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Was kommt dabei heraus, wenn man zwei von Deutschlands bekanntesten Fantasy-Autoren mit einem der beliebtesten DSA-Abenteuer aller Zeiten kombiniert? Im besten Falle ein sehr unterhaltsames Lesevergnügen. Um das zu verifizieren, haben wir einen Blick auf die ersten fünf Romane der Phileasson-Saga geworfen!

Durchstöbert man Foren und Communities zur Fragestellung nach der besten DSA-Kampagne gibt es einige Werke, an denen man fast unmöglich vorbeikommt. Dazu gehören beispielsweise die epischen Ereignisse um Die sieben Gezeichneten, das Jahr des Greifen oder die im Horasreich spielende Königsmacher-Kampagne. Doch ebenso liest man immer wieder den Namen einer Kampagne, deren Beliebtheit zu zwei Neuauflagen führte, und die in einer Umfrage von Orkenspalter TV und Nandurion anlässlich des dreißigjährigen DSA-Jubiläums zum zweitbesten Produkt aller Zeiten gekürt wurde. Es handelt sich hierbei um die Phileasson-Saga.

Das Abenteuer im Stile von Reise um die Erde in 80 Tagen begleitet zwei Kapitäne und ihre Begleiter auf eine epische Wettfahrt um den Kontinent Aventurien und begeistert besonders mit abwechslungsreichen Szenarien. Grund genug, dass sich der ursprüngliche Autor der Abenteuer Bernhard Hennen nun gemeinsam mit Robert Corvus an eine Romanadaption wagt.

Story

Der König der Meere! Nicht weniger als die Verleihung dieses Ehrentitels steht bei dem ausgerufenen Wettstreit zwischen Beorn „Der Blender“ Asgrimmson und Asleif „Foggwulf“ Phileasson auf dem Spiel. Zwölf Aufgaben werden den beiden berühmtesten Kapitänen Thorwals gestellt, die beide innerhalb von 80 Wochen lösen müssen. Gemeinsam mit einer handverlesenen Mannschaft machen sie sich auf den Weg zu einer Reise voller Gefahren und Abenteuer, die sie um ganz Aventurien führen soll.

Den Anfang nimmt diese Reise im ersten Band Nordwärts. Beide Kapitäne erhalten die Aufgabe, im hohen Norden einen zweizahnigen Kopfschwänzler (ein Mammut) zu finden und einzufangen. Hierbei ist Nordwärts als Einstiegsband zunächst auf die Etablierung der Ausgangslage und Charaktere bedacht und erlaubt dem Leser das langsame Eintauchen in die Geschichte. Im weiteren Verlauf der Handlung rückt der Überlebenskampf in der ewigen Kälte in den Fokus und mündet schließlich in der finalen Konfrontation mit behaarten Giganten.

Der Wettstreit findet schließlich in Himmelsturm seine Fortsetzung, in der die beiden Kapitäne die Geheimnisse einer uralten Elfenstadt erkunden. Von den aktuell erschienenen Bänden ist Himmelsturm aufgrund seines mystischen Hintergrunds und der subtilen Horror-Elementen meiner Einschätzung nach der stimmungsvollste. Hennen und Corvus verstehen es geschickt, den Leser mittels ihrer Beschreibung in das Geflecht um uralte Intrigen und dämonische Gefahren eintauchen zu lassen.

Charaktereinführungen

Der folgende Band Die Wölfin fokussiert sich stattdessen wieder mehr auf die Charakterinteraktionen von Phileasson und Beorn mit deren Mannschaften. Der Foggwulf und seine Gefährten sehen sich mit einer tückischen Seuche und der Suche nach deren Heilmittel konfrontiert. Dieser dritte Band führt einige neue Charaktere ein und wird durch die Folgen der Seuche sehr von einer emotionalen Komponente getrieben. Dadurch erscheint er an einigen Stellen etwas langatmiger, jedoch auch intensiver in den Charakterinteraktionen.

