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von Tim Schwei­zer

Der dritte Teil des Splitterdämmerungs-Zyklus dreht sich um den Verbleib des Nagrach-Splitters und das Schicksal der Eishexe Glorana. Dementsprechend verschlägt es die Charaktere im Laufe der Kampagne bis in den eisigen Norden des Kontinents. Der Band ist ausdrücklich für gestandene Recken konzipiert und sollte auch wirklich nur von diesen in Angriff genommen werden. Entgegen der Angabe auf dem Buchrücken empfehle ich zudem, nur erfahrene Meister mit der Leitung des Abenteuers zu betrauen. Der zweigeteilte Aufbau mit zwei parallelen – sehr unterschiedlichen – Heldengruppen, deren Taten aufeinander Einfluss nehmen, stellt die Fähigkeiten des Spielleiters nämlich durchaus auf die Probe. Außerdem ist, je nach Ausgestaltung der Überlandreisen, unter Umständen noch einiges an Eigenleistung notwendig.

In der Kampagne wird immer wieder auf zahlreiche andere Publikationen verwiesen; vor allem auf die Regionalbände Im Reich des Roten Mondes und Im Bann des Nordlichts. Die Kenntnis dieser Bücher wird zwar als optional gekennzeichnet, für eine ordentliche Vorbereitung sind sie jedoch fast unerlässlich. Das sollte man wissen, wenn man sich als Spielleiter an die Planung von Firuns Flüstern macht.

Da im Verlauf des Abenteuers zahlreiche kleinere und größere Schlachten zu schlagen sind, werden ausdrücklich kampfstarke profane oder karmale Charaktere empfohlen; aber auch gute Zauberer können sich als durchaus nützlich erweisen und ein Wildniskundiger kann ebenfalls nicht schaden.

Vom Führen reiner Gesellschafts-Charaktere rät Autor Jens Ullrich hingegen fairerweise eindeutig ab. Eine kleine Orksippe wird exemplarisch im zweiten Teil vorgestellt, deren Angehörige als Archetypen verwendet werden können. Es steht den Spielern aber frei, hier auch eigene Schwarzpelze oder andere Exoten ins Feld zu führen.

Details zu den Orks, die doch ein wenig anders als in den meisten Fantasy-Settings sind, findet ihr in der Wiki Aventurica

Inhalt

Wie oben bereits angedeutet, wird in diesem Band ein interessanter Weg beschritten: Neben den (mehr oder minder) strahlenden Helden dürfen die Spieler auch noch in die Rolle einer orkischen Themengruppe schlüpfen. Abwechselnd gilt es, die Handlungen beider Gemeinschaften zu durchleben, deren Entscheidungen, Erfolge und Misserfolge sich gegenseitig beeinflussen. Aufgrund dieser erfrischenden und mutigen Herangehensweise ist der Ablauf der Kampagne nicht chronologisch beschrieben, sondern in zwei Teile gegliedert – der Übersichtlichkeit halber.

Die Interaktion der beiden Geschichten ist dabei allerdings nicht wirklich glücklich gelöst. So kommt es vor, dass ein besonders positives Ergebnis der Orkgruppe dazu führt, dass die „normale“ Gruppe es besonders schwer hat, in ihrer Geschichte einen bestimmten Erfolg zu erringen. Das rückt zwar die Konsequenzen des eigenen Handelns in ein neues Licht und unterstreicht die Unterschiedlichkeit der Kulturen, ist spielmechanisch gesprochen aber äußerst frustrierend. Dass die beiden Handlungsstränge untereinander verzahnt sind, ist ein tolles Feature, ein Erfolg sollte dennoch ein Erfolg sein und bleiben!

Am Ende eines Kapitels findet sichdann auch jeweils ein kurzer Hinweis, welcher Stand in der Handlung erreicht sein sollte, um mit dem Parallelstrang fortzufahren. Daneben werden immer wieder Infokästen in den Text eingestreut, in denen unterschiedliche Themen kompakt und übersichtlich vertieft werden. Sehr schön, und ebenfalls in Kästen präsentiert, sind auch die Möglichkeiten, die Schwierigkeit einzelner Abschnitte zu erhöhen oder zu vermindern. Somit können diese an die Fähigkeiten der Gruppe angepasst werden.

