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Eine grafische Novelle, gezeichnet im Stil der 50er Jahre-Comics, in der die Polizisten die Hauptrolle spielen und nicht der Dunkle Ritter von Gotham? Ein interessantes Experiment, zu dem sich DC Comics da entschlossen hat. In einer Hinsicht jedoch muss ich die Leserschaft enttäuschen – der Comic hat nichts mit der TV-Serie Gotham zu tun, außer, dass beide Handlungen in Gotham City spielen. Batman/Bruce Wayne ist längst erwachsen und tut das, was er immer tut: Superschurken zur Rechenschaft ziehen.

Skript-Ikone Ed Brubaker (Captain America, The Authority) selbst hat die Geschichte entworfen, das lässt auf Gutes hoffen. Tauchen wir also ein in das kriminelle Drecksloch, das Batman geboren hat. Jede Stadt bekommt, was sie verdient, nicht?

Handlung

Detective Marcus Driver und sein Partner Charlie Fields gehen einer wenig Erfolg versprechenden Spur nach. Sie sind auf der Suche nach Hinweisen zu der Entführung einer 14-Jährigen. Doch statt einem tippgebenden Junkie finden sie Mr. Freeze – und der ist ganz und gar nicht von der Anwesenheit der Cops erfreut. Charlie wird vereist und zerschmettert, Marcus überlebt stark verletzt.

Das ist der Auftakt zu einer spannenden und aufreibenden Geschichte, in der es oftmals darum geht, dass die Cops sich von Batman übervorteilt fühlen. Sie wollen die Fälle selbst lösen, sind dabei aber auf den Tag angewiesen. Denn sobald es Nacht wird, kommt die Fledermaus aus ihrer Höhle hervor und schnappt die üblen Burschen.

Dieses Mal ist es aber mehr als „nur ein Fall“. Es ist persönliche Vendetta von Detective Driver und die Geschichte dreht sich zugleich um seine Verzweiflung darüber, dass die Polizei nicht mehr gebraucht wird. Es ist Szenenschnitt wie in modernen CSI-Serien und zugleich Noir-Erzählung.

Fast gar nicht finden sich panelfüllende Kampfszenen zwischen Superhelden. Oft ist es die Interaktion zwischen den Polizisten, die der Novelle eine ganz eigene Note gibt. Marcus Driver verarbeitet im Laufe der gesamten Erzählung den Tod seines Partners. Und er gibt am Ende Batman noch einen Denkzettel, der jedoch nicht ganz so ankommt, wie Driver es hofft.

Doch bis es dazu kommt, muss akribisch ermittelt, müssen Personen befragt und klassische Polizei-Arbeit geleistet werden. Dabei wird immer der Fokus auf den Menschen, ihren Sorgen und ihren Nöte gehalten. Batman selbst taucht in knapp zehn Panels auf. Eine weitere Komplikation und Verwicklung erzeugt das Auftauchen von Firebug, dem fliegenden Brandstifter.

Was zuerst nach den vielen wirren losen Enden einer einzelnen Geschichte klingt, erweist sich am Ende als zwei kunstvoll konstruierte Kriminalgeschichten (fast) ganz ohne Superhelden. Brubaker hat an dieser Stelle das gleiche Talent bewiesen wie bei der auch durch den Film bekannten Winter Soldier-Storyline von Captain America (Marvel).

Beinhaltet sind die Nachdrucke der Bände Gotham Central 1-5.

Charaktere

Alle Charaktere werden neu eingeführt und das auch nur in Grundzügen. Verständlich, ist es letztendlich doch irrelevant, wie Lieutenant Henelly zuhause lebt oder auch was Polizisten Romy neben ihrem Dienstalltag macht.

Auch die bekannten Rollen wie Batman, Mr. Freeze oder Firebug werden nicht eingeführt, sondern nur ganz grundsätzlich im Rahmen der Interaktion zwischen den Polizisten erklärt. Und genau diese Unterhaltungen sind es auch, die mit ihrem Feingefühl dafür sorgen, dass die Gesetzeshüter schnell nachvollziehbar hinsichtlich ihrer Motivationen und Wertevorstellungen werden.

Zeichenstil

Starke und dicke Linien, gedeckte Farben – das sind die Mittel, die Greg Rucka nutzt. Das sorgt zusammen mit der generellen Storyline dafür, dass die noiresque Grundstimmung noch verstärkt wird.

Durch diesen Minimalismus werden auch die wichtigen Elemente jedes Panels betont. Keine überstark strahlenden Leuchteffekte, keine grellen Farben. Dieses Verzichten auf große Effekte bewirkt vor allem, dass die Stimmung trist wirkt. So trist, wie sie in einem korrupten Sumpf wie Gotham nur sein kann.

Ein weiterer Nebeneffekt des Konzentrierens auf die wichtigen Elemente eines Panels ist auch, dass Emotionen in Gestik und Mimik klar hervorstechen. So klar, wie ich es schon lange nicht mehr in Comics gesehen habe.

Preis-/Leistungsverhältnis

Für 14,99 EUR bekommt der Leser hier einen anderen Blickwinkel auf Gotham City. Einer, der sich durchaus lohnt und gewissen Wiederlesewert hat, denn wie in einer guten TV-Serie entdeckt man beim wiederholten Lesen Details in der Geschichte, die zuvor verborgen waren.

Handwerklich ist der Band in Linie mit den anderen Panini-Produkten, doch zumindest bei meiner Ausgabe wellte das Cover sich nur durch Luftfeuchtigkeit deutlich schneller als sonst bei Produkten des Verlags..

Erscheinungsbild

GOTHAMCENTRAL1SOFTCOVER_Softcover_344Das Cover zeigt die Polizisten aus der Handlung vor dem berühmt-berüchtigten Bat-Symbol-Projektor auf dem Dach der Polizeiwache. Es ist in den gleichen gedeckten Farben gehalten wie die Panels im Inneren. Der Druck ist dennoch scharf und kontrastreich. Das Papier verfügt über eine gute Haptik, der Umschlag ist anfällig für Bruch und Wellung durch Luftfeuchtigkeit.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor(en): Ed Brubaker
  • Zeichner(in): Greg Rucka
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Broschiert
  • Seitenanzahl: 124
  • Preis: 14,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Wie von Panini bekannt, erläutern Textboxen zu Anfang und Ende einige Details und geben so wertvolle Informationen. Die originalen Cover der Einzelausgaben fehlen.

Fazit

Will ich der Geschichte etwas anlasten, dann die harten Szenenschnitte, wenn Orte und handelnde Personen wechseln. Auch wollen die einzelnen Fäden der Handlung zuerst nicht so recht zusammenpassen und wirken bis kurz vor dem Ende ein wenig konstruiert. Dem Himmelhochjauchzen der US-amerikanischen Comicgemeinde will ich mich daher nicht aus vollem Herzen anschließen.

Aber – Gotham Central zeigt ein ganz anderes Bild der Welt des DC-Universums. Die Welt des „kleinen“ Mannes, der zu gleichen Teilen von eigenen Sorgen wie auch dem Gedanken des Erfüllens der eigenen Berufspflicht durchdrungen ist. Eine Welt, die ihren Charme und ihre Daseinsberechtigung hat.

Dabei vergisst der Comic seine Wurzeln nicht und zeigt immer wieder kurze Aufblitzer von Elementen der Welt von Superschurken und -helden. Die Suche nach dem Schuldigen hinter dem Verschwinden der 14-Jährigen bleibt spannend. Besonders die Schlussszene hat es mir angetan, aber die wird hier nicht verraten.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Panini Comics
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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