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Vampire im Empire State Building! Eines von New Yorks bekanntesten Wahrzeichen wird in der Graphic Novel Vampire State Building zu einer wahren Todesfalle. In der Praxis ist die stimmungsvolle Umsetzung dieser interessanten Prämisse aber schwerer als gedacht. Die Gründe dafür erfahrt ihr in unserem Kurzcheck.

Als Marketing-Manager habe ich im Beruf ständig die Herausforderung, Inhalte auf möglichst einfache Art und Weise zu kommunizieren. In dieser Hinsicht kann ich die Verantwortlichen von Vampire State Building nur beglückwünschen: Die drei Worte des Titels sagen alles aus, was man wissen muss. Denn in seiner Essenz geht es in dieser Graphic Novel eben um Vampire, die das Empire State Building angreifen.

Zugegeben: Etwas mehr Handlung ist vorhanden, aber der Kern wird durch den Titel gut zusammengefasst. Fans von Untoten-Geschichten werden allerdings aufhorchen, wenn sie den Namen des verantwortlichen Illustrators erfahren. Charlie Adlard hat sich in der Comic-Industrie durch seine Tätigkeit als Zeichner von The Walking Dead einen Namen gemacht. In Zusammenarbeit mit einem französischen Autorenteam wartet er mit einer neuen Horror-Story auf. Wir haben uns das sogenannte Geheimprojekt des The Walking Dead-Zeichners genauer angesehen.

Handlung & Charaktere

Terry Fisher und seine Freunde treffen sich vor dessen Einsatz in Afghanistan ein letztes Mal auf der Aussichtsplattform des Empire State Buildings. Mit dabei ist auch Terrys Ex-Freundin Mary, von der er sich vor zwei Monaten getrennt hat. Die Gruppe plant einen letzten gemeinsamen Abend, um den jungen Soldaten gebührend zu verabschieden.

Leider ist ihnen und den anderen Besuchern des New Yorker Wahrzeichens kein ruhiger Abend vergönnt. In einem der Stockwerke des Gebäudes legen Bauarbeiter im Zuge einer Renovierung einen seltsamen Raum voller Schriftzeichen frei. Es dauert nicht lange, bis eine als unscheinbare Passanten getarnte Schar von Blutsaugern das Empire State Building attackiert.

Innerhalb kürzester Zeit werden die 102 Stockwerke des Gebäudes zur Todesfalle. Die Vampire richten an Personal und Besuchern ein Massaker an. In der Zwischenzeit versuchen die Einsatzkräfte vor dem Gebäude die Lage zu analysieren. Doch die wahre Ursache für das Blutbad wird schwer zu verarbeiten sein. Wer könnte schon glauben, dass eine alte indianische Gottheit in einem der bekanntesten Bauwerke New Yorks eingeschlossen wurde und nun ihre Anhänger zu sich ruft?

Terry und seine Freunde fokussieren sich unterdessen auf das eigene Überleben. Glücklicherweise ist Marys Vater Bauleiter für die Renovierungen. Dadurch können die Flüchtenden an wichtige Informationen über den Aufbau des Gebäudes gelangen. Doch selbst mit diesem Vorteil in der Hand ist die von den Untoten ausgehende Gefahr erheblich.

Auf der Produktseite des Verlags wird Vampire State Building treffend als Mischung aus Blade und Stirb langsam beschrieben. Zumindest der Überlebenskampf gegen eine Übermacht aus Letztgenanntem wird von der ersten Minute an greifbar. Doch auch wenn sich die Menschen im Laufe der Handlung stellenweise erfolgreich zur Wehr setzen können, scheint der Vorteil bei den Untoten zu liegen. Die einzige Hoffnung der Überlebenden ist Unterstützung von außen.

In vielerlei Hinsicht wirkt diese Graphic Novel wie ein Action-Film in Comicform. Der Überlebenskampf macht den Großteil der Handlung aus. Leider wird es dem Leser schwer gemacht, mit den Eingeschlossenen mitzufiebern. Die Hauptcharaktere werden auf wenigen Seiten zu Beginn eingeführt und kurz darauf bricht die Hölle los. Dadurch entwickelt man wenig Interesse für das Schicksal der Protagonisten. Tatsächlich musste ich am Ende den Band nochmals überfliegen, weil ich den aktuellen Status bei mehr als der Hälfte der anfangs vorgestellten Gruppe vergessen hatte.

Am interessantesten ist noch der Bösewicht. Dies allerdings nur aufgrund der Tatsache, dass er übertrieben mächtig wirkt. Gerade gegen Ende stellt sich die Frage, wie selbst Spezialeinheiten gegen den göttlichen Untoten bestehen sollen. Die Antwort darauf werden wir im zweiten und gleichzeitig letzten Band erhalten.

Zeichnungen & Kolorierung

Handwerklich ist an der Arbeit von Illustrator Charlie Adlard und Kolorist Sébastian Gérard nichts auszusetzen. Die Zeichnungen sind von hoher Qualität und fangen die beängstigende Atmosphäre gekonnt ein. Gleichzeitig sorgen Splatter und Blut für eine Extraportion Bedrohlichkeit.

Allerdings schränkt der Handlungsort die Möglichkeiten des künstlerischen Teams ein. Der Großteil des ersten Bandes findet im Inneren des Empire State Buildings statt. Dadurch dominieren dunkle und gleich anmutende Räume die Panels. Aufgelockert werden diese Szenen durch Außenaufnahmen. Doch auch diese finden in den Häuserschluchten vor dem Empire State Building statt und sind dunkel und grau gehalten.

Auf die Dauer macht dieser Band dadurch einen tristen Eindruck. Das passt zwar zur erzählten Handlung, doch kann diese in einer Graphic Novel nicht die gleiche Wirkung entfalten wie im Film. Ebenso verhält es sich bei Szenen, die mit Licht und Dunkelheit zu spielen versuchen.

Das Design der Untoten ist gelungen. Sie entsprechen Klischees, aber verkörpern diese bedrohlich. Besonders der Obervampir ist unangenehm zu betrachten. Allerdings könnte er Ekel auslösen, wenn man an Trypophobie (Abneigung gegen den Anblick unregelmäßiger Muster oder Ansammlungen kleiner Löcher) leidet.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Splitter
  • Autoren: Ange, Patrick Renault
  • Zeichner: Charlie Adlard, Sébastian Gérard
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 56
  • Preis: 16,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Vampire State Building wäre meiner Meinung nach als Action-Film besser aufgehoben. Die actionlastige Handlung kommt auf den Seiten einer Graphic Novel schlecht zur Geltung. Zusätzlich leidet die Geschichte unter oberflächlichen und austauschbaren Charakteren. Man erhält beim Lesen keine Chance, Interesse für diese aufzubauen. Zu schnell eskaliert die Situation im Empire State Building, und die Untoten übernehmen die Kontrolle.

Auch die Mitarbeit des The Walking Dead-Zeichners Charlie Adlard kann die Qualität nur bedingt steigern. Die visuelle Gestaltung ist handwerklich auf hohem Niveau, aufgrund des Handlungsortes aber limitiert. Die Szenen wirken auf Dauer eintönig und trist. Abwechslung in Form von Außenaufnahmen oder erinnerungswürdigen Ereignissen ist selten.

Ich könnte mir Vampire State Building sehr gut als Popcorn-Actionfilm im Kino vorstellen. Auf der großen Leinwand würden die düstere Stimmung und das Spiel mit Licht und Dunkelheit besser zur Geltung kommen. Als Graphic Novel muss die Handlung im zweiten Band deutlich anziehen, um nach dem Lesen nicht unmittelbar in Vergessenheit zu geraten.

mit Tendenz nach unten

 

Artikelbilder: © Splitter
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Ricardo Davids
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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