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„Und was macht ihr dann?“ – Diesen Satz haben alle Spielleitungen schon einmal gesagt. Er fällt oft dann, wenn die Spieler*innen nicht von sich aus handeln. Die Aktivität im Rollenspiel hängt von vielen Faktoren ab, darunter auch der Tagesform. Einige „Aktivitätstypen“ sollen in diesem Artikel besprochen werden.

Wenn eine Gruppe am Spieltisch zusammenkommt, einigt man sich im Vorfeld auf vieles: Spielwelt, System, Termine, Umgangsregeln, No-Gos usw. damit sich jede*r wohl fühlt. Einiges kann man jedoch nicht steuern, darunter die Spieler*innenaktivität. Es geht hier nicht um die Art und Weise, wie Charaktere dargestellt werden oder was für Typen von Mitspieler*innen vielleicht zu einem Problem werden könnten, sondern darum, wie aktiv die Menschen am Tisch sich einbringen.

Manche Dinge kann man nicht ändern, sie gehören zur Persönlichkeit eines Menschen und das ist gut so. Es gibt laute und leise Menschen, manche stehen gerne im Mittelpunkt, manche halten sich lieber zurück. Rollenspiel ist ein Gesprächsspiel und die Aktivität der Spielenden ist ausschlaggebend für die Lebendigkeit des Spiels. Im Folgenden sollen verschiedene Aktivitätstypen besprochen und Tipps im Umgang mit diesen gegeben werden.

Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und alle hier genannten Beobachtungen ergeben sich aus den Spiel(leitungs)erlebnissen und -erfahrungen des Autors.

Spieler*innen: Die Zurückhaltenden

Nicht nur unter Rollenspielneulingen gibt es Menschen, die sich sehr zurückhaltend verhalten. Viele Gruppen haben ein oder zwei Spieler*innen, die Rollenspielabende wie einen Film oder ein Theaterstück erleben wollen: zurücklehnen und genießen. Negativ ausgedrückt könnte man sagen, dass sie sich einfach beschallen lassen wollen, ohne Eigeninitiative zu zeigen.

Let the show begin: Manche Spieler*innen wollen sich beschallen lassen. © Andrey_Kuzmin
Let the show begin: Manche Spieler*innen wollen sich beschallen lassen. © Andrey_Kuzmin

Das geht eine Weile gut, ist bei einer gesunden Gruppenmischung gar kein Problem und teilweise sogar hilfreich. Eine Rollenspielrunde, die ausschließlich aus Zurückhaltenden besteht, ist aber sehr anstrengend für alle Beteiligten. Die Spielleitung muss in solchen Fällen immer wieder steuern und antreiben, weil von Spieler*innenseite – und damit letztlich von Charakterseite – nichts kommt.

Das fühlt sich zäh und müßig an, als käme man nicht voran. Natürlich muss nicht jede Gruppe aus Plotjäger*innen bestehen, aber auch die Interaktion zwischen den Charakteren stockt in solchen Gruppen.

Zurückhaltendes Verhalten ist nicht gleichzusetzen mit Gleichgültigkeit © NinaMalyna
Zurückhaltendes Verhalten ist nicht gleichzusetzen mit Gleichgültigkeit © NinaMalyna

Auf der anderen Seite sind es oft die Zurückhaltenden, die durch ihre Beobachtungsgabe auf Ideen und Schlüsse kommen können, die anderen verwehrt bleiben. Im richtigen Moment angespielt, können sich interessante Szenen ergeben, die der ganzen Spielrunde Spaß bereiten. In den wenigsten Fällen wollen die Zurückhaltenden nicht partizipieren, sie sind nur nicht die treibende Kraft. Wenn sich solche Spieler*innen in einer Runde befinden, sind sie in der Regel dankbar, wenn sie gezielt angespielt werden oder von der SL Szenen erhalten, in denen sie glänzen können, ohne selbst auf diese hinzudrängen.

Spieler*innen: Die Spätzündenden

Nicht alle Runden entstehen aus einem bestehenden Freundeskreis. Einigen Menschen fällt es schwerer als anderen, sich an neue Leute in ihrem Umfeld zu gewöhnen oder mit ihnen „warm zu werden“. Am Anfang sind sie vielleicht leise oder zurückhaltend und blühen erst in späteren Spielsitzungen auf. Das Erreichen des Wohlfühlmodus erfordert für diese Menschen einfach Zeit.

Freundesgruppen haben eine bestehende Dynamik, doch nicht alle Rollenspielgruppen können auf diese zurückgreifen © oneinchpunch
Freundesgruppen haben eine bestehende Dynamik, doch nicht alle Rollenspielgruppen können auf diese zurückgreifen © oneinchpunch

Niemand kann sich hundertprozentig vom Charakter abkapseln und so wird ein passives Verhalten am Spieltisch auch immer ins Spiel übertragen. Spieler*innen sollten die Zeit erhalten, die sie brauchen, um sich aufeinander einzustimmen. Mit Verständnis dafür, dass man sich aneinander gewöhnt, wird sich das Problem fehlender Aktivität im Rollenspiel von allein lösen.

