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Die Großcons im Sommer leiden zunehmend unter Hitze und Extremwetter. Abhilfe kann hier womöglich eine Verschiebung in den Frühling oder Herbst schaffen. Ob dies eine gute Idee sein kann oder ob wir besser die bestehenden Termine behalten sollten, haben wir hier überlegt.

Der Sommer ist in Deutschland Großcon-Saison. Beim Drachenfest auf dem Conquest of Mythodea und beim Epic Empire treffen sich jedes Jahr tausende zum Kämpfen, Questen und Feiern. Mal streitet man Seite an Seite, mal steht man sich auf dem Schlachtfeld gegenüber. So oder so, es ist das Highlight des Jahres für die meisten vor Ort. Alle Großcons sind seit Jahrzehnten etabliert und inzwischen weltweit berühmt. Vielfach werden Ansprachen parallel auf Englisch gehalten, um die zahlreichen ausländischen Gäst*innen einzubeziehen und das Drachenfest hat sogar gleich einen US-Ableger gegründet, um die amerikanischen Larper*innen direkt vor Ort abzuholen. Während die Branche also in Hinblick auf Teilnehmer*innenzahlen und Popularität boomt, steht sie zunehmend vor einer anderen Herausforderung.

Durch den Klimawandel wird das Wetter im Sommer immer extremer und störender für Larpveranstaltungen. Das Drachenfest geht seit Jahren von „Flammageddon“ zu „Flammageddon“, nur unterbrochen durch ein „Schlammageddon“, bei dem der Starkregen den ausgetrockneten Boden in eine Schlammwüste verwandelt hat. Gerade das dürfte auch anderen Großcongäst*innen bekannt vorkommen. Denn während das Drachenfest dieses Jahr ab Time-In Glück mit dem Wetter hatte, hieß es beim Conquest Schlammtauchen wie beim Wacken Open Air. Dass dieses Phänomen nicht nur ein singuläres, deutschlandspezifisches Ereignis ist, zeigt ein Blick in die USA. Beim Burning-Man-Festival sorgte Starkregen ebenfalls für so viel Schlamm, dass das Gelände nicht mehr erreichbar war, jegliche Versorgung von außerhalb brach komplett zusammen.

Das Drachenfest, um auf die einzige „glückliche“ Veranstaltung dieses Jahr zurückzukommen, der nicht durch Regen oder Hitze das Spielen erschwert wurde, durfte sich dafür einem Sturm stellen, der am Aufbautag zahlreiche Zelte und Kulissen umgerissen, verschoben und zerstört hat.

Großcon-Larp wird also immer mehr auch zum Kampf gegen die Natur, weit über die Auseinandersetzung mit aufdringlichen Wespen hinaus. Wie wir damit umgehen können und ob es Lösungen gibt, schauen wir uns in diesem Artikel an.

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Das Problem

Die neue Plattenrüstung sitzt wie angegossen. Unsummen hat man ausgegeben, doch jetzt sticht man aus jeder Schlachtreihe heraus. Endlich stört nicht mehr ein Helm aus dem 15. Jahrhundert auf einer Brustplatte aus dem 16. Jahrhundert. Alles geht fließend ineinander über, die neidvollen Blicke aller anderen sind uns sicher. Vorbei die Zeiten von frühem Schlachtentod, von scheuernden, unpassenden Harnischen und schmerzendem Rücken. Ab jetzt gehört man zur Oberklasse.

Auch im Zelt nebenan herrscht Freude. Unzählige Stoffbahnen musste man kaufen, mit deren Länge man einmal den Äquator hätte umrunden können. Stunden-, tage- ja sogar monatelang saß man mit gekrümmtem Rücken über die Nähmaschine gebeugt, zerstochene Finger, gerissene Nähte und kaputte Augen durch schlechtes Licht hat man hingenommen. Doch nun ist sie endlich fertig – die eigene selbstgenähte Gewandung. Blut, Schweiß und Tränen hat man investiert, die Nächte vor der Con durchgearbeitet, auf dem Weg zur Con noch letzte Verzierungen aufgestickt. Jetzt kann man endlich glänzen, wird zum Mittelpunkt des Hofstaats.

Im Lager helfen Fußbäder gegen die große Hitze. © Drachenfest UG & Co. KG

Doch leider haben wir die Rechnung ohne das Wetter gemacht. Kaum sitzen Kleidungen und Rüstung, kaum verlassen wir den luftdurchfluteten Baldachin im Lager, trifft uns die Realität mit der Wucht eines tobenden Orks. Die Rüstung wird zur Sauna und in der teuren und eleganten Gewandung mutieren wir zum Rollbraten. Die Sonne bringt unseren teuren, neuen Brustpanzer zum Glühen, die selbst aufgemalte Verzierung wird wieder flüssig und fließt vor unseren Augen davon.

