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Backen ist kein Zauberwerk! Darum sind Backbücher immer gut als Geschenk. Unterhaltsame Rezepte für Gebäck und Elixiere könnten da genau das Richtige für den Nerd von heute sein. Wenn dann auch noch das eigene Lieblings-Franchise bedient wird, hört man Fanherzen schlagen. Doch bei einem Rezeptbuch kann auch vieles schief laufen …

Wer hat sich nicht schon gefragt, was Bilbo wohl auf seinem Geburtstag als Torte serviert hat, aus was Dr. Jekylls Verwandlungstrank besteht oder was in Kikis kleinem Lieferservice geliefert wird? Nun ja, zumindest fragt ihr euch das jetzt. Garniert mit ein paar liebevollen Anekdoten hat die Französin Aurélia Beaupommier, deren Vorgängerbuch „Zauberhafte Küche“ ebenfalls auf Deutsch beim Zauberfeder-Verlag erschienen ist, nun ein Buch voller Rezepte für eine Pâtisserie geschrieben. Hier werden Torten, Mousses, Kekse und Cocktails präsentiert, die aus den unterschiedlichsten Fantasywelten stammen. Bücher, Filme, Comics und Spiele werden verarbeitet. Hier dürfte also für jeden etwas dabei sein. Doch um es vorweg zu nehmen: Einige der Rezepte dieses Buches benötigen wahrlich Zauberkräfte, damit sie gelingen.

Inhalt

Jedes Rezept stammt aus einem Franchise wie Fluch der Karibik, Alice im Wunderland oder Final Fantasy. Mit sieben Rezepten am häufigsten vertreten ist Shrek. Die Frage bleibt offen, ob Shrek eine große Fangemeinde hat, die sich nach passenden Rezepten für den nächsten Film-Marathon sehnt. Dazu merkt man schnell, dass der Zusammenhang zwischen Leckerei und Franchise nur marginal vorhanden ist. Redet der Esel in Shrek immer wieder von Parfait als Lieblingsmahlzeit, findet man hier stattdessen „Esels Clafoutis“. Statt einem „Zaubertrank der guten Fee“ findet man „Shreks Milchshake“, der durch die Avocados zumindest eine Farb-Ähnlichkeit erreicht. Der Zusammenhang von Fiona und Piña Colada musste auch erst gegoogelt werden. Es wirkt so, als ob bekannte Rezepte auf Geek-Themen umgeschrieben wurden, ohne dass sie speziell auf Ideen aus den Büchern, Spielen und Filmen basieren.

Queenie Goldbergs Apfelstrudel
Queenie Goldbergs Apfelstrudel

Abgesehen von diesen Ungenauigkeiten findet man im Buch über 80 nerdige Rezepte für Kekse, Mousses, Torten oder Elixiere. Bis auf ein Waffelrezept ist alles alkoholfrei und damit für Kinder geeignet. Es herrscht viel Abwechslung: Von aufwendigen Rezepten wie einer Pavlova (eine Baisertorte) bis zu schnell zubereitenden Fruchtsaftmischungen ist alles vorhanden. Die Originalität hält sich aber in Grenzen. So gibt es ein Rezept für Milchreis, der mit kandierten Früchten vermischt wird oder ein „Eiscreme aus der Winkelgasse“, bei dem mehrere Eissorten gemischt und mit Erdnüssen und Erdnussbutter beträufelt werden. Absonderlichkeiten wie ein mit Schokolade überzogener Wackelpudding sind ebenfalls vorhanden. Wer schnell eine Idee für den nächsten Kindergeburtstag sucht, wird hier sicher fündig.

Schreibstil

Jedes Rezept wird mit einem kleinen Flavor-Text eingeleitet, der passend zum Franchise gewählt wurde. Diese Texte sind süß, wirken aber auch immer mal wieder etwas aufgesetzt. Im Rezept selbst sind immer kleinere Fluff-Schritte eingebaut, die mit dem Rezept selbst nichts zu tun haben und ein kleines Schmunzeln hervorrufen. So soll der Salem-Pudding in einer Neumondnacht zubereitet werden, wenn die Sterne noch nicht aufgegangen sind oder bei den New Yorker Keksen passend zu Ghostbusters eine Schüssel ohne Schleimspuren benutzt werden. Das stört den Lesefluss nicht und ist immerhin ganz charmant. Eine stichpunktartige Anweisung wäre aber oft netter gewesen, um schnell die nötigen Informationen zu finden.

