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Ultron ist keine Erfindung der Neuzeit. Bereits 1968 feierte er sein erstes Erscheinen in der damaligen Avengers-Comicserie und war über die Jahrzehnte hinweg immer wieder Erzfeind der Avengers und verwandter Seitengruppierungen im Marvel-Universum. Im Gegensatz zum Film wurde Ultron in seiner ersten Inkarnation von Hank Pym gebaut, dem ersten Ant-Man und Mentor des baldigen, gleichnamigen Filmhelden. Ultron kehrt immer wieder in verschiedenen Inkarnationen zurück, wobei sich bis auf eine Ausnahme nur die Seriennummer ändert. Erst am Ende des Annihilation-Events wird Ultron mutmaßlich für immer verbannt, als er in einen Vibranium-Quinjet gesperrt und hinaus ins Universum geschossen wird. Bereits dort sieht Tony Stark (Iron Man) voraus, dass, wenn Ultron je wiederkehrt, die Erde und das Universum kurz vor der Auslöschung stehen werden.

In 2013 erschien eine neue zehnteilige Miniserie, betitelt mit Age of Ultron. Die Superintelligenz war zurück.

Handlung

New York liegt in Trümmern, die einstigen Helden müssen sich verstecken vor den Drohnen von Ultron. Denn er kehrte mit einem Paukenschlag zurück und griff gleichzeitig mehrere Metropolen der Erde an. Spider-Man ist gefangen, wird aber von Hawkeye gerettet. Hawkeye bringt die Spinne zu einem Versteck unter dem Central Park, wo auch Iron Man und Captain America mit anderen ausharren. Die Grundstimmung ist absolut verzweifelt und die Helden suchen nach einem Ort, an dem sie Pläne schmieden können. Sie finden diesen Ort in Form des Wilden Landes in der Antarktis.

Zwischenzeitlich erfährt der Leser, dass Ultron gefangene Superhelden gegen Boni tauscht, wie zum Beispiel freies Geleit. Luke Cage und She-Hulk versuchen es mit einer darauf basierenden List, aber versagen und sterben. Nicht aber ohne zuvor herausgefunden haben, dass nicht Ultron in der Basis des Feindes ist, sondern Vision. Und er dient dem Ultron aus der Zukunft als Transmitter, um die Menschheit des Jetzt zu bestrafen.

Auch in Frisco sieht es nicht besser aus. Black Widow und Moon Knight verstecken sich in einer alten Basis von Nick Fury und tauschen Informationen aus. Bei der Untersuchung des Verstecks finden sie mehrere Pläne von Fury für den Fall einer weltumspannenden Apokalypse, darunter auch einen für den Fall, dass Ultron die Welt übernimmt. Auch sie machen sich in das Wilde Land auf.

Dort treffen nicht nur die beiden Heldengruppen zusammen, sondern auch auf Nick Fury. Damit ist die wirre Versammlung von Helden komplett. Unter den illustren Gestalten sind auch Wolverine, Emma Frost und andere Mutanten.

Besonders Logan wird noch eine besondere Rolle zukommen. Mit der Zeitplattform von Doctor Doom soll er in die Vergangenheit reisen, gemeinsam mit Invisible Woman und dort Hank Pym davon abhalten, Ultron je zu bauen. Das nun wichtige Wort ist Schmetterlingseffekt und dessen Bedeutung soll hier nur angedeutet werden.

Logan tötet Pym – aber das löst eine Kaskade an Ereignissen und parallelen Zeitlinien aus, die auch nicht besser sind als die Weltherrschaft durch Ultron. Also ist das auch nicht der richtige Weg. Was letztendlich passiert und wie das Problem gelöst wird, soll hier nicht beschrieben werden – nur so weit: Es hängt mit parallelen Zeitreisen und dem multiplen Auftauchen ein und der gleichen Person im selben Zeitstrom zusammen.

Ganz am Ende debütiert übrigens eine Dame, die für die Guardians of the Galaxy wichtig werden könnte: Angela.

Die Sprünge über die Zeitebenen und die kausalen Herleitungen („Machst Du das, dann passiert das und vielleicht das und das darfst Du auf keinem Fall machen!“) sind teils schwer nachzuvollziehen und müssen mehrfach gelesen werden. Auch von der hohen Anzahl an Akteuren zu Anfang der Geschichte wird man leicht aus der Bahn geworfen. Erst nach und nach, als sich die Menge derer verringert und die Handlung beginnt, Fokus zu gewinnen, stellt sich auch Lesespaß ein.

Charaktere

Alle Charaktere, die vorkommen, sind regelmäßigen Marvel-Lesern grundsätzlich bekannt. Dass auch einige aus der zweiten Reihe auftauchen, ist schön und verleiht der Geschichte Charme. Dennoch fühlt man sich in der schieren Menge der Helden teils verloren und freut sich, immer wieder bekannte größere Namen aus der Reihe der X-Men und der Avengers zu lesen. Besonderen Fokus erhalten jedoch nur Henry Pym, Wolverine, Invisible Woman und später auch eine alternative Version von Iron Man.

