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In den 50er Jahren hatten die USA erstmals Kontakt zu Außerirdischen, den Ghin. Unter der Führung ihres Anführers Cronos waren diese auf der Suche nach einem Heilmittel, welches sie in der menschlichen DNA vermuteten. Solange der kalte Krieg anhielt, gewährten die USA im Austausch für Wissen und Technologie den Aliens gerne Unterschlupf. Danach aber war man nicht mehr bereit, die Experimente zu tolerieren, wodurch sich das Verhältnis deutlich abkühlte. Nun ist es passiert: Vor 24 Stunden sind die Außerirdischen ausgebrochen und übernahmen die unterirdische Bravo-Station. Zeit, das Omega Protocol zu aktivieren.

Im taktischen Brettspiel Level 7 [Omega Protocol] übernehmen bis zu fünf Spieler die Rollen der Soldaten, die beauftragt sind, die Bedrohung der Bravo-Station auszuschalten. Jeder ist ein Spezialist auf seinem Gebiet: Kommandantur, Schwere Waffen, Technik, Aufklärung und Gegenmaßnahmen.

Ihnen gegenüber steht der Overseer. Er spielt die Außerirdischen und hat auch die Kontrolle über die Örtlichkeiten. Er ist der Regisseur in einem cineastischen und spannendem Science-Fiction-Dungeoncrawler.

Spielablauf

Stance-Card-1Das Spiel unterteilt sich in zwei Phasen. In der ersten handeln die Kommando-Spieler, in der zweiten der Overseer. Dazwischen gibt es aber sogenannte Interrupts, die Handlungen außerhalb der eigenen Phase erlauben.

Jede Kommando-Phase beginnt damit, dass der ranghöchste Spieler – in der Regel der Force Leader – bestimmt, welcher Spieler wann handeln darf. Dies sollte natürlich abgesprochen werden, muss aber nicht. Beim Militär wird eben nicht verhandelt. Darauf folgend bestimmt jeder Spieler, wie er sich diese Runde verhalten möchte. Der Stance – also die Haltung – einer Figur bestimmt darüber, wie schnell er ist oder wie gut er sich gegen Angriffe verteidigen kann. Ein Kommando, der auf dem Boden liegt ist z.B. schwerer im Fernkampf, aber leichter im Nahkampf zu treffen. Dazu gewährt jede Handlung spezielle Sonderfähigkeiten. Das Stance-Set unterscheidet sich von Figur zu Figur.

Damit kommt es im Anschluss zu den individuellen Zügen der Spieler. Je nach Haltung kann die Figur vier bis sechs Adrenalin-Marker ansammeln. Dies ermöglicht ihr, Handlungen durchzuführen, wie Bewegen, Angreifen, Heilen oder die Umgebung zu untersuchen. Hier heißt es haushalten, denn jedes Adrenalin, das der Spieler anhäuft, kommt am Anfang der nächsten Runde dem Overseer zu Gute. Auf diese Weise balanciert sich das Spiel automatisch aus: Egal, ob es gegen zwei oder gegen fünf Kommandos geht, dem Overseer stehen entsprechende Ressourcen zur Verfügung. Dieser Mechanismus macht einen Großteil des enormen Reizes des Spiels aus und gefällt mir und meinen Testspielern besonders gut.

Während die allermeisten Handlungen intuitiv abzuhandeln sind, muss man sich an das Bewegen etwas gewöhnen. Dies liegt aber mehr an der leicht verklausulierten Beschreibung, als dass es wirklich kompliziert wäre. Schnell hat man begriffen, dass Bewegungen immer nur links, rechts, oben und unten durchgeführt werden, aber eben auch einmal pro Zug diagonal. Das Thema Diagonalen wiederholt sich in den Regeln sehr häufig und kommt auch bei Entfernungen und Sichtlinien zum Tragen, wo diese einfach, mehrfach oder in nur eine Richtung genutzt werden dürfen.

