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Alles, was man für Pen-and-Paper-Rollenspiele braucht, sind Stift, Papier und meistens Würfel. Und eine Gruppe zum Spielen. Nur gemeinsam kann man sich den Gefahren der Spielwelt stellen. Doch, was wenn man mal niemanden zum Spielen hat? Hier sind ein paar Ideen für Solo-Abenteuer.

Wer schon einmal Teil einer Rollenspielgruppe war, weiß: In der Realität ist es oft schwierig, regelmäßig mit einer Gruppe zu spielen. Alle haben einen vollen Terminkalender oder einer Person kommt ganz spontan etwas dazwischen. So kann es passieren, dass man am geplanten Termin irgendwann ganz alleine am Tisch sitzt und sich fragt, wo denn alle geblieben sind.

Doch auch wenn die Rollenspielrunde mal ins Wasser fällt, muss man nicht unbedingt aufs Rollenspielen verzichten, denn das kann auch allein ganz gut klappen. Es gibt mittlerweile viele Pen-and-Paper-Spiele, die dafür konzipiert wurden, allein gespielt zu werden. Schließlich macht das nicht nur Spaß, wenn die Mitspieler*innen einen versetzt haben – Solo-RPGs sind auch so eine tolle Beschäftigung. Man erschafft sich einen oder mehrere Charaktere und schickt diese dann auf eine Reise durch die Spielwelt. Wie die Spielmechaniken funktionieren, unterscheidet sich je nach System. Dabei gibt es, wie auch bei normalen Rollenspielen, Systeme, die mehr Wert auf die Geschichte legen. Andere hingegen sind eher strategisch ausgerichtet. Im Folgenden soll es um verschiedene Arten von Solo-RPGs gehen, die alle mit Stift und Papier gespielt werden können. Videospiele, die natürlich auch Solo-RPGs sein können, wie zum Beispiel Skyrim oder Baldur’s Gate 3, fallen somit raus.

Triggerwarnungen

Keine typischen Trigger.

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Tagebuch-Rollenspiele – Kreatives Schreiben mit Zufallselementen

Journaling-RPGs setzen als Hauptmechanik auf kreatives Schreiben. © Depositphotos | PixelsAway

Beim Rollenspiel in der Gruppe ist Kommunikation das Allerwichtigste, denn nur durch das Sprechen miteinander kann die gemeinsame Geschichte überhaupt entstehen. Wenn man allein spielt, will man aber nicht die ganze Zeit mit sich selbst reden. Deshalb setzen viele Pen-and-Paper-Spiele auf Journaling beziehungsweise Tagebuchschreiben, als Methode, um eine Geschichte zu entwickeln. Dazu versetzt man sich in die Lage eines Charakters. Das kann ein uralter Vampir sein, eine Krähe oder ein*e Astronaut*in. Aus dieser Sicht verfasst man dann Tagebucheinträge und erlebt eine eigene Geschichte.

Das klingt erstmal nach kreativem Schreiben und ist es natürlich auch. Aber das an sich ist ja noch kein Rollenspiel in unserem Sinne. Dazu braucht es Spielmechaniken, die einen gewissen Einfluss auf die Handlung haben und zum Beispiel über Erfolg und Misserfolg einer Aktion entscheiden.

Eine wichtige Spielmechanik in Journaling-RPGs ist oft das Generieren von zufälligen Ereignissen und damit Schreibanstößen. Viele Systeme haben dafür Zufallstabellen zum Beispiel für Orte, Menschen, Gegner*innen oder Gegenstände. Wenn es gefordert wird, macht man einen Würfelwurf auf diese Tabellen. Dann sucht man die Tabellenzeile mit dem Ergebnis des Wurfes und liest das dazu passende Ereignis ab. Dadurch ergibt sich die nächste Begegnung, über die man einen Eintrag verfasst. Begegnungen können Kämpfe sein, freundlich gesinnte NSCs oder auch Möglichkeiten zum Handel. Manche Systeme erfordern das Auflösen dieser Begegnungen, was meistens durch einen weiteren Wurf geschieht, der wie ein Fähigkeiten-Check in anderen Rollenspielen funktioniert.

Zufallstabellen sind deshalb in Solo-RPGs so wichtig, da sie das sind, was einer Spielleitung am nächsten kommt. Solo-RPGs haben in der Regel keine vorbereitete Handlung, abgesehen von Choose Your Own Adventure-Büchern. Aber auch Solo-Spieler*innen wollen von der Handlung überrascht werden, weswegen es eine Instanz braucht, die neue Anstöße gibt und den Plot weiterführt. In den meisten Fällen sind das die Zufallstabellen. Natürlich ist die Spielleitung in Gruppenrollenspielen mehr als nur eine plotgenerierende Maschine – sie beschreibt Szenen, übernimmt die Rollen von NSCs und hat eine moderierende Funktion. All das sind Dinge, die man als Solo-Spieler*in allerdings auch noch ganz gut selbst in die Hand nehmen kann. Sich selbst mit einem spannenden Plot zu überraschen, ist dann doch etwas schwieriger.

