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Zum dritten Mal lud die Comic Con Germany Fans von Superhelden, Anti-Helden, Comics, Cosplay und mehr nach Stuttgart. Die letzten beiden Messen wurden mit viel Lob überschüttet, da Comic Con Germany sehr viel richtig machte. Ob das hohe Niveau gehalten werden konnte, lest ihr hier.

 

Co-Autorin

Laura Birnbaum ist Anfang 30, spielaffin (analog wie digital) und gern in fremden Welten unterwegs. Seit 2003 ist sie Cosplayerin und dem Hobby treu geblieben, obwohl 2010 LARP hinzukam. Wenn sie nicht bastelt, näht oder Veranstaltungen organisiert, schaut sie leidenschaftlich gerne Horrorfilme und bereist die (reale) Welt. Bei den Teilzeithelden gehört Laura dem Cosplay-Ressort an und schlägt eine Brücke zum Thema LARP.

 

 

Baden-Württemberg gilt nicht grade als Zentrum der Geek-Kultur. Viele große Veranstaltungen, die Comic-Liebhaber, Cosplayer und sonstige Phantasten anlocken, finden sich eher in Nordrhein-Westfalen oder Hessen. Eine recht junge Bastion des Geektums findet sich mit der Comic Con Germany allerdings bei Stuttgart.

Gerade die günstige Verkehrslage lockt auch viele Besucher ins Ländle, ob mit (Fern-)Bus, Bahn, Auto oder Flugzeug – die Eventlocation Messe Stuttgart ist hervorragend angebunden. Kein Wunder also, dass rund 40.000 Besucher der Con ihre Aufwartung machten, damit aber rund ein Fünftel weniger als letztes Jahr, was sich besonders am Sonntag bemerkbar machte. Ein Grund könnte die kurzfristige Absage eines Stars gewesen sein.

Das Aufgebot

Der Stargast schlechthin hätte wohl Chuck Norris sein sollen. Als sein Name im Vorfeld der Con bekannt wurde, sorgte das für reichlich Furore. Zwar meldeten sich auch einige kritische Stimmen, die seine oftmals eher fragwürdige politische Einstellung beklagten, doch war die Anzahl derer, die sich auf die lebende Legende freuten, deutlich höher.

Umso ernüchternder war dann die Nachricht vom Freitagabend: Chuck Norris kommt nicht. Aufgrund starker Unwetter konnte sein Flieger nicht starten. Im Vergleich zu anderen Cons, war Freitag jedoch noch früh. Andere informieren auch gerne mal erst auf der Veranstaltung, dass ein ersehnter Star nicht kommt. Ebenfalls schön: Chuck Norris hat eine kleine Videobotschaft, scheinbar vom Flughafen, an seine deutschen Fans gesendet und sich entschuldigt. Alles andere als selbstverständlich heutzutage. Dazu muss man auch anmerken, dass er nicht der einzige Gast mit Flugproblemen war. Gregg Sulkin verpasste wegen aktueller Dreharbeiten den Flieger, und das Gepäck der Cosplayerin Alyson Tabbitha ging auf dem Flug aus den USA verloren.

Doch es gab noch eine ganze Reihe anderer Stars, für die sich ein Besuch gelohnt hat. Allen voran natürlich Nikolaj Coster-Waldau, einer der Protagonisten aus Game of Thrones. In seinem zum Bersten gefüllten Panel überzeugte er seine Fans nicht nur mit viel Charme, sondern auch seinen nahezu akzentfreien Deutschkenntnissen, die er auspackte, als ein Fan ihn auf das Örtchen Waldau, ganz in der Nähe des Flughafens aufmerksam machte.

Science-Fiction-Fans hingegen konnten sich über Marina Sirtis aus Star Trek freuen, die sich reichlich Zeit für ihre Fans nahm. Aber auch Fans alter Weltraumabenteuer hatten einen Grund zur Freude, denn Captain Buck Rogers alias Gil Gerard gab sich die Ehre.

Mit viel Witz und Charme konnte man auch gut seine Zeit mit Joonas Suotamo verbringen. Der finnische Basketballspieler mimt Chewbacca in den neuesten Star Wars-Filmen. Doch auch Comic-Fans kamen nicht zu kurz, mit Elizabeth Henstridge (Agent Jemma Simmons) aus Agents of S.H.I.E.L.D. und Stefan Kappicic (Colossus) schauten gleich zwei beliebte Schauspieler aus dem Marvel-Universum vorbei.

