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Ihr kennt das – manchmal sieht man ein Cosplay und hat das Gefühl, es wäre real – quasi dieser Realität zugehörig. Aber wie kriegt man es hin, animierte oder gezeichnete Charaktere  echt wirken zu lassen? Wir geben euch ein paar Tricks und Denkanstöße, die wir gesammelt haben, um diesen Look selbst auszuprobieren.

Zum Cosplay gehört künstlerische Freiheit einfach dazu. Der gleiche Charakter wird nie identisch aussehen, auch wenn die Cosplayer das gleiche Referenzmaterial benutzen. Jeder interpretiert für sich, wie das Kostüm am Ende aussehen, wirken und sich anfühlen soll. Je nachdem zu welchem Zweck man es anfertigt, kann man hier mal mehr, mal weniger aus dem Vollen schöpfen. Wenn man an Wettbewerben teilnimmt, sollte man sich natürlich an den Regeln bezüglich der Vorlagentreue orientieren, wenn man das nicht tut, oder die Regeln sehr frei sind, kann man kreativ werden. Die einen halten sich dennoch exakt an die Vorlagen, wollen bewusst aussehen, wie aus einer anderen Welt; manch anderer allerdings möchte die Fantasiegestalt in diese Welt holen und real machen. Im Liverollenspielbereich nennt man Kostüme, die so nah wie möglich an historischen Vorlagen angelegt sind, authentisch, da sie Kleidung und Stil von damals so echt wie möglich wiedergeben sollen. Im Cosplaybereich ist es leider nicht immer einfach, historische Vorlagen oder Parallelen zu finden, jedoch gibt es einige andere Kniffe und Tricks, wie man versuchen kann, sein Cosplay authentisch , also sozusagen „costhentisch“ zu machen.

Kleider machen Leute

Wenn man ein neues Cosplayprojekt plant, beginnt man meistens bei der Stoffwahl. Je nach Vorlage hat man vielleicht eine grobe Vorstellung, in welche Richtung es gehen sollte, sieht vielleicht ein wenig Struktur – dies ist meistens bei Vorlagen aus Videospielen der Fall. Falls nicht, sollte man sich überlegen, welche Art Stoff zu Status und Tätigkeit des Charakters oder der Welt in der er lebt passt. Ein Ninja würde zum Beispiel kaum in einem Satinanzug kämpfen, oder eine Vampirkönigin ein Rüschenkleid aus Leinen tragen. Macht euch schlau, was für Möglichkeiten es gibt. Lasst euch in Stoffläden beraten, recherchiert im Internet oder in Printmedien oder fragt in der Community nach, was andere Cosplayer benutzt haben.

Neben der Stoffwahl ist auch der Schnitt sehr entscheidend für die Wirkung des Kostüms. Natürlich soll er im Großen und Ganzen aussehen wie die Vorlage und natürlich auch gut passen. Nichts desto trotz kann man auch hier ein wenig abwandeln und tricksen. Oft lassen sich Charakter-Designer von historischen Vorbildern aus Mode, Kunst oder sogar Architektur inspirieren. Diese Inspiration kann man versuchen herauszufinden, sollte sie nicht direkt erkennbar sein. Dazu kann man zum Beispiel historische Schnittmuster durchforsten, um zu sehen, ob etwas gut passen würde, oder versuchen, Informationen von den Designern selbst zu erhalten. Solcherlei Dinge findet man oft in Interviews, Artbooks oder anderweitig veröffentlichtem Zusatzmaterial (Hallo Tumblr und Pinterest!). Vor allem Produktionsskizzen und Entwürfe haben in der Regel häufig Randnotizen, in denen eventuelle Materialien oder Inspirationen enthalten sind. Ein bisschen Detektivarbeit ist vonnöten, aber es durchaus wert.

Ein weiterer Gedanke, der durchaus hilfreich ist für die Authentizität sowie auch das eigene Nervenkostüm, wäre, sich nicht davon irritieren zu lassen, dass häufig sehr wenige Nähte in Designs genutzt werden. Lieber macht man ein paar Nähte mehr, die nicht in der Vorlage sind, als das man eine schlechte Passform hat oder graue Haare darüber bekommt, dass die Erdanziehungskraft nicht so will wie man selbst. Gleiches gilt auch für überdimensionierte Proportionen, die man etwas herunterschrauben kann.

