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Jährlich strömen tausende Spieler nach Hessen, um auf dem Quast für einen der Götterdrachen zu streiten. Oft schon gehörten die Wetterbedingungen zu einer der Prüfungen der LARP-Veranstaltung, doch waren die Folgen dieses Jahr nicht so einschneidend für das Spielgeschehen. Vielmehr hat die Hitze ganz andere Möglichkeiten und Dynamiken eröffnet

Trotz gefühlt glühendem Boden, der mehr mit Heu denn Gras bedeckt war und dem man die Ereignisse des vergangenen Jahres fast überall noch ansah, verfiel die Spielerschaft nicht in eidechsengleiche Apathie. Augenscheinlich gab es zwar vor allem zur Mittagshitze wenig Regung, doch verschoben sich die Aktivitätsphasen lediglich auf andere Zeiten und andere Spielbereiche. So waren Kämpfe vorwiegend in den frühen Morgen- und späteren Abendstunden zu beobachten, gab es doch viel emsiges Gehusche zwischen Diplomaten, in der Stadt und vor allem im hellen Mondlicht.

Round and round it goes …

Das Erste, was der diesjährigen Spielerschaft auffiel, da es auch kurz vor Veranstaltungsbeginn in den öffentlichen Netzwerken gepostet wurde, war die neue Check-In-Situation. Um den langen Rückstau bis auf die Bundesstraße an den beiden offiziellen Anreise-Tagen zu vermeiden, wurden die Stationen für den Check-In weiter in das Gelände hinein verlegt. So waren die Jahre zuvor bereits am Gate, der Zufahrt zum Quast am Waldrand, die meisten Formalitäten erledigt worden, ehe man rechterhand auf die Rundreise zum gewünschten Lager geschickt wurde. Dieses Jahr ging es nach einem Kurzcheck am Gate direkt links den Berg hinauf. Dort wurden mehrere Stationen eingerichtet, um den Prozess zu beschleunigen und – vor allem vom auftretenden Orga- und Bauverkehr sehr begrüßt – eine Überholmöglichkeit zu gewähren. Dies war in die andere Richtung durch unbefestigte Waldhänge fast nicht möglich gewesen und hatte in den vergangenen Jahren zu längeren Staus und Zank geführt. Der einzige größere Problemfall war ein Systemversagen bei den neuen Ticketscannern bei der Frühanreise, das zwei Stunden Wartezeit zur Folge hatte. Allerdings nicht im Stau auf der Bundesstraße, sondern als Kolonne auf dem nebenliegenden Feld.

© Fotofänger - Kupfer vs. Orks
© Fotofänger – Kupfer vs. Orks

Anders sah die Situation jedoch in den Lagern aus. Nachdem an der Stadt geteilt und auf den Rundweg geschickt wurde, der auch die meiste Zeit frei gewesen zu sein schien, war die Platzsituation in diesem Jahr innerhalb der Lager extrem beengt. So sehr, dass ab einer gewissen Fülle die eigentlichen Durchfahrtswege der Lager nicht mehr nutzbar waren und teilweise durch die Baustellen um die Haupttore abgeleitet werden musste. Das hat zwar meistens recht gut funktioniert, wenn man sich nicht ganz doof angestellt hat, nervte die Bauteams jedoch teilweise gewaltig.

Jahr 1 nach dem Schlamm

Die Beengung der Lager kam allerdings nicht von ungefähr. Wie vorhergesagt, hat der Quast unter Schlammageddon gelitten. Zwar war alles wieder bewachsen, doch sah man die Narben der Wassergräben und Gruben noch recht genau. Vor allem in dem Bereich unterhalb Aldradachs waren die Flurschäden so massiv, dass jener Bereich dieses Jahr nicht besiedelt werden durfte. Daraus resultierte eine sehr beengte Lagerhaltung im äußeren Ring. Manch ein Spieler hat vermutlich ebenso wie die LPK (Lagerplatzkoordinatoren) erst einmal geschluckt, als er den großen Bandwurm gesehen hatte, der sich um die Wiesen legte. Da das Lager der Stämme sowie Kupfer sich einreihen mussten, gab es keine Lücken mehr zwischen den Lagerflächen, und es wurde auch auf der oberen Wiese, wo sonst mehr Freiraum herrschte, Tor and Tor gebaut. Obwohl es anfänglich und noch während des Aufbaus beträchtliche Zweifel hinsichtlich der Größen der Kampfplätze und generellen Spielflächen gab, funktionierte dies doch besser als gedacht. Weiter hinten in den Lagern allerdings wurde es an einigen Stellen schon sehr eng und gedrängt. Hoffen wir, dass die Platzbelegung im nächsten Jahr wieder zu ihrer normalen Ordnung zurückkehren kann.

Am großen Ritualkreis und im Anfangs- und Endritual gab es ebenfalls eine Neuerung. In der Mitte des Kreises wurde die Statue zu einer Art Kanzel umgebaut, in der der Avatar des Gewinnerlagers während des Einzugs etwas erhöht Platz nehmen konnte.

