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Roter Schnee wird fallen ist der erste Band der vierteiligen Nimmerherz-Reihe von Erik Kellen. Dieses Buch bot einige Überraschungen. Die Rezensionsanfrage lag schon eine Weile zurück und ich hatte eigentlich damit gerechnet ein digitales Exemplar zu bekommen. Stattdessen holte ich eines Tages eine gedruckte Ausfertigung aus dem Briefkasten, die obendrein auch noch handsigniert war.

Auch inhaltlich und vor allem sprachlich war Nimmerherz – Roter Schnee wird fallen nicht das, was ich erwartet hatte.

Story

Asha ist ein Prinz des Nordens, einer Welt, in der Stärke und Härte wichtig sind, um zwischen dunklen Wäldern und Gletschern zu überleben. Doch die eigentliche Gefahr sind nicht die Ro’Ar genannten, tiergeistartigen Wesen aus dem Eis, sondern Verrat und Hinterlist. Asha muss dies zu Beginn bitter lernen, wodurch er gezwungen ist zum Clan seiner Mutter, dem Haus Eisschild, zu fliehen. Dort verändert sich sein Leben und er nimmt eine Rolle an, von der er nicht wusste, dass sie für ihn bestimmt ist.

Ribana Tavurin ist die mittlere Prinzessin des Herrscherhauses von Quell, eines der vier bekannten Königreiche, und hat wenig Interesse daran, sich gemäß ihres Standes zu benehmen. Viel lieber widmet sie sich ihren anderen zahlreichen Hobbies und ist, anders als ihre beiden Schwestern, auch immer noch nicht verlobt. Dennoch ist sie keinesfalls gedankenlos, sie nimmt wahr, dass Sorgen ihre Eltern bedrücken, denn ein dunkler Orakelspruch setzt ihrem Vater zu und veranlasst ihre Mutter zum Handeln.

Auf dem Treffen der Könige, das in regelmäßigen Abständen die Herrscher der vier Königreiche zusammenführt, treffen sich Asha und Ribana. Die beiden wollen einander nie wieder loslassen, doch die dunklen Vorzeichen holen sie und alle anderen ein.

Gerade der erste Teil der Story ist gut zu verfolgen und enthält so viele Andeutungen auf Kommendes, dass man unbedingt wissen will, wie es weitergeht. Doch in der Mitte des Buches kommt es zu einem echten Durchhänger. Sicherlich können und dürfen die beiden Hauptfiguren Raum für ihre Gefühle bekommen, doch ihr Verhalten ist kurzzeitig nicht nur völlig irrational, sondern steht auch im Gegensatz zu ihrem vorherigen Handeln. Beide finden wieder in verständliche Handlungsbahnen zurück, doch der Bruch ist bedauerlich. Auch wenn gegen Ende wieder Fahrt aufgenommen wird, zertritt der träge Mittelteil den Spannungsbogen des Buches leider komplett und alle Cliffhanger und Andeutungen darin helfen dem Leser nicht, da sie für diesen leider nicht nachvollziehbar sind. Auch die Sexszenen sind gewöhnungsbedürftig.

Der Leser begleitet abwechselnd Ribana, Asha oder beide, wenn sie zusammen sind, doch hin und wieder stehen auch andere Figuren, vorwiegend aus Ashas Umfeld, im Zentrum der Erzählung. Dabei sind alle Figuren, bis auf oben erwähnte Ausnahme, in ihrem Handeln nachvollziehbar. Hin und wieder fallen einige Aspekte, wie ein paar von Ribanas Hobbies unter den Tisch, aber wirklich störend sind nur einige der gegnerischen Figuren. Diese haben teilweise überhaupt keine sinnvolle Motivation, ihre ganze Existenz scheint einfach darin zu bestehen, böse zu sein. Eine solche Ansammlung bösartiger, grausamer Kämpfer ist im Bereich der Fantasy nicht ungewöhnlich, ruft bei mir jedoch ein müdes Gähnen und genervtes Augenrollen hervor. Der zentrale Gegenspieler dagegen scheint den Hauptfiguren immer einen Schritt voraus zu sein und immer dort aufzutauchen, wo diese sind. Wie er das macht, ist nicht ersichtlich, aber das kann und sollte sich hoffentlich in einem der Folgebände klären.

