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Bei Kämpfen im Larp erreicht eine jahrelange Aufrüstung ihren Höhepunkt, schwere Rüstungen und Stangenwaffen dominieren das Schlachtfeld. Woran das liegt und ob das gut oder schlecht ist, untersuchen wir hier gemeinsam. Außerdem überlegen wir uns, ob und was man daran in Zukunft ändern kann.

Kampf und alles, was zum Kampf dazugehört, sind ein Kernbestandteil vieler Larps. Gekämpft wird dabei konventionell auf dem Schlachtfeld, magisch auf viele verschiedenen Arten oder heimtückisch in der Taverne. Wie alles andere im Larp unterliegen auch Kämpfe daher einer andauernden Veränderung, mal zum Besseren, mal zum Schlechteren. Auch wird die Ausrüstung dabei zunehmend hochwertiger und teurer. Beim Larpkampf läuft dabei jedoch ein regelrechtes Wettrüsten ab, bei dem mehr Bogenschützen zu mehr Schilden führen, mehr Schilde zu mehr Stangenwaffen und insgesamt die Anzahl an schweren Rüstungen im Lauf der Jahre immer mehr zunimmt. Warum das so ist und was das für Folgen hat, schauen wir uns in diesem Artikel an.

Ausgangslage

Larp wächst und verändert sich. Ein einstmals kleines Nischenhobby einiger Weniger wird von Jahr zu Jahr größer und populärer. Längst finden zahlreiche Cons nicht mehr als Wochenendtreffen von fünf Freunden irgendwo im Wald statt, sondern sind Massenveranstaltungen mit tausenden Gästen aus der ganzen Welt. Selbst kleine Wochenendcons belegen ganze Jugendherbergen oder Landschulheime.

Doch Larp als Hobby wird nicht nur größer, es wird auch professioneller und ausstattungsintensiver.

Professioneller wird es dahingehend, dass größere Veranstaltungen automatisch eine gestiegene Nachfrage nach Verpflegung und Ausrüstung mit sich bringen. Für Händler*innen wird es profitabel, Rüstung und Gewandung kommerziell zu produzieren und zu verkaufen, einzelne Larp-Veranstalter*innen leben sogar vom Ausrichten von Cons. Die Möglichkeit, sich für vergleichsweise kleines Geld hochwertig (aussehende) Rüstungen und Gewandungen zu kaufen, trifft dabei auf immer mehr Spielende, die schon lange dabei sind. In Jugendzeiten angefangen, steht man inzwischen Mitten im Berufsleben und hat das Geld, sich vollumfassend auszustatten. Dieser Personenkreis ermöglicht wiederum kommerziellen Anbieter*innen, ihr Sortiment zu erweitern und zu verbessern, was dann wieder zur neuen Aufrüstung auf Spielendenseite führt. Alternativ hat man durch die Jahre, die man auf Con verbracht hat, die Fähigkeit erworben, sich seine Gewandung selbst herzustellen. Doch nicht nur das ändert sich. Mit dem Alter geht nicht nur ein größerer finanzieller Spielraum einher, sondern bei vielen auch der Wunsch nach mehr Komfort. Rüstungsständer für die teuer erworbenen Rüstungsteile sind das eine, aber ab dem 30. Geburtstag gewinnen ebenfalls bequeme Betten, warme Zelte und hochwertige Verpflegung an Bedeutung. Larp an sich wird zur Materialschlacht und wer früher Freitagnachmittag mit dem Zug und einem Rucksack auf Con fuhr, benötigt heute nicht selten einen überladenen Kleintransporter.

Das spiegelt sich dann auch auf Con wider. Die Zahl an gutgekleideten und optisch eindrucksvollen Charakteren nimmt stetig zu, zum Gewinn aller.

Befeuert wurde diese gewandungsmäßige Aufrüstung noch durch Corona. Zwar traf die Pandemie auch den eigenen Geldbeutel. Doch gleichzeitig bedeutete die jahrelange Zwangspause auch Larp-Entzug für viele, der mit Aufbesserung der eigenen Larpausrüstung kompensiert wurde. Neue Charakterkonzepte wurden erstellt, bestehende Charaktere aufgebessert oder umgestaltet.

