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Das Abenteuer vorbereitet, die Notizen sortiert, doch plötzlich die Horror-Nachricht: „Hey, ich kann nicht mitspielen…“ – Muss nun das Rollenspiel für alle ausfallen? Nein! Mit einigen Tricks kann trotz kurzfristigen Absagen die Spielrunde gerettet werden und die Geschichte vorangehen. Ein paar Ideen für die eigene Gruppe findet ihr hier.

Triggerwarnungen

Entführung, Überlebenskampf

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Nicht immer läuft alles wie geplant: Stress auf der Arbeit, Krankheit oder persönliche Verpflichtungen sind nur einige Gründe, warum eine Person kurzfristig absagen muss für den Pen-and-Paper-Termin. Das ist menschlich und passiert vermutlich in jeder Gruppe einmal. Es heißt aber nicht, dass die anderen wegen des Ausfalls auf Rollenspiel am Abend verzichten müssen. In vielen Runden gibt es dafür bereits etablierte Regeln. So wird beispielweise weitergespielt, solange nur eine Person fehlt und es sich nicht um dramatische Momente wie das Kampagnenfinale handelt. In solchen Momenten läuft der entsprechende Charakter passiv mit. Tatsächlich bieten sich für die Spielleitung darüber hinaus weitere Möglichkeiten, das Fehlen in die Erzählung interessant einzubinden und für Spaß und Freude am Spieltisch zu sorgen. Ein paar Ideen werden im weiteren Artikel vorgestellt.

Eine Einordnung vorweg:

Das Thema der kurzfristigen Absagen hat Ressort-Kollege Johannes Haslhofer bereits in einem eigenen Text verarbeitet. Wer weitere praktische Beispiele für Alternativen zum Pen-and-Paper sucht, wird in seinem Artikel sicher fündig. In diesem Artikel liegt der Fokus mehr auf den erzählerischen Möglichkeiten, bei denen die Charaktere trotz fehlender Personen etwas erleben können.

Bei allen Vorschlägen ist wichtig, dass die Gruppe sich auf ein gemeinsames Vorgehen einigt. Bei wöchentlichen Sitzungen beispielsweise fällt die Abwesenheit einer Person nicht allzu stark ins Gewicht. Findet die Runde aber nur alle zwei Monate statt, kann das schwieriger sein. Sprecht daher untereinander, welche Lösung für euch am besten funktioniert.

Wie gehen wir vor? Pläne und Vorbereitungen

Ein spontaner Ausfall bedeutet immer Improvisation für die Spielleitung. Im schlechtesten Falle bleiben wenige Minuten vor der Sitzung, wenn die Absage kommt. Um sich elegant Bedenkzeit herauszuholen, kann das Planungselement direkt mit in den Abend eingebaut werden.

Sollte die vergangene Sitzung kurz vor dem Start einer größeren Mission oder eines Kampfes geschehen sein, kann eine kurze Besprechung eingeschoben werden. Dazu stecken die Spielenden noch einmal (oder erstmals?) die Köpfe zusammen. Welche Aufgaben während der Aktion übernimmt wer? Gibt es zusätzliche Ausgänge, falls ein Weg versperrt sein sollte? Was soll getan werden, wenn etwas nicht funktioniert? Und ebenfalls wichtig, falls noch unklar: Wer bekommt was vom Gewinn ab? Während die Gruppe fleißig ihre Möglichkeiten abwägt, kann die Spielleitung derweil die Informationen nutzen, um sich auf die anstehende Sitzung besser vorzubereiten. Oder noch schnell am Plot basteln, der den restlichen Abend geschehen soll.

Ein guter Plan ist die Hälfte des Erfolgs. ©depositphotos, bizoon

Die weiteren Ideen dienen dazu, für den Fall einer kurzfristigen Absage eine Alternative zu haben. Allerdings sind diese nur Anstoßpunkte, die im Zweifel etwas mehr Vorbereitung benötigen.

Plötzlich entführt – Von Lösegeld bis Rettungsmission

Ausfälle am Spieltisch können in der Geschichte direkt aufgegriffen werden. Ein bekanntes wie effektives Mittel ist beispielsweise ein Entführungs-Plot. Eigentlich hätte die Gruppe zu Beginn der Sitzung in die nächste Stadt weiterziehen wollen. Am Treffpunkt fehlt aber von einem oder mehreren Charakteren jede Spur. Bei ihrer Suche stoßen sie dann auf einen Brief, der viel Geld für die Freigabe der vermissten Personen verlangt…

Rettungsmissionen dieser Art bieten eine Gelegenheit, feindliche Fraktionen zu etablieren. Offenbar hat die Gruppe (oder Teile davon) in der Vergangenheit Antagonist*innen gegen sich aufgebracht. Diese versuchen nun durch eine Entführung die Mission zu sabotieren, ein Kopfgeld einzusammeln oder eine Gefahr frühzeitig zu beseitigen. Abseits von bösen Kulten und mafiösen Strukturen kann auch die ehrbare Hand des Gesetzes Charaktere einfangen. Grund dafür wäre dann eine Straftat, welche das Gruppenmitglied (scheinbar) begangen hat.

In jedem Fall sollte der restliche Trupp motiviert werden, die fehlende Person zu befreien. Das hätte jener Charakter bestimmt ebenfalls getan (Wahrheiten variieren). Anschließend läuft der Abend wie viele andere Missionen ab: Informationen sammeln, ein Vorgehen festlegen und die Rettung starten. Bei der nächsten Sitzung kann die restliche Gruppe davon berichten, wie die Rettung ablief – oder wieso nun alle hinter Gittern sitzen…

Dimensionsrisse und andere Nebenquests

Die Handlung kann bei Ausfall eines Charakters ebenfalls für eine kurzweilige Episode oder Nebenquest unterbrochen werden. Während die Gefährt*innen beispielsweise vor einer alten Ruine mit magischen Symbolen steht, kann sich beispielsweise ein Dimensionsriss vor ihnen öffnen. Daraus schreit ein panisch wirkendes Wesen um Hilfe. Für die Charaktere eine gute Gelegenheit, ihre heroische Seite zu präsentieren. Tatsächlich schafft es aber nicht die gesamte Gruppe hindurchzukommen, weil sich das Portal plötzlich schließt. Die passiven Charaktere sind so aus der Handlung praktisch heraus. Es liegt am Rest, die Situation über die Spielsitzung hinweg aufzulösen und hoffentlich einen sicheren Rückweg zu finden. Oder, falls diese Dimension viel schöner ist, einen Weg zu finden, um das fehlende Mitglied hierher zu holen.

In der Arena kann nur eine Person gewinnen… ©depositphotos, WHPics

PvP – Gegen Freund*innen ist es doch am schönsten

Am Spieltisch kommen ständig Diskussionen auf, welche Kombinationen aus Klasse, Hintergrund und Volk am stärksten sind? Die Gruppe wollte schon immer einmal wissen, wer eigentlich der stärkste Charakter unter ihnen ist? Dann könnte ein Arena-Kampf genau das Richtige sein. Einmal ohne Bandagen wird abseits der Erzählung ein neues Nebenszenario aufgemacht. Darin gilt nur eine Regel: Wer am Ende steht, hat gewonnen. Bei etwas mehr Vorbereitungszeit kann die Spielleitung noch weitere interessante Effekte einfügen, etwa frei wählbare magische Gegenstände, Fallen oder womöglich eine Belohnung für den*die Gewinner*in des Kampfes. Wer einmal ein Battle-Royale gesehen oder gespielt hat, findet bestimmt noch viele weitere Ideen, um die Spannung im Gefecht aufrechtzuerhalten. Wichtig zum Schluss: Alle Feindseligkeiten des Kampfes sollten sich nicht auf die weitere Runde projizieren. Das könnte sonst für einige Konflikte zwischen den Charakteren führen.

Die Rast und (nicht so) schöne Träume

Hat die vergangene Sitzung zeitlich nahe einer längeren Rast geendet, könnte dies als gute Ausgangslage für weitere persönliche Szenen genutzt werden. In klassischen Fantasy-Settings etwa können die Spielenden während der Wacht längere Gespräche über das Erlebte führen, Zwistigkeiten klären oder Anekdoten erzählen. Gerade in Gruppen mit fünf oder mehr Menschen bietet dann ein spontaner Ausfall die Gelegenheit, dass eher ruhigere Spielende zu Wort kommen. Sollte trotzdem ein Kampf geplant gewesen sein, lässt sich dieser ebenfalls als Überraschungsangriff abhandeln. Die fehlende Person schläft dann beispielsweise weiter, auch wenn keine zwei Meter neben ihr die Klingen aufeinandertreffen. Könnte es sich dabei um einen magischen Effekt oder einen Schlaftrunk handeln? Das wird wohl erst nach dem Kampf erforscht werden können.