Der edle Stoff unserer Gewandung saugt die Sonne regelrecht auf, unser Unterkleid klebt am Körper und beim Laufen hinterlassen wir eine zunehmend größere Schweißspur, nachdem sich der Rücken unseres Kleides vollgesogen hat.

Apathisch sitzen Ritter und Hofdame daraufhin in der Sonne und versuchen sich mittels schwächlicher Fächerbewegungen die Hitze erträglich zu machen. An eindrucksvolles Stolzieren oder wagemutigen Ansturm ist längst nicht mehr zu denken. Schnell fallen Plattenrüstung und edle Gewandung und werden durch luftiges Stoffhemd und leichte Untergewandung ersetzt, mit der es sich den beginnenden Tag über besser aushalten lässt. Eine inzwischen nur zu gut bekannte Trägheit zieht sich über das ganze Congelände, während von der frühen Mittagsstunde bis zum Abend jegliche Aktivität regelrecht erschlagen einschläft. Rüstungs- und Gewandungsniveau sinkt auf den Stand der frühen 2000er-Jahre zurück und der Plot wird auf Eis gelegt, bis die Sonne wieder hinter dem Horizont verschwindet.

Diese Erfahrungen machen immer mehr Conteilnehmer*innen in den letzten Jahren. Natürlich sieht nicht jeder Conablauf so aus. Manchmal wird die drückende Hitze auch durch spontane, aber dafür heftige Regenschauer und Stürme unterbrochen, die das eigene Zelt zerlegen und dafür sorgen, dass die eigene Rüstung nach der Con noch brauner ist als man selbst.

Da es nicht unbedingt so aussieht, als würden die klimatischen Bedingungen in den nächsten Jahren wesentlich besser werden, stellt sich daher die Frage, ob nicht die Verlegung aller Großcons auf andere Jahreszeiten eine mögliche Lösung wäre. Kühlere Temperaturen im Frühling oder Herbst garantieren eher gutes Schlachtenwetter und ermöglichen ausgefallenere Gewandung, da das Primat des Hitzeschutzes in den Hintergrund rückt.

Flucht vor der Hitze – Warum Großcons besser in Frühling oder Herbst stattfinden sollten

Wolken verdecken die Sonne. Ein kühler Wind weht. Es herrschen ideale Witterungsbedingungen an diesem Herbsttag. Im Schatten roter Blätter ziehen die Heere in die Schlacht, ausgeruht von einer langen nach voll erholsamem Schlaf bei angenehmen Temperaturen. Fehlende Hitze reduziert die Anzahl an Dehydrierungen und Hitzschlägen gewaltig, die Schlacht tobt euphorisch und energiegeladen, bevor dann abends gemeinsam am Feuer der Tag feucht-fröhlich ausklingt – ein Traum.

Was könnte also besser sein, als den gnadenlos heißen Sommer zu meiden und sich in die kühleren rettenden Arme von Herbst und Frühling zu werfen?

In der Tat gibt es gute Gründe für eine Verlegung von Großcons in kühlere Jahreszeiten.

Das Wetter ist natürlich der bereits erwähnte erste und wichtigste Punkt. Durch den Klimawandel wird nicht nur die Durchschnittstemperatur immer höher, auch die Wahrscheinlichkeit von Extremwettersituationen wird größer. Das heißt, dass wir im Sommer nicht nur zunehmend heißere Temperaturen haben, sondern auch mit größerer Wahrscheinlichkeit Stürme, Gewitter und Starkregen. Hitze bedeutet dabei nicht nur, dass warme Kleidung und schwere Rüstung unangenehmer werden. Heiße Temperaturen erhöhen auch die Gefahr von Dehydration und Hitzschlägen. Je wärmer das Wetter, desto größer der Wasserverbrauch. Grade auf Schlachtencons ist die Menge an Wasser, die man mit sich tragen kann, aber begrenzt. Zwar ist die Larp-Szene hier glücklicherweise sehr fürsorglich und rücksichtsvoll, so dass man überall Wasser angeboten bekommt. Dennoch würde kühleres Wetter hier einen Risikofaktor minimieren. Auch gegen Hitzeschläge ist die beste Lösung, die Sonne zu meiden, was bei bewölktem Herbsthimmel leichter möglich ist.

Daneben bedeuten Großcons im Sommer auch ein erhöhtes Sonnenbrand- und Hautkrebsrisiko. Das mag hier an dieser Stelle dramatisch klingen, aber im Gesundheitsbereich wird nicht umsonst schon über die flächendeckende und kostenlose Bereitstellung von Sonnencreme diskutiert.

Ganz praktisch im Con-Alltag bedeutet eine Con im Sommer aber nicht nur Schwitzen in Rüstung und dicker Gewandung. Auch das durchschnittliche Larpzelt ist nicht unbedingt luftig und neigt dazu, sich schnell aufzuheizen. Sonnensegel können einen Aufenthalt im Freien erträglich machen, aber gegen brütende Hitze ohne die kleinste rettende Brise können auch sie nichts ausrichten.

