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Skirmisher-Systeme sind im Augenblick in Mode. Mit Age of Sigmar: Warcry legt Games Workshop nun auch für den Fantasy-Bereich nach und schafft ein Szenario für spannende Gefechte. Wir haben unseren Knüppel geschnappt und schauen, ob die Kämpfe auch kurzweilig sind.

Wer kennt das nicht? Schnell noch eine Runde Tabletop spielen am Abend, nach einem anstrengenden Tag in der Schule oder auf der Arbeit.

Doch das ist manchmal schneller gesagt als getan, muss man doch am nächsten Tag früh wieder raus, und das Gefecht dauert viel zu lange für eine solche Runde, von den Problemen der Lagerung einer großen Streitmacht in den heimischen vier Wänden ganz zu schweigen.

Abhilfe schaffen dabei sogenannte Skirmisher-Systeme, die sich auf kleinere Gefechte beschränken. Nach der Wiederbelebung von Necromunda und dem recht erfolgreichen Warhammer 40.000 Kill Team war es nur eine Frage der Zeit, bis Games Workshop auch das hauseigene Fantasy-System bedienen würde. Mit Warhammer Age of Sigmar: Warcry bekommt man die Möglichkeit, seine überschaubaren Banden in kompakten Gefechten gegeneinander antreten zu lassen. Schnell entbrennen dabei erbitterte Nahkämpfe.

Wo geht’s hin? – Hintergrund und Fraktionen

Warcry spielt, wie der Titel schon vermuten lässt, im Hintergrund von Age of Sigmar, dem aktuellen Fantasy-Hintergrund von Games Workshop. Die Ausgangslage bilden dabei unterschiedliche Chaosbanden, die sich in alten Ruinen gegenseitig bekämpfen. Die Banden sind dabei deutlich unterschiedlich, nicht nur in ihrer Erscheinung, sondern auch in ihrer Aufstellung. Schon die beiden Banden aus der Grundbox machen das deutlich.

Die Iron Golems sind dabei behäbige gepanzerte Bestien aus dem Reich des Metalls, während die Untamed Beasts eher die klassischen bestienzähmenden Barbaren aus dem Reich der Bestien abbilden.

Auch die weiteren Banden bieten Abwechslung, seien es schlangenverehrende Giftnutzer oder völlig Wahnsinnige, die ihre eigenen Gesichter als Gürtel tragen.

Wenn man sich für keine der Chaosfraktionen entscheiden möchte, gibt es ebenfalls noch Karten zu kaufen, um weitere Fraktionen aus Age of Sigmar einzubinden, beispielsweise Idoneth Deepkin oder Gloomspite Gitz.

Hat man sich so für eine eigene Fraktion entschieden, geht es an die Vorbereitung des ersten Gefechtes.

Wann geht’s los? – Ein erster Blick und Vorbereitungen

Wer seine erste Bande auspackt, ist schnell irritiert, finden sich doch auf den Einheitenkarten weniger Beschreibungen mit Abkürzungen und dafür mehr Symbole. Nach einer ersten Irritation sind die entsprechenden Werte jedoch gut wiederzuerkennen. Die Bewegungsweite findet sich hier genauso wie die Lebenspunkte oder die Punktekosten des jeweiligen Modells. Auch die Waffenprofile sind schnell verständlich, wobei viele Kämpfer mehr als eins besitzen, beispielsweise einen Nah- und einen Fernkampfangriff. Auch hier kommen unterschiedliche Symbole zum Einsatz.

Warum man eine solche Darstellungsform gewählt hat, ist nicht ganz klar. Potenziell möchte man so die internationalen Versionen vereinheitlichen, da unabhängig von der Produktsprache, die Zeichen zu erkennen sind. Da Games Workshop schon länger keine Einheitennamen mehr übersetzt, braucht es auch hier keine sprachliche Anpassung und eine einzige Fassung der Karten könnte international verwendet werden.

Nachdem man sich die Grundwerte der eigenen Bande angeschaut hat, geht es an die Modellauswahl. Die Kriegertruppe besteht dabei aus 3 bis 15 Modellen, wobei die Gesamtpunktzahl der Modelle 1.000 Punkte nicht überschreiten darf. Zusätzlich darf die Bande nur genau einen Anführer haben und darf maximal zur Hälfte aus Kämpfern mit dem Schild, Dolch oder Streitkolben-Symbol bestehen. Wie sich später zeigen wird, ist hier eine gleichmäßige Aufteilung durchaus sinnvoll.

Immer feste drauf! – Regeln und Spielablauf

Nach der Zusammenstellung der eigenen Bande geht es ans erste Gefecht. Hierfür muss man ein passendes Szenario bestimmen.

Warcry bietet Karten für die Aufstellung, das Gelände oder die Siegbedingungen. Eine besondere Erwähnung verdienen die Karten des Wendungsdecks. Diese beeinflussen das Gefecht für beide Seiten. Beispielsweise könnte ein Blutwind über die Ebenen heulen, in denen gekämpft wird und dort alle Kämpfer beeinflussen.

