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Beim monatlichen DC-Round Up halten wir euch auf dem Laufenden über die neusten Erscheinungen des DC-Verlags, seien es Comic-Reihen, Graphic Novels oder Specials. Im Nachtrag vom März präsentieren wir euch Geschichten über Flash und Young Justice.

Flash: Das Erste Jahr

Seit Frank Miller 1987 mit Batman: Das erste Jahr das Comic-Genre zum zweiten Mal revolutionierte, ist der Titel eine Art Spitzname für die Entstehungsgeschichten der Superhelden des DC-Verlages geworden. Ob Nightwing, Wonder Woman oder jüngst sogar Superman (ebenfalls von Miller geschrieben): Sie alle haben im Lauf der Zeit ein eigenes „Erstes Jahr“ erhalten. Das gilt auch für Flash, dessen Anfangszeit 1992 von Mark Waid inszeniert wurde.

Trotzdem ist mit dem Titel Flash: Das Erste Jahr eine weitere Ursprungsgeschichte für den roten Blitz erschienen, wodurch sich die Frage nach dem Warum stellt. Das lässt sich schnell beantworten: Den Titel des Flash trugen schon haufenweise Helden. 1940 debütierte Jay Garrick, der später von Barry Allen beerbt wurde. Es folgten Wally West und mit Bart Allen der Enkel des zweiten Alter Egos. Mittlerweile ist Barry seit Final Crisis wieder als Flash aktiv und agiert als Hauptfigur in den Comics der Rebirth-Kontinuität (ein 2016 gestarteter Neustart aller DC-Comics). Das macht es nicht leicht, den Überblick zu behalten.

Die ursprüngliche Story von 1992 handelte von Flash Nummer drei, Wally West. Jetzt hat auch der Rückkehrer Barry, innerhalb der aktuellen Zeitlinie, von Josh Williamson eine neue Origin verpasst bekommen. Unterstützung bekommt er von Zeichner Howard Porter.
Inhaltlich steigt das Kreativ-Duo emotional ein: Barry Allen liest im Kindesalter seine Lieblingscomics auf dem Dachboden, während draußen ein Gewitter tobt. Es blitzt und donnert als seine Mutter Nora eintritt und ihn fragt, warum er ein blaues Auge habe. In einer kurzen Diskussion stellt sich heraus, dass Barry versucht hatte, anderen Kindern zu helfen. Er hätte nicht zusehen können, wie jemand geärgert würde, weil er wüsste, dass seine „Helden sich von sowas niemals unterkriegen lassen würden“. Nora schließt ihren Jungen in die Arme und erwidert: „Mein Barry. Voller Hoffnung“. Dieser Einstieg liefert eine perfekte Tonalität für die gesamte Geschichte.

15 Jahre später: Barry Allen ist als forensischer Tatortermittler für die Polizei in Central City tätig. In seiner Freizeit versucht er weiterhin, den Mord an seiner Mutter aufzuklären, welche kurz nach dem Abend auf dem Dachboden umgebracht wurde. Für das Verbrechen verurteilt wurde damals sein Vater, von dessen Unschuld Barry aber überzeugt ist und den er regelmäßig im Gefängnis besucht. Für eine Romanze mit der Reporterin Iris West, die ihm gelegentlich Avancen macht, bleibt dem Getriebenen wenig Zeit.

Das soll sich ändern, als er eines Tages im Labor von einem Blitz getroffen wird, der durch die Scheibe einschlägt. In Kombination mit einigen Chemikalien, in die der nichts ahnende Ermittler geschleudert wird, sorgt der Unfall dafür, dass Barry Allen Superkräfte bekommt. Nach einem kurzen Aufenthalt im Krankenhaus entdeckt und testet er seine Fähigkeit, schneller zu Rennen als jeder andere Mensch auf der Welt. Was nicht nur für einen anfänglichen Verschleiß an Schuhsohlen, sondern auch einem gefährlichen Kreislauf aus Zeitreisen, Begegnungen mit dem eigenen Ich und dem Auftauchen von Russell Glosson alias Turtle, dem ersten Erzfeind von Flash, sorgt.

