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Mit Adeptus Titanicus – The Horus Heresy erneuert Games Workshop (GW) den ersten Satz der Epic-Regeln aus den 80ern und lässt die größten Maschinen der Menschheit aufeinander los. Hat sich das Warten auf Schlachten mit gewaltigen Kriegsmaschinen gelohnt, oder lässt man die Modelle im kleineren Maßstab besser im Regal liegen?

Wie Ihr wollt, Princeps – Box und Ausstattung

Die Regelbox von Adeptus Titanicus kann schon von außen überzeugen. Fester Karton in Hochglanzoptik umschließt das Material im Inneren. Die Box fällt dabei kleiner aus als die Grundboxen von Warhammer 40k oder Age of Sigmar, enthält sie doch keine Figuren. Dafür ist sie auch für recht günstige 45,00 EUR zu haben. In gewohnter Form findet sich auf der Rückseite schon eine Übersicht der Inhalte der Box, namentlich:

  • Zwei Referenzbögen
  • Drei Schablonen
  • 21 Adeptus Titanicus-Würfel
  • Zwei Imperial Knights-Befehlsterminals
  • Sechs Titanen-Befehlsterminals (jeweils zwei für Warlord-, Reaver- und Warhound-Titanen)
  • 28 Waffenkarten
  • 24 Missions- und Gefechtsoptionskarten
  • Ein Lineal
  • Ein Gussrahmen mitt Schlachtfeldobjekten, Statusmarkern und drei Bogenschablonen für die Titanenbewegung
  • 96-seitiges Regelwerk

 

Das Material macht einen guten Eindruck und ist sauber sortiert. Die Pappe ist dick, der Guss der Plastikteile sauber. Neben speziellen Würfeln finden sich auch 10 W6 in der Packung, die statt der Nummer 6 das Titanicus-Zeichen tragen. Ein besonderer Blickfang sind die Befehlsterminals, die alle Werte des entsprechenden Modells übersichtlich zusammenfassen. Auch Beschädigungen und Reaktorleistung lassen sich hier verfolgen, befinden sich in den Terminals doch ausgestanzte Löcher, in die man Statusmarker stecken kann.

Für den überschaubaren Preis hat man hier auf den ersten Blick eine ordentliche Menge Material in der Hand, ein klarer Pluspunkt.

Schlachtfeldscan läuft – Ein Blick ins Buch

Mit 96 Seiten ist der DIN A4-Hardcoverband nicht besonders umfangreich, überzeugt aber trotzdem in der Optik. Der Einband ist hübsch gestaltet, das Lesezeichenband stabil, die Bilder von gewohnt hoher Qualität. Das Buch liefert eine kurze Einleitung in den Hintergrund, widmet sich dann aber fix den eigentlichen Regeln. Diese sind unterteilt in die Grundregeln und die erweiterten Regeln. Im letzten Drittel finden sich noch weiterführende Konzeptionen wie Missionen, Gefechtsoptionen oder Boni für zwei beispielhafte Titanen-Häuser. Die Aufteilung an sich ist sinnvoll, krankt aber leider gleich an mehreren Stellen.

Zunächst ist der Hintergrundteil so kurzgehalten, dass man ihn sich hätte sparen können. Wer sich neu mit der Horus Heresy auseinandersetzt, wird hier mit einem großen Fragezeichen zurückgelassen. Wer sich bisher, sei es in Romanen oder dem 30k-Tabletop, mit dem Hintergrund beschäftigt hat, wird über Ungereimtheiten stolpern. So wird Kelbor-Hal, der Anführer des Dark Mechanicums, als Auslöser der Horus Heresy aufgeführt, eine zumindest äußerst eindimensionale Betrachtung.

Die Qualität der Übersetzung ist leider an mehreren Stellen mäßig. Öfter findet sich ein Wechsel zwischen „Du“ und „Sie“ als Anrede, Buchstaben oder Satzzeichen fehlen oder Wörter wurden vertauscht. An einer Stelle ist sogar ein Text nicht ins Deutsche übersetzt worden, stattdessen findet sich dort das englische Original. Auch das Layout ist an manchen Stellen inkonsistent ausgefallen, so finden sich beispielsweise auf den Begleitbögen unterschiedliche Schriftgrößen für Regelanmerkungen. Alles in allem ist dies kein Beinbruch, man ist aber eigentlich bessere Arbeiten von GW gewöhnt.

