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Wenige Spiele können für sich reklamieren, eine Generation mit geprägt zu haben. Baldur’s Gate gehört hier zweifelsohne dazu. Panini schickt uns nun in diese schöne Zeit zurück. Mit Legenden aus Baldurs Tor erwartet uns ein Wiedersehen mit alten Freunden und neuen Feinden.

„Generationen sind vergangenen…“. Bereits der Klappentext ist eine schöne Anspielung auf die Realität. Denn seit die PC-Spielvorlage erschienen ist, sind tatsächlich Generationen vergangen. Das 1998 erschienene Baldur’s Gate war für viele PC-Spieler der Einstieg in digitales Rollenspiel und ermöglichte Fans von Dungeons & Dragons, ihre Abenteuer in den Vergessenen Reichen auch am Bildschirm zu erleben. Dabei sind viele Helden ans Herz gewachsen, aber vermutlich kaum einer mehr als der intellektuell einfach gestrickte Waldläufer Minsk mit seinem treuen Hamster Boo. Auch wenn man manchmal genervt davon war, dass Boo einen der kostbaren Rucksack-Slots belegte. Kein Wunder, dass das dynamische Duo auch im Auftakt der Legenden von Baldurs Tor eine tragende Rolle spielt.

Handlung

Jahrzehnte und Generationen sind ins Land gegangen, seit die alten Helden von Baldurs Tor die Stadt vor finsteren Mächten gerettet haben. Nur Legenden und die Statue des „geliebten Waldläufers“ zeugen von den einstigen Heldentaten.

In einer Stadt ohne Helden ist die elfische Magierin Delina in Baldurs Tor auf der Suche nach ihrem Bruder Deniak. Doch verborgene Kräfte wollen dies verhindern und hetzen ihr blutrünstige Gargylen auf den Hals und die spitzen Ohren. Eine rasante Flucht durch die Oberstadt von Baldurs Tor reißt den Leser sofort in den Bann. Auf dem bekannten Marktplatz kommt es zum Showdown. In die Ecke gedrängt und ohne Aussicht auf Rettung, greift Delina zu ihren beträchtlichen, magischen Fähigkeiten. Einziges Problem: Als intuitive Magierin fällt es ihr schwer, die tatsächlichen Effekte zu kontrollieren. Statt die Gargylen in Staub zu verwandeln, erweckt sie aus Versehen die Statue des „geliebten Waldläufers“ Minsk zum Leben, der, gutherzig wie er ist, Delina gleich zur Seite steht. Leider realisiert Minsk nicht, dass seit seinen Heldentaten eine ziemlich lange Zeit ins Land gegangen ist, und hält Delina für seine alte Freundin Neera. Für eine Aufklärung bleibt Delina jedoch keine Zeit, da die eintreffende Stadtwache die beiden für Mörder zweier Wachen hält. Auf der erneuten Flucht treffen die drei Helden, denn Boo ist natürlich auch dabei, auf den halbelfischen Gauner Krydle und seine Halbling-Partnerin Shandie – und ein wildes Abenteuer voller Witz nimmt seinen Lauf. Die fünf Bände der ganzen Geschichte sind bereits 2015 auf Englisch erschienen und werden nun ins Deutsche übersetzt.

Charaktere

Wie es sich gehört, formt sich eine ordentliche Heldentruppe, die mehr oder weniger spontan zusammengewürfelt wurde. Als Magierin und Impulsgeber der Gruppe fungiert Delina. Diese sucht sehr klassisch nach ihrem Bruder. Ihre Motivation und Handlungsweise ist dabei jederzeit nachvollziehbar, ihre chaotische Form der Magie legt dem Leser öfter ein Schmunzeln auf die Lippen.

Mit dem Waldläufer Minsk schlägt der Comic geschickt ein Band in die Vergangenheit. Viele Spieler des altehrwürdigen Baldur’s Gate dürften noch die etwas schlichten Kommentare und Dialoge von Minsk im Kopf haben. Dies wurde hier erneut ausgezeichnet getroffen. Minsk wirkt wie ein einfacher Geist, ohne dabei dumm zu sein.

