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Militärische Taktik, Bändigung der Elemente oder magische Zoologie: im Kartenspiel Fantastische Reiche nutzt man eine einzigartige Synergie, um ein mächtiges Königreich zu erschaffen. Das einfache Spielprinzip ermöglicht schnelles Erlernen und bietet unzählige Variationen für jedes Reich. Welche davon wohl am Ende zum Sieg führt?

Im Jahr 2020 wurde Fantastische Reiche in deutscher Sprache veröffentlicht und hat es im darauffolgenden Jahr auf das Treppchen für das Kennerspiel des Jahres geschafft.

Mittlerweile hat das Kartenspiel sogar eine Erweiterung erhalten, auf die hier auch noch eingegangen wird.

Das Bemerkenswerte an diesem Spiel ist, dass man versucht, seine Kartenhand sowohl durch den verdeckten Nachziehstapel als auch die offene Auslage zu optimieren. Gleichzeitig muss das nahende Spielende immer im Blick gehalten werden. Können die vielfachen Kombinationsmöglichkeiten mit hohem Wiederspielwert locken?

Spielablauf

Zwei bis sechs Spielende versuchen in etwa 20 Minuten, durch geschickte Kombinationen die eigene Kartenhand zu optimieren. Dazu wird sowohl der verdeckte Nachziehstapel als auch die offene Auslage genutzt. Die Karten geben je nach Kombination mit anderen Karten(typen) Boni oder können sich gegenseitig blockieren.

Das bedeutet, dass eine oder mehrere Karten oder sogar ganze Kartentypen nicht für die Endwertung zählen und somit wertlos sind. Sie werden in der Wertung wie eine unbedruckte Karte ohne Effekt behandelt.

Bespiel für blockierte Karten
Bespiel für blockierte Karten

Der Aufbau im Spiel für zwei Personen unterscheidet sich vom Aufbau ab drei Personen.

Bei zwei Spielenden wird ohne Handkarten gestartet. Die erste Person muss somit zwei Karten vom Nachziehstapel nehmen und legt dann eine Karte in den Ablagebereich. Die nächste Person entscheidet sich dann entweder für die Karte in der Auslage oder zieht zwei Karten vom Stapel und legt dann anschließend eine in den offenen Bereich. Auf diese Weise entsteht im Spiel für zwei Personen sukzessive die offene Auslage. Dies geschieht so lange, bis beide sieben Karten auf der Hand haben.

Bei einem Aufbau ab drei Personen erhalten alle sieben Handkarten; die übrigen Karten bilden den verdeckten Nachziehstapel. Die Startperson zieht zunächst vom verdeckten Stapel und entscheidet sich, ob die gezogene Karte auf die Hand genommen oder in die offene Auslage gelegt wird. Wird die Karte behalten, muss eine andere Karte aus der Hand in die Auslage gelegt werden. Im Uhrzeigersinn ist danach die nächste Person an der Reihe und entscheidet sich entweder für eine Karte aus der Auslage oder vom Nachziehstapel. Somit besteht ein Spielzug aus lediglich zwei Schritten:

  1. Karte aufnehmen
  2. Karte ablegen

Sobald sich zehn Karten in der Auslage befinden, ist das Spiel beendet und mithilfe des Wertungsblocks wird die Endwertung vorgenommen.

Die grundsätzlichen Abläufe sind damit schon erklärt, allerdings sollte man sich vom einfachen Spielprinzip nicht täuschen lassen. Insgesamt gibt es im Grundspiel 53 Karten. Diese werden in sogenannte Farben sowie drei Joker aufgeteilt und bilden zudem noch Basisstärke sowie Bonus beziehungsweise Strafe ab. Die Schwierigkeit bei Fantastische Reiche besteht also darin, den Überblick zwischen den Kartentypen und den jeweiligen Boni beziehungsweise Strafen im Kopf zu behalten und die bestmögliche Synergie der Karten zu finden.

Beispielsweise gibt die Karte Waldläufer einen Bonus von zehn Punkten für jede Karte der Farbe Land und hebt gleichzeitig das Wort Armee von allen Strafen auf der Hand auf.