Drachenfest © Nabil Hanano
Drachenfest © Nabil Hanano

Schildwall und Plänkeln – die klassische Vorcoronaschlachtordnung

Eine Stelle, bei dem diese Zunahme besonders auffällt, ist das Schlachtfeld. Hier trifft sich im wahrsten Sinne des Wortes die Spitze der teuren Ausrüstung.

Während in den dunklen und fast schon sagenumwobenen Anfangszeiten des Larps ein Kettenhemd noch durch einen grauen Stoffpulli dargestellt wurde und eine Waffe gerne mal von fraglicher Optik (auf die Sicherheit wollen wir dabei gar nicht erst blicken) war, erblickt man heute schwergerüstete Schlachtreihen, soweit das Auge reicht. Womit wir auch schon bei der großen Veränderung auf den Larp-Schlachtfeldern der letzten Jahre sind. Noch vor einigen Jahren bestanden Armeen auf Großcon überwiegend aus einem kleinen Kern an Schwergerüsteten und einer großen Menge an Leichtgerüsteten. Zu den Schwergerüsteten zählte alles, was in der Lage war, die Schlachtreihe für einige Zeit zu halten. Das galt vor allem für alles, was Metallrüstung trug, ganz egal ob vollständige Plattenrüstung oder Kettenhemd, sowie vor allem alle mit großen Schilden.

Geradezu symbolisch für diese Larp-Epoche ist der Ruf „Schildwall“, der fast schon in Dauerschleife über die Hobbyschlachtfelder der Republik hallte. Eine Schlacht lief dann meistens auch so ab, dass zwei Schildwälle aufeinanderprallten, gefolgt von einem Hauen und Prügeln mit Schwert, Axt und Ähnlichem, unterstützt durch Stangenwaffen aus der zweiten Reihe.

Alles, was keinen Schild und keine Rüstung hatte, lief hingegen mehr oder weniger organisiert auf dem Schlachtfeld herum und versucht entweder, sich gegenseitig zu erledigen oder mittels schneller Angriffe die Ordnung des Schildwalls zu stören und dem eigenen Schildwall so zum Sieg zu verhelfen. Oder den gegnerischen Schildwall zumindest so lange aufzuhalten, bis der eigene Schildwall vollständig vom Festmahl aufgestanden und auf dem Schlachtfeld angekommen ist.

Platte auf Platte – die Nach-Corona-Schlachtordnung

Auf den ersten Blick hat sich beim Kampf auf Großcons nicht viel geändert. Immer noch prallen zwei Schlachtreihen aufeinander, immer noch stehen Leichtgerüstete abseits der Haupttreffens und suchen nach Gelegenheiten.

Doch auf den zweiten Blick zeigen sich große Unterschiede. Wo früher Schilde dominierten und die Schlachtreihe verdunkelten, glänzen inzwischen Plattenpanzer in der Sonne. Wer nur einen Schild vorzuweisen hat, gilt schon als leicht gerüstet. Selbst ein gutes Kettenhemd ist bereits eine Karte für den hinteren Teil der Schlachtreihe. Folglich trifft an vorderster Front jetzt häufiger Platte auf Platte, aus vielen Schildwällen wird eine Metalllinie.

Auch in der zweiten Reihe hat sich einiges getan. Bereits in Zeitalter der Schildwälle waren Stangenwaffen das Mittel der Wahl, wenn man selbst weder Schild noch teure Rüstung hatte. Mobilität und Reichweite glichen geringeren Schutz aus und ermöglichten in der Schlacht eine unterstützende Funktion. Eine Erkenntnis, die während Corona ziemlich viele hatten. Mit dem Ergebnis, dass sich die Anzahl an Stangenwaffen ebenfalls deutlich erhöht hat.

Der Rüstungswettlauf zwischen schwerer und teurere Schutzausrüstung und darauf ausgerichtete Bewaffnung der Leichtgerüsteten scheint damit an einem Höhepunkt angekommen zu sein. Für die moderne Larp-Schlacht bedeutet das noch mehr Gedränge in der ersten Reihe, weil eine Plattenrüstung weniger freie Fläche zwischen den Kämpfenden schafft als Schilde im Schildwall. Zudem bedeuten mehr Stangenwaffen, dass die erste Reihe flächendeckend Schläge aus der zweiten Reihe des Gegners erhält. Doch auch früher bedeuteten solche Schlachten schon viel Gedränge und wüstes Hauen, an denen nicht alle Spaß hatten. Ist diese Entwicklung also positiv, negativ oder schlicht und ergreifend kurios, aber bedeutungslos?