Schreibstil

Der Schreibstil von Nimmerherz – Roter Schnee wird fallen ist ungewöhnlich. Viele kurze Sätze, Wiederholungen, kurze Szenen, wenig Einleitungen oder abschließende Worte und auch wenig Beschreibungen prägen das Buch. Die Sprachverwendung ist nicht historisierend wie bei vielen anderen Phantastikbüchern, im Gegenteil, ein Teil der Worte ist sehr modern und der Sprachstil einfach und zugänglich. Durch ihre Knappheit kann Erik Kellens Sprache ganz eigene Kraft entwickeln und zahlreiche Bilder im Kopf des Lesers entstehen lassen. Vieles wird nur angerissen, doch ist besonders bei Personen völlig ausreichend beschrieben. An anderen Stellen würde man sich etwas mehr Erläuterungen wünschen, ich war am Ende noch immer nicht sicher, wie die Ro’Ar nun eigentlich aussehen.

Dennoch reichen die Ausführungen, um die Welt für den Leser präsent und nachvollziehbar in ihrer Gesamtheit zu gestalten. Zwar ist sie dabei teilweise befremdlich, doch beispielsweise ein Schiff aus Glas trägt ausgezeichnet zur Stimmung bei. Verschiedene Formulierungen aus der innerweltlich geprägten Sicht der Figuren tragen ebenfalls einen großen Anteil zur Stimmung bei, besonders im Zusammenspiel mit den zahlreichen Vergleichen.

Auch die Prophezeiung, die das Handeln einiger Figuren bestimmt, während andere danach handeln, ohne sie zu kennen, erfüllt alle Anforderungen an eine gute Vorhersage. Sie ist doppeldeutig, schwammig und nicht per se eindeutig zu verstehen.

Die zahlreichen Cliffhanger unterschiedlichster Größe und Bedeutsamkeit sorgen dafür, dass man gar nicht aufhören will zu lesen, führen aber zugleich dazu, dass dem Leser einige Informationen vorenthalten werden. Mitunter ist das nicht schlimm, doch an einigen Stellen etwas störend. Das fällt am Ende besonders auf, da beide Handlungsstränge mit einem gewaltigen Cliffhanger enden.

Die Erzählperspektive ist die eines außenstehenden Erzählers, wobei eng an dem Wissen und Fühlen der Hauptfiguren erzählt wird. Meistens ist dies von Vorteil, auch wenn dadurch beim Lesen einige Informationen, besonders über die Welt, nicht ausgeführt werden.

Der Autor

Erik Kellen stammt aus der Nähe von Bremen und ist der Küste treu geblieben, lebt er doch heute in Hamburg. Der selbsternannte Seemannsgarnknüpfer veröffentlicht seine Bücher im Selbstverlag. Auf der Facebookseite des Autors kann man sich über seine aktuelle Arbeit auf dem Laufenden halten und auch Hinweise auf den letzten Nimmerherz-Band ergattern.

Preis-/Leistungsverhältnis

In der digitalen Version ist das Buch alles andere als teuer, für einen sehr geringen Preis gibt es hier ein spannendes Buch voller Abenteuer. Viele E-Books kosten mehr und sind teilweise von deutlich schlechterer Qualität. Für die gedruckte Version muss man tiefer in die Tasche greifen, doch hier bewegt sich Nimmerherz – Roter Schnee wird fallen im üblichen Rahmen dessen, was Taschenbücher dieses Umfangs kosten.

