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Ein Sheriff, ein Kleptomane und eine ehemalige Anwältin sind nicht der Anfang eines Witzes, sondern die Hauptfiguren in Brandon Sandersons neuem Roman Schatten über Elantel. Gemeinsam jagen die drei einen Serienmörder, der die ganze Stadt ins Chaos stürzen will. Aber wie gut vertragen sich Magie und Mörderjagd?

Viele Romane der Phantastik spielen in Welten auf einem eher mittelalterlichen Technologieniveau. Hin und wieder kommt jedoch ein Buch vor, das eine ganz andere, unerwartete Zeit als Vorlage benutzt. Ein solcher Fall ist Schatten über Elantel, das Elemente des frühen 20. Jahrhunderts mit Magie und einem Sheriff kombiniert.

Story

Waxillium Ladrian, genannt Wax, stammt aus einer der besten Familien Elantels, fühlt sich jedoch in seiner eigenen Schicht nicht wohl. Mittlerweile ist er besonderer Ermittler für die Polizei der Stadt Elantel, wo er sich benimmt wie der Sheriff im Rauland, der er mal war. Was mit der Jagd nach einem Bankräuber beginnt, wird schnell zur Verfolgung eines Serienmörders.

Unterstützung bekommt Wax dabei von Wayne und Marasi. Wayne ist Wax‘ kleptomanischer bester Kumpel mit überaus schlechten Manieren, der sich nicht scheut, hin und wieder Leuten eine reinzuhauen und seine Persönlichkeit scheinbar mit dem Wechsel seines Hutes verändern kann (aber letztlich nur ein sehr guter Schauspieler ist). Marasi ist die jüngere Schwester von Wax‘ Verlobter, eventuell in diesen verliebt, ehemals Rechtsanwältin und jetzt Assistentin des Polizeichefs. Außerdem ringt sie mit dem Problem als Aufsteigerin abseits der üblichen Hierarchie von vielen Polizisten abgelehnt und aufgrund ihres Geschlechts von Wax nicht immer ganz ernst genommen zu werden.

Alle drei sind außerdem Allomanten, was bedeutet, sie haben magische Fähigkeiten, die darauf basieren, Metall im Körper zu verbrennen und die Kräfte daraus zu nutzen. Welche Fähigkeiten jeder Allomant genau hat, ist individuell unterschiedlich. Um die allomantischen Kräfte zu nutzen, muss dem Körper das entsprechende Metall zugeführt werden, was beispielsweise bedeuten kann, hin und wieder einen Whiskey mit Metallspänen zu trinken.

Wax und Wayne haben ausgeprägte Fähigkeiten der Allomantie. Wayne kann Zeitblasen erschaffen, die die Zeit um ihn herum schneller ablaufen lassen und Wax ist es möglich, Gewicht zu erhöhen oder zu reduzieren und sich von Metall abzustoßen, was ihn auch flugähnlich durch die Luft springen lassen kann. Marasis allomantische Kräfte sind nur sehr schwach ausgeprägt, dafür hat sie einen überaus scharfen Verstand, erkennt Zusammenhänge und außerdem legt sie das zwischenmenschliche Feingefühl an den Tag, an dem es den beiden Männern immer wieder mangelt.

Die drei Ermittler stellen zu ihrem eigenen Schrecken schnell fest, dass sie es nicht nur mit einem Serienmörder zu tun haben, sondern mit jemandem, der sich mit der Kunst der Hämalurgie beschäftigt, der Kunst, allomantische Fähigkeiten zu stehlen oder diese jemandem zu geben, der bisher keine hatte. Außerdem versucht der Unbekannte offenbar die Stadt ins Chaos zu stürzen, denn Arbeiter streiken, Lebensmittel werden knapp und verschiedene Gruppen werden gegeneinander aufgehetzt. Es gibt viel zu tun für die drei.

Schreibstil

Im Fokus der Erzählung stehen ganz klar die drei Hauptcharaktere, deren Gefühle, Gedanken und Ermittlungsschritte aus der Sicht eines außenstehenden Erzählers präsentiert werden. Wax und Wayne scheinen aus einem Western zu stammen, Wax wird hin und wieder Sheriff genannt und wurde auf dem Meet&Greet auf der Leipziger Buchmesse vom Autor selbst als „grizzled cowboy“ im Stil von Clint Eastwood charakterisiert. Wayne gehört ebenfalls in das Westerngenre als Wax‘ Deputysheriff und seine ständigen „Tauschgeschäfte“, wie er seine Diebstähle nennt, und seine Liebe zu Hüten geben der Figur eine ganz eigene, humorvolle Note. Marasi bleibt daneben leider etwas sehr auf ihre unklaren Gefühle und ihren brillanten Verstand begrenzt. Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass sie an einigen Stellen über diese Aspekte hinauswächst.

