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Abenteuer aus der Welt des Einsamen Wolfs! Im Ableger Greystar 3 – Hinter dem Schattentor sucht der Magier Silberstern den legendären Mondstein in einer fremden Dimension. Kann die Odyssee durch das Reich Daziarn, die Quelle aller Magie, auch 35 Jahre später noch in der überarbeiteten Neuauflage des Klassikers überzeugen?

Die Abenteuerspielbuchreihe Einsamer Wolf ist ein erfolgreicher Klassiker aus den 80ern. Neben der bis heute laufenden Hauptreihe gibt es zahlreiche Ableger wie Romane, Gruppenrollenspiele und auch die Abenteuer aus der Welt des Einsamen Wolfs, die auf Deutsch von 1987 bis 89 bei Goldmann als Silberstern der Magier erschienen. Seit einigen Jahren arbeitet der Mantikore-Verlag daran, den Einsamen Wolf ins neue Jahrtausend zu bringen. Wird ihre Neuauflage von Silberstern, die diesmal auch auf Deutsch unter dem englischen Originaltitel World of the Lone Wolf: Greystar veröffentlicht wird, genauso gut ankommen?

Handlung

Greystar – Hinter dem Schattentor ist der dritte Band der vierteiligen Reihe, die nicht von Einsamer Wolf-Erfinder Joe Dever geschrieben wurde, sondern von seinem Freund Ian Page, bekannt als Sänger der Rockband Secret Affair. Die Tetralogie erzählt eine Geschichte, die im Süden des Kontinents Magnamund spielt, parallel zu den ersten sechs Einsamer Wolf-Büchern.

Dort landeten vor Jahrtausenden die Shianti, ein magisch begabtes Volk aus einer anderen Dimension. Mit ihrem mächtigen Artefakt, dem Mondstein, wurden sie von den Menschen als Gottheiten verehrt. Eines Tages erschien ihnen jedoch Ishir, eine wahre Göttin, und erklärte den Shianti, dass sie als Einwanderer*innen aus einer anderen Dimension das mystische Gleichgewicht ihrer neuen Welt störten. Die Shianti zogen sich daher auf eine einsame Insel zurück, versiegelten den Mondstein in ihrer Heimatdimension Daziarn und schworen, ihre Insel nie wieder zu verlassen. Selbst als einer der ihrigen abtrünnig wurde und als Dämonenkönig Sasarak das Reich Shadakine eroberte, waren sie durch ihren Schwur zum tatenlosen Zusehen verdammt.

In Daziarn gelten andere Naturgesetze

Eines Tages wurde jedoch ein Menschenbaby durch alle magischen Barrieren hindurch auf ihre Insel gespült. In ihm sahen die Shianti ein Schlupfloch: Sie nannten ihn Silberstern und lehrten ihn ihre magischen Künste. Dann sandten sie ihn aus den Mondstein zu finden. Nur damit kann Silberstern den Dämonenkönig besiegen.

In den ersten beiden Bänden der Greystar-Reihe durchquerte Silberstern Shadakine auf der Suche nach einem Schattentor, um in die Dimension Daziarn zu gelangen, in der der Mondstein versteckt liegt. Hinter dem Schattentor beginnt damit, dass er mit seiner Begleiterin Tanith diese mystische Dimension betritt. Daziarn ist eine magische Dimension, in der Naturgesetze anders funktionieren und zahlreiche Dämonen, Monster und andere seltsame Wesen hausen. Silberstern und Tanith bereisen auf einem magischen Flugschiff einen Turm verschrobener Zauber-Akademiker, die Zitadelle eines Musik-Dämons und begegnen dem Chaosmeister, der auch schon in Einsamer Wolf 11 – Die Gefangenen der Zeit auftauchte.