Ein spannender Charakter wird mit Krydle eingeführt. Der charmante Gauner, wieder ein tolles Klischee, hadert stark mit seiner Herkunft, ist er doch der Sohn eines Patriziers der Stadt (von wem, soll hier nicht verraten werden). Die Klüngelei und Korruption der Stadtoberen ist ihm ein Dorn im Auge, weswegen er sich in die Unterstadt begeben hat, um dort ein Leben auf der Straße zu führen. Die Entwicklung dieses Charakters dürfte in den kommenden Fortsetzungen am interessantesten werden.

Komplettiert wird die bunte Heldengruppe von der frechen und etwas giftigen Halbling-Frau Shandie, die einen guten Konterpart zum glatten Krydle bildet.

Doch der Star der Comics ist ohne jeden Zweifel der kleine Hamster Boo, der in manch auswegloser Situation nicht nur das Ruder herumreißt, sondern auch mit einem „Quieck“ eine Situation gut auf den Punkt bringt.

Zeichenstil

Für die Zeichnungen sind Sarah Stone und Max Dunbar verantwortlich. Stone ist Autorin und Illustratorin und hat unter anderem für The Transformers gearbeitet. Darüber hinaus ist sie Senior Art Director bei Gaia Interactive und entwirft für die Onlinecommunity Gaia Online Kleidung und Gegenstände. Dungeons & Dragons-Fans dürfte Max Dunbar hingegen bekannter sein. Dunbar hat bereits Minsk und Boo für Dungeons & Dragons: Shadows of the Vampire zu Papier gebracht.

Beiden Illustratoren gelingt es, den Stil von Dungeons & Dragons gut einzufangen. Ihr Augenmerk liegt dabei vor allem auf dynamischen Szenen und markanten Gesichtern. Leider fehlt es der Kleidung der Charaktere manchmal an etwas Tiefe und Besonderheiten, sie wirken mitunter sehr generisch. Krydle und Shandie hingegen heben sich hier angenehm ab. Kampfsequenzen setzen sie jedoch gekonnt in Szene und schaffen eine dynamische und auf die wichtigen Inhalte der Szene fokussierte Illustration.

Erscheinungsbild

Der feste Einband ist angenehm in der Haptik. Das Papier ist hochwertig und die Farbintensität passt gut zur jeweiligen Szene. Mit seinen 128 Seiten liegt der Comic auch ordentlich in der Hand.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini
  • Autor(en): Jim Zub
  • Zeichner(in): Max Dunbar, Sarah Stone
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Comicbuch
  • Seitenanzahl: 128
  • Preis: 17 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Am Ende des Comics finden sich noch ein paar wunderschöne Drachenzeichnungen von verschiedenen Illustratoren und Konzeptzeichnungen von Max Dunbar zu den Charakteren und der Stadt selbst.

Fazit

Legenden aus Baldurs Tor lassen bei Liebhabern des alten PC-Spiels, aber auch bei denen von Dungeons & Dragons, wohlige und nostalgische Gefühle aufkommen. Wer neu in die Vergessenen Reiche einsteigt, wird einige Anspielungen nicht ganz verstehen, bekommt aber eine mehr als solide Fantasy-Kost vorgelegt. Die Geschichte ist dabei durchaus vorhersehbar und überrascht nicht. Auch die Dialoge haben nicht gerade Tiefgründigkeit zum Ziel. Doch die dynamischen Zeichnungen und vor allem charmanten Charaktere mit wohldosiertem Humor gewinnen den Leser auf den ersten Seiten für sich. Wer sich etwas anderes als die im Trend liegende Grim-/Darkfantasy zu Gemüte führen will und mal wieder echte Klischeehelden mit Charme und Witz erleben möchte, sollte hier beherzt zugreifen. Für Fans stellt sich die Frage gar nicht, da ist der Kauf eigentlich Pflicht.


Artikelbild: Panini, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

5 Kommentare

  1. Keiner meiner Chars und keiner meiner Begleiter hatte je so viele Tote in der Statistik zu verbuchen wie Kivan, der olle Ranger. Meine Nahkämpfer liefen oft geschlossen auf ein Ziel zu, nur um plötzlich abzuschwenken, weil Kivan wieder mal schneller war und sie ein neues Ziel brauchten ^^

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