Beim Conquest of Mythodea 2019 aus dem Schatten des Zeltes das Geschehen zu beobachten war manchmal die einzig erträgliche Option – selbst aktiv werden war viel zu anstrengend! @ TripleMedia

Das bedeutet nicht nur eine generelle Qual zu existieren, es sorgt auch dafür, dass einen Großteil des Tages das Geschehen praktisch einschläft. Es ist zu heiß, den Plot zu verfolgen und auch die meisten anderen sozialen Interaktionen fallen schwer – von großen oder kleinen Schlachten ganz zu schweigen. Die Zeit, die man auf Con wirklich aktives Spiel betreiben kann, wird also mehr oder weniger halbiert. Zusätzlich verlagert sich das bei Tag ausgefallene Geschehen zumindest teilweise in die Abend- und Nachtstunden. Hier ist es zwar kühler und angenehmer, allerdings wird es dann auch dunkel. Und während Verhandlungen auch bei Zwielicht oder Dunkelheit geführt werden können, steigt beim Kämpfen mit abnehmender Helligkeit leider drastisch das Verletzungsrisiko. Nicht nur Schläge und Pfeile sind schlechter zu sehen, auch Bodenunebenheiten werden zur Gefahr.

Ein Wechsel hin zu kühleren Jahreszeiten ist also eindeutig lohnenswert.

Im Herbst ist das Gras auch nicht kühler – warum der Sommertermin doch seine Vorteile hat

Leider bedeuten Herbst und Frühling nicht automatisch das Land der Glückseligkeit für Larp. Perfektes Wetter ist auch hier nicht garantiert. Zum einen besteht eine nicht unerheblich hohe Wahrscheinlichkeit von Hitzewellen, zum anderen ist ein Herbststurm auch nicht wirklich ideal für ein großes Zeltlager. Einen etablierten und bekannten Termin zu verlassen, nur um dann doch wieder unter einer Hitzewelle zu leiden oder durch neues Extremwetter vom Congelände gespült oder geblasen zu werden, wäre kein wirklicher Erfolg.

Beim Conquest of Mythodea 2023 war die Schlammpackung auch für’s Auto gratis. @ TripleMedia

Zwar haben Regen und Kälte gegenüber Hitze den großen Vorteil, dass hier dickere und wasserdichte Kleidung hilft, wohingegen Hitze auch dann noch zu heiß ist, wenn man komplett nackt im Zuber kocht. Allerdings vergisst man leicht, dass gegen Kälte und Feuchtigkeit zwar warme Kleidung hilft, diese Kleidung aber nur sehr schwer wieder trocken wird, wenn sie denn mal nass geworden ist. Ein klammes Zelt ist nicht sehr angenehm. Auch macht Schlamm ein Con nicht unbedingt behaglich und so heiß teure, dicke Kleidung im Sommer sein kann, so unangenehm ist es, wenn der Edelstoff, an dem man ewig gearbeitet hat, nach fünf Minuten IT unter einer Hülle aus braunem Schlamm verschwunden ist.

Neben dem nicht garantierten, aber womöglich vorhanden Vorteil von besserem Wetter gibt es aber noch weitere Punkte zu bedenken. Die Großcons liegen nicht durch Zufall alle im Sommer. Der Sommer ist Urlaubszeit, ist Ferienzeit. Auch wenn sich der Altersschnitt eventuell langsam verschiebt, ist ein großer Teil der Larper*innen dennoch eher jung und in der Schule, Ausbildung oder im Studium und damit auf die eine oder andere Art auf Ferien angewiesen. Nimmt man dann noch die ältere Larpgeneration dazu, die zwar fest im Berufsleben stehen, aber dafür schulpflichtige Kinder hat, die sie mit auf Con nimmt, dann kommt man schnell zu dem Punkt, dass eine Großcon außerhalb der Ferienzeit wohl nicht annähernd so gut besucht wäre. Man braucht schlicht diesen Zeitpunkt, weil hier die meisten Zeit haben. Doch nicht nur die oben genannten, sind auf die Ferienzeit angewiesen. Zusätzlich kommen noch alle dazu, die im Berufsleben stehen und in deren Arbeitsstelle es Betriebsschließungen oder vorgegebene Urlaubszeiten gibt. Auch sie wären bei Terminen im Herbst oder Frühling raus. Der Sommertermin ist demnach aus dieser Perspektive alternativlos.

Berücksichtigt man dann noch, dass das Wetter nicht unbedingt besser, sondern nur auf andere Art schlimm sein kann, dann wirkt der Gedanke, die Großcons zu verlegen, zwar verlockend, aber letztendlich nicht zielführend. Zum Umgang mit den zunehmend heißeren Temperaturen müssen andere Lösungen gefunden werden.

 

Artikelbilder: © Drachenfest UG & Co. KG, @ TripleMedia
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Sabrina Plote
Fotografien: Nabil Hanano

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