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Wolltet ihr schon immer mal wissen, was geschieht, wenn eine verwöhnte Prinzessin auf riesige Insekten trifft? M. P. Anderfeldts Roman Welt aus Sand liefert die Antwort auf diese drängende Frage, schickt zwei junge Menschen auf eine abenteuerliche Reise durch die Wüste– und den Leser durch 480 Seiten heillose Verwirrung.

Es ist nicht immer leicht, Bücher zu rezensieren, die einem so gar nicht gefallen haben. Welt aus Sand – das möchte ich gleich vorwegnehmen – ist ein solches Buch. Vom absurden Plot über die halbherzige Endzeitästhetik bis hin zu den uninteressanten Figuren gleicht es mehr einem ersten Entwurf denn einem fertigen Roman. Dennoch lohnt sich hier ein genauerer Blick, denn die absurde Mischung aus Fantasy, Endzeit und Entomologie weiß in Erinnerung zu bleiben – wenn auch aus den völlig falschen Gründen. Es folgt also eine ausführliche und vielleicht sogar gelegentlich konstruktive Rezension, bei der ich mir alle Wortwitze, die mit Sandkastenspielzeug zu tun haben, strengstens untersagt habe.

Story

In der endzeitartigen Wüstenwelt Pathaar, deren lebensfeindliche Weiten von angriffslustigen Rieseninsekten bevölkert werden, bieten zwei verfeindete Städte den Menschen Schutz und Sicherheit. Im traditionsbewussten und den Göttern geweihten Bedivere herrschen strenge Klassenunterschiede. Der Adel lebt in Saus und Braus, während das gemeine Volk schuftet. In Jupiter, der Maschinenstadt auf Rädern, die stetig in Bewegung bleibt, hält man Religion für Aberglauben und alle Menschen für gleich. Kein Wunder also, dass das Misstrauen zwischen diesen letzten Bastionen der Menschheit groß ist. Als Mira, die verwöhnte Prinzessin von Bedivere, erfährt, dass ihre liebste Zofe des Hochverrats angeklagt wurde, beginnt sie, die Zustände in ihrer Stadt zu hinterfragen. Zeitgleich begibt sich Kato, ein junger Mechaniker aus der Steampunkmetropole Jupiter, auf eine gefährliche Expedition. Beide ahnen nicht, dass sie die ersten Schritte auf einem Weg tun, der das Schicksal ihrer jeweiligen Heimat bestimmen wird.

Da die Handlung unsere beiden Helden erst ganz zum Schluss zusammenführt, muss man ihre jeweiligen Abenteuer eigentlich getrennt betrachten. Prinzessin Mira ist zwar himmelschreiend naiv und nicht das hellste Glühwürmchen am Wüstenhimmel, erlebt aber bis zu ihrer Flucht aus Bedivere einige interessante Dinge. Ihr Entschluss, den Dingen auf den Grund zu gehen und ihre Zofe zu retten, macht sie einigermaßen sympathisch. Die ersten Kapitel etablieren sie bereits als Auserwählte, die eine besondere Macht über die gefährlichen Rieseninsekten in der Wildnis hat, so dass ihr späterer Hang zu heldenhaften Rettungsaktionen nicht unbedingt überraschend kommt. Doch später nimmt die Storyline eine unvermittelte Wendung ins Groteske, wenn Mira drei Rieseninsektenlarven adoptiert und konsequent als „ihre“ Kinder bezeichnet. Was von da an eine höchst charmante Game of Thrones-Parodie hätte sein können, wird so bitterernst weitererzählt, dass es fortan schwer wird, sich auf den Plot einzulassen.

