Charaktere gut unterstützt. Insgesamt gefällt Alien 2 – Erweckung etwas besser als der Vorgängerband. Die Geschichte ist zwar frischer und bietet keinen Anlass zur Beschwerde, als routinierte Genrekost kann sie aber auch nicht begeistern. Der Schwachpunkt ist, wie bereits im ersten Band, immer noch Larrocas Kunst. Wenn er sich Mühe gibt, sieht der Comic durchaus gut aus, meistens wirkt es aber zu steif und seelenlos von Computermodellen abgepaust.

  • Spinner sind ungewöhnliche Protagonist*innen

  • Spannende Handlung

 

  • Steife Zeichnungen


Artikelbilder: © Panini Comics

Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Rick Davids
Fotografien: Paul Menkel

Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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