Unerfreulich fallen im gesamten Band dagegen immer wieder kleinere und größere Widersprüche und Ungereimtheiten auf. Obwohl gleich von zwei Personen lektoriert, sind doch etliche Fehler schon auf den ersten Blick ersichtlich, anderen ist Nandurion auf die Schliche gekommen.

Insbesondere den Spielwerten fehlen manchmal einzelne Buchstaben und Zahlen, und sie glänzen durch einheitliche Uneinheitlichkeit. Manches muss vermutlich aber auch dem Satz angelastet werden. Rechtschreibfehler sind dagegen selten und Jens Ullrichs Schreibstil ist stellenweise als fulminant zu bezeichnen. Als wirklich ärgerlich empfand ich jedoch, dass sich das Abenteuer viel zu oft und ausführlich selbst zitiert, statt mit simplen Seitenverweisen zu arbeiten.

Die Menschengruppe – altbewährtes, altbekanntes

Los geht es in einem mittelgroßen Weiler im Hinterland Greifenfurts, an der Grenze zu Weiden (oder umgekehrt, das wird leider nicht ganz klar). Das Örtchen Waldrast bezieht seine Bedeutung vor allem aus der Nähe zur Festung Emmeranstreu, einer Ordensburg des Rondra-Glaubens. Hier gilt es zunächst, einem archaischen Orkenkult auf die Schliche zu komme. Das hat zwar nichts mit der eigentlichen Geschichte zu tun, sondern dient lediglich der Verschachtelung der Handlungsstränge, aber sei’s drum – unterhaltsam ist der Einstieg ins Abenteuer allemal.

Richtig großartig ist dann die Verteidigung der Feste gegen einen orkischen Überraschungsangriff; eine äußerst detailliert geskriptete Schlacht. Das muss man selbstverständlich nicht mögen, die Illusion der Einflussnahme durch die Spielercharaktere ist hier aber meiner Ansicht nach sehr gut gelungen. Mir ist bewusst, dass die Meinungen dazu stark auseinander gehen dürften. Ich persönlich empfinde dieses Kapitel als das Gelungenste des gesamten ersten Abschnitts (besser wird dieser Handlungsstrang nämlich leider nicht mehr). Auf dem Höhepunkt der Schlacht, die vor den Mauern der Ordensburg ausgetragen wird, brechen im Inneren der Festung zumal plötzlich zahlreiche Feuer aus, was die Dramaturgie abermals erhöht.

Die Hintermänner des Anschlags und die Verräter in den eigenen Reihen gilt es im Folgenden ausfindig zu machen. Eigentlich ein toller Detektiv-Plot, der aber leider halbwegs langweilig umgesetzt wurde. Zudem hat weder das bisherige Tun, noch die folgende Suche nach dem Pfeil des Mikail – einer heiligen Reliquie des Jagdgottes Firun – einen Einfluss auf das Finale des Abenteuers. Wenn die Helden sich nicht darum kümmern, so tut es halt ein Anderer. Das sind doch sehr eingefahrene Schienen, auf denen man sich hier bewegt. Lediglich die Pfeilspitze müssen die Helden noch selbst einem Monstrum entreißen (oder, viel interessanter: abschwatzen).

Auch das Finale im eisigen Norden und im Eispalast der Heptarchin Gloranas überzeugt eigentlich nur durch seine brutal schweren Kämpfe. Der Dungeon ist zwar schön beschrieben und interessant gestaltet, ist in seiner Funktion für das Spiel aber nicht wirklich durchdacht und kann sein Potential daher nicht entfalten. Der Endkampf gegen die Eishexe beinhaltet neben brachialen Gegnern kaum interessante Spielmechaniken. Glorana selbst ist übrigens aufgrund ihrer fortgeschrittenen Verdammnis kaum zu einer sinnvollen Aktion fähig, sondern lässt ihre Kreaturen für sich kämpfen. Dafür hat sie sich aber einen perfiden Plan einfallen lassen, der ihr das Überleben sichern soll und letztlich dazu führt, dass die (menschlichen) Spielercharaktere des Splitters des Nagrach gar nicht habhaft werden können. Als Ausgleich gibt es nach dem Sieg dann zumindest noch einen amüsanten Auftritt eines kleptomanisch veranlagten Drachen und die Überschüttung der Helden mit Ruhm, Ehre und schnödem Gold. Das Schicksal Thesias von Ilmenstein bleibt leider unerwähnt.