Auch der Regelteil hat kleinere Problematiken, die das Verständnis erschweren können. So gibt es innerhalb der Regeln immer wieder dunkel gefärbte Felder, in denen meist kurze Hintergrundtexte zu finden sind. Ob man diese Unterbrechung des Leseflusses mag, ist wahrscheinlich eine Frage der persönlichen Präferenz. Ärgerlicher ist dabei jedoch, dass ein Teil der Kästen doch mit zusätzlichen Designerinformationen oder Regelanmerkungen gefüllt sind.

Ebenso gibt es innerhalb des Buches, wie in nahezu jeder GW-Publikation, einige bedruckte Dopppelseiten mit Bildern von Einheiten und kurzen Hintergrundtexten. Auf einigen dieser Seiten befinden sich dieses Mal aber zusätzlich am unteren Rand Regeln. Wenn man die Bilder gerade eigentlich überblättern möchte, weil man sich mit Regeln beschäftigt, kann an diesen Stellen schnell ein Abschnitt übersehen werden.
Insgesamt weißt das Regelbuch somit deutliche Schwächen auf, die sich weniger im eigentlichen Inhalt, sondern in dessen Aufbereitung finden.

Moderati melden Einsatzbereitschaft – Die Regeln

Ein neues System steht und fällt immer mit den neuen Regeln. Adeptus Titanicus weißt hier, losgelöst von den eigentlichen Regeln, zwei klare Unterscheidungen zu aktuellen Warhammer-Systemen auf. Zunächst werden die Züge nicht pro Seite abgehandelt, sondern Spielerinnen und Spieler aktivieren abwechselnd Einheiten pro Phase. Weiterhin darf man keine Vorabmessungen vornehmen, sondern muss Entfernungen schätzen, bevor man eine Bewegung durchführt, respektive eine Waffe benutzt.

Insgesamt besteht ein Zug aus fünf Phasen: Strategiephase, Bewegungsphase, Schadensbegrenzungsphase, Nahkampfphase und der Endphase. Zentrales Element in allen Phasen bilden die Kommandoterminals. Hier finden sich nicht nur die Bewaffnung und bisherigen Schäden am Titanen, sondern auch seine grundsätzlichen Werte, seine Reaktorauslastung und die Einsatzbereitschaft seiner Schilde. Praktischerweise hat man kleine Plastikmarker in der Grundbox, mit denen man in den vorgestanzten Terminals den augenblicklichen Status markieren kann.

In der Strategiephase bestimmen die Spielenden zunächst, wer an der Reihe ist. Ganz klassisch entscheidet ein Würfelwurf: Wer höher würfelt, bestimmt die Reihenfolge für diesen Zug. Wenn Gefechtsoptionen, besondere Ereignisse, die beispielsweise durch Missionen vorgegeben werden, aktiviert werden sollen, geschieht dies meist ebenfalls in dieser Phase. Danach können Titanen unterschiedliche Befehle gegeben werden. „Erster Beschuss“ ermöglicht beispielsweise in der Bewegungsphase, statt eine Bewegung durchzuführen, eine einzelne Waffe zu aktivieren. Die Befehle sind dabei nicht automatisch erfolgreich, sondern ein Kommandowurf muss gelingen. Falls dieser misslingen sollte, erhält nicht nur dieser Titan keinen Befehl, sondern es können in dieser Runde auch keine weiteren Befehle erteilt werden.

In der Bewegungsphase bewegt man abwechselnd seine Kriegsmaschinen. Durch deren Schwerfälligkeit sind dabei nicht beliebig viele Drehungen möglich. Es ist auf den Terminals vermerkt, wie oft dies geschehen darf. Hier finden sich auch zwei Werte, da dort das erste Mal die Reaktorauslastung zum Tragen kommt. Öfter kann man entscheiden, dass man die Reaktorleistung erhöhen möchte, hier eben um sich weiter zu bewegen oder öfter zu drehen. Erhöhungen sind aber in einer gewissen Form gefährlich, kann es doch passieren, dass der Reaktor überlastet und dem Titanen Schaden zufügt. Mehr Energie im System kann auch dafür sorgen, dass der Maschinengeist des Läufers, eine Art K.I., aktiv wird und eigene Befehle erteilt.

Die Schadensbegrenzungsphase ermöglicht interne Schäden der Maschinen aufzuarbeiten. Hierbei würfelt man eine Anzahl Würfel, die dem Servitor-Kladen-Wert des Läufers entsprechen und kann je nach Ergebnis unterschiedliche Reparaturen durchführen, beispielsweise die Schilde wieder hochfahren oder Plasma aus dem Reaktor ablassen. Hiermit wird dargestellt, dass Servitoren, geistlose Cyborgs, Notfallreparaturen im System durchführen und irgendwie das Konstrukt am Laufen halten. In dieser Phase muss auch überprüft werden, ob die Reaktorleistung im orangefarbenen oder sogar im roten Bereich ist. Falls dies so ist, nimmt der Titan Schaden.