Im Hinblick auf Kato hingegen bemüht sich der Roman gar nicht erst, einen Grund zu liefern, weshalb dieser seinerseits naive und unerfahrene junge Mann wichtig genug ist, um die Hälfte aller Kapitel einzunehmen. Seine Reisebegleiter sind dauerhaft die interessanteren Figuren und haben so wenig Anlass, Kato auch nur dabeizuhaben, dass er sich mitunter selbst darüber wundert. Er weiß kaum etwas über die Welt, leistet bis zum Schluss keinen wirklichen Beitrag zur Handlung und stolpert unbeholfen durch verschiedene sexuelle Abenteuer, die zu seiner Charakterentwicklung einen ebenso geringen Beitrag leisten wie die einzelnen Stationen seiner mehr oder weniger freiwilligen Reise. Nie war ein Feigenblatt in Form einer halbherzigen Prophezeiung, dass dieser langweilige Jedermann dort der Auserwählte ist, so nötig wie hier. Zu gerne hätte ich diesen Teil des Plots mit dem Fokus auf einer anderen Figur gelesen, aber ich nehme an, dass diese in einer eventuellen Fortsetzung nicht so gut geeignet wären, um sie mit der widerspenstigen Insektenprinzessin zu verpaaren.

Auch sonst hält die Handlung einiges an Frustrationen bereit. Manche Dinge, die in den ersten Kapiteln angerissen wurden, finden keine spätere Erwähnung mehr und werden eventuell im Rahmen einer Fortsetzung aufgelöst. Andere werden als weit relevanter aufgebaut, als sie am Ende sind. Interessantere Nebenfiguren haben kaum einen anderen Zweck, als den beiden ahnungslosen Hauptfiguren die Welt zu erklären. Der Entwurf der beiden Städte als zwei gegensätzliche Regierungsformen, die jeweils ihre Schattenseiten haben, ist zwar an sich eine gute Idee, scheitert aber daran, dass man zu wenig über Jupiter erfährt.

Schreibstil

Da es sich um einen selbstverlegten Roman handelt, ist es nicht gerade verwunderlich, dass sich im Roman der eine oder andere Tippfehler eingeschlichen hat. Darüber kann man zwar großzügig hinweglesen, doch ergibt sich in Kombination mit dem mitunter doch arg holperigen Stil kein vorteilhaftes Gesamtbild. Die größte stilistische Hürde ergibt sich allerdings aus der oben bereits genannten Grundkonzeption der beiden Protagonisten, die im Mittelpunkt der meisten Kapitel stehen. Beide sind nicht nur unwissend, sondern auch etwas schwer von Begriff, so dass sich Formulierungen wie „Er verstand nicht“ oder „Sie runzelte die Stirn“ in zig Variationen durch den Text ziehen und beinahe zu einem Trinkspiel einladen. Die Sachverhalte, welche den Figuren dann geduldig erklärt werden, sind aber stets so einfach, dass man sie als Leser längst durchschaut hat, was dem Roman erneut eine unfreiwillig komische Dimension verleiht. Generell krankt der Schreibstil ein wenig an seinen ständigen Wiederholungen. Dinge werden erzählt, nur um oft kaum eine Seite später in leichter Abwandlung erneut erzählt zu werden. Dies lässt die Geschichte mitunter ziemlich langatmig wirken.

Für einen Roman, der vor allem von der ungewöhnlichen Welt, in der er spielt, leben sollte, bleiben zudem die Ortsbeschreibungen etwas unbestimmt. Auch hier ist der Hauptgrund ein stilistischer. Die Kapitel setzen meist mitten in der Handlung an und das Setting wird dann im Laufe der nächsten Seiten nachgeliefert. Das erweckt zwar den Eindruck eines erhöhten Erzähltempos, lässt aber zugleich auch den Verdacht aufkeimen, dass sich die räumlichen Gegebenheiten zweckdienlich den Ereignissen anpassen. Unsere Helden brauchen einen Weg vom Palast in den Tempel? Was für ein Zufall, hier ist ein Gang. Es kommt zu einer Flucht durch die Wüste? Ach, da gibt es ja ein Tal, das vorher noch nie erwähnt wurde, aber die ganze Zeit schon das Ziel war. Diese Nachträglichkeit des Erzählens geht erheblich auf Kosten der Glaubwürdigkeit der Welt und sie fühlt sich nicht sonderlich organisch an.