Das alles geschieht relativ geradlinig. Es gibt durchaus unterschiedliche Entscheidungen, früher oder später führt jedoch alles auf dieselben Schlüsselpunkte zurück. Dafür ist die Geschichte gut erzählt und unterhaltsam. Wie in der gesamten Greystar-Reihe fallen besonders die Begleiter*innen auf. Im Gegensatz zu Einsamer Wolf und anderen Abenteuerspielbüchern wie der Fighting Fantasy-Reihe reist Silberstern so gut wie immer mit sympathischer Begleitung. Auch sehr nett ist die Möglichkeit eines komplett kampflosen Durchgangs – besonders in Anbetracht dessen, wie schwer die Kämpfe sein können.

Tanith hilft mit

Eine besonders schöne Überraschung ist, dass das Buch tatsächlich zwei Spielbücher enthält. Bonus-Abenteuer gab es zwar auch in der Einsamer Wolf-Neuauflage des Mantikore-Verlags, sind aber trotzdem nicht selbstverständlich. Besonders, da weder auf dem Buchumschlag noch auf der Internetseite beworben wird, dass der Band zusätzlich zum 340 Abschnitte langen Silberstern-Abenteuer ein weiteres Bonus-Abenteuer mit 170 Abschnitten enthält.

Im Bonus-Abenteuer Die Ketten von Ghol-Tabras spielt man nicht Silberstern, sondern Havaroez, einen Piraten aus Shadakine, der sich gegen den Dämonenkönig wendet. Hugi, ein Begleiter Silbersterns aus den vorherigen Büchern, rekrutiert ihn, um die Rebellen der „Freiheitsgilde“ zu unterstützen. So wird eine interessante Seite der Welt beleuchtet und ausgearbeitet, von der man im Hauptabenteuer wenig mitbekommt. Das Abenteuer stammt nicht von Ian Page, sondern wurde für diese Neuauflage von Alexander Kühnert, dem Übersetzer des Hauptabenteuers, und Vincent Lazzari, der seit Joe Devers Tod die Einsamer Wolf-Reihe weiterschreibt, verfasst.

Regeln

Die Regeln entsprechen dem üblichen Einsamer Wolf-Prinzip, erweitert um Silbersterns magische Fähigkeiten. Zusätzlich zu den Werten Kampfstärke und Ausdauer besitzt Silberstern Willenskraft, die er beim Zaubern aufbraucht. Wenn es zum Kampf kommt, werden die Kampfstärken der Beteiligten voneinander abgezogen. Das Ergebnis gibt eine Spalte in der Kampftabelle an, auf der man mit einer Zufallszahl zwischen 1 und 10 das Ergebnis der Kampfrunde ermittelt. In vorherigen Spielbüchern hat sich das System bewiesen.

Für Silberstern kommt hinzu, dass er immer mit Magie angreift und jeder Angriff ihn mindestens einen Willenskraftpunkt kostet. Er kann aber auch mehr ausgeben, denn jeder Schaden, den er in einer Runde zufügt, wird mit der Anzahl der ausgegebenen Willenskraftpunkte multipliziert. Das macht Kämpfe interaktiver, taktischer und führt Ressourcenmanagement ein.

Ist dieser Mann Freund oder Feind?

Außerhalb der Kämpfe kann Silberstern bis zu sechs verschiedene magische Disziplinen erlernen, von Elementarismus über Alchemie bis zur Prophezeiung. Diese können benutzt werden, um zusätzliche Informationen zu erhalten, neue Wege zu eröffnen oder Gefahren zu umgehen. Sie kosten bei jeder Verwendung Willenskraftpunkte, wie viele genau werden aber erst nach Anwendung der Disziplin genannt. So muss man oft abwägen: Ist es zum Beispiel das Risiko wert, per Prophezeiung eine mögliche Falle zu erkennen, oder spart man sich die Willenskraftpunkte lieber für den nächsten Kampf auf?

Die Kämpfe sind schwer, allerdings einfacher als in dem besonders berüchtigten ersten Greystar-Buch. Hoch gewürfelte Startwerte sind kein Muss mehr, aber natürlich dennoch hilfreich. Genauso steht es mit dem Weiterspielen eines Silbersterns aus den Vorgänger-Bänden. In denen gab es einige nützliche Gegenstände, die in Hinter dem Schattentor aber keine entscheidenden Vorteile geben. Plötzliche Sackgassen, Tode und schwere Kämpfe sind immer noch präsent.