Band IV trägt den Titel Silberflamme und verbindet die besten Elemente seiner beiden Vorgänger. Die Suche nach dem titelgebenden elfischen Artefakt liefert den mythischen Hintergrund, während auch hier Charakterinteraktionen für Tiefgang sorgen. Zudem erlebt man in Silberflamme im Vergleich zu den ersten drei Bänden einen größeren Anteil der Geschichte aus Sicht von Beorn und seiner Mannschaft. Dies verleiht dem vierten Roman der Phileasson-Saga eine erfrischende Abwechslung.

Und auch der aktuell letzterschienene Band Schlangengrab schenkt Beorn, dem Blender, mehr Aufmerksamkeit und beschäftigt sich beispielsweise mit der Tat, die Beorn seinen Ruhm und Titel einbrachte. Natürlich folgen beide Kapitäne weiter den prophezeiten Aufgaben und müssen die Konfrontation mit einem der tödlichsten Wesen Aventuriens wagen – einer Seeschlange. Trotz der spannenden Herausforderung und des exotischen Flairs des Schauplatzes der Handlung, der Dschungelinsel Maraskan, ist dies bisher der schwächste Teil. Die Handlung nimmt nur sehr langsam Fahrt auf, und auch der Höhepunkt dieser Aufgabe ist etwas enttäuschend.

Dennoch darf man gespannt sein, welche Abenteuer die Kapitäne in den Tangfeldern des Sargassomeers (Band VI, Totenmeer, geplant für November 2018) und den endlosen Weiten der Sandwüste Khôm (Band VII, Rosentempel, geplant für März 2019) erwarten werden.

Schreibstil

Sämtliche Romane der Phileasson-Saga sind aus der Perspektive eines personalen Erzählers geschrieben. Dabei wechseln sich die Figuren, aus deren Blickwinkel die Ereignisse beschrieben werden, mehrfach ab. Eine Entscheidung, die dem Verständnis der Geschichte sehr zugute kommt. Denn dadurch wird zum einen der Wechsel zwischen den Mannschaften von Phileasson und Beorn ermöglicht, wodurch sich dem Leser ein vollständiges Bild des Wettbewerbs bietet. Zum anderen gestattet es Einblicke in die Gedankengänge von Charakteren mit einem exotischeren Hintergrund, wie beispielsweise Elfen oder Götterdienern. Deren sehr spezielle Eigenheiten und Gedankengänge bereichern die Handlung um interessante Facetten und lassen die beschriebene Welt damit glaubwürdiger und lebendinger wirken.

Es wird ein glaubwürdiger Kosmos gezeichnet, der Völker, Charaktere, Landschaften lebendig werden läßt.

Generell gelingt es Hennen und Corvus sehr gut, den Charme und Reiz der individuellen Schauplätze einzufangen. Die Beschreibungen von Landschaften und Umgebungen sind detailliert, aber nicht ausschweifend. Atmosphärische Details, wie beispielsweise die beklemmende Stille des Himmelsturms oder die Strapazen der Reise in Die Wölfin, lassen den Leser die Gefühlslage der Charaktere selbst empfinden. Gepaart mit einem, bis auf die Ausnahme von Schlangengrab, sehr zielorientieren Schreibstil lesen sich die Bände der Phileasson-Saga damit sehr flüssig.

Ebenfalls schaffen es die Autoren geschickt, die Eigenheiten einzelner Völker und Charaktere über alle Bände hinweg immer wieder aufzugreifen und damit ein Gefühl der Kontinuität zu erschaffen. So äußern beispielsweise die Wettstreiter thorwalscher Herkunft bei jeder sich bietenden Gelegenheit die typische Redewendung „Das wohl“ oder fassen als Zeichen ihres Aberglaubens das Eisen ihrer Waffen zur Abwehr böser Kräfte an. Details wie diese geben dem Leser das Gefühl trotz unterschiedlicher Bände einer einzigen zusammenhängenden Geschichte zu folgen.