Erscheinungsbild

Paiges Törtchen

Das Backbuch kommt in einem festen Hardcover-Einband daher und ist mit 192 Seiten gut gefüllt. Die Seitenzahlen kann man teilweise schwer erkennen, da hier nur wenig Kontrast zum Hintergrund herrscht. Praktischerweise ist ein Leseband vorhanden. Die meisten Rezepte sind mit einem ganzseitigen Bild versehen, auf denen das Resultat mit passenden Accessoires hergerichtet wurde. Leider trifft das nicht auf alle Rezepte zu: Immer mal wieder sieht man eine Doppelseite mit zwei Rezepten nebeneinander ohne jegliche Abbildung. Gerade bei einem aufwendigen Kuchen wie „Bilbos Geburtstagstorte“ hätte ich mir ein Foto gewünscht, das meinen Appetit anregt. Hier wäre bei einem Aufbrechen des Layouts noch einiges möglich gewesen, ohne den Umfang zu sprengen.

Erfahrungsberichte

Beginnen wir mit Queenie Goldsteins Strudel, ein einfacher Apfelstrudel, der sicher auch Newt Scamander gefallen hätte. Es wird mit einem fertigen Blätterteig gearbeitet und nur die Füllung zubereitet. Diese gelingt schnell, auch wenn sich die Angabe „4 Äpfel“ als etwas zu viel für ein einzelnes Blatt Blätterteig herausgestellt hat. Eine Gramm-Angabe wäre hier passender gewesen. Der Strudel selbst ist süß und vor allem warm ziemlich lecker.

Die Zutaten für Queenie Goldsteins Strudel

Als kleine Leckerei zwischendurch probieren wir uns an Paiges Törtchen aus dem Franchise Charmed – Zauberhafte Hexen. Gefüllt mit Ahornsirup und Pecannüssen versprechen sie ein süßes Gebäck, das Diabetes auslösen könnte. Der Teig erweist sich als sehr brüchig, so dass es schwer wird, ihn in passende Förmchen zu füllen. Das Resultat wirkt schon 10 Minuten vor der angegebenen Backzeit außen etwas hart und leicht schwarz. Fehlende Angaben zum verwendeten Ofen (vermutlich Ober-/Unterhitze) oder dem verwendeten Mehl (vermutlich Weizen 405) könnten Backanfänger verwirren. Das Äußere der kleinen Törtchen schmeckt recht trocken, so wird man doch von der weichen Füllung aus Ahornsirup überrascht.

Kikis Brioche

Das nächste Rezept soll Kikis Brioche sein: ein feiner Hefeteig, der sehr lange geknetet wird. Hier wird die Anwesenheit eines Backautomaten mit Knetfunktion vorausgesetzt. Wer schon mit frischer Hefe gearbeitet hat, wird hiermit wenig Probleme haben. Geschmacklich ist dieser Kuchen leicht süßlich, wenn auch etwas trocken. Wie bei allen Rezepten fehlte die Angabe, welches Mehl benutzt werden soll.

Als Nachtisch probieren wir ein Rezept aus, das angeblich in sechs Minuten fertig sein soll. Passend dazu ist es die Lieblingsmahlzeit des weißen Kaninchens. Letztendlich besteht das Rezept aus Eiern, Milch und Vanillezucker. Alles verrühren und in Auflaufformen geben, die 30 Sekunden in die Mikrowelle kommen. Das Resultat nach 30 Sekunden: Das Ei stockt nicht. Leider gibt es auch keine Watt-Angabe, sondern nur den Hinweis, dass man es in 10-Sekunden-Intervallen weiter erhitzen soll, wenn es noch nicht fertig ist. Nach ungefähr drei Minuten ist es soweit. Schön sieht das Resultat nicht aus und die Frischhaltefolie hat das blubbernde Ei auch nicht recht aufhalten können. Allein das Reinigen der Mikrowelle hat sechs Minuten gedauert. Vermutlich wäre das Rezept besser gelungen, wenn man das Ei vorher getrennt und das Eiweiß aufgeschlagen hätte. Es schmeckt nach ungewürztem Rührei – als süßes Omelett wären die Zutaten besser verwertet worden. Letztendlich hat dieses Rezept wesentlich länger gebraucht als angegeben und wird sicher nicht wiederholt.