Erscheinungsbild

Erik Kellen Nimmerherz Rezension CoverDas Cover ist in blau und grau gehalten, ein einsamer, winzig kleiner Wanderer steht vor einem See, aus und in den sich Wasser ergießt. Links und rechts steigen Felsen bis in die Wolken auf, umrahmen das Cover und den Titelschriftzug. In knalligem Rot springt Nimmerherz den Betrachter unter einem geflügelten Wappen mit einem roten N geradezu an, der Untertitel ist kleiner und schwarz gehalten. Das geflügelte Wappen umrahmt auch die Seitenzahlen im Inneren.

Das Layout ist unaufgeregt und schlicht, unter jeder Kapitelüberschrift prangt ein kurzer Spruch, der immer aus einer innerweltlichen Quelle stammt. In fett ist immer angegeben, welche der beiden Hauptfiguren aktuell im Mittelpunkt der Erzählung steht.

Die Druckqualität hat mich positiv überrascht, das Papier ist hochwertig und die Klebebindung hat sich als überaus stabil erwiesen. Lediglich die Karte vorne im Buch ist schlecht verarbeitet, ihr Druck ist zu grau, was sie schlecht zu lesen macht. Dies wird noch massiv dadurch verstärkt, dass sie über zwei Seiten geht und ein Teil von ihr im Knick eingeklebt wurde.

Die harten Fakten:

  • Verlag: CreateSpace Independent Publishing Platform
  • Autor(en): Erik Kellen
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 488
  • ISBN: 978-1505200072
  • Preis: 13,80 EUR Taschenbuch 1,99 EUR E-Book
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Asha stammt aus dem hohen Norden, wo Verrat den Zusammenhalt der Clans erschüttert und der Prinz in eine völlig neue Position hineinfinden muss. Ribanna Tavurin dagegen stammt aus dem mächtigen Königreichs Quell und wäre viel lieber etwas anderes als eine Prinzessin. Auf dem Treffen der Könige begegnen sich Asha und Ribanna, doch die düsteren Andeutungen drängen gewaltsam an die Oberfläche und lassen gemeinsam mit Verpflichtungen wenig Raum für Liebesglück.

Die abschließende Bewertung fällt mir schwer. Nimmerherz – Roter Schnee wird fallen hat eine starke Sprache und liest sich gut, es liefert eigene Ideen und hält sich nicht mit den endlosen Erklärungen der Welt etlicher anderer Fantasybücher auf. Auch ist die Geschichte weder ein Suhlen in Blut, ein langwieriges Begleiten eines einsamen Mannes, noch ein Abklatsch der Nachtwache aus dem Lied von Eis und Feuer oder die Liebe zwischen einem Barbarenprinzen und einer Dame; eher ein bisschen von allem und sehr viel Eigenes.

Auf der anderen Seite lässt die Spannung zwischendurch stark nach und das Buch endet auf beiden Erzählsträngen mitten in einem Cliffhanger, was sicher gut für die Verkaufszahlen ist, den Leser jedoch überaus unbefriedigt zurücklässt.

Die Figuren sind sehr präsent, mit nachvollziehbaren Emotionen, was sich jedoch leider nicht auch immer über ihr Verhalten sagen lässt. Besonders einige der feindlichen Nebenfiguren treten nur als klischeehafte, maskierte, grundlos bösartige Masse auf. Andere Seitenfiguren dagegen gewinnen sofort das Leserherz, zum Beispiel unterstützt durch einen Stoffeisbären.

Die Welt enthält bekannte Elemente und viele eigene Ideen, wobei die Beschreibungen oft überaus knapp ausfallen und mit nur wenigen Worten Gebräuche, Orte und auch Handlungen umrissen werden. Nur bei den Namen hat der Autor leider nicht immer so großes Geschick gezeigt, wie bei seiner Welt, so heißt zum Beispiel das Reich des Nordens Skargerrak, was aus meiner Perspektive heraus eher unglücklich ist.

Letztlich verbleibe ich mit einem gemischten Fazit, wobei mich besonders die Sprache auf die positive Seite zieht.

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Artikelbild: CreateSpace Independent Publishing Platform
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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