Schatten über Elantel führt die Leser zurück in die Welt der Nebelgeborenen, neben den Sturmlicht-Chroniken die zweite große Serie von Brandon Sanderson. Dabei macht der Autor geschickt einen Zeitsprung von mehreren Jahrhunderten, so dass die Kenntnis der ersten Trilogie nicht notwendig sein sollte. Bedauerlicherweise ist ihm dies jedoch gerade in Bezug auf die Figuren nicht gelungen. Schatten über Elantel soll der erste Band einer neuen Trilogie sein, fühlt sich jedoch beim Lesen immer wieder an wie ein zweiter Band. Die Welt mitsamt des Magiesystems wird wenig erklärt, was bereits etwas störend sein kann. Deutlich stärker fällt es beim Lesen jedoch auf, wenn auf die gemeinsame Vergangenheit der drei Hauptcharaktere Bezug genommen wird. Besonders Wax‘ Trauma, seine frühere Geliebte versehentlich erschossen zu haben, was verständlicherweise überaus prägend für ihn ist, wird immer wieder angerissen, bleibt jedoch in der Vergangenheit, so dass sich der Leser etliche Details selbst erschließen muss. Abhilfe sollte hier die Lektüre von Jäger der Macht schaffen können. Dieses Buch war eigentlich eher eine Schreibübung des Autors, steht außerhalb einer richtigen Reihe, spielt jedoch vor Schatten über Elantel, führte die drei Hauptcharaktere bereits ein und behandelte auch Wax‘ Vergangenheit.

Mit dem bereits erwähnten Zeitsprung ist auch eine technologische Weiterentwicklung einhergegangen. Die Menschen verwenden Feuerwaffen, Automobile fahren auf den Straßen, Elantel wird von Straßenlaternen beleuchtet und die Armen schuften für einen Hungerlohn in den Fabriken. Es gelingt Sanderson überaus geschickt, Technik und Magie in seine Welt zu integrieren ohne dass diese als Konkurrenz zueinander gesehen werden oder in Konflikt geraten. Bedauerlicherweise müssen dabei Magie und Hintergrundwelt immer wieder etwas mehr hinter der Handlung zurückstehen als für Leser gut wäre, die die Nebelgeborenen nicht kennen.

Darüber hinaus liest sich der Roman gut und flüssig, die Jagd nach dem Serienmörder wird spannend erzählt und der brodelnde Hexenkessel einer Gesellschaft im Umbruch ist anschaulich greifbar.

Der Autor

Brandon Sanderson wurde 1975 in Lincoln, Nebraska geboren und ist zurzeit einer der Stars der englischsprachigen Phantastik. Er schreibt, seit er 15 Jahre alt ist, hatte jedoch ursprünglich angefangen, Biochemie zu studieren, was sich unter anderem in der metallbasierten Magie der Nebelgeborenen-Reihe zeigt. 2007 wurde er ausgesucht, die Rad der Zeit-Reihe von Robert Jordan fertig zu stellen, eine Aufgabe, vor der er nach eigenen Angaben größten Respekt hatte, ging es doch um eine seiner eigenen Lieblingsserien.

Bekannt ist Sanderson für die Serien Sturmlicht-Chroniken und die Trilogie der Nebelgeborenen, in deren Universum Schatten über Elantel den Beginn einer zweiten Trilogie darstellt.

Die Webseite von Brandon Sanderson findet ihr hier.

Erscheinungsbild

Auf dem schwarz gehaltenen Cover ist ein silbernes, von innen heraus leuchtendes Symbol zu sehen. Symbol und Schrift sind leicht erhaben und lackiert, was zwar sehr gut aussieht, jedoch keinen offensichtlichen Zusammenhang zum Inhalt des Romans hat. Der Einband selbst ist eine robuste Klappbroschur, wobei die Karte vorne im Einband aufgrund der Coverprägung leichte Unregelmäßigkeiten aufweist.

Mit über 500 Seiten ist Schatten über Elantel eine umfangreiche Lektüre, weshalb der Buchrücken nach ausgiebigem Lesen erste Verschleißerscheinungen aufweist, die jedoch alle im Rahmen des Üblichen für ein Buch dieses Umfangs sind.