Nun versuchen wir uns an einer Leckerei, die „Staubfingers Wonne“ genannt wird. Es besteht aus diversen zerkleinerten Nüssen, Butter, Honig und Zucker. Zerkleinert sollen diese im Ofen aufgehen. Doch ohne Binde- oder Triebmittel hat man schon nach wenigen Minuten ein ganzes Blech mit karamellisierten Nüssen. Den nachträglichen Schokoladenüberzug kann man sich hier sparen, da alles bei der kleinsten Berührung auseinanderbricht. Von den gewünschten Häufchen ist wenig zu sehen. Ich wage zu bezweifeln, dass dieses Rezept ohne große Modifikationen gelingen könnte. Eine Enttäuschung ist vorprogrammiert. Das einzig Positive hier ist der Geschmack, denn es sind immerhin karamellisierte Nüsse herausgekommen und als Leckermaul kann man gar nicht genug Zucker und Fett haben.

Leider misslungen – Staubfingers Wonne

Des Weiteren backen wir noch „Feenfesttagsbrötchen“. Hinter diesem Namen verbergen sich Rosinenbrötchen aus Hefeteig. Schnell fällt auf, dass dieser nicht wirklich gelingen kann, denn sieben Gramm frische Hefe sind eindeutig zu wenig für einen Teig mit 400g Mehl, wenn man hier keine flachen Resultate erwarten will. Möglicherweise wurde frische Hefe mit Trockenhefe verwechselt. Nach ein wenig Improvisation konnte der Teig gerettet werden, doch eine Fee wird an dem Gebäck nur wenig Freude haben: Selbst mit bestrichener Butter wirken sie sehr trocken und wenig frisch. Ohne das Rezept zu verändern, wäre hier aber vermutlich ein noch schlimmeres Ergebnis herausgekommen. Die Brötchen machen satt, sind aber nicht besonders schmackhaft.

Ursprünglich wollte ich noch den Kuchen der Uralhexen backen und Butterbier zubereiten, doch aufgrund diverser negativer Erlebnisse habe ich auf weitere Enttäuschungen verzichtet und das Buch nur noch durchgeblättert.

Ein Blick durch das Buch

Nach einigen negativen Erfahrungen sinkt der Wunsch, sich weiter mit dem Buch zu beschäftigen. Bei vielen Rezepten hat man den Eindruck, dass diese wohl niemals ohne Anpassung zubereitet worden sind. So wird fast immer zu wenig Triebmittel benutzt: Mehr als zwei Teelöffel Backpulver wird selbst bei mächtigen Kuchenteigen nicht verwendet. Bei den Zentaurenplätzchen werden sogar nur „3–4 Prisen“ angegeben. Ob in Frankreich anderes Backpulver verkauft wird als hierzulande?  Auch die Angaben von anderen Zutaten sind meist schwer verifizierbar. Wie viel sind „2 Prisen Sternanispulver“? Und was soll 1 TL Schlagsahne bewirken?

Die Feenfesttagsbrötchen

Bei den Zutaten werden immer wieder Ingredienzen erwähnt, die in deutschen Supermärkten schwer zu bekommen sind, wie Kastorzucker oder Melasse. Außerdem wird oft mit kandierten Früchten oder Blüten gearbeitet. Eine häufige Verwendung großer Mengen Kondensmilch und Lebensmittelfarbe ist ebenfalls fraglich. Beim „Kuchen der Uralhexen“ fragt man sich zusätzlich, wie dieser ohne Boden und ohne Backen gelingen soll, wenn die Hauptzutaten Frischkäse und Eigelb sind. Dazu würde ich vom Verzehr von Eiern abraten, die niemals erhitzt wurden.

Dazu ist es schwer, ein Rezept im Buch wiederzufinden. Nehmen wir das „Dessert in der allerletzten Sekunde vom weißen Kaninchen“. Im Inhaltsverzeichnis findet man es unter „Bowlen, Mousses und Cremes“ unter dem Namen „Ein fast zu spätes Dessert vom weißen Kaninchen“. Hinten im Index sind die Rezepte alphabetisch geordnet. Kennt man den genauen Namen nicht mehr, hilft das aber auch nicht. Vor allem nicht, weil der Name scheinbar unterschiedlich übersetzt wurde. Die letzte Hilfe ist hier das „Who is Who der Zauberer“. Dort sieht man alle sechs Rezepte, die zu „Alice im Wunderland“ gehören, aufgelistet. Leider stehen hier dann nur die Seitenzahlen, sodass man dieses Kapitel nur im Zusammenspiel mit dem Inhaltsverzeichnis nutzen kann. So ist mitunter allein die Suche nach dem passenden Rezept frustrierend.

Am ehesten werden wohl die Rezepte gelingen, die ausschließlich aus fertigen Bestandteilen bestehen. Fertige Mischungen oder Teig findet man immer wieder. Klar möchte man nicht unbedingt einen Blätterteig selbst machen, dafür wirken aber einige Rezepte ein wenig simpel, als dass man dafür ein eigenes Backbuch braucht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Zauberfeder
  • Autorin: Aurélia Beaupommier
  • Erscheinungsdatum: Juli 2020
  • Sprache: Deutsch (Aus dem Französischen übersetzt von Daniel Bürgel und Stephan Naguschewski)
  • Format: Hardcover, 21 x 29,7 cm
  • Seitenanzahl: 192
  • ISBN: 978-3-96481-004-5
  • Preis: 29,90 Euro
  • Bezugsquelle Fachhandel, Amazon, idealoZauberfeder-Shop

 

Fazit

Das Backbuch verspricht sagenumwobenes Gebäck und phantastische Leckereien. Von diesen Sagen ist wenig zu spüren. Das Backwerk stammt selten aus der inspirierten Quelle und ist meist eine Eigenkreation, deren Zusammenhang zum Franchise an den Haaren herbeigezogen ist. Offensichtliche Kreationen wie ein „Zaubertrank der Guten Fee“ sind nicht vorhanden. Die Rezepte gelingen aber nur viel zu selten. Dazu sind zu viele Ungenauigkeiten und Fehler in den Rezepten vorhanden. Die häufige Verwendung von Fertigprodukten spricht für Anfänger als Zielgruppe oder Personen, die wenig Zeit haben, um sich kreativ in der Küche auszutoben. Dass einige der Rezepte aber nur mit Abwandlungen gelingen, braucht aber zusätzliche Erfahrung in der eigenen Patisserie. Wer diese Erfahrung hat, wird von vielen der Rezepte wenig begeistert sein, da sie eher unkreativ sind.

Die Beschreibungen lockern den Backvorgang auf, erschweren aber das Auffinden relevanter Informationen. Die Struktur des Buches und die Benennung einzelner Rezepte sind auch nicht ideal, um gut damit zu arbeiten. Am ehesten gehören Eltern zur Zielgruppe, die gemeinsam mit ihren Kindern backen wollen. Der Praxistest hat gezeigt, dass das Gebäck oftmals nichts als Zutatenverschwendung ist und man wahrlich Zauberkräfte braucht, um daraus echte Leckereien herzustellen. So charmant die Idee dieses Buches und so gelungen die optische Gestaltung auch ist, als Geschenk oder Eigenerwerb kann ich hiervon nur abraten. Zu groß ist die Chance einer Enttäuschung.

Artikelbilder: © Zauberfeder Verlag, Fotografien: Kai Frederic Engelmann
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Alexa Kasparek
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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