Praktisch dabei: Falls man ein ausgeglichenes Szenario anstrebt, kann man gezielt nur Karten bei den Aufstellungen und Siegesbedingungen wählen, die die Rune tragen, die symmetrische Bedingungen symbolisiert. Das sorgt für ausgewogene Gefechte.

Der eigentliche Spielzug unterteilt sich in drei Phasen: Heldenphase, Reservephase und Kampfphase.

In der Heldenphase werfen beide Spieler zunächst sechs Würfel. Jede Art von Pasch wird dabei zur Seite gelegt, die Anzahl von einzeln auftretenden Ergebnissen bestimmt die Person, die die Initiative hat. Bei einem Gleichstand wird noch mal um die Initiative gewürfelt. Die gewürfelten Päsche sind jedoch nicht verschwendet, braucht man sie doch, um Sonderfähigkeiten der entsprechenden Banden zu aktivieren. Das Spiel unterscheidet dabei zwischen dem Zweier-, Dreier- und Viererpasch. Auch die Augenzahl der Päsche ist teilweise von Relevanz.

Um das hier gewürfelte Ergebnis noch zu verändern, erhält jeder Spieler pro Spielzug einen sogenannten Jokerwürfel. Dieser darf auf eine beliebige Augenzahl gedreht und dem Wurf hinzugefügt werden. Man kann diesen Wurf auch aufsparen und im nächsten Zug beispielsweise zwei Jokerwürfel nutzen.

Dieser an sich einfache Umstand bringt beeindruckende taktische Auswahlen mit sich. Will man dem Gegenüber die Initiative streitig machen, legt man beispielsweise eine weitere Einzelzahl. Vielleicht will man aber auch aus einem seiner Dreier- einen Viererpasch machen, um die mächtigsten Fähigkeiten zu benutzen.

Nach der Heldenphase, mit der Bestimmung der Initiative, folgt die Reservephase.

Manche Szenarien sehen vor, dass Modelle mit einem bestimmten Zeichen, beispielsweise dem Streitkolben, das Spiel in Reserve beginnen. Diese kommen erst in einem späteren Spielzug als dem ersten aufs Feld. Wer zu sehr auf einen gewissen Einheitentyp gesetzt hat, steht so vielleicht nur mit seiner halben Armee am Anfang da, ein weiterer Grund, die Truppen gut durchzumischen.

Hiernach folgt die eigentliche Kampfphase. Hierbei werden Modelle abwechselnd aktiviert, wobei der Spieler mit der Initiative beginnt. Jede Figur kann dabei zwei Aktionen ausführen. Möglich sind dabei die Aktionen Bewegen, Attackieren, Absetzen und Abwarten. Alle Aktionen können auch doppelt ausgeführt oder beliebig kombiniert werden.

Bewegen erlaubt einem Charakter entsprechend seiner Bewegungsweite vorzurücken. Er kann dabei ebenso Geländestücke hinauf- oder herabklettern. Man kann sich dabei auch entscheiden, die Entfernung nach unten durch einen Sprung zu überbrücken. Das kostet keine Bewegungsweite, je nach Höhe riskiert man aber Fallschaden.

Attackieren erlaubt den Angriff gegen Feinde mit einem der Waffenprofile. Diese Attacken werden denkbar einfach abgehandelt, würfelt man doch eine Anzahl Würfel entsprechend des Attackenwertes der Einheit.

Der nötige Wurf leitet sich aus dem Vergleich zwischen Stärke und Widerstand ab. Sechsen sind dabei kritische Treffer, die mehr Schaden verursachen. Man führt somit nur Verwundungswürfe durch, Treffer- oder Rüstungswürfe entfallen komplett. Sind die Lebenspunkte eines Modells auf 0 gefallen, wird es als Verlust entfernt.

Hat man sich spontan entschieden, doch noch den Nahkampf zu verlassen, kann man die Aktion Absetzen nutzen. Hiermit bewegt man das entsprechende Modell bis zu drei Zoll aus dem Nahkampf weg.

Abwarten schließlich lässt einen eine Aktion opfern, um den gleichen Kämpfer später im Zug nochmals zu aktivieren.

Abseits der Aktionen kann jeder Kämpfer zusätzlich eine Fähigkeit benutzen. Hierfür stehen sowohl allgemeine als auch bandenspezifische Fähigkeiten zur Auswahl. Als Bezahlung für die Fähigkeiten dienen die Päsche vom Beginn des Zuges.

Die Fähigkeit Wirbelwind des Todes fügt beispielsweise allen Feinden innerhalb von drei Zoll Schaden in Höhe der Augenzahl des Pasches zu. Zur Aktivierung braucht es für diese mächtige Fähigkeit jedoch einen Viererpasch.

Die Fähigkeiten können dabei nicht von allen Modellen der Bande genutzt werden. Eine entsprechende Rune der Fähigkeit muss sich auf dem Datenblatt der Einheit finden. Ein taktisches Vorausplanen ist somit zwingend vonnöten.

Sind so alle Figuren von beiden Seiten abgehandelt, beginnt der nächste Spielzug, und die Initiative wird neu bestimmt.

