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Symbole stehen für etwas und manchmal ist ihre Assoziation alles andere als gut. Auch beim Cosplayen kann man hier leicht in ein Fettnäpfchen treten – ob bewusst oder unbewusst. Aber was steckt eigentlich hinter so manchen fragwürdigen Kostümdetails, die man besser nicht umsetzen sollte und wie weit darf Perfektion gehen?

Gerade in letzter Zeit tauchen sie vermehrt auf Cosplay-Messen auf – man sieht schwarze Uniformen mit goldgelben Schriftzeichen darauf und plötzlich dazu noch ein Hakenkreuz. Doch halt, wenn man genauer hinsieht, ist es eigentlich ein Manji, ein buddhistisches Symbol, das man auch in vielen Tempeln findet. Dennoch ist dieses Zeichen mehr als umstritten und handelte einigen Cosplayer*innen des Anime Tokyo Revengers schon einiges an Kritik ein. Doch sie sind nicht die ersten, die ohne Hintergedanken eine Symbolik kopieren, die in der breiten Gesellschaft nicht gern gesehen wird und sie werden auch nicht die Letzten sein. Ob besagte Cosplayer*innen die Symbole mit Absicht tragen und die Entschuldigung lautet, dass das Cosplay so perfekt und detailgetreu wie möglich gestaltet werden soll oder es einfach wider besseren Wissens geschieht, ist sehr individuell. Doch Fakt ist, dass solche Darstellungen nicht nur einzelne Personen in ein schlechtes Licht rücken können, sondern gleich die ganze Szene mit hineinziehen. Was aber hat es mit diesen Symboliken auf sich, wieso nutzen einige Cosplayer*innen sie so unüberlegt und was kann man tun, um mehr Bewusstsein zu schaffen?

Die Macht der Doppeldeutigkeit – Manji oder Hakenkreuz

Das Manji ist wohl das aktuellste und deutlichste Beispiel für den Einsatz von doppeldeutigen Symbolen in der Popkultur. Nicht nur in Tokyo Revengers sieht man das Zeichen. Doch in vielen anderen japanischen Anime und Mangas wird es ebenfalls gezeigt, z.B. auch in dem beliebten Shonen Bleach am Schwertgriff des Protagonisten. Es verdeutlicht sehr gut, dass Symbole, die in der einen Kultur als Glücksbringer oder etwas Gutes gesehen werden, in einer anderen wiederum für etwas komplett Gegensätzliches und Schlimmes stehen können. Das Manji oder auch Swastika ist, wie bereits angerissen, ein buddhistisches Zeichen aus dem asiatischen Raum und gehört dort zum Teil der Alltagskultur. Auf Stadtplänen markiert beispielsweise das Swastika, wo sich ein Tempel befindet. Als religiöses Zeichen existiert es bereits seit ca. 10.000 Jahren vor Christus und gilt in Asien als glücksbringendes Symbol der Göttlichkeit. Dementsprechend sorglos wird es auch dort in Form von Cosplays und Merchandise zu bestimmten Animes und Mangas benutzt – die zum Teil sogar auf der Dokomi 2022 ohne Kontrolle verkauft wurden. In Deutschland machten sich die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler das Swastika-Symbol zunutze und verbreiteten unter dem Banner des Hakenkreuzes Terror und antisemitischen Hass. Bis heute steht das Symbol für die Verbrechen, die durch die Nationalsozialisten begangen wurden. Es ist sogar rechtlich verboten, ein Hakenkreuz frei zur Schau zu stellen.

Hier wurden die Swastika retuschiert – eigentlich tragen alle Figuren gelbe Hakenkreuze als Zeichen ihrer Bande auf der Kleidung und der Flagge. © Liden Films © Kōdansha; Zeichner: Ken Wakui