Wolverines persönliches Drama, immer wieder überall den Tod zu bringen, auch wenn ein Teil von ihm dies gar nicht will, kommt gut in den dramatischen Panels heraus. Wohl aber benötigen diese Szenen Sprechblasen und wirken nicht durch Mimik und Farbgebung allein.

Zeichenstil

An den insgesamt zehn Bänden des Events hat eine ganze Legion an Zeichnern und Tuschekünstlern gearbeitet. Die bekanntesten Namen sind jedoch Bryan Hitch, Carlos Pachecho und Brandon Peterson. Alle dieser Drei sind wohlbekannte Künstler, die nicht nur für Marvel gearbeitet haben.

Angenehmerweise unterscheiden sich die Stile nur am Rande, so dass kein Bruch des Betrachtungserlebnisses aufkommt. Allen Panels ist gemein, dass sie stets mit kräftigen Kontrasten, sowohl in dunkel/hell, als auch mit entsprechenden Farbkontrasten (rot/grün als Beispiel) arbeiten. Das mag im ersten Moment schrill und bunt klingen, erzeugt aber ein angenehmes Gesamterlebnis.

Kaum ein Panel spart an Details, die den Betrachter verleiten, auch abseits der Hauptelemente zu schweifen. Das wirkt sich für mich sehr angenehm in der Gestaltung eines mentalen Gesamtbildes der Welt aus.

Preis-/Leistungsverhältnis

Legendäre 320 Seiten umfasst der neu veröffentlichte Sammelband von Panini. Dafür bekommt der Käufer eine der komplexesten Marvel-Geschichten mit Weltruhm in einer hochqualitativen Form. Durch diese Komplexität wiederum hat die Geschichte wiederkehrenden Leseanreiz, denn wohl kaum wird man bei der ersten Lektüre alle Details erfassen. Der Preis für dieses wuchtige und brachiale Comic-Erlebnis liegt bei 24,99 EUR. In meinen Augen fair! Vor allem, weil man Heidenpreise für die Originalausgaben zahlen wird.

Erscheinungsbild

AVENGERSAGEOFULTRONPAPERBACKSOFTCOVER_Softcover_580Sowohl Softcover-Umschlag als auch gewähltes Papier haben eine angenehme Haptik, aber etwas schwächere Resistenz gegen Knautschern. Farblich ist der Druck intensiv und kontrastreich, übliche Panini-Qualität also. Sorgen hatte ich bei der Klebung bei einem Band dieser Dicke, aber auch die hält Stöße und Druck aus. Den Anhang bilden die Originalcover, wie auch Variant-Cover der Originalausgaben und zusätzlich gibt es einige Informationen über die beteiligten Zeichner und Schreiber.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor(en): Brian Michael Bendis, Mark Waid, Kathryn Immonen
  • Zeichner(in): Bryan Hitch, Carlos Pachecho, Brandon Peterson et al
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 320
  • Preis: 24,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Am Ende des Paperback sind die Originalcover wie auch Variant-Cover zu finden. Für Neueinsteiger in die Welt von Marvel empfiehlt sich zudem ein konzentrierter Blick in den Artikel der englischen Wikipedia mit Fokus auf die weiterführenden Links.

Fazit

Ich muss zugeben, dass ich kein großer Fan von Zeitreisen bin, seitdem diese seit Days of Future Past bei Marvel inflationär genutzt werden. Auch kannte ich zwar die alten Inkarnationen von Ultron (nicht alle), aber eben nicht die neue Story von 2013. Eines aber wusste ich – dass sie als eine der besten Geschichten von Marvel gehandelt wird. Umso interessierter war ich an der Verfilmung, muss aber betonen, dass es keine Zusammenhänge zwischen diesem Comic und dem Film gibt. Viel eher behandelt der Film in Auszügen eines der ersten Auftauchen von Ultron.

Letztendlich wird eine echte Verfilmung von Age of Ultron an Lizenzrechten scheitern, sind doch die X-Men nicht bei Marvel Studios. Der Comic selbst ist kein Stoff für Einsteiger. Zu viele eher unbekannter Rollen bekommen kurze Glanzlichter, verschwinden aber auch gleich wieder, meist mit einem dramatischen Tod. Die Personengeflechte, die nur dem regelmäßigen Marvel-Leser bekannt sind, verpuffen in ihrer Wirkung bei Neuligen des Genres.

Was die Comics zum Event gut können, ist eine fatalistische Sicht auf absolute Finsternis und pure Verzweiflung von echten Helden zu werfen. Nur gemeinsam scheint es, zu Anfang, können Sie bestehen. Letztendlich ist es dann aber doch die Tat eines Einzelnen, der dabei auch ein weiteres Mal ein Stück von sich opfert.

Der Wechsel der Zeitebenen und die Auswirkungen des Schmetterlingseffekts sind beeindruckend inszeniert und gewinnen deutlich noch dazu durch die gute Arbeit der Zeichner, Tuscher und Koloristen. Dennoch wohnt eine Neigung, den Leser zu verwirren in ihnen und sie müssen daher mehrfach gelesen, besser betrachtet werden.

Age of Ultron macht im Original mehr Spaß als der Film, hat aber auch einen deutlich gehobeneren Anspruch.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Panini Comics

 

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