Das Metallische muss ins Fleischige – Taktische Einschätzung

Die Regeln von Warcry sind schnell gelernt und gehen schon nach den ersten Minuten gut in Fleisch und Blut über. Trotzdem ist das Spiel überraschend taktisch. Wer einfach alles blindlings nach vorne wirft, gewinnt in den Ruinen mit seinen Kämpfern keinen Blumentopf. Vor allem die Aktivierungsreihenfolge hat großen Einfluss auf das Spielgeschehen. Hält man seine besten Kämpfer zurück oder schiebt man eine einzelne Miniatur nach vorne, um die Gegner aus der Deckung zu locken?

Kombiniert mit zufälligen Ereignissen, wie dem Auftauchen von neutralen Kreaturen, erhöht sich der Wiederspielwert deutlich. Schön ist vor allem auch wie unterschiedlich sich die Fraktionen spielen, ohne dass man zumindest bei der Grundbox die Sorge haben muss, dass eine Seite deutlich dominiert.

Die Möglichkeit, zusätzliche Fraktionen aus Age of Sigmar mit einfließen zu lassen, erhöht die Auswahl und damit auch den Spielspaß nochmals deutlich.

Warcry ist somit ein Spiel, was in klassischer Weise schnell zu erlernen, aber schwer zu meistern ist.

Bei der Macht von Sigmar! – Die Ausstattung

Schon beim ersten Umgang mit der neuen Box fällt deren hohes Gewicht auf. Die Startbox ist bis zur Oberkante mit Material gefüllt, namentlich:

  • 8 Iron Golems Miniaturen
  • 9 Untamed Beasts Miniaturen
  • 6 Furies und 6 Raptoryx Miniaturen
  • 20 Kämpferkarten und 4 Fähigkeitenkarten
  • eine große Auswahl modulares Gelände
  • ein beidseitig bedruckter Spielplan von 22 mal 30 Zoll
  • Gelände-, Aufstellungs-, Sieges- und Wendungskartendecks
  • 18 W6, die das Warcry-Zeichen auf der Seite der 6 zeigen
  • das 160-seitige Hintergrund- und Regelbuch
  • unterschiedliche Marker aus Karton

Das Material ist dabei von ausgezeichneter Qualität. Die Pappmarker sind auf festem Karton gedruckt, das Buch ist geordnet und fehlerfrei. Die eigentlichen Kernregeln passen dabei auf weniger als zwanzig Seiten und lassen sich gut während eines laufenden Gefechtes nachschlagen. Erwähnung verdienen noch die Kampagnenregeln. Hier finden sich sowohl aufeinanderfolgende Gefechte als auch zu erbeutende Artefakte oder Namensgeneratoren für die unterschiedlichen Banden. Eine nette Idee, um nicht nur cineastische Gefechte zu inszenieren, sondern der eigenen Truppe auch mehr Tiefe zu verleihen.

Das Highlight sind wie so oft die Miniaturen und vor allem das Gelände. Der Guss ist bei allen Teilen von guter Qualität, der Detailgrad beeindruckend. Der Holzeffekt der Planken kommt genauso zur Geltung wie die Abnutzung der Steinelemente. Vor allem erhält man genug Gelände, um ein Warcry-Gefecht angemessen zu füllen.

Die Modularität des Geländes ist eigentlich ein Segen, kann man für unterschiedliche Szenarien doch unterschiedliche Zusammenstellungen wählen. Die Bauanleitung geht auf diese Modularität aber nur unzureichend ein, sodass man ausversehen möglicherweise Teile klebt, die man besser auseinander gelassen hätte. Ein ärgerlicher Umstand, der mit einer besseren Anleitung hätte vermieden werden können. Auf unserem Beispielbild seht ihr eine solche Stelle, die nicht geklebt werden darf.

Ansonsten gibt es an der Ausstattung der Box nichts zu mäkeln, man bekommt ordentlich Material fürs Geld, ohne mit unnötigem Lückenfüllern erschlagen zu werden.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Games Workshop
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Spieldauer: 1 Stunde und mehr
  • Spieleranzahl: 2
  • Alter: 12+
  • Preis: OVP 130 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Mit Warhammer Age of Sigmar: Warcry hat Games Workshop einen ordentlichen Skirmisher geschaffen. Die Regeln sind leicht verständlich und lassen trotzdem genug Tiefe zu, um immer wieder neue Taktiken auszuprobieren. Das Material der Grundbox ist großartig, einzig die etwas misslungene Bauanleitung für das Gelände kann nicht überzeugen.

Ansonsten kann man hier unbesorgt zugreifen, wenn man eine kurzweilige Unterhaltung in der Welt von Age of Sigmar sucht.

Ob sich langfristig betrachtet das Spiel durchsetzen kann, wird natürlich an der weiteren Unterstützung hängen. Im Augenblick bekommt man aber ein ausgewogenes Spiel, das auf noch mehr hoffen lässt.

Mit Tendenz nach Unten

Artikelbild: Games Workshop
Fotografien: Markus Kastell
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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