Auch die Kapiteleinteilung bereitet Kopfzerbrechen. Manche Kapitel enden inmitten einer Handlung, die im nächsten Kapitel übergangslos fortgesetzt wird. Ansonsten wechseln sie üblicherweise zwischen den beiden Protagonisten und sind auch mit deren Namen überschrieben. Es kommt allerdings auch vor, dass mehrere Kapitel einer Figur aufeinander folgen und die Übergänge nur einen kurzen Zeitsprung markieren. Gelegentlich führt das dazu, dass die Zeit in den beiden Handlungssträngen unterschiedlich zu vergehen scheint. Selten lassen sich die Erlebnisse von Kato und Mira aufeinander beziehen und selbst die Tageszeiten, zu denen ihre Kapitel spielen, sind meist verschieden. Alles in allem wirkt die Kapiteleinteilung reichlich unausgegoren.

Ein weiterer, wenn auch eher persönlicher Kritikpunkt ist die ungeschickte Sexualisierung der Hauptfiguren. Dass sich die Protagonistinnen phantastischer Romane in den absurdesten Situationen plötzlich ihrer Körperformen bewusst werden, ist ein Klischee, an das man sich inzwischen so sehr gewöhnt hat, dass man es kaum noch bemerkt. So erntet auch Welt aus Sand das eine oder andere Augenrollen, wenn Prinzessin Mira gerade noch vorm Spiegel stand, aber dann plötzlich keine Ahnung hat, wie ihr enges Kleid wirken muss. An sich wäre dies kaum der Erwähnung wert, wenn nicht Katos erste sexuelle Erfahrungen den Stereotyp komplettieren würden. Diese sind nicht immer freiwillig – was im Roman als witzige Anekdote dargestellt wird und den Figuren kein Kopfzerbrechen bereitet –, wenig unterhaltsam und dienen handlungstechnisch ausschließlich der Potenzversicherung. Zugleich bleiben sie so andeutungshaft, dass man sie auch gleich hätte weglassen können. So entsteht der Eindruck, die Erzählung wollte ihrem Helden einfach ein paar Dinge geben, mit denen er auf dem Schulhof angeben kann. Jedenfalls befinden wir uns hier in meiner persönlichen Klischeehölle.

Der Autor

Martin P. Anderfeldt wurde 1974 geboren, studierte Amerikanistik, Psychologie und Iberoromanistik und arbeitet heute als Werbetexter. Er ist Autor zahlreicher Romane, die überwiegend sein bevorzugtes Genre, den Thriller, abwandeln. So legte er 2014 mit Dunkelheit über Tokyo einen Mystery-Romance-Thriller vor und 2016 mit Wolfsnacht ein modernes Märchen für Erwachsene. 2017 erscheint neben Welt aus Sand auch sein neuer Roman Sommerende. Darüber hinaus ist Anderfeldt auch als Verfasser von Kurzgeschichten tätig.

Erscheinungsbild

Das Cover zeigt eine Wüste unter wolkenverhangenem Himmel, die durch etwas, das vage an ein Bullauge erinnert, betrachtet wird. Die Karte von Pathaar ist auf dem Kindle kaum von Nutzen, da ihre Kontraste zu schwach sind.

Die harten Fakten:

  • Verlag: /
  • Autor: P. Anderfeldt
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Kindle Edition
  • Seitenanzahl: 481 (Print)
  • ISBN: 978-1-5214-1080-6 (Print)
  • Preis: 3,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Dieser Roman vermag von vorne bis hinten nicht zu überzeugen. Die Kulisse könnte in ihrer Endzeitästhetik durchaus ansprechen, wenn ihr mehr Raum gegeben würde, bleibt aber hoffnungslos unterbestimmt. Die Rieseninsekten, die das eigentliche Gimmick und Alleinstellungsmerkmal dieses literarischen Sandkastens darstellen, sind zwar in der Tat recht eindrücklich, machen die Geschichte aber unfreiwillig komisch. So bleibt auch ihre Majestät Prinzessin Mira Klischeetochter, Mutter der Insekten, als Protagonistin länger im Gedächtnis, wenn auch nicht auf die beste Weise. Stilistisch gibt es zahlreiche Mängel. Viele Kapitel wirken hastig heruntergeschrieben und kaum überarbeitet.

Entsprechend würde ich persönlich den Roman auch in der günstigen Kindle-Version niemandem empfehlen. Andererseits sind die Geschmäcker verschieden. Wer sich also schon immer nach einem Steampunkabenteuer mit Rieseninsekten verzehrt hat, dem steht die Welt aus Sand offen.

Artikelbild: M. P. Anderfeldt
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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