Brandheiße Action

Der Versuch, dieses Jahr analog zum letztjährigen Wetterphänomen zu betiteln, fasste zwar nicht weiträumig Fuß, jedoch beschreibt „Flammageddon“ ganz gut die Situation vor Ort – im übertragenen Sinne. Als die Bauteams der Lager am Wochenende vor InTime anrückten, gab es noch grün auf den Wiesen – als sie am Wochenende danach abrückten, gab es loses Heu auf rissigem Lehmboden. Die Brandstufe 4 ist auf dem Drachenfest mittlerweile der Normalzustand (Ausnahme letztes Jahr natürlich), doch erhöhte sich diese zum dritten Spieltag auf 5. Das hieß: extreme Vorsichtsmaßnahmen und das Stilllegen einiger Kochstellen. Doch die Maßnahmen und auch die herausragende Disziplin aller Teilnehmer half, dass es bis auf eine Handvoll Minibrände direkt um eine Kochstelle zu keinen Vorfällen kam. Jedoch konnte man vom Berg aus manche größeren Rauchwolken im Umland des Quast beobachten.

© Fotofänger - Verzaubert.
© Fotofänger – Verzaubert.

Trotz der brachialen Hitze kam das Spiel nicht im Stillstand. Im Gegenteil sogar. Natürlich wurden die Kampfhandlungen auf die frühen Morgen- und späten Nachmittags- bis Abendstunden verlegt – was manche Hitzeresistente jedoch nicht davon abhielt, sich auf dem Schlachtfeld zu tummeln. Doch war dieses Jahr die Sternstunde des Diplomatiespiels. Bündnisse wurden nicht nur in atemberaubender Schnelligkeit geschlossen, sondern resultierten auch durch die neuen Konstellationen der Lager in teilweise neuartigen Farbmischungen.

Dadurch kam auch in die Feldschlachten viel Bewegung, und sobald es kühler wurde, war vor allem die untere Wiese nicht nur von den dort ansässigen Lagern viel besucht, denn auch die Siedler der oberen Wiese mischten hier kräftig mit. Einen Tribut hatte die Hitze jedoch scheinbar gefordert: Sie brannte scheinbar die Erinnerung an Belagerungswaffen und ihren Zweck aus den Köpfen der Schlachtteilnehmer, so dass nicht selten ein Heer nutzlos vor geschlossenen Toren stand und ratlos dreinsah.

Anders sah es in den doch recht hellen Nächten aus. Hier herrschte teilweise mehr Verkehr als tagsüber auf den Wiesen. Kleine Kommandogrüppchen, die sich stumm aneinander vorbei auf ihr Ziel zuschoben. Sei es die Infiltration eines Lagers, um durch gekonntes Ausschalten der Torwache das Banner zu stehlen, oder die Gunst der Verwirrung mittels diverser dunkler Grüppchen auszunutzen, den Parenusorden von der Palisade zu pflücken und dann eilig davon zu sprinten.

Egal bei welcher körperlichen Ertüchtigung muss man jedoch die wahren Helden dieses Jahres hervorheben: die Wasserträger. Unermüdlich und überall liefen sie emsig herum und drückten jedem das wichtige Nass in Bechern, Karaffen, Trinkschläuchen oder Flaschen in die Hand – ob man wollte oder nicht. Einige gingen in dieser Pflicht so weit, dass sie auch nach dem offiziellen Spielende während des Abbaus nicht müde wurden, dies zu tun. Ehre den Wasserträgern! Ohne euch wäre dieses Drachenfest ganz anders gelaufen.

Zum Thema Wasser, welches auf dem Quast generell ein eher Schwierigeres ist, sei angemerkt, dass es dieses Jahr vermehrt Engpässe in der Versorgung gab, vor allem in der Stadt. Durch die großen Abnahmemengen zur gleichen Zeit sank der Wasserdruck immer wieder extrem ab, so dass sogar die Duschen tagsüber für eine gewisse Zeit gesperrt werden mussten. Aber seien wir ehrlich – tagsüber war Duschen ohnehin obsolet.

Neue Plots und alte Hüte

Man kennt das – wird ein magischer Kraftort geweiht, taucht irgendetwas auf. Sei es ein Avatar, eine Kiste oder – wie dieses Jahr – Pergamentfragmente. Nichts Neues. Jedoch war dieses Jahr der Umgang mit dem vermeintlichen 08/15-Plot etwas anders. Die Fragmente waren nur der Beginn von teilweise recht komplexen Rätselsträngen, die immer in etwas anderes mündeten. Teilweise erfrischend retro, könnte man sogar sagen – eine Schatzkarte, nach der man wirklich auf der großen Wiese unter den Augen einiger Irritierter buddeln musste? Klassiker, aber spaßig! Ebenfalls

© Fotfänger - Zwergin mit flottem Gefährt
© Fotfänger – Zwergin mit flottem Gefährt

wurde mit einigen Plots zwar wieder auf die erste Drachenwelt, welche auf dem Zeit der Legenden bespielt wird, hingewiesen. Allerdings war es mehr Fluff als Notwendigkeit, hierüber etwas zu wissen, was von vielen Spielern sehr begrüßt wurde. Generell hatte man das Gefühl, dass sich die Verflechtung der beiden Veranstaltungen mittlerweile gut ausbalanciert hat.