Das Swastika im Cosplay

Wer mit einem Hakenkreuz herumspaziert, selbst wenn es als Manji in eine andere Richtung zeigt, riskiert eine Strafanzeige. Das Tragen von Symbolen wie diesem ist laut dem Paragraph 86a „Verwendung nationalsozialistischer Kennzeichen“ ausdrücklich verboten. Alle Informationen zu verbotenen Symboliken sind auf der Website des Verfassungsschutzes nachlesbar und für jeden frei zugänglich. Doch neben dem Rechtsaspekt ist es noch wichtiger, sich bewusst zu machen, wofür das Hakenkreuz steht. Natürlich kann man stets die asiatische Erklärung herbeiziehen und sich damit verdeutlichen, dass das Manji ja eigentlich kein Hakenkreuz sei und zum getragenen Cosplay gehört – doch damit entzieht man sich im Grunde der Verantwortung, die man mit dem Hintergrundwissen eigentlich trägt. Denn wie es eben mit allen Symbolen ist, sollte man sensibel damit umgehen, wo diese angebracht sind und wo nicht. In Deutschland jedenfalls – mit Blick auf die Geschichte und die vielen Menschen, die unter dem Nationalsozialismus zu leiden hatten – sollte man sich daher dreimal überlegen, ob man mit dem Swastika nach draußen geht und mit der Darstellung dieses Zeichens eben auch diese Taten auf der Kleidung trägt. Ein Cosplay wird nicht weniger Wert haben, wenn man sich einfach eine Alternative für das Manji ausdenkt und somit zeigt, dass man die Bedeutung hinter dem Symbol versteht.

Viele Cosplayer*innen werden kreativ, um das Manji zu umgehen und somit Rücksicht auf die Sensibilität der Bedeutung zu nehmen. So setzten viele Cosplayende von Tokyo Revengers einfach einen schwarzen Aufnäher an die Stelle des Manjis, übermalten die Zacken und machten daraus ein X oder setzten ein anderes Schriftzeichen ein. Einige Cosplay-Onlineshops bieten auch die Möglichkeit, das Kostüm auch komplett ohne Manji zu kaufen, sodass kein Extraaufwand für die Cosplayenden entsteht. Gerade für diese Menschen ist es frustrierend zu sehen, wie vereinzelt Personen auf Conventions und Messen unterwegs sind, die eine solche Rücksicht nicht an den Tag legen und das Manji trotz des großen Bemühens um Aufklärung seitens der Community weiter zur Schau stellen.

Von Uniformen und Armbinden

Es wäre ungerecht zu behaupten, dass das Manji und die Tokyo Revengers-Fans die Debatte um unangebrachte Symboliken als Erste ins Rollen gebracht haben. Denn tatsächlich gab es schon zuvor immer mal wieder Diskussionen über die Verwendung von anderen Darstellungen, wie das Tragen von Uniformen und Armbinden, die zwar nicht eins zu eins eine Nazi-Uniform darstellen, aber sehr deutlich daran angelehnt sind. So sah man beispielsweise grün-graue Uniformen, die denen der Wehrmacht täuschend ähnlich waren, wenn man Personen in der Rolle von Deutschland aus dem beliebten Anime Hetalia entdeckte. Auch die Figur von Preußen trägt eine sehr ähnliche Uniform in blau, die einige als Anlass nahmen, daraus eine angelehnte SS-Uniform zu machen. Hier und da sieht man bis heute immer wieder Cosplayer*innen, die in Kriegsbekleidung auf einer Convention herumlaufen, sei es mit Pickelhaube, Stahlhelm oder im Bundeswehroutfit.

Brandaktuell sind auch die Eldian-Armbinden mit Sternsymbol aus dem Anime und Manga Attack on Titan. Diese sollen die Personen markieren, die sich in Titanen verwandeln können und als unterdrückte Gruppe gelten. Die Armbinden lösten ebenfalls eine große Kontroverse aus, da ihr Einsatz im Anime ähnlich zu den Davidstern-Applikationen und Armbinden ist, die jüdischen Menschen zwischen 1930 und 1940 per Gesetz aufgezwungen wurden, um sie von den „Deutschen“ zu unterscheiden. Bereits im Internet wurde über den Einsatz im Anime im Kontext der Judenverfolgung im dritten Reich stark diskutiert. Dass der Autor des Mangas sich dieser Inspiration bedient, ist dabei nicht immer das Hauptproblem. In der Geschichte passt der Einsatz dieser Armbinden und bringt der Geschichte einen interessanten und dunklen Unterton, der die Diskriminierung der marginalisierten Gruppe in Attack on Titan sehr drastisch und mit viel Emotion darstellt. Es liegt in der künstlerischen Freiheit, auch solche Elemente in fiktiven Welten einzusetzen. Der Unterschied hingegen ist, dass die Darstellung in der fiktiven Welt anders ist als der Einsatz einer roten Armbinde in der deutschen Öffentlichkeit. Auch bei diesem vermeintlich harmlosen Accessoire liegt eine tiefergehende Symbolik dahinter, die von vielen Cosplayer*innen übergangen wird und den meisten vermutlich nicht einmal bewusst ist.