Die Orkgruppe – andere Sippen, andere Sitten

Wie der erste Handlungsstrang beginnt auch dieser sehr stark: Die Gruppe findet sich in einem Lager im Orkland wieder und hat hier zunächst einmal Gelegenheit, sich an die neuen (und möglicherweise eher fremden) Charaktere und deren Lebensweise zu gewöhnen. Hier kann erkundet, ausprobiert und ausgiebig dem Rollenspiel gefrönt werden. Während die Häuptlinge des Stammes die Entscheidung verkünden, einen Kriegszug gegen die Menschen zu führen, tritt zum ersten Mal Riul’Ta, ein Abgesandter der Schurachai (weißbepelzte Orks des hohen Nordens) in Aktion: „Die weiße Hexe im Eis muss sterben“, verkündet er seine von Firun gesandte Botschaft, stößt damit aber zu diesem Zeitpunkt auf taube Ohren. Stattdessen bereiten sich die Sippen auf den Zug gen Osten vor.

Für die Heldengruppe bietet das Buch auf der nun folgenden Reise einige interessante Begegnungen an, die zudem die Ausrüstung der Charaktere zu verbessern helfen. Gleichzeitig werden spielerisch weitere Facetten der orkischen Kultur präsentiert und erste Hintergründe des überraschenden Überfalls auf Emmeranstreu angedeutet. Dieser Perspektivwechsel ist eine geradezu brillante Idee von hohem Unterhaltungswert, gelingt aber auch nur an dieser Stelle wirklich überzeugend. Die Schlacht gegen die Rondrianer kann dann – wie auch vorgeschlagen – kurz erzählerisch abgehandelt werden; den Ausgang kennt man ja bereits aus Sicht der Gegenseite.

Nachdem der Angriff der Orks zurückgeschlagen wurde und einer (in mehrfacher Hinsicht) sehr ärgerlichen Begegnung mit einem Einhorn, kehrt das geschlagene Heer in sein Stammland zurück. Hier werden Wunden geleckt und unter Umständen wird auch dem Oberork Aikar Brazoragh höchstpersönlich ein Besuch abgestattet. Schließlich entscheidet man sich doch noch, in Gloranas Eisreich einzudringen, um der Hexe den Garaus auszumachen, wie von Riul’Ta gefordert. Es geht also ein weiteres Mal auf Reisen, dieses Mal gewürzt mit eher mystischen Erfahrungen und einem Hauch von Völkerverständigung. Bei aller Liebe für phantastische (böse Zungen mögen behaupten: absurde) Geschichten, erscheint mir die Darstellung der Tierkönigin Larka dann doch über das Ziel hinaus geschossen. Ganz handfest kann dagegen unterwegs, wie es sich für gute Orks gehört, eine halbe Stadt in Schutt und Asche gelegt werden.

Auch die verbliebenen Hindernisse auf dem Weg zum großen Endkampf können rasch beseitigt werden und die Orkgruppe kann mit dem übrigen Heer in Gloranas Eispalast eindringen. Dort kann man die Spieler zwar noch mit allerlei frostigen Ungetümen ärgern, eigentlich spielt das aber keine Rolle mehr, denn die Parallelgruppe ist ja bereits dabei, den Sieg zu erringen. Der Nagrach-Splitter kann anschließend gesichert und dem Aikar übergeben werden. Eine Belohnung gibt es selbstverständlich auch noch, nichtsdestotrotz fühlt sich das Finale irgendwie unbefriedigend an. Dennoch ist die Orkkampagne der bessere Teil des Buches.

Preis-/Leistungsverhältnis

Mit knapp 25 EUR für (im Prinzip) zwei eigenständige Kampagnen auf 166 Seiten ist Firuns Flüstern – für DSA-Verhältnisse – geradezu ein Schnäppchen! Der Preis für das PDF erscheint mir dagegen zu hoch. Wer allerdings an einer der beiden Geschichten keinen Spaß hat und nur einem Handlungsstrang folgt, muss sich bewusst sein, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis darunter deutlich leidet.

