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„Wolverine, what is best in life?“ Im Gegensatz zu Conan würde sich Wolverine schon damit zufriedengeben, wenn Jean Grey länger als 5 Minuten leben würde. Aber der krallenbewehrte Mutant und der schwertschwingende Cimmerianer klären philosophische Differenzen sowieso lieber mit Gewalt. Wie wild können die Avengers werden?

Das Savage Land ist schon seit den ersten Comics aus dem Jahr 1941 ein wichtiger Bestandteil des Marvel-Universums. In diesem ungezähmten tropischen Dschungel mitten in der Antarktis haben Dinosaurier überlebt und Barbaren wie der blonde Held Ka-Zar kämpfen dort gegen ebenso wilde Schurken. Eigentlich ein prima Umfeld für den Hünen Conan, aber dieser lebte 10.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Doch jetzt verschlägt es Conan ins Savage Land der Gegenwart – und mit ihm weitere ungehobelte Marvel-Helden wie Wolverine und den Punisher.

Handlung

Savage Avengers #1 – Chapter One: Once Upon a Time in the City of Sickles

Im Auftakt der Serie wird ein Opernsänger von den Ninjas der Hand entführt und in die City of Sickles im Savage Land gebracht. Dort wird er von Kultisten rituell ermordet. Die Fanatiker planen, mit Menschenopfern den Gott Jhoatun Lau zu befreien, damit dieser über die Erde herrschen kann. Doch begnadete Künstler reichen nicht mehr als Opfer: Der Kult hat es jetzt auf Krieger abgesehen.

Einer von ihnen, Conan der Cimmerianer, befindet sich ganz in der Nähe. Nach einem vorherigen Abenteuer mit den Avengers (in der Serie Avengers: No Road Home) ist der Barbar im Savage Land gestrandet und in der finsteren Stadt auf der Suche nach einem sagenumwobenen Amulett. Er ist gerade dabei, gegen eine Einheit Hand-Ninjas zu kämpfen, als Wolverine eingreift, der den Barbaren für einen Feind hält. Zwischen den beiden entbrennt ein erbitterter Zweikampf, der erst dann endet, als die beiden feststellen, dass sie keine Gegner sind. Während Conan nach Schätzen sucht, versucht Wolverine seinen entführten Freund Doctor Voodoo aus den Klauen der Kultisten zu retten. Und diese haben inzwischen einen weiteren blutrünstigen Krieger im Visier: Frank Castle, den Punisher!

©  Marvel
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Das erste Heft in der Miniserie setzt einen klaren Fokus auf den Kampf zwischen den beiden wilden Kriegern Wolverine und Conan. Dass dieser Kampf am Ende völlig sinnlos ist, weil sie keine Feinde sind und sowieso unterschiedliche Ziele verfolgen, hinterlässt beim Lesen einen schalen Nachgeschmack. Nach mittlerweile zwei Civil Wars und zahllosen anderen Crossovern, in denen Helden gegen Helden kämpfen, wissen erfahrene Leser sowieso, dass der Kampf ohne Konsequenzen enden wird. Zumindest ist es für diese beiden völlig „in character“, erst mal draufzuhauen und dann zu reden. Und actionreich bebildert ist die Prügelei definitiv.

Der Rest der Handlung entspricht genau dem, was die Leser der Conan-Geschichten von Robert E. Howard kennen und lieben: Bösartige Magier, verrückt gewordene Kultisten, finstere Götter. Auf Red Sonja und Bêlit wird hier verzichtet, dafür kommen einige beliebte Marvel-Charaktere ins Spiel. Barbarische Sword & Sorcery mit Ninjas, Mutanten und schießwütigen Ex-Marines? Warum nicht, man hat schon deutlich ausgefallenere Stories von Marvel gesehen. Nur das Cover ist wie so oft irreführend: Doctor Voodoo handelt nicht viel in diesem Heft, Punisher und Venom sind nur Zaungäste mit ein paar Panels und Elektra taucht gar nicht auf. Hätte Autor Gerry Duggan den Zweikampf etwas gekürzt, hätten die anderen Helden vielleicht noch einen Auftritt bekommen.

Bonus/Downloadcontent

Von Ausgabe 1 gibt es auch einen umfangreichen „Director’s Cut“, der 3 USD mehr als die reguläre digitale Version kostet. Diese Sonderausgabe enthält mehrere alternative Cover von bekannten Marvel-Zeichnern, das ursprüngliche Skript der ersten Ausgabe, in dem einige Szenen geringfügig anders verlaufen, sowie sämtliche Panels ohne Sprechblasen, einmal in Farbe, einmal nur als Lineart. Definitiv eine schöne Beigabe, gerade Hardcore-Fans dürften sich über die Cover und das interessante Skript freuen. Ob man dafür 7,99 USD bezahlen möchte, muss jeder selbst entscheiden, denn die Extras ergänzen die eigentliche Story nicht.
 

Savage Avengers #2 – Chapter Two: Death Proof

Anfang der 1940er wird der Luftwaffenpilot Johan Richter über dem Savage Land abgeschossen. Er kämpft sich durch den wilden Dschungel, bevor er in einer bizarren Stadt landet, die vom Zauberer Kulan Gath beherrscht wird. Gath liest die Gedanken des Soldaten und erkennt genug Böses in ihm, um ihn als Schüler anzunehmen. 80 Jahre später hat Richter seinen Lehrer überlebt und führt die Kultisten als „Priest of Sickles“ an. Wolverine findet den Hohepriester und greift ihn an, doch dieser teleportiert sich davon.