Man sieht also: Das Phänomen der kontroversen Symboliken ist nicht neu und kann nicht einfach auf eine einzelne Fan-Community geschoben werden.

Die Eldian-Armbinden stehen im Anime Attack on Titan für die Separierung einer Bevölkerungsgruppe von der anderen. © WIT STUDIO Production iG

„Kann man denn nun gar nichts mehr cosplayen?“ – Wie umgehen mit doppeldeutigen Designs?

Die Antwort auf die Frage: Natürlich kann man noch cosplayen! Doch man muss sich immer drei Fragen vor Augen halten:

  1. Wofür können die Symbole, Zeichen oder Kleidungsstücke stehen, die ich für mein Cosplay verwende?
  2. Was könnte die Meinung oder gar Reaktion der Öffentlichkeit (auch außerhalb der Cosplay-Community) dazu sein?
  3. Brauche ich dieses Teil an meinem Cosplay wirklich? Womit kann ich ein fragwürdiges Symbol ersetzen?

 

Gerade historische Zeichen und Uniformen sind mit Vorsicht zu betrachten, denn sie stellen immer einen Hintergrund und eine Epoche dar mit Werten und Geschehnissen, die mitunter schrecklich waren. Zu diesem Thema bietet unser Artikel zu historischen Cosplays einen tieferen Einblick.

Im Besten Fall reflektiert man vor dem Anziehen oder Basteln eines Cosplays die drei oben genannten Punkte und recherchiert mögliche Hintergründe, die einem helfen, die Fragen abzuwägen. Uniformen können auch abgewandelt werden, ebenso wie Zeichen, sodass sie nicht mehr auf den ersten Blick als kontroverse Darstellungen gesehen werden können. Kleinere Accessoires wie Armbinden kann man auch ganz weglassen, ohne dem Cosplay als solches zu schaden. Die Entscheidung für solche Maßnahmen sind nichts Schlimmes und sie schmälern auch nicht die Schönheit des eigenen Cosplays. Im Gegenteil sogar, sie zeigen, dass sich die Person im Kostüm Gedanken gemacht hat und Rücksicht nimmt, ebenso wie der Mut, diese Zeichen und Kleidungsstücke wegzulassen, andere motivieren kann, es ebenfalls zu tun.

Ein letztes Fazit

Die Community ist sich einig: Cosplay steht für Offenheit und für einen sicheren Ort für alle, egal welcher Sexualität oder welcher Herkunft – was verbindet, ist die Liebe zum Hobby und zur Popkultur. Um genau diesen Aspekt von Cosplay zu bewahren, sollten alle ein wenig mehr darauf achten, welche Signale durch den Einsatz von bedenklichen Symbolen oder gar ganzen Kriegsuniformen bei vielen Menschen ankommen. Gerade in Deutschland ist es sehr wichtig, gerade den Nationalsozialismus und die Zeit, die damit in Verbindung steht, mit Vorsicht zu behandeln und zu zeigen, dass man unter keinen Umständen hinter dem Gedankengut von damals steht. Wenn dies bedeutet, ein einzelnes Zeichen auf einem Cosplay zu einem Kreuz oder einem anderen Symbol abzuändern, dann ist dies kein Beinbruch. Die allermeisten Menschen verstehen den Grund dafür, ein solches Zeichen wegzulassen – gerade, wenn man es erklärt. Denn man schützt damit nicht nur sich selbst vor einer Strafanzeige, sondern macht deutlich: Die Cosplay-Szene weiß Bescheid!

Artikelbilder: © wie gekennzeichnet
Titelbild: depositphotos © lnzyx

Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo

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