Schreibstil

In seltsamen Welten gibt es auch seltsame Namen

Der Schreibstil ist allgemein unterhaltsam und liegt über dem Durchschnitt von Spielbüchern. Diese Auflage von Hinter dem Schattentor wurde von Alexander Kühnert qualitativ gut neu übersetzt. Einige Anzeichen für 80er-typische Namen gibt es natürlich immer noch, so heißen die verschrobenen Akademiker unter anderem Spuckhand und Krabbenschlüssel, was aber auch vom Text als seltsam dargestellt wird.

Eine interessante Wahl ist, für das Buch den englischen Titel Greystar beizubehalten, im Inneren aber, wie in der ersten Übersetzung, „Silberstern“ zu verwenden. Bei der Einsamer Wolf-Reihe geschah das nicht. Vielleicht klingt Grauer Stern auf Deutsch einfach zu sehr nach Grauem Star?

Erscheinungsbild

Das Buch fühlt sich sehr wertig an und ist auf stabilem, weißem Papier gedruckt. Die Schrift ist groß und sehr gut lesbar, mit Buchstaben in einem leicht geschwungenen Font, der die Fantasy-Atmosphäre unterstreicht. Das Coverbild ist eine Fotomontage, die zwar zum Titel passt, aber leider nicht so ansprechend wie die alten, gemalten Cover ist.

Im Inneren gibt es eine schöne, farbige Karte von Shadakine, die für die Dimension Daziarn leider nutzlos ist. Alle anderen Illustrationen des Buchs sind in schwarz-weiß gehalten, vor allem aber sind sie von Hauke Kock komplett neu gezeichnet und ersetzen die alten von Paul Bonner vollständig. Sie orientieren sich stark an den klassischen Motiven, allerdings in einem detaillierteren, modernen Stil.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore-Verlag
  • Autor*in(nen): Ian Page und Joe Dever
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 340
  • ISBN: 978-3961880508
  • Preis: 14,95 EUR/ E-Book 9,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Vom Mantikore-Verlag gibt es eine Downloadseite mit Charakterblatt, Kampfprotokollen und Karte. Für Englischsprechende gibt es auch noch Project Aon: Dort stehen mit Erlaubnis von Autoren und Rechteinhabern fast alle englischen Einsamer Wolf– und Greystar-Produkte legal zum Download bereit. Mit einer auf Project Aon basierenden App kann man die Greystar-Reihe auf Englisch sogar vollautomatisch auf dem Smartphone spielen.

Fazit

Insgesamt ist Hinter dem Schattentor auch heute noch ein überdurchschnittlich gutes Spielbuch. Einige Aspekte sind nicht ganz so gut gealtert, wie die vergleichsweise harten Kämpfe und Sackgassen. Auch die Geschichte wirkt für heutige Verhältnisse altmodisch und vorhersehbar. Sie ist aber immer noch spannend und episch präsentiert. Das Kampfsystem ist im Vergleich zur Einsamer Wolf-Vorlage deutlich verbessert und interaktiver geworden.

Für den genre-üblichen Preis von 14,95 EUR, beziehungsweise 9,99 als E-Book, ist Hinter dem Schattentor selbst ein ausgezeichneter Gegenwert. Die Neuauflage vom Mantikore-Verlag bietet außerdem noch neue, stimmige Illustrationen und das zusätzliche Bonus-Abenteuer. Das sollte nicht nur Fans mehr als zufriedenstellen und gespannt auf die Veröffentlichung des abschließenden Bandes, Der Krieg der Zauberer, zurücklassen.

 

  • Unterhaltsames Abenteuer
  • Zusätzliches Bonusabenteuer
  • Tolle Aufmachung
 

  • Teilweise unfair/schlecht balanciert

 

Artikelbilder: © Mantikore Verlag
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Rick Davids
Fotografien: Paul Menkel
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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