Träume sind ein gutes Mittel für mysteriöse Visionen. ©depositphotos, rolffimages

Ebenfalls spannend kann eine Reise ins Reich der Träume sein. Statt „reale“ Begebenheiten der Gruppe zu bespielen, merken die Charaktere nach und nach, dass sie sich in einem gemeinsamen oder mehreren einzelnen Träumen befinden. Auch hier kann die Spielleitung sich kreativ austoben und sogar über gewisse Regelmechaniken hinweg agieren. Das kann zeitliche Sprünge, spontane Wechsel der Außenwelt oder besonders irrwitzige Aktionen beinhalten. Der Traum kann zudem genutzt werden, um Plot für weitere anstehende Sitzungen einfließen zu lassen. In diese Kategorie fallen etwa prophetische Visionen von göttlichen Wesen, welche eine Mission für die Charaktere im Sinn haben. Oder es werden Warnungen ausgesprochen, sich von einem gewissen Ort fernzuhalten beziehungsweise umzukehren.

Rückblende – Was warst du vorher?

Ähnlich wie in der zuvor beschriebenen Rast kann die Pause ebenfalls für eine Rückblende genutzt werden. Das erfordert etwas mehr Vorbereitung durch die Spielleitung – oder ein sicheres Händchen für die Improvisation. Statt in der Handlung voranzuschreiten, wird in einem ruhigen Moment auf Szenen zurückgeblickt, welche vor dem Beginn der Erzählung stattgefunden haben. Diese werden aktiv nacherlebt und teilweise mitgestaltet. Die gewählte Situation kann ein Moment in der Kindheit und Jugend sein, oder kurz bevor die Gruppe sich das erste Mal getroffen hat.

Einzelne oder mehrere Szenen der Rückblenden decken gleich zwei Effekte ab: Erstens erfahren die Gruppenmitglieder organisch mehr über ihr Gegenüber und lernen sich besser kennen. Zweitens wird Spielenden ermöglicht, sich Gedanken über Herkunft und prägende Ereignisse im Leben zu machen. Das führt im Idealfall dazu, dass die eigene Persona an Tiefe und Detail gewinnt. Um alle am Tisch miteinzubeziehen, können gewisse NSC-Charaktere zeitweise mit kurzen Beschreibungen an andere Spielende gegeben werden. So wird aus dem Zuhören schnell ein Interagieren und Spaß haben.

Je nach Situation bietet sich Gelegenheit für dramatische Enthüllungen und Rollenspiel. War ein*e Kleriker*in beispielsweise unter kriminellen Gestalten aufgewachsen? Wie fand sie den Weg zu ihrer Gottheit, und war dafür der Bruch mit alten Bekannten nötig? Wie verlief die erste Expedition des*der Forscher*in? Welche Geheimnisse fand er*sie in den Katakomben, die lieber unentdeckt geblieben wären? Stammt der*die Runner*in womöglich aus reichem Hause? Und sind die Missionen Teil einer Selbstfindung statt zum materiellen Gewinn? Erneut gilt die Devise: Macht, was euch Spaß macht.

Downtime – Ich habe noch andere Dinge zu tun

Wenn es keine akute Gefahr gibt und ohne den fehlenden Charakter tatsächlich die Handlung nicht fortschreiten kann, bleibt immer noch die „Downtime“. Damit ist in Systemen wie Dungeons & Dragons die Zeit gemeint, in der Charaktere anderen Aktivitäten nachgehen können. Es beinhaltet unter anderem Recherche zu Themen, das Studium, den Bau von magischen Objekten oder das Ausüben der eigenen Profession. Ein*e Bard*in könnte sich beispielsweise an neuen Stücken vor frischem Publikum versuchen, während handwerklich begabte Charaktere ihre Rüstung reparieren oder ergänzen. Hier lassen sich ebenfalls episodisch kleinere Szenen zusammenfügen, die zu einem unterhaltsamen Abend führen. Wichtig ist vor dem nächsten Treffen allerdings, dass der ausgefallene Charakter in dieser Zeit ebenfalls Dinge erledigen konnte. Hierzu sollte die Spielleitung zwischen den Sitzungen der Person Gelegenheit geben, sich etwas zu überlegen. Danach können alle beim neuen Termin auf dem gleichen Stand starten.

In der Pause haben die Charaktere endlich Zeit, ihr handwerkliches Talent zu üben. ©depositphotos, sanse293

Fazit: Jede Menge Möglichkeiten trotz Absagen

Die oben aufgeführten Beispiele sollen vor allem eines verdeutlichen: Auch bei kurzfristigen Absagen ist das kein Grund, nicht doch etwas Rollenspiel am Abend zu erleben. Spielleitungen haben eine Reihe an Möglichkeiten, Nebenplots spontan in die Handlung einzubauen. Sie können ebenso die Erzählung pausieren, um in Träumen oder Rückblenden den einzelnen Charakteren mehr Fokus auf ihre Erzählung zu geben. Wichtig ist, dass die Gruppe sich möglichst im Vorfeld austauscht, welche Alternativen gewollt und möglich sind.

 

Titelbild: ©depositphotos, iuricazac
Artikelbilder: wie gekennzeichnet
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Rick Davids

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