Das Layout ist romantypisch schlicht, jedes Kapitel hat unter der Kapitelzahl eines der Metallsymbole, die im Glossar alle aufgeführt sind.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Piper
  • Autor: Brandon Sanderson
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Format: Broschur
  • Seitenanzahl: 528
  • ISBN: 978-3492704359
  • Preis: 16,99 EUR (Druck), 14,99 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Das Buch enthält hinten ein metallurgisches Kurzglossar und eine Abhandlung über die drei metallurgischen Künste, die jedoch von innerweltlichen Verfassern zu stammen scheinen, denn sie helfen dem Leser auch nur begrenzt dabei, die Hintergründe der Welt zu verstehen.

Dazu gibt es im Anhang und vorne und hinten im Einband Karten der Stadt Elantel selbst sowie von Elantel und Umgebung, die wiederum für das Verständnis nicht notwendig wären, aber durch die mit Kreuzen markierten Handlungsorte die Orientierung für die Krimihandlung ungemein erhöhen.

An einigen Stellen sind außerdem Seiten eingefügt, die aussehen wie Faksimiles von Zeitungen. Sie enthalten in mehreren Spalten Artikel aus Elantel über gesellschaftliche und andere Ereignisse, Teile einer Fortsetzungsgeschichte, Anzeigen und eine Karikatur. Der Inhalt der Zeitungsseiten steht am Rande immer mit dem Inhalt des Buches in Zusammenhang. Ein Beispiel ist die Anzeige für eine Operettenaufführung in einem Theater, das einige Seiten vorher im Text erwähnt wurde.

Fazit

Schatten über Elantel ist das fünfte Buch in der Nebelgeborenen-Reihe von Brandon Sanderson, worin für Fans der Serie sicher die größte Stärke und zugleich auch die größte Schwäche des Buchs liegen.

Schatten über Elantel präsentiert dem Leser eine tolle Welt, in der Magie ebenso normal ist wie Feuerwaffen, Dampfzüge und Straßenlaternen. Bedauerlicherweise muss man sich als Leser die Welt vorwiegend selbst erschließen, da sie für Neulinge in der Nebelgeborenen-Welt teilweise hinter der actionlastigen Story versteckt wird. Denn auch wenn die Story wichtiger sein soll als ausufernde Weltbeschreibungen, muss dem Leser wenigstens für das Verständnis ausreichend Information mit an die Hand gegeben werden. Besonders wenn es die Welt offensichtlich schafft, Magie und Technik harmonieren zu lassen und in eine Zeit einführt, die dem frühen 20. Jahrhundert ähnelt, wünscht man sich mehr Informationsmöglichkeiten.

Die eigentliche Story, die Serienmörderjagd, enthält alles, was eine entsprechende Geschichte enthalten sollte und es ist leicht, ein Gefühl für die Umbruchzeit in der Stadt zu entwickeln. Leider wird immer wieder auf die Vergangenheit der Hauptcharaktere Bezug genommen, besonders auf den erwähnten Tod der Geliebten, der jedoch im Buch nicht enthalten ist. Das fällt bedauerlich negativ auf, bei den ansonsten sympathischen und teilweise skurrilen Figuren.

Für Kenner und Freunde der Nebelgeborenen-Reihe ist dieses Buch nur zu empfehlen, wer sich jedoch damit nicht auskennt und keine Lust hat, sich in eine neue Fantasywelt einzufinden, für den ist Schatten über Elantel nicht die richtige Lektüre.

Mit Tendenz nach Oben

Artikelbild: Piper Fantasy
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

1 Kommentar

  1. Ich habe den Roman grade zu Ende gelesen (allerdings das Englische Original, nicht die Übersetzung) und fand ihn sehr spannend zu lesen. Wie auch die zwei Vorgängerromane leider nicht genauso episch wie die ursprüngliche Triologie.
    Daß die Vorgeschichte nicht nohcmal aufgerollt wird ist richtig.
    Da es inzwischen 5 Bände sind, die man erklären müsste bin ich aber ganz froh, daß man das nicht gemacht hat. Der Roman ist offensichtlich nicht dafür gedacht, um als „stand alone“ gelesen zu werden. Alleine das Magie-System ausreichend zu erklären hätte mehrere zusätzliche Kapitel benötigt, die Stammleser nur langweilen.

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