© Nabil Hanano
© Nabil Hanano

Ob am Schildbuckel zerschellt oder unter Platte begraben – wird nicht eh immer gestorben?

Ein klarer Pluspunkt der Veränderungen ist die Optik. Je besser alle Schlachteilnehmenden ausgerüstet sind, desto besser wirkt die Atmosphäre. Die war zwar auch schon zu Schildwallzeiten gut, aber besser geht immer. Auch Charaktere mit Führungsrolle machen gleich mehr her, wenn sie keinen Bäuer*innenhaufen hinter sich haben, sondern eine schwergerüstete Truppe, der man ihren Wohlstand und ihre Macht abnimmt. Eng war es zudem auch früher schon, das ist ein altes Problem auf Großcons, das man wohl so bald kaum lösen wird.

Dafür spiegeln große schwergerüstete und entsprechend ihrer Funktion in der Schlacht ausgerüstete Heere und Truppenteile dann auch die Bedeutung der Kämpfe wider. Denn wenn es um Herrschaft über die Welt oder um deren Untergang geht, muss nicht unbedingt mit Leinenhemd, Stoffgambeson oder Metflasche gekämpft werden. Da macht es schon allein optisch einen Unterschied, ob ein Wald aus Glefen und Hellebarden anmarschiert oder mit Stöcken und Dreschflegeln aus der zweiten Reihe geprügelt wird.

Auch ist es ja wünschenswert, dass man sich die Waffe und Ausrüstung besorgt, die zu einem passt und mit der man am besten kämpfen kann. Dementsprechend hat man vollkommen zu Recht das Recht, sich so herauszuputzen und das zu tragen, was man will.

Abgesehen davon, dass es ohnehin keine wie auch immer geartete Möglichkeit gibt, die Menge an Rüstungen und Stangenwaffen auf Cons zu reduzieren, gäbe es auch absolut keine moralische Berechtigung bei irgendjemand, dies zu tun. Einzige Ausnahme ist natürlich ein entsprechendes Conszenario, aber das ist eine komplett andere Thematik. Aus diesen Gründen ist eine Verbesserung des Ausrüstungsstandards auf Con daher zu begrüßen. Probleme wie ein Gedränge auf dem Schlachtfeld wären eher von Orgaseite durch andere, größere Gelände zu lösen, sollten sie als drängende Probleme empfunden werden.

Doch die Schwemme an schwerer Rüstung bringt Probleme mit sich. Plattenrüstungen und manche Kettenhemden können im Gedränge zu einem ernsten Sicherheitsrisiko werden, gerade für leichter Gerüstete. Zwar haben diese die Möglichkeit, sich vernünftigerweise aus dem größten Getümmel fernhalten. Doch dies weiß noch nicht jeder Frischling, der sich euphorisiert in die Schlacht stürzt. Darüber hinaus kann sich das Schlachtgeschehen trotz meist statischer Schlachtreihen auch plötzlich schnell verlagern und schon steht man ohne schwere Rüstung in einer Knochenmühle aus scharfkantigen Plattenpanzer und rauen Kettenhemden. In einem Schildwall war in solchen Fällen trotz allem noch mehr Platz, da ein Schild dann doch etwas sperrig ist. Besonders problematisch ist dies in ohnehin beengten Situationen, etwa wenn in Toreingängen, Übergängen oder in anderen Engstellen gekämpft wird. Hier wird der Larp-Kampf überwiegend zu einem OT-Gedrücke und Geschiebe und das Verletzungsrisiko steigt antiproportional zum Spaß aller Beteiligten. Auch ist es nicht unbedingt positiv zu bewerten, wenn alle, die sich nicht entweder schwer rüsten oder sich entsprechende Unterstützungswaffen ausstatten, an den Rand des Schlachtfelds gedrängt werden. Denn klar, kann man sich aus IT wie OT-Gründen zurücknehmen. Aber sollte das bei einer Veranstaltung, bei der doch alle den gleichen Spaß haben sollten, wirklich nötig sein?