Ein alter Hut dagegen war leider ein Plot, der schon seit vier Jahren immer wieder murmeltierartig grüßt. Tote Frauen, Echsen, Maskenkult – da es nie zu einem wirklichen Fortschritt kommt, ist die Reaktion auf diese Vorkommnisse mittlerweile recht überschaubar. Natürlich darf ein Kult schwer zu erwischen sein, jedoch sind die Informationen so dünn gestreut, dass es fast unmöglich ist, da irgendwie mehr herauszuholen. Schade.

Auch aus den Reihen der Spieler gab es dieses Jahr ein paar übergreifende Aktionen, an denen sich mehrere Lager beteiligen konnten. Allen voran sei hier das Maskenfest zu erwähnen, welches das Lager des ewigen Wandels am Freitag zum Blutmond veranstaltete. Natürlich kursierten IT wilde Gerüchte über böse Absichten, jedoch war es tatsächlich nur das, was angepriesen wurde: ein Maskenfest – und ein großartiges noch dazu! Nur das recht abrupte Ende durch Action am großen Ritualkreis war unvorhergesehen. Dort erklang die Stimme des sogenannten Hexers, dem Antagonisten auf dem Zeit der Legenden, der mit einem Spielercharakter einen Pakt schloss. Dieser wurde von den Avataren jedoch recht schnell und wortgewaltig beendet – durch das Ableben eben jenes Charakters. Leider wurde die Technik hier entweder nicht genutzt oder hatte versagt, so dass die Szene recht schwer zu verstehen war.

Zahmer ging es hingegen bei der Neujahrsandacht am Mittwoch im Kupferlager zu, wo Priester aus (fast) allen Lagern eingeladen waren, um dieser beizuwohnen und sich danach auszutauschen. Mal was ganz Neues und eine andere Art des Spielangebotes.

Blau ist eine warme Farbe

Den hitzigen Wettstreit konnte schlussendlich das Blaue Lager für sich entscheiden. Gemeinsam mit Schwarz, Gold und Silber wurde ein schnelles und erfrischend neues Bündnis geschlossen. Als sich der Endschlacht nicht nur der Großteil der käuflichen Kämpfer aus der Stadt und den freien Lagern wie dem Dorf der Stämme, Karawanserey dem Lager der Zwerge und dem M.A.S.H, sondern auch die Streiter des ewigen Wandels anschlossen, wurde viel gejubelt. Das hatte das Bündnis um Grün und Rot wohl nicht kommen sehen. Die Endschlacht selbst wurde unter spärlicher Bewölkung ausgetragen und gehörte mit Sicherheit zu einer der heißesten, seit es das Drachenfest gibt, doch wurde aus der Spielerschaft oft angemerkt, dass sie eine der schönsten und sichersten gewesen sei.

Hier gilt der Dank nicht nur der Umsicht der beteiligten Spieler und den fleißigen Wasserträgern, sondern auch den engagierten und schnell reagierenden Spielleitern. Auch dieses Jahr gab es zum Glück keine Knappheit an sogenannten Rot- und Orangekappen, die immer zur Stelle waren, wenn man sie brauchte. Sogar ein engagierter, ehemaliger Spieler aus Spanien hatte sich dieses Jahr dem Team angeschlossen. Trotz mangelnder Deutschkenntnisse wurde er direkt herzlich aufgenommen – von Team und Spielerschaft.

Ein erfolgreiches Fest

Das Drachenfest 2018 war ein turbulentes Event mit vielen Neuerungen und auch viel Altbewährtem, das für viele trotz der Anstrengungen unter einem glühenden Feuerball sehr erfolgreich war. Das Besinnen auf Qualität statt Quantität bei den Schlachten und das geschickte Bespielen von Vorzügen haben sich für die Spielerschaft ausgezahlt und eine schöne und aufregende Großcon ergeben.

Das einzige Wermutströpflein war vor allem für die Bauteams der Lager, dass nicht nur, wie üblich, die Malteser bereits Sonntag früh ihre Sachen packten, sondern auch die Duschen abgebaut wurden. Das hatte letztes Jahr besser funktioniert.

 

P.S.: Unser Teilzeithelden-Fotograf Karsten wird dieses Jahr noch eine Fotodokumentation über das Drachenfest 2018 veröffentlichen.
Freut euch auf noch mehr spannende Bilder.

Artikelbilder: Hagen Hoppe || Karsten Zingsheim (Teilzeithelden), Bearbeitet von Laura Birnbaum und Verena Bach

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