Die Autoren

Das Geschick der Autoren zur Etablierung einer glaubhaften Fantasy-Welt ist nicht überraschend, wenn man sich die Vita der beiden Beteiligten ansieht. Sowohl Hennen, als auch Corvus sind als Autoren für Abenteuer oder Romane in der Welt von Das schwarze Auge tätig gewesen. Beispiele sind die Jahr-des-Greifen-Trilogie von Hennen oder die Isenborn-Reihe von Corvus. Hervorzuheben ist natürlich auch, dass die ursprüngliche Fassung der DSA-Abenteuer der Phileasson-Saga (1990 unter dem Namen Drachenhals-Tetralogie begonnen) und die Neuauflagen aus den Jahren 1999 und 2009 allesamt aus der Feder von Hennen stammen. Dieser ist damit bestens mit der Geschichte und deren Feinheiten vertraut.

Außerhalb der Welt des Pen&Paper erlangte Hennen besonders mit seinen Romanen aus dem Elfenzyklus Aufmerksamkeit. Die 2004 mit Die Elfen begonnene Reihe umfasst inzwischen 14 Bücher, die das mysteriöse Volk über mehrere Epochen und Ereignisse begleiten. Corvus, der eigentlich Bernd Otto Robker heißt und auch unter dem Pseudonym Bernard Craw veröffentlicht hat, ist unter anderem für die Bücher der Schwertfeuer-Saga und Die-Schattenherren-Reihe bekannt.

Erscheinungsbild

Die broschierten Romane weisen eine Seitenlänge um die 500 bis knapp 700 Seiten auf, wobei Himmelsturm mit 480 Seiten der kürzeste und Silberflamme mit 689 Seiten der längste Roman ist. Die Softcover-Einbände jedes Romans zeigen einheitlich neben den Namen der Autoren den Schriftzug Phileasson-Saga, wobei das Bild und der Untertitel nach Band variieren und eine stimmungsvolle Szene des enthaltenen Abenteuers zeigen. Die Qualität des verwendeten Papiers ist hochwertig und zeigt nach selbst intensiverer Nutzung wenig Gebrauchsspuren.

Romane und DSA-Abenteuer – Ist eine Kombination sinnvoll?

Eine interessante Frage für Besitzer der Abenteuer ist möglicherweise, welchen Mehrwert die Romane für diese anbieten können. Zunächst muss hier darauf hingewiesen werden, dass die Haupthandlung zwar Anpassungen, aber keine drastischen Änderungen erhält – der Metaplot bleibt erhalten. Jedoch kann ich aus eigener Erfahrung als aktueller Spielleiter einer Phileasson-Saga-Gruppe festhalten, dass die Romane das Spiel um drei Aspekte bereichern können.

Erstens handelt es sich hier um die atmosphärische Gestaltung. Wie zuvor erwähnt schaffen es Hennen und Corvus die Individualität der Handlungsorte und Ereignisse stimmungsvoll einzufangen. Das kann besonders Spielleitern, die noch nicht so viel Erfahrung mit der Welt von Aventurien sammeln konnten, dabei helfen die Geschichten der eigenen Gruppe authentischer und eindrucksvoller auszuarbeiten. So findet beispielsweise zu Beginn in Nordwärts ein Fest in Thorwal statt, dessen Eskalation schließlich in der Ausrufung der Wettfahrt endet. Zur Erschaffung der Atmosphäre und Erleichterung des Einstiegs meiner Spieler habe ich viele der Beschreibungen und Textpassagen direkt übernommen, um  die Szene eindrucksvoller zu gestalten.

NSC Individualisierung

Zweitens bieten die Romane eine Hilfestellung bei der Darstellung der Nichtspieler-Charaktere (NSC). Diese sind tatsächlich für viele Leiter ein Kritikpunkt der Saga, da je nach Auswahl der Mannschaft drei bis acht „wichtige“ NSC vom Spielleiter verkörpert werden müssen. Die Herausforderung dabei ist, die Spieler nicht nur zu Statisten der anderen Mitglieder werden zu lassen und gleichzeitig die Begleiter interessant und glaubwürdig darzustellen. Hier bieten die Abenteuer leider nur sehr wenig Unterstützung, da sich die Beschreibung der Charaktere auf die wichtigsten Informationen begrenzt.

