Geschätzte Lesezeit: 12 Minuten

Im weiten Feld der Fantasy-Skirmish-Systeme muss etwas Besonderes geboten werden um aufzufallen. Bei ArcWorlde trifft Tabletop auf eine gute Portion Rollenspiel. Statt sich auf ein straffes Regelwerk zu verlassen, werden die Spieler*innen ermutigt, eigene Kreativität einfließen zu lassen und so gemeinsam eine Geschichte zu entwickeln.

Beim britischen Hersteller Warploque Miniatures handelt es sich um ein echtes Familienunternehmen. Alex Huntley ist der kreative Kopf, welcher Regeln und Hintergrund schreibt und die Miniaturen entwirft. Sein Vater Rob ist für das Gießen der Modelle zuständig. Verpackung und Versand werden von Mutter Dawn übernommen. Seit mehreren Jahren wird so der Fantasy-Skirmisher ArcWorlde vertrieben, welcher durch narrative Regeln besticht. Ein weiteres Merkmal sind die Metall- und Resinmodelle im 28mm-Maßstab, mit ihrem an die Illustrationen von Josh Kirby erinnernden Comic-Charme. Inzwischen existiert eine Vielzahl von Fraktionen für das Spiel, welche auch durchaus miteinander gemischt werden können. Tauchen wir also gemeinsam in die Welt von ArcWorlde und erzählen wir unsere eigene Geschichte.  

Die Spieltwelt

Die Handlung des Spiels findet in der sogenannten Upper ArcWorlde statt. Hierbei handelt es sich um vielfältige Landschaften, verteilt über große Landmassen und Inseln verschiedener Größen. Bevölkert wird die Welt nicht nur von diversen menschlichen Kulturen, sondern auch von allerlei phantastischen Rassen und Kreaturen. Trotz der Vielfältigkeit der Völker sind große Teile der Welt noch unzivilisiert und unerforscht, was viel Raum für eigene Geschichten bietet. 

Die Upper ArcWorlde hat jede denkbare Landschaft zu bieten.

Die Völker

Die Völker in ArcWorlde unterteilen sich in vier übergeordnete Gruppen, welche wiederum aus jeweils drei Fraktionen bestehen.

Bei den Civilised Nations handelt es sich, wie der Name schon vermuten lässt, um siedlungsbauende Völker, die am ehesten unserer Vorstellung einer geordneten Zivilisation entsprechen.

Die Imperials sind Menschen, die ein wenig napoleonisch angehaucht sind. Sie sind gut ausgerüstet und das Militär spielt bei ihnen eine große Rolle.

Ebenfalls menschlich sind die im Norden lebenden Njorsvald. Thematisch wurde sich hier bei Wikingern und nordischen Sagen bedient.

Beim dritten Volk handelt es sich um die Halblinge von Hobbleshire. Auch sie sind tapfere und gut ausgerüstete Kämpfer. Und natürlich geht es bei ihnen auch viel ums Essen.

Die Nomads of the Wild sind wilde, nicht menschliche Völker. Sie leben in der unzivilisierten Wildnis der Upper ArcWorlde, ziehen in Gruppen umher und nehmen sich, was sie brauchen. Somit kommt es natürlich oft zu Konflikten mit anderen Fraktionen.

Die Bayourks sind große Grünhäute, die eine Art von Voodoo praktizieren und von Witchdoktas angeführt werden. Mit ihnen unterwegs sind ihre kleinen Cousins, die Boglins.

Mutmaßlich verwandt mit den Boglins, aber unabhängig und viel gemeiner, sind die Gremlins. Mit Steinwaffen ausgerüstet nutzen sie ein Netzwerk aus Tunneln, um sich ungesehen zu verbreiten und Unruhe zu stiften.

Das Beastvolk ist eine Fraktion aus anthropomorphen Tieren verschiedener Größen und Arten. Begleitet werden sie häufig von größeren Bestien der ArcWorlde.

Die in höherem Maße magiebegabten Fraktionen werden als die Fae Menace zusammengefasst. Die anderen Völker sind für sie nur lästige Hindernisse oder mögliche Opfer der Ausbeutung.

Die Wild Elves bevölkern die dicht bewaldete Insel Caledon. Doch einst waren sie weiter verbreitet und durch alte Portale fallen sie erneut in die Lande ein, welche einst ihnen gehörten.

Die Dark Lords wurden lange in die vulkanischen Niemandslande im Osten zurückgedrängt. Doch unterstützt von den Horden der Hobgoblins drängen sie wieder zurück in die Welt, um sich ihrer Schätze zu bemächtigen.