Cosplay-Fans konnten sich darüber hinaus noch über Kinpatsu aus Südafrika, Eric Jones von Coregeek Creations aus den USA, Faeri Blossom oder Bakka Cosplay freuen, um nur einige zu nennen. Aber auch eine ganze Reihe bekannter Comic-Zeichner wie Haiko Hörnig und Marius Pawlitza konnten sich den Fragen der Fans stellen.

Was es zu erleben gab

Das Angebot war erneut sehr reichlich, doch es war schon nicht ganz einfach, vor Ort den richtigen Überblick zu bekommen. Zwar gab es ein Programmheft am Eingang, was bei dem oft eher mäßigen messetypischen Handyempfang stets ein Segen ist, doch verwirrte es mehr, als zu helfen. Das tatsächliche Programm mit Orten und Zeitpunkten in übersichtlicher Form fehlte nämlich schlicht und ergreifend. Auch der Hallenplan war wenig hilfreich, da nur lose zusammengefasste Themenabschnitte der einzelnen Hallen ohne Relation zum Gesamtaufbau abgebildet waren. Da konnten auch die großen Plan-Plakate in der Halle verteilt nur bedingt Abhilfe schaffen.

Glück hatte damit eindeutig, wer sich vorher das Programm aus dem Internet gezogen und einen der großen Pläne abfotografiert hatte. Damit konnte man sich deutlich besser orientieren und viel erleben.

Künstler weiter im Fokus

Bereits in den letzten Jahren nahmen Künstler mit der Artist Alley einen großen Raum in der Gesamtkonzeption ein. Dieses Jahr war dieser Bereich nochmals etwas größer, und es gab viele bekannte Künstler zu bestaunen, die jeden Stil und fast jedes Setting bedienten. Ob mit Artworks, eigenem Merchandise oder auch ganzen Fanzines oder Comics – hier gab es für jeden etwas zu finden. Auf der dazugehörigen Bühne konnte man bei Panels und Interviews mit diversen Künstlern und Craftern viel über die Arbeit als Zeichner und Kunstschaffender erfahren.

Cosplay – zwischen Rey und Harley

Sehen und gesehen werden ist inzwischen ein fester Bestandteil von Comic Cons, die auch viele Cosplayer anziehen. Die Comic Con Germany steht dem in nichts nach, so dass auch hier viele schöne und aufwendige Kostüme zu bestaunen waren. Viele Cosplayer nahmen daher auch wieder am beliebten Cosplay-Wettbewerb der Messe statt, der viele Besucher ins Atrium, zur größten der Comic-Con-Bühnen lockte, so dass kein Sitzplatz mehr frei war.

Jedes Jahr kann man auch ein wenig Trendspotting anhand der Häufigkeit von Kostümen machen. Ganz vorne ist, auch zwei Jahre nach dem Erscheinen des Films, Harley Quinn in der Suicide Squad-Version. Allerdings gab es viele weitere Varianten der ikonischen Bösewichtin zu bestaunen.

Müsste man „das Ding 2018“ ausmachen, wäre das aber nicht Harley Quinn. Ganz vorne dabei war, neben Aloy aus Horizon Zero Dawn, Rey aus der aktuellen Star Wars-Trilogie. Zeitweise waren auf ein paar Quadratmetern Halle so viele Reys, in oftmals sehr detailverliebter Qualität, dass man meinen konnte, Jango Fett sei als Prototyp der Klonarmee abgelöst worden. Allerdings gab es neben den vielen liebevollen Kreationen zu aktuellen Filmen, Serien und Comics (oder auch derzeitigen Kultphänomenen aus dem Pen&Paper-Bereich: Hallo Critters!) auch einige alte Klassiker zu sehen: Space Marines, Zugehörige diverser Stargate-Kommandos, Ghostbusters oder He-Man – sie alle waren mit von der Partie.

 

Das Ding 2018

Aber „das Ding 2018“ waren weder Aloy, noch Rey oder Deadpool. Weit gefehlt, der neue heiße Shit im Jahr 2018 sind bedruckte „Cosplay Suits“. Jedoch nicht jene, die nur als raffinierte Unterkleidung dienen, die dann um Props ergänzt werden. Nein, Props und Körperform sind gleich mit draufgedruckt. Zumindest erinnerte man sich wieder daran, warum manche Helden-Outfits nach Schlafanzug aussehen. Ehe der Aufschrei folgt, als Cosplay wird man das wohl nur schwer bezeichnen können, wenn man sich in einen Superman-Onesie zwängt. Aber für Fans, die einfach nur ihre Szenezugehörigkeit zeigen wollen, scheint es wohl eine gute Wahl zu sein.

Panels und Workshops

Panels und Workshops machen einen guten Teil des Programms der üblichen Anime- und Mangaconventions aus. Natürlich etwas, das ebenso hervorragend auf eine Comic-Messe passt. Neben zahlreichen Lesungen und unterhaltsamen Panels der Stargäste konnte man im Comic-Bereich Künstlern bei der Arbeit zuschauen.

