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Einen Abend LARP spielen, ohne große Vorbereitung? Keine Kostüme basteln, keinen Charakter ausdenken et cetera – alles wird gestellt. Unser Redakteur Alexander hat sich dieses Konzept einmal näher angeschaut. Ob er den Abend überlebt hat und ob er das Konzept weiterempfehlen kann, lest ihr hier.

Wir alle wissen, wieviel Spaß, aber auch wieviel Arbeit die Vorbereitung eines LARP-Charakters so machen kann. Da ist es notwendig, die Gewandung zu planen, zu nähen (oder teuer zu bezahlen), sich einen Namen und eine Hintergrundgeschichte auszudenken (die im schlimmsten und häufigsten Fall ohnehin keiner hören will) und so weiter und so fort. Was wäre also, wenn es einen Veranstalter gäbe, der kurze LARPs veranstalten würde, und dies alles mit übernimmt? In den modernen LARP-Trends treten geskriptete Rollen und sogar das Stellen von Ausrüstung, wie beim De la Bête oder dem Tales – Inside, um ein stimmigeres Bild gewährleisten zu können, immer häufiger auf. Esther Kurzok, Geschäftsführerin und kreativer Kopf hinter Private-Mystery bietet Ähnliches an, nur in viel kleinerem Maßstab. Live-Rollenspiel mit gestellten Rollen und Kostümen; einen Abend lang jemand anderes sein, morden oder ermordet werden, das ist das Konzept von Private-Mystery.

Treffpunkt: Kostümverleih

Immer am ersten Freitag im Monat findet eine Private-Mystery NIGHT statt. Hierfür kann man sich für 59,00 EUR pro Person anmelden und dann am Veranstaltungstag um 19:00 Uhr im Kostümverleih Sommer in Dortmund eintreffen. Alternativ kann man bei Private-Mystery auch Team-Events buchen, dann kommen Team und Kostüme sogar zu euch. Jedes Mal wird ein Konzept aus der Feder von Esther Kurz bespielt, momentan gibt es drei verschiedene Konzepte, die rotierend gespielt werden:

  • “Das Wirtshaus im Schwarzwald“ – Schwaben Anno 1800 – Wer hat den Kutschenunfall inszeniert?
  • “Tod im Herrenhaus“ – Amerika 1920 – Wer überlebt? Wer erbt?
  • “Die 1002. Nacht des Isnogood“ – Orientsetting – Wer wird Sultan anstelle des Sultans?

Bei meinem Testspiel wird gerade „Tod im Herrenhaus“ gegeben. Das PM-Team empfängt mich freundlich und ich bekomme einen Umschlag mit meiner mir zuvor zugeteilten Rolle sowie ein Requisit gereicht. In diesem Umschlag steckt eine schön gestaltete und detaillierte Beschreibung des eigenen Charakters, Beziehungen zu anderen Charakteren inklusive: ich werde ein schmieriger Privatdetektiv. Auf dem Tisch im Zimmer liegt ein Beziehungsdiagramm aus, das die öffentlich bekannten Verknüpfungen der Charaktere aufzeigt.

Im Anschluss bekomme ich mein Kostüm und werde durch Reihen von Kostümteilen (ein imposanter Anblick) zu einer der Umkleidekabinen geführt. Leider muss man sich entweder etwas gedulden, Glück haben, oder sich zwischen den Kostümen umziehen, denn genügend Umkleidekabinen für alle gibt es nicht. Ich habe Glück, gehe in eine der Kabinen und ziehe mich um. Ebenso gibt es keine Spinde, in denen man seine eigene Kleidung einschließen kann, immerhin ist der Ort „nur“ ein Kostümverleih. Die Qualität der Kostüme allerdings ist ausgesprochen gut. Meine Gewandung besteht aus einem weißen Hemd, einer karierten Weste, einer ebensolchen Hose und einer Mütze, gestrickten Kniestrümpfen, Hosenträgern, und einer Fliege. Wenn mal ein Teil nicht passt, wie bei mir geschehen, ist schnell und unkompliziert ein Ersatz in passender Größe gefunden. Die Requisiten runden das Outfit ab und lassen das Ganze weniger wie ein Kostüm und mehr wie eine Gewandung wirken. Das sind zum Beispiel Hundemarken für einen Ex-Soldaten, eine Pfeife für den Detektiv oder eine Puderdose für die feine Dame. Natürlich sehe ich hier nicht die Komplexität, die manche Gewandungen aufweisen, allerdings ist das auch nicht zu erwarten gewesen.