 

 

Eine haarige Angelegenheit

Haare – oder in den meisten Fällen Perücken – fallen schnell ins Auge. Hier kann man viel richtig und auch sehr viel falsch machen. Und damit ist nicht einmal die berühmte „Rukia Gedächtnissträhne“ gemeint (ihr wisst schon…). Allein Farbe, Textur und Qualität der Perücke können sehr ausschlaggebend darüber sein, wie das gesamte Cosplay am Ende wirkt.

Fangen wir bei der Farbe an. Hier sollte man beachten, dass sie möglichst natürlich wirkt. Das klappt natürlich nicht nur bei den üblichen Haarfarben, sondern auch bei ausgefalleneren Spektren (grün, rosa, blau, etc.). Etwas gedämpftere Töne wirken direkt ganz anders als ihre grellen Neongegenstücke. Dazu kann man optional Strähnchen oder leichte Variationen mit ähnlichen Farben als Akzente einnähen oder färben, um das Gesamtbild etwas aufzulockern. Gemischtfarbige oder auch bereits im Verlauf gefärbte Perücken gibt es mittlerweile sehr häufig schon zu erschwinglichen Preisen zu kaufen – und das nicht nur im Ausland.

Die Haarstruktur selbst ist auch ein Ansatzpunkt für etwas mehr Natürlichkeit. Zum Beispiel ist aalglattes Haar eher selten vertreten in der Natur. Sogar bei Menschen, die scheinbar extrem glattes Haar haben, gibt es hier und da ein paar sachte Wellen – kaum zu sehen, aber wahrnehmbar. Beobachtet Menschen, oder wenn euch das zu schräg ist, klickt euch durch Frisuren im Internet. Ihr werdet schnell feststellen, das Haare auch im frisierten Zustand ihren ganz eigenen Kopf haben.

Womit wir zum nächsten Punkt kommen: das Styling. Viele Charaktere haben abgefahrene Frisuren mit schwebenden Zöpfen, Spikes, um jemanden zu ermorden oder wahllos herausstehende Strähnen. Hier ist es natürlich schwierig, das ganze natürlicher umzusetzen, aber versucht einfach, das Styling quasi etwas abzuschwächen. Spikes müssen keine mit Haarspray verschweissten Mordwaffen sein, Zöpfe dürfen auch ein wenig tiefer sitzen als im Original. Achtet auch auf die Proportionen zu eurem Kopf und dem Rest des Kostüms.

Ein großer Gamechanger ist natürlich noch der Ansatz. Das Perücken uns nicht automatisch an der Stirn anwachsen, ist jedem klar. Je nach Frisur ist es auch vollkommen egal, da man den eventuellen Ansatz überhaupt nicht sieht. Jedoch gibt es oft kein Mitleid mit Cosplayern, wenn Charaktere sehr hohe oder keine Ponys, seitlich zurückgegelte Haare oder alles zusammen haben. Es gibt viele schöne Techniken, die sich eignen, um Ansätze zu verdecken oder zu faken, wie ihn einfach beim Styling zu kleben (hierzu gibt es viele Tutorials online!). Man kann allerdings – für einen noch natürlicheren Look – den Weg der Maskenbildner für Bühne, Film und TV gehen und einen Ansatz an die Perücke knüpfen (Material und Anleitungen dazu gibt es ebenfalls im Internet.). Wer sich die Arbeit sparen möchte, kann auch sogenannte lacefront Perücken kaufen, diese haben den angeknöpften Ansatz bereits und man muss ihn nur noch zurechtschneiden.

 

Paint me like…

Wieviel kann man bei Makeup schon falsch machen? Genau – eine ganze Menge. Angefangen bei der Mengen im wahrsten Sinne des Wortes. Zwar ist manchmal mehr Foundation, Puder oder Kajal vonnöten als man zu Beginn denkt, doch ist die Kunst des sogenannten natürlichen Looks diese Masse nicht zu sehen. Man kann allein mit gut platziertem Contouring, also der Modellierung bestimmter Bereiche im Gesicht durch gezieltes Einsetzen von dunklem und hellem Makeup, große Effekte erzielen. Vor allem bei sehr markanten Gesichtszügen des Charakters oder beim Crossplay ist diese Technik sehr hilfreich.