Dieser Band ist der perfekte Einstieg für Neuleser. Wer sich nie zuvor mit der Figur des Flash oder wenigstens mit der Barry Allen-Version des Charakters beschäftigt hat, wird hier schnell Zugang zum Helden und seiner Welt finden. Bekannte Gesichter wie Iris West und August Heart werden sinnvoll eingeführt, auch der spätere (Kid -)Flash Wally erhält einen Gastauftritt. Mit Turtle hat der Autor Josh Williamson einen perfekten Gegenspieler für das erste große Abenteuer des roten Blitzes auserkoren. Denn Turtle war in den ursprünglichen Comics mit Barry Allen (in der sogenannten Silver Age im Zeitraum von ungefähr 1956 bis 1970) dessen erster kostümierter Widersacher. Er trat auch schon zuvor 1940 gegen den ersten Flash Jay Garrick an. Und obwohl sich die Schildkröte nicht als Teil der bekannteren Schurken des schnellsten Mannes der Welt etabliert hat, sind die beiden durch ihre gemeinsame Anfangszeit eng miteinander verknüpft. Das wird auch deutlich durch die Kräfte von Russel Glosson: Der Wissenschaftler verunglückte ebenfalls bei einem Laborunfall. Dies geschah während er an einer geheimnisvollen Kraft (der sogenannten Still Force, das exakte Gegenteil der Speed Force, die Flash seine Kräfte verleiht) forschte. Danach war Glosson nicht nur vorzeitig gealtert und verkrüppelt, sondern in einem von der Zeit „befreiten“ Zustand gefangen – Turtle bewegt sich langsamer als jeder andere Mensch. Gleichzeitig erlangt er die Fähigkeit, Lebewesen ihre Kraft zu entziehen und sich selbst stärker und jünger zu machen – was seine Familie am eigen Leib erfahren musste. Turtle ist insgesamt ein starker Gegensatz zum Titelhelden, was ihn für eine Origin-Story wie dieser prädestiniert. Er profitiert, wie sämtliche Figuren, von dem hervorragenden Überblick, den Williamson beim Erzählen behält. Der Kosmos von Central City und seiner Bewohner wird verständlich und ohne große Umschweife präsentiert.

Dabei orientiert sich der Autor am klassischen Superhelden-Einmaleins: Barrys erste Schritte werden in klassischer „Held-entdeckt-seine-Kräfte“-Manier gezeigt. Im Laufe der Handlung lernt er simultan sich selbst und seine Fähigkeiten kennen. Dabei entwirft der Speedster (Figuren im DC-Universum mit übermenschlicher Geschwindigkeit) auch einige verschiedene Kostüme, ehe er schlussendlich das klassische Flash-Outfit trägt. Im Großen und Ganzen erinnert diese Herangehensweise, insbesondere bezogen auf die Beziehung zu Iris West, stark an Sam Raimis Spider-Man-Film von 2002. Komplexe Problematiken (wie etwa die Prinzipien von Zeitreisen und Multiversen im DC-Universum), die beide Werke behandeln, werden für alteingesessene Fans und Neuleser erklärt. Zu alldem trägt nicht nur das exzellente Tempo der Story bei, sondern auch die nahezu perfekten Zeichnungen von Howard Porter. Central City ist hoffnungsvoll und bunt, wenn die Geschichte es verlangt, und genauso düster und am Boden, wie es der Held in seinen finstersten Momenten ist.

Aufstieg und Fall von Barry Allen spiegeln sich hervorragend in der detaillierten, nicht ablenkenden Optik wieder. Diese Elemente summieren sich zu einem eindeutigen Ergebnis: Flash: Das Erste Jahr ist eine Empfehlung, die das Kerndilemma der namensgebenden Figur konsequent erläutert und einen perfekten Einstieg in die Welt des schnellsten Mannes der Welt liefert.

Die harten Fakten

• Autor(en): Josh Williamson
• Zeichner(in): Howard Porter, Scott Kolins
• Seitenanzahl: 152
• Preis: 16,99 EUR
• Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Young Justice 1 – Sieben Krisen

„Young Justice kehrt zurück!“ schreit Impulse alias Bart Allen. Dies ist das Ende des ersten Kapitels des wahnwitzigen Serienstarts von Autor Brian Michael Bendis und den Zeichnern Patrick Gleason, Emanuela Lupacchino und John Timms. „Wahnwitzig“ trifft es als Beschreibung gut, denn die einen werden mit Sicherheit vor Freude laut geschrien haben über dieses unterhaltsame und bunte Teenie-Abenteuer. Doch jenen Lesern, die mit aufgedrehten Figuren wie Impulse und dem überdrehten Stil wenig anfangen können, wird es anders ergehen. Young Justice ist albern, abgedreht, und irrsinnig unterhaltsam – zumindest der Meinung des Verfassers dieser Rezension nach. Aber zunächst einmal ein grober Einblick in die Geschichte dieses schrillen Werkes.

Die Action lässt nicht lange auf sich warten, genau genommen geht es nach fünf Seiten los. Nach einem kurzen Prolog lernt der Leser die Ur-Urenkelin von DCs berühmtesten Cowboy Jonah Hex kennen: Jinny Hex. Frisch getrennt von ihrer Freundin und auf der Suche nach einem Neustart will sie nach Metropolis ziehen, wo sie bei der Ankunft in eine Polizeikontrolle gerät. Der Officer möchte wissen, was Jinny auf der Ladefläche ihres Trucks unter der Plane versteckt. Sie entgegnet ihm leicht verschämt, dass sie es nicht genau wisse. Bei der Ladung handelt es sich um das Erbe ihres berüchtigten Vorfahren: Waffen, deren Funktion auch eine Hex erst einmal kennen lernen und begreifen muss. Die unangenehme Situation wird kurz vor der Eskalation unterbrochen, als ein Angriff von Außerirdischen erfolgt. Die vereinten Krieger der zwölf Königreiche von Gemworld überfallen die Stadt, auf der Suche nach dem mächtigsten Krieger der Erde, Superman persönlich. Dieser ist gerade nicht in der Gegend, dafür aber der Justice League-Nachwuchs: Tim Drake alias Robin, Cassandra „Cassie“ Sandsmark alias Wonder Girl, Keli Quintela alias Teen Lantern, und Bart Allen alias Impulse. Letzterer realisiert im gemeinsamen Gefechtes, mit der neu dazugestoßenen Jinny, dass „es passiert“. Was genau er meint, fragen auch seine Teamkollegen. Worauf der enthusiastische Jung-Speedster hinaus will: „Wir passieren. Young Justice kehrt zurück!“.

Was folgt, ist eine himmelschreiende Aneinanderreihung von Ereignissen. Die Gruppe wird auf den Heimatplaneten der Angreifer teleportiert. Auf diesem hausiert Connor Kent (besser bekannt als der Klon Superboy) dem Anschein nach schon seit einiger Zeit als Weltraumfarmer, mitsamt Patchwork-Familie. Auf ihrem Heimatplaneten stößt auch die neue Heldin Amethyst, Mitglied des gleichnamigen Hauses (eine der zwölf großen Familien von Gemworld), dazu. Kontrolliert wird deren gesamte Welt von dem finsteren Diktator Lord Opal. Dieser will alles und jeden mit seiner dunklen Magie unterjochen. Das neu gebildete Team von Young Justice muss ihn besiegen, und so weiter, und so fort. Es wird von Kapitel zu Kapitel verrückter.

Ruiniert das den gesamten Comic? Nein, zumindest wenn man bereit ist, sich auf Brian Bendis amüsanten Schabernack einzulassen. Der übergeordnete Rahmen seiner Handlung ist, selbst für Comic-Maßstäbe, abstrus, um es vorsichtig auszudrücken. Ist nicht genau das die perfekte Grundfärbung für ein Team von Teenagern wie Young Justice? Vor allem, wenn es um die Vorstellung einer neuen Konstellation der jugendlichen Helden und Heldinnen geht? Die Schurken in dieser Geschichte wirken lächerlich und werden, nicht nur von Superboy, wiederholt überlistet. Dieses Prinzip eignet sich hervorragend für den Einstieg in Ensemble-Stories, wie wir, nicht erst seit dem ersten Avengers-Film von 2012, wissen. Aus dem Grund wird DC-Oberschurke Darkseid, sowohl im Comic Justice League: War von Geoff Johns und Jim Lee, als auch im gleichnamigen Film, nur ein dialogbefreiter, böser Prügelknabe. Wenn der Bösewicht zu sehr strahlt, stehen die Helden schnell im Schatten. Womit Bendis Entscheidung gerechtfertigt ist, mit Lord Opal und seinen Schergen die gefühlt langweiligsten Antagonisten der jüngsten Publikationsgeschichte des Verlages zu kreieren.

Im Fokus steht der Teamgeist von Young Justice, eine Dynamik, die sich für langjährige Fans durch den Gruppennamen fühlen lässt und durch die aktuelle Figurenkonstellation greifbar wird. Alte wie auch neue Teammitglieder bekommen ihre gefühlsbetonten Charaktermomente. Die Motivation von fast allen wird deutlich gemacht, höchstens Teen Lantern und Impulse bleiben etwas auf der Strecke, wenn es um Tiefgründigkeit geht. Gerade der zuletzt genannte beschreibt das Phänomen Young Justice nahezu perfekt: Es ist ein junges, dynamisches Event von phantastischer Kurzweil und eine willkommene Abwechslung zu den ernsten Comics, rund um die anderen Superhelden aus dem Hause DC. Man kann Impulse, und somit auch Young Justice im Allgemeinen, als nervig, überdreht und anstrengend empfinden. Im Gegensatz zu anderen Charakteren und Geschichten ergeben sich diese Eigenschaften jedoch aus den dargestellten Figuren.
An dieser Stelle soll ebenfalls werden, dass Brian Bendis Young Justice: Sieben Krisen auch in Punkto Diversität ein Gewinn ist. Vier der sieben Hauptfiguren sind weiblich, Jinny Hex offen homosexuell und Teen Lantern dunkelhäutig. Das alleine macht natürlich kein gutes Werk aus, aber Bendis gelingt es, dies in den Band mit einzubinden, ohne es der Leserschaft künstlich aufzuzwingen. Der Start seiner neuen Reihe glänzt durch Qualität, in welche die Vielseitigkeit gelungen eingewoben wurde. So sollte es im Idealfall sein. Eine gute Geschichte entsteht nicht nur durch die ethnische Zugehörigkeit ihrer Protagonisten, sondern durch die feinfühlige Charakterisierung der selbigen, was hier rundum gelungen ist.

Komplettiert wird das Gesamtpaket durch die farbenfrohen Panels von Emanuela Lupacchino, die schon Reihen wie Starfire, Supergirl und Wonder Woman frisches Leben einhauchte. Sowie durch die Arbeit ihrer ebenfalls bekannten Kollegen Gleason und Timms. Dem Geist von Young Justice wird durch ihre gelungenen, untereinander abgestimmten Zeichnungen, mit leichter Tendenz Richtung Manga, Leben eingehaucht. Alles in allem funktioniert Young Justice im Gesamtpaket hervorragend. Verweise auf die aktuelle Rebirth-Kontinuität könnten vor allem Neueinsteiger etwas irritieren, dennoch findet man sich schnell zurecht.

Die harten Fakten

• Autor(en): Brian Michael Bendis
• Zeichner(in): Emanuela Lupacchino, John Timms, Patrick Gleason
Seitenanzahl: 164
• Preis: 17,99 EUR
• Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon

 

Fazit des Monats

In diesem Fall sind beide Comics klar zu empfehlen. Flash: Das Erste Jahr und Young Justice 1: Sieben Krisen funktionieren jeweils perfekt als neu erzählte Entstehungsgeschichte und Einstieg in eine neue Reihe. Beide Bände sollten nicht verpasst werden und bieten einen hohen Unterhaltungswert.

 

Artikelbilder: © DC Comics, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur

Über den Autor

1996 geboren im bundesweit verpönten Gelsenkirchen, dort aktuell auch Student an der Westfälischen Hochschule (Studiengang: Journalismus und Public Relations). Für Comics und Filme interessiert sich Johannes Wenzel von klein auf, mit besonderer Vorliebe für DC und Batman.

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