Die Nahkampfphase hat hier eigentlich einen trügerischen Namen, werden hier doch sowohl Fernkampf- als auch Nahkampfangriffe abgehandelt. Ein Titan feuert dabei alle seine Waffen auf ein Ziel ab, es sei denn, er hat einen Befehl zum Feueraufteilen erhalten. Jede Waffe besitzt eine Anzahl Attacken und ein Stärkeprofil. Zunächst würfelt man mit der Anzahl Attacken und versucht den anderen Titanen überhaupt zu treffen. Danach ist es wichtig, ob das Ziel noch Schilde besitzt oder nicht. Den Schilden ist die Stärke des Treffers nämlich egal, hier geht es nur darum, einen Schutzwurf zu bestehen. Besteht man diesen nicht, wird der Treffer zwar auch abgewendet, auf dem Kontrollterminal wird jedoch der Marker für die Schildstärke verringert. Unter dem Dauerbeschuss werden dann irgendwann die Schilde kollabieren.

Wenn dies geschieht, werden bei erfolgreichem Beschuss Trefferzonen ausgewürfelt und dort ein Würfelwurf zur Waffenstärke addiert. Je nach Trefferstärke kann ein solcher Treffer einen Schaden am Modul oder sogar einen kritischen Treffer erzeugen. Titanen haben keine Lebenspunkte, stattdessen führt eine gewisse Anzahl von kritischen Treffern in einem Bereich schließlich zu einem katastrophalen Schaden, der potenziell die gesamte Kriegsmaschine vernichtet.

Mehrere taktische Elemente kommen hierbei zum Tragen. Es ist beispielsweise sinnvoller, mit Waffen, die viele Attacken besitzen, zunächst die Schilde abzutragen, um danach die großkalibrigen Geräte gegen den Rumpf des Fahrzeuges einzusetzen. Weiterhin besitzen Waffen eine Vielzahl von unterschiedlichen Sonderregeln. Schnellfeuerwaffen verursachen beispielsweise potenziell mehr Treffer beim Beschuss, da ein konstanter Strom aus Munition auf das Ziel einprasselt.

In der Endphase werden gesetzte Befehle entfernt und einige kritische Schäden, beispielsweise ein Reaktorleck, entfalten hier ihre zerstörerische Wirkung.

Die Regeln sind, nach einer ersten Eingewöhnung, gut verständlich. Der Wechsel zwischen den Spielenden bringt eine angenehme Dynamik und lässt einen jeden Zug genau überlegen. Außerdem verhindert der Wechsel bei der geringen Miniaturenanzahl, dass eine Seite vollständig vernichtet wird, bevor sie auch nur einen Schuss abfeuern kann, „Alpha Strikes“ werden so verhindert. Der Regelkorpus schafft somit den angenehmen Spagat zwischen Verständlichkeit und genug taktischer Tiefe, sodass nicht jedes Match gleich abläuft.

Größer wird’s nicht?  – Das neue Warlordmodell

Mit den neuen Regeln erscheinen natürlich auch neue Modelle für das System und den Anfang macht dabei neben den kleinen Imperial Knights der Klassiker aller Titanen: Der Warlord-Titan. Auch, wenn in der Regelbox kein Titan enthalten ist, war GW so freundlich, uns ein Modell zur Rezension zur Verfügung zu stellen. Während früher bei Epic das LuciusSchema zum Einsatz kam, das mit seinem brachialen Aussehen und der Ästhetik eines Brotkastens überzeugen konnte, findet sich nun als Standardvariante das von GW später veröffentlichte Mars-Schema. Die Warlord-Box enthält dabei drei Gussrahmen, eine Base und einen Bogen mit Abziehbildern. Der Detailgrad der neuen Gussrahmen ist dabei in gewohnter Weise sehr hoch. Auch kleinste Details wie die Geländer am hinteren Eingang in den Warlord sind sauber verarbeitet und lassen sich gut erkennen.

