Animationsfilme kommen nicht nur aus Hollywood. Die asiatischen Länder haben mindestens ebenso hochwertige Kost anzubieten. Neben den bekannteren japanischen Anime gibt es auch in China eine nicht zu verachtende Animationsindustrie. Eines der Werke aus dieser ist seit Kurzem auch bei uns erhältlich – und ihr könnt zwei Kopien davon gewinnen!
China ist das bevölkerungsreichste Land der Welt, dessen Filmindustrie seit Jahren erstarkt. Die Werke dieser Industrie waren auch bei uns im Westen oft zu sehen und Namen wie Jet Li, Jackie Chan oder Andy Lau sind Filmfreunden hierzulande sicherlich ein Begriff. Waren es in der Vergangenheit mit Filmen wie Tiger & Dragon, Hero oder House of the Flying Dagger meist Martial Arts Filme, die den Sprung nach Westen schafften, so gab es in der jüngeren Vergangenheit immer wieder andere Beispiele.
So etwa Die wandernde Erde, ein Science-Fiction-Film, der hierzulande auf Netflix verfügbar ist und im letzten Jahr insgesamt ca. 700 Millionen USD an den weltweiten Kinokassen einspielte – Platz 13 der erfolgreichsten Filme des Jahres. Sogar noch etwas erfolgreicher war auf Platz 12 Ne Zha, ein animiertes Fantasyabenteuer, welches es mit ca. 726 Millionen USD auf Platz 12 schaffte, bisher in Deutschland aber nirgendwo verfügbar ist.
Der heutige Titel White Snake konnte zwar nicht ganz so riesige Summen einspielen, landete aber mit einem Einspielergebnis von 62 Millionen USD immerhin auf Platz 90. Anders als die beiden erfolgreicheren Geschwister liegen die Zahlen abseits des Heimatmarkts von White Snake jedoch bei unter 40.000 USD, was praktisch bedeutet, dass es ihn im Kino nie wirklich zu sehen gab.
Am 19. Mai ist er allerdings auf DVD und Blu-ray erschienen, sodass man den Film nun im Heimkino genießen kann. Wenn ihr Glück habt, könnt ihr über das Gewinnspiel am Ende des Artikels sogar eine solche Scheibe gewinnen.
Inhaltsverzeichnis
Handlung
Xiao Bai ist eine weiße Schlangendämonin. Sie wird ausgesendet, den dunklen General zu töten, der seinerseits Jagd auf alle Schlangen macht. Der Anschlag geht jedoch schief und Xiao Bai wacht ohne Gedächtnis in einem Dorf von Schlangenjägern wieder auf. Dort trifft sie auf den jungen und ungestümen Xuan und die beiden freunden sich an. Als Xiao Bais Vergangenheit sie einzuholen droht, beginnen die beiden eine gemeinsame Reise, um einen Ausweg aus ihrer misslichen Lage zu finden.
So simpel die Geschichte von White Snake im Grunde ist, so schwer macht es der Film dem Zuschauer, dieser zu folgen. Denn die Charaktere, ihre Motivationen und ihre Fähigkeiten werden nicht strukturiert eingeführt. Die Geschichte beginnt im Grunde mittendrin. So manche Figur hat keinen Namen, sondern nur einen beschreibenden Titel, und ein paar wichtige Tatsachen über die Natur von Wesenheiten erfährt man erst im Laufe des Films, und auch dann nur am Rande und sehr ungenau. So manches Mal saßen wir beim Schauen des Films mit großen Fragezeichen vor dem Geschehen und wussten nicht so recht, was das nun wieder sollte. Als ein zentrales Element von White Snake ist sicherlich die Beziehung der beiden Hauptfiguren gedacht – aber diese aufkeimende Liebe wirkt sehr erzwungen.
Aufgelöst wird dieses Rätsel erst in den Extras. Als Mitteleuropäer kennt man die chinesische Sagenwelt nicht sehr gut und so erfährt man in einem Interview mit einem der Regisseure, dass das Märchen der weißen Schlange in China weit verbreitet ist. Die Regisseure hatten jedoch das Gefühl, dass diesem Märchen etwas voran gegangen sein muss, welches es in sich schlüssiger machte. Also haben sie diese Vorgeschichte ersonnen. Die echte Legende lässt sich vielerorts nachlesen.