Erscheinungsbild

Firuns Flüstern DSA CoverDas PDF ist gut lesbar und mit Lesezeichen versehen. Einen Index gibt es nicht, der Band ist aber gut strukturiert und damit handhabbar. Handouts sind als Kopier- oder Ausdruckvorlagen hinten im Buch vorhanden. Lektorat und Satz fallen des Öfteren negativ auf.

Das Spiel wird durch einige Karten unterstützt; insbesondere Steffen Brands Stadtkarten sind sehr schön. Leider fehlt eine grobe Übersicht über den gesamten Handlungsverlauf – räumlich wie zeitlich. Dafür verfügt das Buch über allerlei Illustrationen, die allerdings oft mit eher grober Feder gezeichnet und mit Computereffekten versehen wurden.

Mein Fall ist das nicht unbedingt, hässlich sind sie aber auf keinen Fall und passen stilistisch auch gut zusammen. Die Bildunterschriften sind jedoch nicht immer ganz glücklich gewählt, beziehungsweise schlicht falsch. Das Coverbild von Fabrice Weiß ist gut gelungen, auch wenn mir die dargestellten Orks etwas grünstichig vorkommen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Ulisses Medien & Spiel Dis­tri­bu­tion GmbH
  • Autor(en): Jens Ullrich
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: deutsch
  • Format: DIN A4 Hardcover, PDF
  • Seitenanzahl: 166
  • ISBN: 978-3-86889-799-9
  • Preis: 24,95 EUR (Druck), 18,99 EUR (Digital)
  • Bezugsquelle: Amazon (Druck), Ulisses-Ebooks (PDF), Sphärenmeisters Spiele (Druck)

 

Bonus/Downloadcontent

Keiner.

Fazit

Die Idee der parallelen Handlungen ist wirklich innovativ, hätte aber besser umgesetzt werden müssen: Die Verzahnung ist nicht überzeugend, an manchen Stellen deutlich den Spielspaß einschränkend. Zudem besteht die Hälfte des Abenteuers aus, für den eigentlichen Plot, unnötigem Vorgeplänkel – ärgerlicherweise ist dieser Teil des Buches aber der handwerklich und inhaltlich bessere. Die zahlreichen Ungereimtheiten des Bandes entwerten diesen ebenso wie auch andere kleine Fehler, zum Beispiel bei den Zahlenwerten. Die Ausstattung dagegen ist in Ordnung und Jens Ullrichs Schreibstil gefällt mir ausgesprochen gut.

Das Highlight von Firuns Flüstern ist seine liebevolle und plastische Beschäftigung mit der orkischen Kultur; das ist für einen Abenteuerband aber an sich zu wenig. Der Teil im eisigen Norden (der eigentliche Hauptteil also) dagegen entzaubert leider auf breiter Linie: Das Finale besteht aus ziemlich stumpfem Gekloppe und die Auflösung ist für alle beteiligten Seiten halbwegs unbefriedigend.

Auf dem Weg dorthin spielen zudem viele Entscheidungen der Spieler gar keine wirkliche Rolle und die Schienen sind teils zu offensichtlich. Auch wenn das Abenteuer viele Spielstunden Beschäftigung anbietet ist es, Alles in Allem, leider nur schwaches Mittelmaß, wenn auch in anderen Punkten wiederum überzeugend.

Daumen3maennlich

Über den Autor

tim_schweizer_small_profileTim, ein wasch­ech­ter Ber­li­ner, spielt seit 20 Jah­ren bereits DSA. Er hat immer mal wie­der in andere Sys­teme hin­ein­ge­schnup­pert, kehrte aber letzt­end­lich zu sei­nem alten Ste­cken­pferd zurück. In sei­ner Frei­zeit wid­met er sich außer DSA noch dem Bema­len von Minia­tu­ren und dem Ver­fas­sen von Lyrik und Prosa. Tim unter­stützt teilzeithelden.de als freier Redak­teur im Bereich DSA.   

 

 

 

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Arti­kel­bil­der: Ulis­ses Spiele GmbH

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