Die Wizards leben an der Grenze zu den Gebieten der Dark Lords. Lange war ihre Akademie der arkanen Kräfte ein Protektorat der Imperiums. Doch nun verfolgen sie vermehrt eigene Ziele und sind auf der Suche nach Wissen und Macht.

Die letzte Gruppe bilden die untoten Völker, die Heinous Dead. Da es in der Upper Arcworlde nicht ungewöhnlich ist, dass die Toten zurückkehren, neigen die zivilisierten Völker dazu, ihre verstorben zu kremieren. Dies reicht aber nicht, dieser Bedrohung Einhalt zu gebieten.

Natürlich gibt es auch in der ArcWorlde Gauner, Verbrecher und Übeltäter. Manchmal sind Menschen so verschlagen und niederträchtig, dass sie nach ihrem Tod einfach nicht tot bleiben wollen. Aus ihnen setzten sich die marodierenden Banden der Undead Raiders zusammen.

Seit Jahrtausenden bevölkern Menschen die Upper ArcWorlde. Viele Kulturen sind inzwischen verschwunden und nur Ruinen oder Steinkreise erinnern an sie. Doch manchmal erheben sich die Ancient Dead aus den Gräbern ihrer heiligen Stätten, um sie gegen Eindringlinge zu verteidigen.

Nachts machen die Vampires Jagd auf Menschen, um sich mit ihrem Blut ihre Unsterblichkeit zu erhalten. Manche von ihnen sind es leid, in ihren Schlössern zu verrotten, und suchen in der Welt nach Abenteuern und Möglichkeiten, ihre Macht zu erweitern.    

Die Regeln

Die englischsprachigen Regeln können als DIN A5 Buch mit einem Gesamtumfang von 57 Seiten erworben werden. Der eigentliche Regelteil kommt hierbei mit 35 Seiten aus. Alternativ kann das Buch aber auch kostenlos als vollfarbiges PDF-Dokument oder in einer druckerfreundlichen Variante heruntergeladen werden. Es gibt zum Ausprobieren sogar ein Print-and-Play-Set, bei dem Miniaturen als Pappaufsteller ausgedruckt werden können.

Wie bereits erwähnt wurde hier nicht Wert darauf gelegt, ein wasserdichtes Turniersystem zu entwickeln. Die Regeln sind also eher ein Leitfaden für die Spieler*innen und es wird dazu ermuntert, in Rücksprache mit den Mitspieler*innen eigene Ideen einfließen zu lassen.

Die Printversion des Regelwerkes.

Um das Spiel zu spielen, werden neben den Miniaturen einige Würfel, ein Maßband mit Zolleinteilung, Marker und das Tarot-Deck benötigt. Gespielt wird idealerweise auf einer Fläche von mindestens 90 cm x 90 cm und mit ausreichend Gelände, um den Charakteren vielfältige Handlungsmöglichkeiten zu bieten.

ArcWorlde verwendet sechsseitige Würfel. In den meisten Fällen wird eine vorher angegebene Zahl an Würfeln geworfen, wobei jeder Würfel, der vier oder mehr Augen zeigt, als Erfolg gewertet wird. Jede geworfene Sechs ist ein kritischer Wurf, zählt als zwei Erfolge und löst gegebenenfalls zusätzliche Effekte aus.

Armeeaufbau und Profile

Man kauft für seine Armee Charaktere in der vorher vereinbarten Gold-Summe. Für kleine Spiele wird hier eine Größe von 300 Gold vorgeschlagen. Eine Armee kann aus einer einzelnen Fraktion bestehen oder aus mehreren Fraktionen der gleichen Übergruppen gemischt sein. Auch das Spielen von abwegigeren Kombinationen ist möglich, wenn man bereit ist, dafür Defizite in Kauf zu nehmen. Auch das Hinzufügen von Söldnern oder Kreaturen zur Armee ist möglich. Im Regelbuch sind keine Armeelisten vermerkt, diese können aber kostenlos auf der Webseite von Warploque Miniatures heruntergeladen werden. Dort finden sich sämtliche Sonderregeln, Ausrüstungsgegenstände, Zauber und Profilwerte der jeweiligen Fraktion.

Ein Charakterprofil.