Kämpfe sind in Journaling-RPGs, wenn sie denn überhaupt eine Rolle spielen, oft regelarm, basieren aber wie in klassischen Rollenspielen meistens auf Fähigkeiten-Checks des eigenen Charakters. Ausgeschmückt und damit erinnerungswürdig wird der Kampf aber erst auf dem Papier, also durch das Aufschreiben.

In Alone Among The Stars erforscht man als Astronaut*in unbekannte Welten. © Depositphotos | lurii

Journaling-RPGs gibt es in vielen Facetten. In Alone Among the Stars versetzt man sich in die Rolle einer*eines Weltraumreisenden und verfasst jeden Tag einen Eintrag über eine neue Entdeckung auf einem unbekannten Planeten. Die Regeln sind minimalistisch und alles, was einem durch Würfelwerfen und Kartenziehen vorgegeben wird, sind der Ort der Entdeckung, die genaue Art – ob Tier, Pflanze, Ruinen oder Lebewesen – und ob der Weg dorthin schwierig oder einfach war. Alles andere kann man sich selbst ausdenken. Das kann mitunter richtig meditativ werden.

Ein anderes Beispiel ist Thousand Year Old Vampire von Tim Hutchings. Hier spielt man einen 1000 Jahre alten Vampir, der langsam an der eigenen unsterblichen Existenz zu Grunde geht. Die Schreibanstöße sind sehr präzise Fragen zu bestimmten Ereignissen im Leben des Vampirs. Außerdem kann man sich entscheiden, ob man die Fragen in Tagebucheinträgen beantwortet oder nur abhakt. Auf beide Arten entsteht nach und nach ein einprägsamer Charakter.

Be Like a Crow setzt, im Gegensatz zu den beiden vorherigen Beispielen, auf einen Charakter mit Werten in bestimmten Fähigkeiten. Diese kommen bei vielen Aufgaben zum Einsatz, unter anderem auch beim Kampf. In dem Sinne ähnelt es zwar am meisten Gruppenrollenspielen, aber trotzdem sind die Spielmechaniken nicht überladen und lassen viel Raum zum Schreiben einer eigenen Geschichte.

Strategiespiele – Solo Dungeon Crawls und Aufbauspiele

Neben Journaling-RPGs gibt es auch Solo-Spiele, bei denen taktisches Vorgehen mehr im Vordergrund steht und die Spielmechaniken eine größere Rolle spielen als das kreative Schreiben. Trotzdem sind auch dabei Zufallstabellen oft ein wichtiger Faktor, denn auch hier werden Begegnungen oder Ressourcen zufällig generiert.

Auch allein kann man sich den Gefahren eines Dungeons stellen. © Depositphotos | firn

Eine Art des Solo-RPGs, die dem Gefühl eines Gruppenrollenspiels recht nahekommen kann, ist der Solo Dungeon Crawl. Dungeon Crawls sind für ein Solo-Spiel perfekt geeignet. Gruppenrollenspiele basieren häufig auf den von einer Spielleitung vorbereiteten Szenarien, und solche komplexen Geschichten lassen sich auch durch noch so viele Tabellen nicht unbedingt erschaffen. Dungeons sind allerdings aus sich heraus weniger komplex als andere Szenarien. Sie sind im Grunde nur ein paar zusammenhängende Räume mit diversen Gegner*innen und Fallen, was sich ziemlich gut über Zufallstabellen generieren lässt. Da fehlt zwar der erzählerische Gesamtzusammenhang, den ein Dungeon Crawl in einer Kampagne normalerweise hat. Spaß machen kann das trotzdem – vor allem, wenn man einfach nur mal ein paar Monster verprügeln möchte.

Vier gegen die Finsternis ist ein Solo Dungeon Crawl. Der Dungeon wird mit einigen d6 und einer Flowchart zufällig ausgewürfelt und nach und nach auf einem Stück Papier aufgezeichnet. Die Solo-Spieler*innen kontrollieren dann insgesamt vier Charaktere, die verschiedene Klassen wie Schurke, Kleriker oder Barbar haben können. Diese vier Held*innen wandern von Raum zu Raum, sammeln Beute, besiegen Monster und steigen im Level auf. Wenn man Lust hat, kann man die etwas anspruchsvolleren Spielmechaniken mit Tagebucheinträgen kombinieren und eine Geschichte entwickeln.         