Das Herzstück des Spiels ist die eigene Strategie. So kann man beispielsweise eine militärische Taktik verfolgen, indem man den König mit der Königin und so viele Armeen wie möglich sammelt. König und Königin verstärken sich sowie die Armeen gegenseitig. Zieht man den Herrn der Bestien in Verbindung mit einer weiteren Bestie, bietet es sich an, diese Strategie zu verfolgen, denn der Herr der Bestien hebt die Strafe auf allen Bestien auf. Der Basilisk blockiert somit keine anderen Bestien mehr.

Daneben gibt es noch andere, riskantere Taktiken, die dann aber wiederrum mehr Boni geben. So kann man mit dem Buch der Veränderung, dem Glockenturm und einer Zauberer-Karte eine sehr hohe Punktzahl erreichen. Allerdings ist es schwieriger, dieses Ziel zu erreichen, da man nie weiß, welche Karten man bekommt und unvollständige Sets weniger Punkte geben.

Insgesamt ist das Spiel nicht sehr komplex und besteht im Grunde fast ausschließlich aus einem Hand-Management Mechanismus mit Elementen des Open-Drafting. Das, was das Spiel so spannend macht, ist, die Mischung aus Strategie und Glücksspielelementen in Verbindung mit seiner Kurzweiligkeit.

Vor allem in der Schlusswertung gibt es viel Interaktion zwischen den Spielenden, da man seine eigene Taktik den anderen Mitspielenden erklärt und somit nochmal ins Gespräch kommt.

Zwar bauen alle Spielenden ihre Hand für sich, doch kann man Einfluss auf die Spielweise der Kontrahent*innen nehmen, wenn erkannt wird, welche Strategie verfolgt wird. Gleichzeitig ist das Spiel nicht so kompetitiv, dass man sich gegenseitig komplett sabotieren kann.

Auf der Spielschachtel wird zwar angegeben, dass das Spiel mit bis zu sechs Personen gespielt werden kann, allerdings wird in der Anleitung auch die sogenannte „Chaos-Variante“ für bis zu sieben Mitspielende vorgestellt. Hier bekommen alle  

zu Beginn sieben Karten, welche die Spielenden untereinander im Verhältnis eins zu eins tauschen, bis ein zuvor festgelegtes Zeitlimit, beispielsweise von fünf Minuten, überschritten wird. Anschließend beginnt auch hier die Wertung.

Erweiterung: Der Verfluchte Schatz

Die Erweiterung Der verfluchte Schatz besteht aus zwei Teilen, die entweder zusammen oder einzeln dem Grundspiel hinzugefügt werden können.

Der erste Teil besteht aus verfluchten Gegenständen: 24 Karten, die bestimmte Fähigkeiten haben und den Spieler*innen einen Vorteil verschaffen sollen. Um diese Gegenstände zu benutzen, müssen in der Regel Minuspunkte in Kauf genommen werden. Benutzte verfluchte Gegenstände werden nach Verwendung vom gemeinsamen Nachziehstapel neu gezogen.

Ist es mir die Fähigkeit wert, Minuspunkte zu kassieren?
Ist es mir die Fähigkeit wert, Minuspunkte zu kassieren?

Der zweite Teil besteht aus drei neuen Kartenfarben: Gebäude, Untote und Outsider. Während die Gebäude die Spielregeln nicht verändern, haben die beiden anderen große Auswirkungen auf die Spielmechanik.

Die Outsider erweitern das Handkartenlimit auf maximal neun. Die Untoten benutzen im Spiel die allgemeine Auslage und geben weitere Boni.

Entscheidet man sich für ein Spiel mit den drei neuen Kartenfarben, erweitert sich das Kartenspiel auf insgesamt 76 Karten. Dadurch wird das Spielerlebnis allerdings verwässert, da es schwerer wird, die gewünschten Karten zu ziehen. Um dem entgegenzuwirken, werden zu Beginn acht Karten auf die Hand genommen und das Kartenlimit der offenen Auslage wird von zehn auf zwölf angehoben.