© Nabil Hanano
© Nabil Hanano

Lösungen und Fazit

Ob ein gestiegenes Rüstungsniveau nun ein Problem ist oder nicht, muss man am Ende wohl individuell für sich entscheiden. Zumal es eine Entscheidung ist, die sich auch jederzeit wieder ändern kann, abhängig davon, ob ich gerade in der Schlachtreihe zerquetscht werde oder ob ich mit 50 Schwergerüsteten das feindliche Lager erobert habe. Viele der Probleme, die ein hoher Rüstungsfaktor mit sich bringt, können zudem zumindest in der Theorie vergleichsweise leicht beseitigt werden, etwa durch größere oder schlicht andere Gelände. Wobei die Suche nach einem neuen, größeren Gelände in der Praxis oft genug eine regelrechte Sisyphosaufgabe werden kann. Nicht nur ein großes Schlachtfeld mit Platz für Flankenangriffe lockert etwa einen Plattenhaufen auf, sondern auch ein Con mit unübersichtlichem und schwierigem Gelände. Da wird die Frage, ob man die Rüstung anzieht oder im Lager lässt, wieder zur spannenden taktischen Entscheidung.

Ein weiterer Faktor, der die Rüstungs- und Stangenwaffenschwemme aufbessern kann, sind Neulinge. Deren Ausrüstung ist anfangs noch nicht so ausgefallen wie die der Altlarper (TM), so dass sie auf dem Schlachtfeld die Menge der Leichtgerüsteten deutlich erhöhen können. Da Coronabeschränkungen aktuell politisch nicht mehr wirklich gewollt sind, steht auch keine langfristige Conpause an, in der sich Neulinge voller Vorfreude so ausrüsten, als wären sie seit Jahren dabei.

Eher weitergedachte und langfristige Lösungen gäbe es aber auch. Was spricht etwa dagegen, Rüstungen, die gegen Schaumstoff- und nicht gegen Metallschwerter schützen sollen, ebenfalls aus weicheren Stoffen und nicht aus Metall zu machen? Nichtmetallrüstungen würden die Sicherheit im Gedränge deutlich erhöhen, vielleicht sogar die Gefahr von Dehydrierung im zunehmend heißen Consommer verringern.

Alternativ bietet sich, gerade bei einer Zunahme von Billigimporten ein Rüstungscheck durch die Orga an. Früher war ein Waffencheck Standard, um Gefahr zu verhüten. Heute ist die durchschnittliche Larpwaffe vom Großhandel und entsprechend verlässliche Qualität von der Stange. Rüstungen hingegen haben nicht selten qualitative Mängel wie scharfe Kanten und unnötige Spitzen. Hier könnte eine umsichtige Orga vorbeugen. Die Enge im Gedränge würde dadurch zwar nicht besser, aber zumindest wäre die Gefahr von unnötigen Schnittwunden gebannt.

Neben diesen Überlegungen sollte man sich aber einfach immer bewusstmachen, dass die grundlegenden Regeln jeder Con gegenseitige Rücksichtnahme und Verantwortungsbewusstsein sind. Natürlich sollte man immer alles machen dürfen. Aber nicht jeder kann sich eben wie Conan der Barbar oder wie Xena durch die feindliche Schlachtreihe schnetzeln. Wer einen höherstehenden Charakter spielt, sollte standesgemäße Kleidung haben und das gleiche gilt für das Schlachtfeld. Wer ganz vorne ins Getümmel will, sollte sich entsprechend ausrüsten, damit man glaubwürdig wirkt. Nicht nur beim Larp gilt die Faustregel, wenn in der ersten Reihe die Leute mit Hemd und Stock stehen, dann lief in der Schlacht sehr wahrscheinlich etwas entscheidendes schief.

Wie sind Eure Meinungen zu dem Thema? Ist Euch auch aufgefallen, dass es mehr Plattenrüstungen und Stangenwaffen auf Con gibt oder sind diese Beobachtungen vielleicht ausschließlich conabhängig?

 

Artikelbilder: © DrachenFest UG & Co. KG
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Jessica Albert
Fotografien: © Nabil Hanano

1 Kommentar

  1. Das „Aufrüsten“ war nach der Coronapause schon sehr deutlich zu sehen. Aber leider finde ich die meißten der Lösungsvorschläge nicht so gut.
    Rüstungscheck durch die Orga halte ich bzgl. der Haftung als sehr problematisch.
    Und ein Übergehen zu mehr Kunststoffrüstungen würde das Problem noch mehr verstärken, dann würde der Nachteil der körperlichen Belastung durch schwere Rüstung auch noch wegfallen. (Von den Abzügen der Immersion ganz zu schweigen)

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