In der Festung der Stadt findet Conan derweil das Grab von Kulan Gath. Als der Barbar das gesuchte Amulett von der Leiche entnimmt, erwacht der Zauberer zum Leben. Er versucht, Conan seinem Gott Jhoatun Lau zu opfern, doch der Barbar ergreift ein Glas mit einem gefangenen „Dschinn“ und schleudert es in Gaths Gesicht. Doch aus den Scherben entweicht kein Wünsche erfüllender Geist, sondern ein allseits bekannter, ölig-schwarzer Symbiont: Venom. Während das Alien gegen Gath kämpft, entkommt Conan.

©  Marvel
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Gath und Richter entscheiden sich, die Ziele zu wechseln. Während der Hohepriester nach Conan und dem Amulett jagt, verfolgt der Zauberer Wolverine. Und an einer völlig anderen Stelle in der City of Sickles taucht wie aus dem Nichts der Punisher auf, der wegen einer Sache äußerst wütend auf die Ninjas ist!

Jetzt auch noch Nazis im Savage Land? Was klingt, als hätte Duggan im Rausch alles in den Topf geworfen, was ihm einfiel, hat tatsächlich eine comic-historische Grundlage. Schon in den 1970ern kämpfte Ka-Zar gegen die Nachkommen gestrandeter deutscher und britischer Marinesoldaten, die den Krieg ihrer Vorfahren mit Dinosauriern(!) fortsetzten. Die Riesenechsen spielen hier aber eine untergeordnete Rolle zugunsten schwarzer Magie und einer Stadt, die gar nicht dort sein sollte. Leider erfährt man auch im zweiten Heft wenig über die City of Sickles: Warum ist diese Stadt vermeintlich „unmöglich“? Was hat Kulan Gath wirklich vor, und wer ist er?

Leser von Howards Conan-Geschichten und älterer Marvel-Comics erkennen Gath als alten Widersacher aus Hyboria wieder. Für neue Leser, die ja mit solchen Crossover-Serien gewonnen werden sollen, bleibt der Zauberer allerdings recht eindimensional. Und auch, wenn wir dieses Mal mehr über die Kultisten erfahren, sind ihre Beweggründe weiterhin etwas flach: Jhoatun Lau beschwören, Erde auffressen lassen, in seinen Tempel jenseits von Pluto aufsteigen. Es gibt deutlich interessantere Bösewichte. Zumal immer noch nicht bekannt ist, wie die Kultisten sich mit den Hand-Ninjas verbündet haben, denn diese verehren (in den Comics) ein ganz anderes Monster. 

Leider bleiben auch dieses Mal die anderen Helden außer Wolvi und Conan nur Deko: Punisher taucht erneut erst ganz zum Schluss auf (darf aber diesmal zumindest jemanden töten), Venom und Voodoo haben zusammen gefühlt fünf Panels und Elektra fehlt wieder komplett. Dabei könnte gerade sie mehr Licht in die ganze Hand-Angelegenheit bringen. Für eine Serie, die nur fünf Ausgaben hat, kommt die Handlung leider im Schneckentempo in Fahrt.

Dafür ist auch hier die Action wieder sehenswert: Große Splashpanels in erdigen oder blutigen Tönen, krachende Schwerthiebe und Faustschwünge, und die beiden Protagonisten dürfen kinoreif die Zähne zusammenbeißen und Sprüche raushauen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Marvel Comics
  • Autor(en): Gerry Duggan
  • Zeichner(in): Mike Deodato Jr., Frank Martin, et. al.
  • Erscheinungsjahr: 2019, monatlich
  • Sprache: Englisch
  • Format: Digital
  • Seitenanzahl: Heft 1: 138 (Director’s Cut mit Bonusmaterial), 34 (reguläre Ausgabe); Heft 2: 23
  • Preis: Heft 1: Regulär 4,99 USD (ca. 4,40 EUR – Kurs schwankt), Director’s Cut 7,99 USD, Heft 2: 3,99 USD
  • Bezugsquelle: Marvel, Amazon

 

Fazit

Savage Avengers setzt eindeutig auf Stil über Substanz, und dieser Stil lautet: Action! Der rauhe, düstere Zeichenstil von Mike Deodato Jr. unterstreicht in jedem Panel die titelgebende Wildheit der Hauptcharaktere. Wolverine und die Hand-Ninjas bluten sich durch die Handlung, Conans Muskeln spannen sich wie Schiffstaue, während er sein Schwert schwingt, und der Großteil der Dialoge beschränkt sich auf „DIE!“ und „KILL HIM!“. Zahnpastalächeln und sauberes Kostüm? Pah, das ist was für Captain America! Richtig wild wird es nur mit Blut und Dreck im Gesicht!

Das ist keineswegs schlecht, eine anständige Klopperei kann auch gut unterhalten. Aber an einigen Stellen wirkt die Action mehr wie ein Selbstzweck. Es macht zwar Spaß, den klingenbewehrten Helden dabei zuzusehen, wie sie Horden von Ninjas ins Jenseits befördern. Aber das Warum bleibt trotz erklärender Dialoge und Rückblenden immer noch recht vage. Und angesichts von nur zweieinhalb Helden (der halbe Held ist Doctor Voodoo, der in zwei Heften nichts Nennenswertes getan hat und meist herumsteht/liegt) kann man noch nicht von Avengers sprechen. Vielleicht kommt das ersehnte Team-Up in Heft 3, aber bis dahin ist Savage Avengers weitgehend durchschnittlich. Unterhaltsam durchschnittlich, aber dennoch nichts wirklich Neues. Davon wird selbst der zotteligste Barbar nicht wild.

 

Artikelbild: Marvel, Bearbeitet von Verena Bach,
Diese Produkte wurden privat finanziert.

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