Commando-Card-1

Wenn Reichweiten, Sichtlinien und Deckungen erst bestimmt sind – auch dies liest sich komplexer, als es in der Praxis ist – wird der Kampf sehr schnell abgehandelt. Je nach gewählter Waffe – ein Kommando hat in der Regel zwei – steht dem Angreifer eine Auswahl an roten und schwarzen Würfeln zur Verfügung. Durch Fähigkeiten und Ausrüstungen kommen fast immer weitere als Bonus dazu. Das geworfene Ergebnis wird mit dem Schutzwert des Verteidigers verglichen und wird dieser erreicht oder überwürfelt, so erleidet der Getroffene einen Wundmarker. Je nach Gegner wird der Kommando direkt aus dem Spiel genommen oder er kann weitere Wunden aushalten. Kommandos, die genauso viele Wunden wie Vitalität haben, gelten als „am Boden“ (downed). Bis sie geheilt werden, können sie sich nur kriechend bewegen und ansonsten keine Aktionen ausführen.

Enemy-Card-1Haben alle Kommandos ihre Züge abgeschlossen, darf der Overseer handeln. Auch ihm steht dazu Adrenalin zur Verfügung, eben jenes, welches die Kommandos in der Vorrunde investiert haben. Sollten diese einfach nichts oder zu wenig tun, bekommt er ein Missionsminimum. Je nach Mission hat der Overseer eine Reihe von Fähigkeiten, die praktisch organisiert in seinem Dashboard vor ihm liegen. Diese umfassen sowohl das Platzieren von Gegnern, diesen Sonderfähigkeiten zu geben, als auch Veränderungen der Umgebung, wie einstürzende Gebäudeteile.

Möchte der Overseer z.B. eine Fähigkeit aktivieren, legt er die erforderliche Menge Adrenalin auf die Karte. In jeder Folgerunde werden dann wieder einige Marker entfernt und erst wenn die Karte leer ist, kann sie erneut verwendet werden: Eine sehr gelungene Verzögerungsmechanik.

Die eigentliche Stärke des Overseers liegt in der Vorausplanung der Mission. Da er bestimmt, in welchem Raum welche Kombination von Raumkarten liegt und wo welche Missionsziele platziert werden, muss er versuchen, das Verhalten der Spieler vorauszuahnen. So kann er auch bestimmen, ob das Spiel schneller oder langsamer, schwerer oder leichter wird.

So oder so entwickelt das Spiel eine gehörige Spannung mit der Zeit. Der Druck auf die Spieler wächst durch die steigenden Möglichkeiten des Overseers beim Erreichen von Missionszielen. So werden die Gegner z.B. nach dem ersten Ziel schneller oder günstiger „beschworen“. Wenn der Crisis Point erreicht ist – eine festgelegte Anzahl von Runden – erhalten die Aliens zusätzlich die Fähigkeit, auch Kommandos am Boden anzugreifen und so dauerhaft auszuschalten.

Das Grundspiel bietet zwar lediglich neun Missionen an, allerdings kann man jede Mission beliebig oft neu spielen, ohne das Gefühl zu haben, schon zu wissen was kommt. Eine andere Verteilung der Raumkarten, verschiedene Kommandos und natürlich der zufallsbestimmte Kampf machen die Spiele unvorhersehbar. Und sollte es mal doch soweit sein, kann man natürlich die Raumplatten frei kombinieren, wie man selber möchte.

Preis-/Leistungsverhältnis

90 Euro Listenpreis ist für ein Brettspiel schon beachtlich. Dafür erhält man aber wirklich hervorragendes Spielmaterial, das keine Wünsche offen lässt, ein Spiel, das sich beliebig häufig spielen lässt ohne sich zu wiederholen und eine Regelmechanik, die selten so durchdacht war wie bei Level 7 [Omega Protocol]. Wenn man an irgendetwas meckern wollen würde, so wäre es die Qualität der Miniaturen, die eben nur gehobener Brettspielstandard ist. Davon abgesehen ist das Preis-/Leistungsverhältnis schwer zu toppen. Wenn man etwas Zeit in die Suche investiert, dann findet man das Spiel übrigens auch bis zu 25% unterhalb des Listenpreises.

Ausstattung

Level7-1Schon wenn man das erste Mal die Schachtel in die Hand nimmt, fällt das enorme Gewicht auf. Hier wurde nicht an Material gespart:

  • 37 Plastik-Miniaturen
  • 18 Spezialwürfel
  • 36 Spielplatten
  • 5 Kommando Charakterkarten
  • 16 Overseer Dashboard-Teile
  • 156 Tokens
  • 76 Markers
  • 153 Karten

 

Mission Guide und Regelwerk

Alle Tokens, Marker und Raumkarten sind, wie üblich, erst aus großen Papp-Platten zu lösen. Das geht erstaunlich einfach und vor allem ohne dass auch nur einmal die obere Papierschicht beschädigt wird. Alle Teile haben eine angenehme Größe und sind auch auf einem großen Spielfeld gut zu erkennen.