Der Zusammenbau gestaltet sich dabei auch für unerfahrene Tabletopspieler recht simpel. An vielen innen liegenden Stellen finden sich eigene Fugen, damit man die Einzelteile exakt ankleben kann. Nur bei den Beinen muss man einmal aufpassen, dass man diese nicht falsch herum am Modell befestigt. Am Ende bekommt man ein hoch detailliertes Modell, das kleiner als ein Imperial Knight für das normale 40k ausfällt, optisch aber keinen Vergleich zu scheuen braucht. Positiv hervorzuheben ist, dass sich in allen Waffenbefestigungen Aussparungen befinden, sodass ohne Probleme Magnete angebracht werden können, was einem lästiges Bohren erspart. Ironischerweise braucht man diese Aussparungen bei dem vorliegenden Modell jedoch erst einmal nicht, liegen doch der Box keine zusätzlichen Waffenoptionen bei.

Man ist hier auf schultergestützte Apokalypse-Raketenwerfer und zwei Vulkan-Kanonen beschränkt. Über den Nutzen der vorliegenden Waffenauswahl kann man lange diskutieren, bei einem 85,00 EUR teuren Bausatz die zusätzlichen Waffenoptionen jedoch nicht beizulegen, sondern diese dann extra zu verkaufen, ist schon happig. Der genannte Preis ist, auch für GW-Verhältnisse, nicht gerade günstig. Viele Bausätze bieten entweder die gleiche Größe bei niedrigerem Preis oder aber bei einer ähnlichen Preisspanne deutlich mehr Modell fürs Geld.
Kombiniert mit den fehlenden Waffenoptionen bleibt hier trotz des an sich guten Modells somit ein bitterer Beigeschmack. 

Und was spielen wir jetzt? – Einstieg und Ausblick

Das Regelbuch bietet die klassischen drei Ansätze, ein Gefecht auszutragen. Im freien Spiel bringen beide SpielerInnen einfach auf den Tisch, worauf sie Lust haben. Beim erzählerischen Spiel orientiert man sich an vorgegebenen Ereignissen und Szenarien, während im ausgewogenen Spiel das eigene Titanen-Manipel innerhalb eines Punkterahmens erstellt wird. Die vorgestellten Missionen im Regelbuch ermöglichen es, große Gefechte aus der Horus-Heresy nachzuspielen. Hierfür werden aber recht große Streitkräfte benötigt, je nach Mission umgerechnet der Punktwert von zwei bis fünf Warlord-Titanen, pro Seite wohlgemerkt.

Dies wird dazu führen, dass man die Missionen zu Beginn gar nicht und auch später erst nach einer ordentlichen Vorabinvestition spielen kann. Normale Gefechte sind in ihrer kleinsten Form auf 1000 bis 1500 Punkte pro Seite ausgelegt, was ebenfalls eine gehörige Investition erfordert. Tabletopfiguren zu sammeln, war nie günstig, im Gegensatz zu anderen Startboxen kann man die Titanicus-Miniaturen aber eben nur für Titanicus verwenden. Auch stehen, trotz Variationen der Bewaffnung, nur wenige Modelle zur Auswahl. Drei Titanen-Varianten und Imperial Knights versprechen jedenfalls keine großen Überraschungen auf den Schlachtfeldern. Der Wiederspielwert wird daher, abseits von der Anzahl an Spielerinnen und Spielern, die mit Titanicus wirklich anfangen, davon abhängen, wie viele Erweiterungen GW nachliefert und ob diese mit zusätzlichen Kosten verbunden sind oder über die Homepage veröffentlicht werden.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Games Workshop
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Grundbox
  • EAN: 5 011921 107919
  • Preis: 45,00 EUR
  • Bezugsquelle: AmazonGames Workshop

 

Gefallene Riesen? – Ein Resümee

Adeptus Titanicus möchte mit seinen Inhalten sowohl die alten Fans von Epic 40k bedienen, als auch neue Spieler für ein System abseits von Age of Sigmar und 40k gewinnen. Ersteres mag durchaus gelingen. Der Regelblock ist gelungen, die Modelle hübsch anzusehen. Probleme in der deutschen Fassung des Buches, teure Modelle und eine geringe Auswahl an Einheiten können Neulinge aber erst einmal abschrecken.

Die nächsten Monate werden wohl zeigen müssen, ob GW so viele Inhalte nachreicht, dass ein Einstieg in das System auch für Gelegenheitsspieler interessant werden kann. Es ist zu hoffen, dass dies geschieht, im Augenblick kann eine Empfehlung aber nur für Fans des alten Spiels ausgesprochen werden, die auf ein Revival gewartet haben.

Artikelbild: © Games Workshop
Fotografien: Markus Kastell
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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