Darsteller und Animation
Dieser letzte Punkt kann und wird zu großen Teilen daran liegen, dass die Charaktere nicht gut animiert sind. Zumindest die Gesichter und Mimik wirken über weite Strecken gestelzt. Als es dann zum ersten Kuss zwischen den beiden kommt, sieht man noch einmal besonders deutlich, wie schwach die Animation der Gesichter ist. Vielleicht ist dieses Urteil dem Unterschied in den Kulturen geschuldet und für westliche Zuschauer ist die Mimik einfach nicht dem entsprechend, was sie gewohnt sind.
Hervorzuheben ist jedoch die Kampfchoreographie. Einige der auftauchenden Wesen ähneln Naga und zurecht fragten sich die Macher, wie ein Schlangendämon kämpfen würde, so dass es „chinesisch“ aussieht. Bei den Animationen stand eine Absolventin von Jet Lis Kampfschule beratend zur Seite, wie man in den Extras erfährt.
Inszenierung
Blickt man jedoch an Gesichtern der Figuren vorbei, so entdeckt man unglaublich schöne und detaillierte Hintergründe. Die Bilder, vor denen die Handlung stattfindet, sind bisweilen atemberaubend und fast schon fotorealistisch gut gelungen. Auch die vielfach vorhandenen Actionsequenzen sind flüssig und äußerst dynamisch gestaltet; das eine oder andere Mal fließt vergleichsweise viel Blut. Ein Kinderfilm ist White Snake keinesfalls.
Neben der schieren Opulenz mancher Szenen beeindruckt der Film mit einfallsreichen Handlungsorten. Insbesondere eine Werkstatt, die im späteren Verlauf des Films eine Rolle spielt, bietet großartige Bilder und fantastische Ideen. White Snake will zwar, anders als die meisten Animationsfilme aus Hollywood, eher Erwachsene als Kinder ansprechen, jedoch gibt es dennoch Anleihen an den Stil der Disney-Filme. So fehlen dem Film weder sprechende Tiere als Sidekicks, noch singende Hauptfiguren – obgleich der Gesang einen kleineren Rahmen einnimmt, als es in einem Film aus dem Haus der Maus der Fall wäre.
Erzählstil
Die Handlung folgt abseits weniger Ausnahmen der gemeinsamen Geschichte von Xiao Bai und Xuan. Die beiden gehen über weite Strecken des Films ihren Weg gemeinsam, so dass der Film sich ohne Probleme auf sie konzentrieren kann. Nur wenige Szenen zeigen andere Figuren und sind notwendig, um bestimmte Entwicklungen in der Geschichte erklären zu können. Die gesamte Erzählweise ist wie schon die Mimik für westliche Zuschauer nur schwer zu verfolgen. Zumindest hoffe ich, dass es an einer fehlerhaften Interpretation der verwendeten Bildsprache liegt, dass weite Teile des Films schwer verständlich sind.
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Extras
Bei den Extras finden sich die für Animationsfilme üblichen Animations-Arbeitsschritte in Form kurzer Videos, aber auch Musikclips zu den drei im Film auftauchenden Lieder. Untertitel helfen jedoch nur im Film selbst weiter, die Musikclips haben keine Untertitel. Zusätzlich finden sich zwei Trailer.
Am interessantesten jedoch ist das Interview mit dem Regisseur Zhao Ji. Hier erfährt man viel über die Beweggründe, den Film so zu machen, wie er ist und auch über die Schwierigkeiten der chinesischen Animationsfilmindustrie in den letzten Jahren.
Die harten Fakten:
- Regie: Amp Wong, Zhao Ji
- Darsteller: Animationsfilm
- Erscheinungsjahr: 2019
- Sprache: Deutsch
- Format: Blu-ray, DVD
- Preis: 13,79 EUR (Blu-Ray) bzw. 11,99 EUR (DVD)
- Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo
Gewinnspiel
An welcher Kampfschule absolvierte die Animationsberaterin für Kampfchoreographie?