Im Cosplay Kingdom standen Cosplayer nicht nur Rede und Antwort, sondern zeigten auch ganz praktisch, wie sie an ihre Arbeiten herangehen, und gaben den interessierten Teilnehmern viele Einblicke hinter die Kulissen oder gaben schlicht und ergreifend Autogramme und posierten für Fotos. Die Themenvielfalt war dabei reichlich, ob Tipps zur Transformation des Körpers in Aliens oder andere Geschlechter, die Gestaltung von Feen oder Make-up mit Special Effects – es gab reichlich zu erfahren.

Als Manko an diesen Programmpunkten wäre aufzuführen, dass die Aufteilung der Bühnen ziemlich ungünstig war. In der Haupthalle fanden sich zwei größere Bühnen und die Leseinsel. Bei zeitgleichen Panels, also quasi ständig, war die Beschallung teilweise unangenehm und Gespräche sowie das Verfolgen des Programmpunktes waren nur schwer möglich.

Andere Veranstaltungen lösen das etwas schöner, indem vor allem Workshops oder Vorträge in Konferenzräume gelegt werden, die auf Messegeländen ohnehin vorhanden sind. Hier könnte man die räumlichen Möglichkeiten der großen Messe Stuttgart sicher noch intensiver nutzen.

Und sonst?

Zahlreiche Cosplay-Gruppen präsentierten ihre detailreichen Stände, wenngleich man zumindest in Halle 3 schnell denken konnte, dass man auf einer Star Wars-Con gelandet ist. Das war zwar schön anzuschauen, aber wollte in dieser Fülle nicht unbedingt zu einer Comic Con passen. An Stelle der zwar beeindruckenden, aber viel Platz fressenden Raumschiff-Props hätten ein paar abwechslungsreichere Gruppen oder eine bessere Verteilung der sehr dicht gedrängten Ausstellungsstücke sicher nicht geschadet. Ebenfalls schlecht platziert waren zum Beispiel die sogenannten Itasha – stark dekorierte, zumeist Sport-, Wagen, die auf der Rundempore der Haupthalle sehr abgelegen standen.

Mit Asmodee war auch wieder ein Gigant der Brettspielbranche vor Ort, der mit zahlreichen Spielrunden auf zwei Ebenen zum Verweilen einlud und auch das ein oder andere Spiel an die begeisterten Zocker verkaufen konnte.

Auch an Merchständen und Händlern mangelte es nicht, und EMP sprach sicher gewisse Schnittmengen in einigen Szenen an. Wer wollte, konnte sich mit reichlich Fanartikeln aus nahezu allen Fandoms eindecken. Dazu muss man hervorheben, dass die Auswahl an Speisen und Getränken sehr groß und breit gefächert war und das typische Messeangebot überstieg, sich jedoch zu großem Teil im japanischen Spektrum bewegte, was vielleicht manchen Gast etwas ratlos zurückließ.

Was nach zwei Tagen bleibt

Die Organisation ist in den letzten paar Jahren gefühlt ein wenig besser geworden, und vor allem hat das Programmheft seinen Namen auch verdient. Doch fehlt es ein Stück an Weiterentwicklung, um die Messe auch in den nächsten Jahren spannend zu halten. Auf Stargäste allein kann man sich nicht stützen, diese Erfahrung hat die Comic Con bereits mehrmals gemacht. Wenn man das große Einkaufsmekka von der Tagesordnung streicht, werden die Beschäftigungsmöglichkeiten überschaubar.

Der Ausbau des Rahmenprogramms und die konsequente Nutzung der Möglichkeiten der Messe könnten hier ein guter Weg sein. Allein der Park, der intensiv von Besuchern und vor allem Cosplayern genutzt wird, könnte noch intensiver eingebunden oder für eben jene Hallenflüchtigen in eben diesen mehr Platz geschaffen werden (Sitzecken, Lounges, Fotoecken wären hier eine Möglichkeit). Ebenfalls wäre auch die Verlagerung mancher Workshops und Panels in Konferenzräume ein Schritt in die richtige Richtung.

Doch trotz der Kritikpunkte: Die Comic Con Germany in Stuttgart bleibt eine der schönsten und auch bestorganisiertesten Comic Cons in Deutschland und hält tapfer die Geek-Flagge im Land von Spätzle und Maultauschen hoch. Einen Besuch ist sie allemal wert, und auch wir werden uns die Auflage 2019 garantiert nicht entgehen lassen.

Artikelbild: ©Teilzeithelden

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