Ausstattung

Sowohl das Design des Grundspiels als auch der Erweiterung sind ziemlich einfach gehalten. Die Aufmachung der Schachtel und auch die Bilder sind eher altbacken und erinnern etwas an Kinderbücher der 2000er Jahre.

Die Anleitung ist einfach, leicht verständlich und kompakt. Besonders praktisch ist der Abschnitt mit Fragen und Antworten, die mögliche Missverständnisse und Regelprobleme nochmals genauer erläutern.

Das Regelheft umfasst wenige Seiten im DIN A6-Format. Die Erweiterung kommt sogar mit einem noch kleineren Regelheft aus.

Trotz des einfachen Artwork gibt es in Punkto Qualität nichts zu bemängeln. Die Box beinhaltet ein kleines Insert, wie man es von vielen Kartenspielen kennt. Die Karten an sich spiegeln nicht. Selbst nach dem Spielen von vielen Partien sind sie immer noch griffig und neigen nicht zu Knicken. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann sie aber natürlich sleeven.

Neben den Spielkarten und den Regeln liegt nur noch ein Wertungsblock bei, somit ist es auch perfekt als Reisespiel geeignet.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Strohmann Games
  • Autor*in(nen): Bruce Glassco
  • Erscheinungsjahr: 2020, Erweiterung 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 20 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 2 3 4 5 6 (7)
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Preis: ca. 15 EUR, Erweiterung ca. 10 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Die Spielregeln können direkt über den Verlag Strohmann Games runtergeladen werden.

Ebenso gibt es eine kleine Web-Applikation, die die Wertung durchführt, wobei die Synergien der Karten automatisch angewendet werden. Somit ist sichergestellt, dass alle Boni oder Strafen in die Wertung einfließen. Allerdings passiert das unter Umständen auch auf Kosten der Interaktion zwischen den Spielenden.

Fazit

Fantastische Reiche ist ein Kartenspiel mit dem Ziel, durch geschickte Kombinationen von Handkarten einzigartige Synergien zu schaffen. Das einfache Spielprinzip ermöglicht schnelles Erlernen und bietet unzählige Variationen. Keine Partie gleicht der vorherigen, dadurch hat es einen hohen Wiederspielreiz. Eine Partie dauert etwa 20 Minuten und kann von 2 bis 6 Spielenden gespielt werden, wobei es sich am besten zu zweit oder dritt spielen lässt.

Die Spielenden versuchen, ihre Kartenhand durch den Nachziehstapel und die offene Auslage zu optimieren und das nahende Spielende im Blick zu behalten. Zur Endwertung zeigt sich, wer durch funktionierende Synergien das beste Fantastische Reich erschaffen konnte. Erweiterung Der verfluchte Schatz fügt dem Spiel verfluchte Gegenstände und neue Kartenfarben hinzu. Allerdings spielt sich das Spiel ohne Erweiterung sogar noch besser.

Die Spielregeln sind schnell erklärt und durch die kompakte Größe ist es auch ideal als Reisespiel geeignet. Ein großer Vorteil ist, dass die Regeln schnell erklärt sind. Somit ist Fantastische Reiche auch für einen Abend mit Freunden geeignet, die nicht viel Erfahrung mit Gesellschaftsspielen haben und dennoch eine kleine Herausforderung suchen. Zwar ist das Artwork ziemlich einfach gehalten und erinnert eher an Kinderbücher aus den 2000er Jahren, allerdings tut das dem Spiel keinen Abbruch.

Darum erhält Fantastische Reiche, selbst nach der fünfzigsten Partie, von uns fünf von fünf magische Tierwesen.

 

  • Einfache Regeln mit überraschender Komplexität

  • Hoher Wiederspielwert

  • sehr gut als Reisespiel geeignet

 

  • altbackenes Design

  • Spielverwässernde Erweiterung

 

Artikelbilder: © Strohmann Games
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Alexa Kasparek
Fotografien: Claudia Scarvaglieri
Dieses Produkt wurde privat finanziert.
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