Die Romane helfen der Fantasie auf die Sprünge, insoweit es um die Darstellung der NSCs geht.

Doch durch die Lektüre der Romane wird es viel einfacher, die Dynamik unter den Charakteren zu erkennen (und damit sicher zu stellen, dass die Spieler die Hauptakteure des Abenteuers sind) und individuelle Charakterzüge der NSC zu Tage zu fördern. Tatsächlich hat mir eine lediglich in den Romanen vorkommende Begleiterin von Phileasson so gut gefallen, dass ich sie anstelle eines anderen vorgesehenen Charakters in die Gruppe eingebunden habe.

Drittens und zuletzt lösen die Romane endlich das Problem, wenn die Spieler auf der Seite von Beorn in die Wettfahrt ziehen wollen. Innerhalb der Abenteuer wird nur sehr kurz angerissen, welche Ereignisse dem Blender und seiner Mannschaft, die noch rudimentärer als Phileassons beschrieben ist, widerfahren. Die Romane, besonders Silberflamme und Schlangengrab, legen deutlich mehr Fokus auf die Geschichte von Phileassons Rivalen und ermöglichen es damit auch eine Reise in Beorns Mannschaft glaubhaft und atmosphärisch zu gestalten.

Ein letzter Hinweis: Natürlich sollte niemand die Romane lesen, der die DSA-Kampagne spielt oder dies plant. Bereits sehr früh werden in den Romanen Ereignisse und Charaktere beschrieben, die für Spieler der Abenteuer erst zu einem viel späteren Zeitpunkt relevant werden.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Heyne Verlag
  • Autoren: Bernhard Hennen, Robert Corvus
  • Erscheinungsdatum: 11. April 2016 (Nordwärts) bis 11. März 2019 (Rosentempel)
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Preis: 14,99 Euro pro Band
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Eine Karte Aventuriens, mit zum Verlauf der Geschichte passenden Eintragungen, ist in jedem Band enthalten.

Jeder Band enthält eine Karte von Aventurien, die unter anderem die bisherigen Reisestationen der beiden Kapitäne umfasst. Darüber hinaus findet sich am Ende jedes Bandes ein Glossar mit Informationen zu Orten und Charakteren. Dieser Zusatz ist sehr hilfreich, um gerade bei der Vielzahl an Figuren den Überblick zu behalten.

Zudem haben die Autoren unter http://phileasson.de/ eine Webseite ins Leben gerufen, die weitere Information zu den Romanen, aber auch zum Schaffensprozess dieser beinhaltet. Interessierte Leser können hier mehr Hintergrundwissen zu Figuren, Schauplätzen, den Autoren und auch Informationen zu kommenden Terminen und Veröffentlichungen erhalten.

Fazit

Die Phileasson-Saga ist für jeden Liebhaber von guter Phantastik zu empfehlen und keineswegs nur auf DSA-Fans limitiert. Die meisten der Bände sind kurzweilig geschrieben und begeistern mit interessanten Ereignissen, Schauplätzen und Charakteren. Hennen und Corvus unterstützen die faszinierende Handlung durch einen atmosphärischen Schreibstil, der die Welt von Aventurien beinahe greifbar macht. Die Geschichte einer Wettfahrt mit zwölf Aufgaben überzeugt darüber hinaus mit der Vielfalt an Abenteuern und der daraus resultierenden Abwechslung.

Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis ist positiv zu beurteilen, da man neben der eigentlichen Geschichte pro Band auch ein ausführliches Glossar und hochwertiges Kartenmaterial erhält. Die hochwertige Verarbeitung der Softcover-Ausgaben rundet das gute Gesamtbild ab.

Damit ist abschließend nur zu sagen: Lasst uns in 80 Wochen um Aventurien segeln, das wohl!

 

Artikelbild: © Heyne Verlag, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Diese Produkte wurden auf eigene Kosten gekauft.

 

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