Es geht ans Eingemachte

Nachdem nun alle gewandet sind und sich mit ihrer Rolle vertraut gemacht haben, geht es los. Wir werden ins Nebenzimmer geführt, das mittels eines großen, gedeckten Tisches mit Schnittchen, einer kleinen Bar mit Softdrinks, Wasser und Sekt sowie einiger weiterer Accessoires in den Salon eines Herrenhauses der 1920er Jahre verwandelt wurde. Viel weniger Platz hätte aber auch nicht sein dürfen. Ich war zu diesem Zeitpunkt zumindest kurz dankbar, dass nicht alle Charaktere vergeben und anwesend waren, denn mit mehr Leuten wäre das Spielzimmer zu voll gewesen. Es ist die Feier zum 60. Geburtstag des Herrn Nicolas Conman, Selfmademillionär, und es kommen Verwandte, Freunde, Feinde und Geschäftspartner von nah und fern. Von der Geschichte selbst möchte ich nicht zu viel verraten, denn eigentlich gibt es da gar nicht viel, es wird ohnehin jedes Mal anders sein und die Hintergrundinformationen möchte man nicht anderen vorwegnehmen.

Alles, was von nun an geschieht, ist von uns abhängig. Der Ausgangspunkt ist gesetzt und wir haben ca. 90 Minuten Zeit, um zu spielen. Ich bin ein wenig überrascht, denn bei den angegebenen drei bis dreieinhalb Stunden Veranstaltungsdauer ging ich von Spielzeit aus. Doch scheint es so, als ob die Zeit wirklich ausreicht, denn wegen des doch recht knackigen Zeitrahmens und dem beengten Raum geben alle Anwesenden spielerisches Vollgas. Aufgrund des beengten Raumes konnte man auch gar nicht anders, als den Gesprächen von anderen Leuten zuzuhören und so neue Informationen zu bekommen, die man wiederum selbst nutzen konnte und musste. Schlussendlich kam es bei uns nicht nur zu einem, sondern sogar zu zwei Morden und meine Untersuchungen ergaben, dass so ziemlich jeder Dreck am Stecken und einen Grund hatte, zumindest einen dieser Morde zu begehen. Die Auflösung bleibe ich euch selbstverständlich schuldig, immerhin wäre das so, wie die letzte Seite eines Krimis zuerst zu lesen.

Mordopfer konnten übrigens schnell mit Zweitcharakteren wieder ins Spiel einsteigen und waren so trotz ihres Todes nicht zum Zuschauen verdammt.

Who is Who

Im Anschluss an das Spiel findet eine „Who is Who“-Runde statt. Moderiert durch die Spielleitung darf und soll hier jeder offen sein und sagen, welche Geheimnisse sein Charakter hatte und was genau er alles so im Spiel unternommen hat, um seine eigenen Ziele voranzutreiben. So kommt dann in lockerer Atmosphäre doch noch der ein oder andere „Bitte-WAS-hast-du-getan?“-Moment heraus und man erfährt, wer Mörder war und wer nur falsch verdächtigt wurde.

Zum Schluss geht das Ganze in eine lockere Diskussionsrunde über. Was hat besonders viel oder auch wenig Spaß gemacht? Sieht man sich beim nächsten Spiel? Eben spielbezogener Smalltalk. Besonders spannend für mich war hier, herauszufinden, wer denn alles vorher schon Berührungspunkte mit LARP, Tischrollenspiel oder Schauspiel hatte. Ein wenig war ich überrascht, dass doch nur etwa die Hälfte der Anwesenden bereits Rollenspiel-Erfahrung mitgebracht hatte. Mein Tipp wäre eher bei 80-90% gewesen.

Fazit: Kein Krimidinner, aber auch kein LARP

Private-Mystery veranstaltet kurzweilige Mini-LARPs, die einem viel Aufwand abnehmen, aber auch einen entsprechenden Preis haben. Man benötigt keine Gewandung, keinen vorher erstellten Charakter, stattdessen kann man einfach drauflos spielen. Dafür geht das eigentliche Spiel erstaunlich kurz, was aber durch gute (Mit-)Spieler aufgefangen werden kann. Durch das teure Preis-/Leistungsverhältnis (59,00 EUR für eine dreieinhalbstündige Veranstaltung, davon anderthalb Stunden Spiel) werden LARPer in der Regel eher abgeneigt sein: Für einen Abend LARP organisiert man lieber ein eigenes Mini-LARP mit Freunden (dann halt ohne Gewandung) oder geht auf eine Taverne (mit eigener Gewandung).

Doch LARPer sind auch weniger die Zielgruppe dieses Spiels. Viel eher geht es um die Mittelschicht, die bereits mit Krimi-Dinnern einen ersten Einblick in Richtung Rollenspiel gemacht hat, aber sich mehr Interaktionsmöglichkeiten wünscht. Es ist für die Leute, die einmal etwas Außergewöhnliches erleben wollen und dabei keinerlei organisatorischen Aufwand haben wollen. Es ist durchaus spaßig und geeignet, um Leute an das Thema Rollenspiel heranzuführen, wenn man gewillt und in der Lage ist, den Preis zu zahlen. Vor allem im Bereich der Team-Events beziehungsweise als ungewöhnliches, interessantes Element im Rahmen von größeren Veranstaltungen sehe ich für Private-Mystery viel Potential. Ich werde auf jeden Fall irgendwann erneut hingehen, alleine schon um zu schauen, wie die anderen Spiele so sind, die Esther sich mit ihrem Team zusammen ausgedacht hat.

Artikelbild: ©Private-Mystery

9 Kommentare

  1. Die Grundidee find ich gut. Leider korrumpiert durch die Tatsache, dass Geld eingestrichen wird und, wie im Bericht erwähnt, die Mitspieler & Mitspielerinnen in Wahrheit den Qualitäts-Gehalt ausmachen und ausgleichen müssen-dürfen.

    • Darf ich fragen, inwiefern die Tatsache, dass der Veranstalter sich seine Arbeit entlohnen lässt, die Grundidee korrumpiert?
      Ich sehe persönlich daran nichts verwerfliches…

      Das mit den Mitspielern ist definitiv ein Punkt, der mir aufgestoßen ist, aber andererseits sind Rollenspieler ja nicht wirklich die Zielgruppe, ergo ist unser Anspruch daran auch ein etwas anderer.

    • Guten Tag,
      Ich bin selber Teil von Private Mystery und möchte kurz ein Missverständnis aufklären:
      Spielleiter und weiteres sind durchaus vorhanden.
      Das Spiel wird durchgehend begleitet. Auch werden bei bedarf Rollen von unseren Reihen aus besetzt um einen guten Spielfluss zu gewährleisten.

      Hier wird niemand sich selbst überlassen. In wiefern dieser Eindruck entstanden ist, ist für mich gerade auch nicht ganz Nachvollziehbar.

    • Servus!
      Also ich muss sagen ich und meine Frau hatten super viel Spaß bei dem Spiel.Man wird auch nicht sich selber überlassen.Eine Person begleitet das Spiel und ist unter den Spielern und verfolgt den Verlauf.Sollte es mal Fragen geben oder ins Stocken gelangen so kann man sich Tipps und Hinweise holen.Sobald man jmd „ermorden“ möchte muss man dies vorher der Spielleitung mitteilen da die Spielleitung den Gesamtüberblick haben muss. Ich fand’s echt klasse und der Abend war super.

    • Jeder der gerne mal in andere Rollen schlüpft wird mit Private Mistery richtig Spaß haben. Ich habe bisher schon zwei mal bei dem Rollenspiel „Tod im Herrenhaus Amerika 1920“ mitgespielt. Anfangs habe ich, da ich bis dato keinerlei Erfahrungen mit Rollenspielen gemacht habe, Bedenken gehabt, ob ich mit meiner Schauspielerei auch gut rüberkommen werde, jedoch haben sich diese schon am Anfang des Spiels von selbst aufgelöst. Es war eine lockere Stimmung. Viele haben es an diesem Abend ebenfalls zum ersten gemacht und jeder hat sein Bestes gegeben, schließlich sollte es uns allen ja Spaß machen. Und das tat es auch. Falls jemand von uns Hilfe benötigte, um in seinem Spiel voranzukommen, konnte man jederzeit die Spielleiter fragen, die einem dann Tipps oder Anstöße gaben.
      Es war super lustig und vor allem spannend. Da die Geschichte jedes mal anders ist, wenn man verschiedene Charaktere spielt kann würde ich auch gerne das dritte mal dabei sein. Freue mich schon auf den bevorstehenden Termin, an dem ich im Rollenspiel “Die 1002. Nacht des Isnogood“ mitspielen werde. Man sollte Private Mystery ungedingt mal ausprobieren, es ist wirklich leichter als man denkt, in eine Rolle zu schlüpfen und der Spaßfaktor ist garantiert. Klare Empfehlung von mir!

    • Ich fand mich von der Orga nicht im stich gelassen obwohl der Chef der Lokalität Stich heißt :D
      Ich hatte da gutes Rollenspiel gehabt bis jetzt

  2. Das Konzept von Private Mystery funktioniert erstaunlich gut, wie ich selbst schon zweimal festgestellt habe. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet, bin einfach hingegangen und hatte einen Heidenspaß :) Da der Raum, in dem gespielt wird, recht klein ist, hat man schnell eine Übersicht über alle Spieler, kann schnell jemanden anspielen, wird auch angespielt und es entwickelt sich innerhalb von Minuten ein guter Spielfluss, der auch stets bis zum Schluss gehalten wird. Da das ganze in einem Kostümverleih stattfindet, hat man eine wirklich riesige und professionelle Auswahl an Kostümen passend zu jedem Setting. Die freundliche Spielleitung ist stets zur Stelle, falls der eigene Charakter spontan einem Mordanschlag zum Opfer gefallen ist, hat sofort einen Ersatz-Charakter parat, mit dem man umgehend wieder ins Spiel einsteigen kann, und steuert das Spiel dann sachte dem Ende entgegen, was auch auf jeden Fall sein muss, denn ansonsten würden wir Spieler wohl stundenlang weitermachen ^^ Mein Tipp: Einfach mal vorbeischauen und mitmachen! :)

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