Teilnahmeschluss ist der 06. Juni 2020. Es gelten unsere Teilnahmebedingungen.
Fazit
White Snake – Die Legende der weißen Schlange (so der komplette, eher sperrige deutsche Titel des Films) ist ein animierter Fantasy-Actionfilm aus China. Zielpublikum des Films sind anders als bei den meisten westlichen animierten Werken keine Kinder, sondern Jugendliche oder Erwachsene. Zu blutig und brutal für Kinder sind manche Szenen, so dass der Film korrekterweise eine FSK12 Einstufung erhalten hat.
Wer bei dem Titel des Films an den Fantasy-Martial-Arts-Film Die Legende der weißen Schlange mit Jet Li von 2012 denkt, liegt nicht völlig falsch – denn beide Filme beruhen auf der gleichen chinesischen Volkslegende. Das merkt man der Handlung des Films aber nur in sehr geringem Maße an. Vielmehr wirkt es so, als hätten beide Filme eine gemeinsame Grundlage von nicht viel mehr als einem einzigen Satz. Wer hingegen an den deutschen Film Die weiße Schlange von 2015 denkt, liegt völlig falsch, denn diese beiden Filme haben abgesehen vom Titel nichts gemeinsam. Verwirrenderweise gibt es nämlich ein nahezu gleichnamiges deutsches Märchen der Brüder Grimm.
Die Tatsache, dass es sich bei White Snake um die erneute Verfilmung einer chinesischen Volkslegende handelt, kann wahrscheinlich die meisten Probleme erklären, die ich als westlicher Zuschauer mit dem Film hatte. Denn aus dieser Volkslegende werden die chinesischen Zuschauer die fehlenden Elemente zur Erklärung der Handlung vermutlich schon kennen und den Film daher in einem anderen Licht sehen können. Für die meisten unserer Leser wird aber wohl wie für mich gelten: Viele Dinge ergeben nicht wirklich Sinn oder sind unzureichend erklärt.
Wer aber an der Handlung kein großes Interesse hat und einfach nur großartige Bilder und unterhaltsame Actionsequenzen genießen will, der findet an White Snake sicherlich seine Freude – an diesen Schmankerln mangelt es dem Film wahrlich nicht.
Die zweite Meinung
Von Roger Lewin
In vielen Punkten muss ich Kollege Holger zustimmen. Die Bildgewalt ist schier erschlagend, so atemlos schön oder auch herrlich skurril sind viele Szenen aufgebaut. Die Mimik der Figuren ist in meinen Augen gar nicht so hölzern, sondern wirkt oft kontrolliert. Als ob die Hauptcharaktere stets mit sich ringen, Kraft zu gewinnen, den Herausforderungen entgegen zu treten – denn davon gibt es wahrhaft viele!
Die Legende der weißen Schlange, ein in China weit verbreitetes Volksmärchen, ist auch mir im Original bislang unbekannt. Ich kenne jedoch die eine oder andere Verfilmung. Die Erklärungen des Regisseurs im Interview in den Extras haben den Aha-Moment erzeugt, in welchem ich verstand, dass es die Vorgeschichte des Märchens ist. Ich empfand es als gar nicht schwer, der Handlung zu folgen, auch bevor die Extras in Augenschein genommen wurden.
White Snake ist ein wunderschönes und wunderbares Epos an die Liebe und an die Opfer, die man gewillt ist, für die Liebe zu vollbringen. Dabei gibt es humoreske Szenen, romantische Momente und Augenblicke, in denen die heimische Leinwand nur so von brachialer mystischer Action wackelt.
Freunden asiatischer Legenden und auch jenen, die nur mal reinschnuppern wollen, kann ich diesen Film mit voller Aufrichtigkeit nur empfehlen. Ich habe die Spielzeit vollauf genossen, habe gelacht, mitgefiebert und war über die Handlungen der Antagonisten erzürnt. Ob ich den zweiten Teil sehen möchte, der zum Zeitpunkt des Interviews in der Postproduktion war? Oh ja!
Artikelbilder: © EuroVideo
Layout: Roger Lewin
Lektorat: Lukas Heinen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
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