Auch bei Tonalitäten und Farben des Puders, Lidschattens oder Lippenstiftes kann man schauen, welche Palette zwar zum Charakter passt, aber natürlicher wirkt und sich nicht mit dem eigenen Hautton beißt. Generell gilt eher weniger ist mehr – auch wenn man das hauptsächlich auf die endgültige Wirkung beziehen sollte.

Das mehr nicht immer besser ist, gilt auch bei kosmetischen Accessoires. Kunstwimpern gibt es wie Sand am Meer – man kann sie sogar im Laden um die Ecke kaufen. Doch wie natürlich oder unnatürlich sie aussehen, kann man in der Verpackung selbst nur bedingt ausmachen. Am Besten orientiert man sich grob an der Länge und dem Aussehen selbst. Wo überlange, aber gerade gefächerte Wimpern noch natürlich aussehen können, wirken gezackte, gekreuzte oder grob unregelmäßige Wimpernkränze falsch. Doch auch hier sollte man einfach testen, was gut passt und einem gefällt. Und apropos passen: Kunstwimpern haben eine Art Standardlänge, die man auf das eigene Lid anpassen muss – dann sitzen sie einfach besser und schmiegen sich an ihre Konterparts besser an.

Ein weiterer, oft recht hitzig debattierter Punkt sind Körpermodifikationen wie Tattoos, Piercings oder im weitesten Sinne auch Kunstnägel. Es gibt viele Charaktere, denen das ein oder andere Tattoo oder Piercing gut steht, ebenfalls sind lange rosa Gelnägel bei gewissen Cosplays kein Problem, doch manchmal beißen sich solche Modifikationen mit dem Gesamtbild. Hier ist natürlich  wieder der persönliche Geschmack gefragt, ob man die Piercings herausnimmt und das Tattoo abschminkt, oder im Gesamtbild belässt – alles eine Frage der eigenen Vorlieben.

 

Dreck, Blut und Rock ´n‘ Roll

Kleidung und Rüstung sind Gebrauchsware. Sie werden getragen, verschmutzt und repariert. Die Spuren davon erzählen Geschichten. Warum also nicht solche Geschichten erfinden? Ein Krieger hat sicherlich einige Scharten und Abnutzungen an seiner Rüstung und den Waffen, ausgeblichene Stellen an der Kleidung oder Dreck, der nicht mehr ganz raus geht. Solcherei Details kann man mit verschiedenen Techniken nachahmen – das Cosplay sozusagen “weathern”. Auch hierzu gibt es viele Tutorials auf Youtube oder von anderen Cosplayern schritflich verfasst. Material, Möglichkeiten und Techniken, sowie auch die Art und Platzierung des Weathering werden dabei ausführlich erklärt. Doch auch hier gilt: nicht zuviel des Guten. Zuviel Weathering kann ebenfalls ein Kostüm überladen. Nicht jede Kante braucht einen Dreckrand und nicht jeder freie Quadratzentimeter Rüstung braucht Macken. Überlegt, was am sinnvollsten wäre, und tastet euch langsam, aber mutig ran.

Wenn man Angst hat, sein mühsam kreiertes Cosplay zu zerstören, kann man auch subtilere Varianten wählen. Man kann zum Beispiel Ziernähte oder Stickereien von Hand machen. Dekorationselemente hinzufügen oder gebrauchte Schnallen und Knöpfe benutzen. Ein netter Bonus sind ebenfalls Accessoires wie passender Schmuck, Armbänder oder ähnliches, der gut zum Charakter passen könnte und das Outfit vervollständigt.

Macht was ihr wollt, aber macht es konsequent

Cosplay ist ein wundervolles, kreatives und freies Hobby. Der Interpretation seines Lieblingscharakters sind quasi keine Grenzen gesetzt. Jeder kann für sich selbst entscheiden, welchen Look bzw. welche Optik er seinem Kostüm geben möchte. Sei es nun der angestrebte surreale, nicht-von-dieser-Welt-Look oder eine authentische, möglichst realistische Optik – Hauptsache ihr habt Spaß daran und freut euch über das Ergebnis. Geht jedoch den Weg, für den ihr euch entschieden habt, konsequent, da es sonst zu seltsamen Mischgebilden kommen könnte, die überfrachtet wirken könnten. Macht euch Gedanken und lasst eurer Kreativität freien Lauf!

Artikelbild: Belle von Disney’s „Die Schöne und das Biest“ Cosplayer: Amapolchen / Fotograf: Acorea 

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