Das Profil eines Charakters ist übersichtlich gestaltet. Neben Namen und Charakterklasse finden sich hier die Goldkosten und die vier Profilwerte, welche im Spiel verwendet werden. Für Action Points (AP) kann ein Charakter während seiner Aktivierung Aktionen durchführen. Movement gibt die Strecke in Zoll an, die ein Charakter sich ohne Risiko bewegen kann. Bravery wird eingesetzt, wenn die Tapferkeit eines Charakters überprüft werden muss. Der Profilwert darf dann mit zwei W6 nicht übertroffen werden. Die Health Points (HP) zeigen an, wie viel ein Charakter einstecken kann, bevor er aus dem Spiel genommen wird. Auf dem unteren Teil des Profils folgen dann mögliche Attacken des Modells, wie viel AP für sie aufgewandt werden müssen und wie hoch das Schadenspotential ist. Auch zusätzliche Ausrüstung und Sonderregeln sind hier vermerkt.

Der Spielablauf

Beide Spieler*innen bauen gemäß der Regeln der gewählten Mission ihre Armeen auf. Die Reihenfolge, in welcher aufgebaut wird, entscheidet der/die Gewinner*in eines vergleichenden W6-Wurfes. Zu Beginn jeder Runde wird auf gleiche Weise ermittelt, in welcher Reihenfolge Spieler*innen ihre Charaktere aktivieren. Aktiviert wird dann reihum immer ein Charakter, bis alle einmal an der Reihe waren. Wie bei Skirmishern üblich, handelt jedes Modell unabhängig vom Rest der Armee. Wurden alle Charaktere aktiviert, startet die nächste Runde, in neu ermittelter Reihenfolge. Ein normales Spiel wird über fünf Runden geführt. Wenn man möchte, kann man aber auch längere Partien spielen.

Im Regelwerk finden sich acht vorgefertigte Missionen.
Charakteraktivierung

Wird ein Charakter aktiviert, kann er sich kostenlos seinen Movementwert in Zoll bewegen. Es kann aber auch für einen AP eine zusätzliche Bewegung durch eine Leg It-Aktion durchgeführt werden. In diesem Fall wird ein Würfel geworfen und eine zusätzliche Bewegung bis zur erwürfelten Distanz in Zoll ist möglich. Sollte jedoch eine sechs geworfen werden, stürzt der Charakter. Seine Aktivierung endet und er erhält Nachteile in der Verteidigung. Um in seiner nächsten Aktivierung wieder aufzustehen, muss er einen AP aufbringen oder aber auf seine Bewegung verzichten. Solang keine Sechs gewürfelt wurde, kann die Aktion ohne weitere Kosten mehrmals wiederholt werden.

Solang ein Charakter noch über AP verfügt, kann er diese für weitere Aktionen, wie Angriffe, Zauber oder besondere Aktionen, die Feats, ausgeben.

Feats
Feats können in vier Schwierigkeitsgraden durchgeführt werden.

Die Feats machen viel des besonderen Charmes von ArcWorlde aus. Hierbei handelt es sich zum einen um im Charakterprofil angegebene Sonderaktionen. Doch steht es Spieler*innen auch frei, in Absprache mit Mitspieler*innen eigene Aktionen zu entwerfen und so dem Spiel mehr Flexibilität und cineastische Effekte zu verleihen.

Um einen Feat zu erdenken, sollte zunächst überlegt werden, wie schwer für den Charakter die Aktion durchzuführen ist. Dann legt man gemeinsam fest, ob für eine erfolgreiche Durchführung der Aktion zwischen einem und vier Erfolgen benötigt werden. Für jeden aufgewendeten AP darf man dann einen W6 werfen. Wurden ausreichend Erfolge erzielt, wird die Aktion entsprechend ausgeführt. Soll die Aktion außerdem auch Schaden verursachen, erleidet das Opfer für jeden benötigten Erfolg drei Punkte Schaden. Sind mehrere Opfer beteiligt, werden die Schadenspunkte gleichmäßig aufgeteilt. Möchte zum Beispiel ein Troll den mit ihm im Nahkampf befindlichen Halbling wie einen Fußball wegtreten und mit ihm einen weiter entfernten Halbling abschießen, könnte es wie folgt aussehen: Den kleinen Halbling wegzutreten, ist für einen Troll nicht weiter schwierig. Den zweiten Halbling aber zu treffen, erfordert doch ein gewisses Maß an Geschicklichkeit. Die Spieler*innen einigen sich darum darauf, dass der Troll drei Erfolge hierfür benötigt. Nun wendet der Troll vier AP auf, um vier Würfel zu werfen. Er erzielt ein Ergebnis von zwei, drei, fünf und sechs. Die Zwei und die Drei sind zwar Misserfolge, doch da die Sechs doppelt zählt, erzielt der Troll die nötigen drei Erfolge. Halbling1 wird also zu Halbling2 gestellt und zwischen beiden werden neun Punkte Schaden so gleichmäßig wie möglich aufgeteilt.