Die Karten, welche verwendet werden, um Gegnerwerte oder Ausrüstungsteile anzuzeigen, sind von fester Qualität und werden keine Schutzhüllen benötigen, da sie die meiste Zeit nur auf dem Tisch liegen und kaum bewegt werden. Der Druck ist sehr gut und die Gestaltung ist zweckmäßig und unterstützt die Atmosphäre des Spiels. Vermutlich aus Platzgründen wurde aber auf die Illustration von Gegenständen und Waffen verzichtet. Schade, das wäre schön gewesen.

Die Charakterkarten der fünf Kommandos sind jeweils individuell gestaltet und zeigen sowohl die Figur, als auch ihre Werte an. Dazu bieten sie Platz, um die Stance-Karten (Haltung) und verbrauchtes Adrenalin abzulegen.

Commando-Card-2

Zu guter Letzt kommen noch die dreißig Alien- und sieben Kommando-Miniaturen. Letztere beinhalten neben den fünf Kommandos noch eine Drohne und einen Techniker, welcher als VIP eskortiert werden darf.

Die Miniaturen sind unbemalt und bestehen aus hell- und dunkelgrauem Plastik. Für ein Brettspiel sind die Figuren schon sehr detailliert, aber natürlich nicht mit den im Tabletop üblichen Zinnfiguren zu vergleichen. Mit etwas Geschick kann man diese aber sicherlich noch beeindruckender gestalten. Einziger Schwachpunkt der Miniaturen ist das wohl eher weiche Material. Es ist teilweise nötig, die Figuren mit etwas Wärme nachzurichten. Auch wenn diese standfest sind, haben sie doch manchmal unnatürliche Haltungswinkel.

Die beiden mitgelieferten Hefte beinhalten Regeln und Missionen. Die Papierqualität ist gut und hochglanz-bedruckt. Besonders die vielen farbigen Beispiele fallen auf. Der Mission-Guide bietet neben den eigentlichen Missionen noch eine ganze Menge an Nebeninformationen (Fluff) über das Team, die Hintergründe und sogar Kampagnenregeln,

Die harten Fakten:

  • Verlag: Privateer Press
  • Autor(en): Will Schoonover
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: englisch
  • Format: Box
  • ASIN: B00EQ7QOZ8
  • Preis: 65 $ / 90 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Die Homepage von Privateer Press bietet die Grundregeln als Download an, darüber hinaus kann man über verschiedene Homepages fast das komplette Spielmaterial einsehen. Offizielles Bonusmaterial gibt es bislang nicht, dies ist aber auch bei Privateer sehr unüblich.

YouTube

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Fazit

Mit seiner genialen Spielmechanik und der fast unvermeidlichen, sehr cineastischen Spannung gehört Level 7 [Omega Protocol] zu den Brettspiel-Highlights des Jahres 2014 und schlägt auch viele gute Spiele der Jahre vorher. Sicherlich ist es kein hundertprozentig kooperatives Spiel, aber egal, ob als Overseer oder Kommando-Spieler, man hat sehr viel Spaß dabei und nicht das Gefühl, gegeneinander zu spielen. Der Overseer ist mehr der Regisseur als der böse Counterpart.

Das hervorragende Material unterstützt die Atmosphäre wunderbar und ist sehr haltbar. Lediglich den Miniaturen sollte man noch mal 30 Minuten Korrekturen zukommen lassen, wenn man es perfekt haben möchte. Mit etwas Mal-Begabung werden sie natürlich noch deutlich besser.

Wenn einer der Spieler Erfahrungen hat, ist das Spiel innerhalb von wenigen Minuten erklärt und kann so auch schnell mal an einem Brettspiele-Abend auf den Tisch kommen, vorausgesetzt man hat zwei Stunden Zeit und einen Tisch der entsprechenden Größe. Alle Missionen lassen sich sowohl direkt out-of-the-box als auch intensiv vorbereitet spielen.

Daumen5maennlich

Artikelbilder: Privateer Press

 

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