Erwähnenswert sind auch Pen-and-Paper-Aufbauspiele, die man solo spielen kann. Bei diesen geht das Rollenspiel-Element mitunter etwas verloren, denn es steht nicht mehr das Spielen eines Charakters im Vordergrund, sondern das Aufbauen. In d666 wird man zum Dämon und muss eine ganz eigene Hölle bauen, mit Foltergeräten ausstatten und Seelen einfangen. In Penciltown! baut man in einem Fantasy-Setting eine Stadt auf. Durch zufällige Ereignisse, die erwürfelt werden, entsteht eine komplette Story. Auch wenn es in Penciltown! viel um Ressourcenmanagement geht, kommen trotzdem solche Spieler*innen nicht zu kurz, die auf der Suche nach einer spannenden Geschichte sind.

Spielbücher – Ein Buch, viele Enden

Manche Entscheidungen können ins Verderben führen. © Depositphotos | alphaspirit

Neben Systemen, die versuchen, so viel Freiraum zu bieten wie ein Gruppenrollenspiel, gibt es auch einen ganz anderen Ansatz: Solo-RPGs, die aufgebaut sind wie Choose Your Own Adventure-Bücher. Dabei erstellt man am Anfang einen eigenen Charakter und liest dann abschnittweise im Buch. Am Ende jedes Abschnitts erwartet einen eine Entscheidung oder eine Aktion, die durch einen Würfelwurf entschieden werden muss. Je nach Erfolg oder Misserfolg liest man dann eine andere Passage im Buch, die die Handlung weiterführt. So funktioniert zum Beispiel das Spielbuch OZ. Die Bücher Der Hexenmeister vom Flammenden Berg und Zauberakademie Siebenstern sind für Kinder geeignet. Wer sich allein dem lovecraft’schen Grauen stellen möchte, ist mit den Solo-RPGs von Call of Cthulhu gut beraten. Das erste Abenteuer Allein gegen die Flammen ist auf Englisch kostenlos bei Chaosium herunterladbar. Außerdem ist dieses Abenteuer ausgelegt für Call of Cthulhu-Neulinge und führt die Spieler*innen Schritt für Schritt durch die Charaktererschaffung.

Spielbücher sind, was die kreativen Möglichkeiten der Spieler*innen angeht, eher begrenzt. Zwar müssen ab und zu Entscheidungen getroffen werden, aber es gibt nur eine bestimmte Anzahl an Enden, die zu erreichen sind. Dadurch entsteht eine wesentlich linearere Erfahrung als bei anderen Rollenspielen. Gleichzeitig sind Spielbücher die Art von Solo-Abenteuer, die am wenigsten Aufwand für den*die Spieler*in bedeuten.

Zusammenfassung

Es braucht nicht immer eine Rollenspielgruppe, um Spaß beim Rollenspiel zu haben. Es gibt viele Möglichkeiten, auch ganz allein eine spannende Geschichte zu erleben. Das spielleitungslose Spiel ist eventuell erst etwas ungewohnt, doch dafür sind Solo-Regelwerke da. Sie nehmen Spieler*innen an die Hand und bieten einen Rahmen, in dem ein Spiel auch ohne Leitung funktionieren kann. Häufig sind Solo-RPGs schreibbasiert, da das Aufschreiben von Situationen, die sonst nur im Kopf stattfinden, hilfreich ist. Dadurch werden die Geschichten erst richtig lebendig.

Andere Systeme legen den Fokus eher auf die Mechaniken und bringen damit eine große Portion Strategie ins Solo-Spiel mit ein. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass es keine Story in diesen Spielen gibt. Das Schöne ist: Wie viel Story man sich dazu ausdenken möchte, ist einem ganz selbst überlassen. Die Variante, die am schnellsten geht und mit am wenigsten Aufwand für den*die Solo-Spieler*in verbunden ist, ist das Spielbuch. Es gibt also diverse Möglichkeiten, auch alleine ein Rollenspiel zu genießen.

 

Artikelbilder: ©Titelbild: Depositphotos | EstherDerksen, Bilder im Artikel: © wie angegeben
Layout und Satz: Andreas Hübner
Lektorat: Alexa Kasparek

 

Über die Autorin

Rebecca HaardtRebecca liebt alles, was mit Science-Fiction oder Horror zu tun hat, seien es Filme, Videospiele oder Romane. Deshalb studiert sie momentan Medienwissenschaft, um irgendwann ihr Hobby zum Beruf zu machen. Erst vor ein paar Jahren hat sie Pen-and-Paper-Spiele für sich entdeckt. Wenn sie mal nicht die Vergessenen Reiche durchstreift, geht sie auf der Alster segeln.

1 Kommentar

  1. Spannendes Thema, Solo-Abenteuer stehen schon länger auf meiner To-do-Liste, bin aber nie dazu gekommen, mich Mal für eines zu entscheiden. Meistens ist es so, dass sich ein Rollenspiel gut für mich anhört, weil ich mir gut eine Gruppe in dieser Welt vorstellen kann, fürs alleine spielen, müsste ich mir wirklich gezielt etwas suchen.

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