Kämpfe
Nahkämpfe erfolgen im erwähnten Erfolge-System.

Befindet sich ein Charakter in Basekontakt mit einem Gegner, kann er diesen im Nahkampf angreifen. Er wählt eine seiner Attacken aus seinem Profil, zahlt die nötigen AP für die Aktion und wirft eine Anzahl an W6, welche der Power der Attacke entspricht. Jeder erzielte Erfolg verursacht beim Opfer einen Treffer. Sechsen zählen wie gehabt als zwei Erfolge und lösen gegebenenfalls Sondereffekte des Angriffs aus.

Das Opfer muss die Treffer aber nicht einfach hinnehmen. Für jeden Punkt seiner Rüstung, darf es einen Treffer abziehen. Dann wird ein W6 geworfen und bei einem Erfolg wird ein weiterer Treffer abgezogen, bei einer Sechs zwei. Es darf so lang weiter mit dem W6 geworfen werden, bis keine Treffer übrig sind oder ein Misserfolg erzielt wird. Das finale Ergebnis wird dann von den HP des Opfers abgezogen.

Fernkämpfe laufen ähnlich ab. Befindet sich ein Ziel im Sichtfeld und in Reichweite, kann es von einer fernkämpfenden Einheit angegriffen werden. Bevor der Angriff aber durchgeführt werden darf, muss ein Feat mit einem Erfolg durchgeführt werden.

Arcanite

Arcanite sind eine Art magische Kristalle, welche von Charakteren benutzt werden können, um einen zusätzlichen AP zu generieren, einen zusätzlichen Würfel zu werfen oder einen weiteren Zauber zu wirken. Arcanite kann vor dem Spiel als Ausrüstungsgegenstand gekauft oder im Spiel eingesammelt werden. Das Aufheben eines Arcanite erfordert einen einfachen Feat mit einem Erfolg.

Zauber

Natürlich gibt es in der ArcWorlde auch magiebegabte Charaktere. Diese dürfen in jeder Runde für zwei AP einen ihrer Zauber wirken. Möchte ein Zauberer weitere Sprüche wirken, erfordert dies den Einsatz von Arcanite. Durch Arcanite gewirkte Zauber kosten dafür keine AP.

Mit dem Tarot-Deck wird ermittelt, ob ein Zauber erfolgreich ist.

Um einen Spruch erfolgreich zu wirken, muss das Level des Spruchs mit der Summe zweier Tarot-Karten erreicht oder übertroffen werden. Die Zahlenkarten von zwei bis neun haben eben diesen Wert. Bube, Dame und König zählen als zehn, Asse als wahlweise eins oder elf. Der Joker kann jede beliebige Zahl zwischen eins und elf sein. Wurde das Level mit zwei Karten nicht erreicht, schlägt der Zauber fehl. Es kann für einen AP aber auch eine weitere Karte gezogen werden. Sollte der Gesamtwert der Karten 21 überschreiten, zählt der Zauber als Overpowered. In dem Fall wird er zwar gewirkt, der Zaubernde erleidet aber Schaden und verliert seine übrigen AP für diese Runde.

Fazit

ArcWorlde ist ein unterhaltsames Spiel, mit liebevoll gestalteten Modellen. Die Regeln sind leicht zu erlernen und das Spiel geht flüssig von der Hand. Dem System wohnt eine gehörige Portion Humor inne und es empfiehlt sich, dies auch für sich zu nutzen. Es kann sehr erheiternd sein, seine Charaktere mit Hilfe eines Feats unglaubliche Aktionen durchführen zu lassen. Turnierspieler oder Bartspieler sind hier definitiv fehl am Platze. ArcWorlde profitiert davon, gemeinsam mit seinen Mitspielern eine Geschichte zu erzählen und im Spiel darüber zu verhandeln, was möglich ist und was nicht. Gewinnen sollte nie das Primärziel sein, sondern ein gemütlicher Abend mit Freunden, viel Spaß und dem einen oder anderen Bier.

 

Artikelbilder: © Warploque Miniatures
Layout und Satz: verena Bach
Lektorat: Katrin Holst

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein