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Project Northmoor ist eine Fundraising-Aktion, unterstützt von namhaften Schauspieler*innen, die sich zum Ziel gesetzt hat, ein Haus, in dem der Jahrhundertautor Tolkien einmal gelebt hat, zu „retten“. Nun regt sich jedoch Kritik an dem Vorhaben, unter anderem von der Tolkien Society. Was ist da los?

Seit einigen Tagen begegnet man auf einschlägigen Szeneseiten, aber auch auf etablierten Mainstream-Medien dem Project Northmoor. Unter anderem werben Bilbo-Beutlin-Darsteller Martin Freeman und Gandalf-Darsteller Ian McKellen in einem Video für die Charity-Organisation dafür, das Haus an der 20 Northmoor Road, in welchem Tolkien eine Zeitlang gelebt hat, zu retten – und es zu einem Ort für spirituelle Rückzüge, Schreibseminare und andere kulturelle Events zu machen.

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Muss das Haus überhaupt gerettet werden?

Die Aktion lief erfolgreich an. Laut dem Twitter-Account von Project Northmoor waren am 4. Dezember bereits über 250.000 USD zusammengekommen – eine stolze Summe. Allerdings mehren sich seit Tagen die Stimmen im Internet, die bezweifeln, ob das an und für sich bereits denkmalgeschützte Haus überhaupt der Rettung bedarf. Schließlich besteht keine Abrissgefahr oder das Risiko, dass hochwertige, originale Möbel oder dergleichen einem Verfall ausgesetzt sind. Im Gegenteil: Das Haus steht lediglich zum Verkauf; die Inneneinrichtung ist längst modernisiert.

Das wird allerdings erst im Kleingedruckten deutlich, in welchem die Website verrät, dass das das Haus unter der britischen Entsprechung von Denkmalschutz steht (Grade II und Teil des „Blue Plaque Scheme“, ein Programm, in dessen Rahmen eine blaue Plakette öffentlich angebracht wird, die auf eine berühmte Person oder ein Ereignis hinweist).

Laut einem Artikel des britischen Guardian ist außerdem noch nicht geklärt, ob gespendetes Geld, sollte das Vorhaben von Project Northmoor nicht erfolgreich sein, an die Spender*innen zurückgezahlt werden wird, so das ambitionierte Ziel von 4 Millionen GBP nicht erreicht werden würde. Der FAQ ist zu entnehmen, dass eingegangene Spenden auch bei Nichterreichung des avisierten Betrages „zum Erfüllen des Organisationszwecks“ („fulfill our charity’s objectives“) verwendet werden können.

Ist das Haus wirklich in Gefahr - laut FAQ eher nicht.
Ist das Haus wirklich in Gefahr – laut FAQ eher nicht.

Was genau soll denn daraus werden?

Ebenfalls Kritik namhafter Personen aus dem Umfeld der Tolkien-Studien ausgesetzt findet sich das Vorhaben, 20 Northmoor Road nicht zu einem offenen, niedrigschwellig zugänglichen Ort wie einem Museum zu machen, sondern eine Art Refugium daraus zu machen, das einzelne oder Kleingruppen nach Terminvereinbarung mieten können. In den FAQ (Stand 08.12.2020) von Project Northmoor heißt es explizit:

„[…] Tolkien fans will be able to book onto courses and for other short stays at the house. As the house will also be home to those staying there for creative courses and retreats, entry will be by appointment only. […]”

Was draus werden soll, ist nicht klar definiert - aber wirklich öffentlich wird es nicht.
Was draus werden soll, ist nicht klar definiert – aber wirklich öffentlich wird es nicht.

Desweiteren beantwortet das Project Northmoor die Frage, ob es mit dem Tolkien Estate oder der Tolkien Society zusammenarbeitet, in seinen FAQ mit einem – nein. Laut einem am 08.12.2020 veröffentlichten Statement der Tolkien Society gab es im November zwar eine Anfrage von Project Northmoor an die Tolkien Society, allerdings kam es aus verschiedenen Gründen nicht zu einer Zusammenarbeit. So nennt das Statement der Tolkien Society unter anderem folgende Punkte:

  • Der zweiseitige Geschäftsplan von Project Northmoor sei unzureichend,
  • es gäbe keine prominenten Vertreter der Tolkien-Community, beispielsweise Autor*innen, Akademiker*innen oder Künstler*innen innerhalb des Teams von Project Northmoor,
  • das Haus wäre nicht frei zugänglich für die Öffentlichkeit, und eben die Krux:
  • Das Haus muss nicht gerettet werden, da es einerseits nicht bedroht wird – und anderseits bereits Teil von Denkmalschutzprogrammen ist.
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Die Reaktion der Community

In Summe stößt das Projekt nach anfänglicher Begeisterung an vielen Stellen der Tolkien-Community auf Kritik. So äußerte sich auch Marcel Aubron-Bülles im Rahmen seines Projekts The Tolkienist kurz und knapp, dass er dieses Projekt nicht unterstützen würde, und verwies ebenfalls auf das Statement der Tolkien Society. Auch auf Twitter und Reddit wurden verschiedene Stimmen mit Kritik an dem Vorhaben laut.

Es stellt sich abschließend die Frage: Weshalb sollten Tolkien-Fans dazu beitragen, ein Haus zu kaufen, aus welchem dann eine mehr oder weniger exklusive Location wird, die Kreativschaffenden einen unklar definierten Rückzugsort geben will – und sich das wohl auch bezahlen lassen wird? In Summe wirkt Project Northmoor wie ein Projekt, das vor allem mit dem Label „Tolkien“ verbunden sein möchte und sich so finanzieren möchte; dass eine Organisation wie die Tolkien Society das Vorhaben nicht nur nicht unterstützt, sondern sich im Rahmen eines öffentlichen Statements sogar distanziert, verheißt nichts Gutes.

Am Ende darf man gespannt darauf bleiben, wie sich Project Northmoor weiterentwickelt. Wer außerdem die Gelegenheit nutzen möchte und Julia Golding, Autorin und treibende Kraft hinter dem Project Northmoor, eigene Fragen zu stellen, kann dies via Youtube tun: Am 9.12. ab 17:00 Uhr findet eine Q&A-Session mit ihr auf dem Kanal des Youtubers Nerd of the Rings statt.

Artikelbilder: © www.projectnorthmoor.org
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Jessica Albert

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