Da sich eine Gruppendynamik erst im Laufe der Zeit etabliert, sind die paar Spieltage, die jemand als Einfindungsphase braucht, nicht ausschlaggebend. Als Mitspieler*innen und SL kann man unterstützen, indem man nicht zu hart auf die Entscheidungen dieser Charaktere während dieser Phase reagiert. Die Veränderungen, die der Charakter durchmacht, gehen teils mit der Veränderung des*r Spieler*in einher und können vielleicht auf Unverständnis stoßen. Ein negativer Umgang damit wäre eher hinderlich. Sobald sich alle gut genug einschätzen können, wird sich das auch im Spiel widerspiegeln.

Spieler*innen: Die Zeitfressenden

Spot, Kamera, Action! Es gibt einige Rollenspieler*innen, die sehr viel im Mittelpunkt stehen möchten. Man könnte sie als Gegenpol zu den Zurückhaltenden sehen und auch in diesem Fall gibt es gute und weniger gute Aspekte dieses Verhaltens.

Auch wenn man gerne im Rampenlicht steht, muss man die Bühne manchmal für andere räumen © KrisCole
Auch wenn man gerne im Rampenlicht steht, muss man die Bühne manchmal für andere räumen © KrisCole

Auf der einen Seite sind die Zeitfressenden eine treibende Kraft für Gespräche und Plot, auf der anderen Seite kann der Drang nach Aufmerksamkeit und Spielzeit überhandnehmen. Ist man sich selbst bewusst, dass man viel im Rollenspiel zeigt, sollte man darauf achten, gezielt andere anzuspielen. Je mehr und öfter man andere Spieler*innen involviert, umso weniger ist es unangenehm, denn dadurch kommen keine stundenlangen Einzelszenen zustande, sondern spannendes Gruppenspiel.

Gleichzeitig hilft ein Gefühl dafür, wann die Gruppe stagniert. Dann hat die große Stunde der Zeitfressenden geschlagen: Sie stellen sich ins Rampenlicht und mit 15 Minuten des Ruhms, blindem Aktionismus oder genau der richtigen Solo-Show sorgen sie dafür, dass Schwung in die Sache kommt. Spielleitungen sind manchmal sehr dankbar für solche Momente.

Eine Aufgabe der Spielleitung ist es, Rederechte zu steuern. So wie bei den Zurückhaltenden ein gezieltes Anspielen hilft, sollte in diesem Fall darauf geachtet werden, dass die Zeitfressenden nicht zu oft die Szenen an sich reißen. Niemandem wird dabei böse Absicht unterstellt, doch sollte an jedem Spielabend jede*r das gleiche Recht auf Szenen für den eigenen Charakter haben.

Spieler*innen und Spielleitung: Die Scherzkekse

Witz ist ein wichtiger Aspekt am Rollenspieltisch, denn es geht letztlich darum, Spaß zu haben. Der richtige Witz an der passenden Stelle kann sehr viel Freude bringen, doch kann selbst der beste Witz an der falschen Stelle für viel Frust sorgen. Es gibt Menschen, die sind einfach witzig. Egal, ob Wortwitze oder Situationskomik, das ist eine Gabe, die man nicht verachten sollte. Solche Spieler*innen werden wahrscheinlich niemals bierernste Charaktere spielen, sondern zumeist eine Runde mit dem ihnen innewohnenden Witz bereichern.

Der Spaß steht beim Rollenspiel im Mittelpunkt – für alle! © furtaev
Der Spaß steht beim Rollenspiel im Mittelpunkt – für alle! © furtaev

Damit genau das der Fall ist, sollten Witze vornehmlich als Charakter gemacht werden. Ein an der Spielsituation beteiligter Charakter kann diese mit einem Witz auflockern oder alle gegen sich aufbringen, die Reaktion darauf kann immer innerhalb der Spielwelt geschehen und damit bereichern. Macht der*die Spieler*in einen Witz, während der Charakter zwei Räume weiter die Pferde versorgt, ist der gleiche Spruch vielleicht unpassend. Es gibt für die Charaktere im Rampenlicht keine Möglichkeit darauf zu reagieren und so wird der Witz zur Störung.

Ist die Spielleitung ein Scherzkeks, sind unpassende Witze besonders heikel, denn innerhalb der Spielwelt gelingt das Anbringen von Witzen nur mit den passenden NSC. Auch kann es unbefriedigend sein, sich gänzlich zurückzunehmen. Hier ist ein feines Gespür für die Stimmung innerhalb der Gruppe wichtig: mitgehen, wenn die Gruppe in einer Szene Laune darauf hat, sich zurücknehmen, wenn es gerade nicht passt. Das ist unter Umständen sehr schwierig, von daher ist hier Verständnis der Spieler*innen angebracht, wenn der Moment von der SL verpasst wird. Im Zweifel für die*den Angeklagte*n.

Spielleitung: Die Alleserzählenden

„Ihr betretet einen düsteren Raum, in den das Licht durch die schmalen Ritzen der vernagelten Fensterläden dringt. Staub hat sich überall auf die Möbel gelegt und ihr wirbelt ihn mit jedem eurer Schritte auf. Neben euch auf dem kleinen Beistelltisch, einen Schritt von der schweren Holztür entfernt, liegt ein Blatt, etwa 20 x 20 cm groß aus grobem Büttenpapier und sicherlich aus der nahegelegenen Papiermanufaktur von Erik Wellenstein. Es ist mit dunkler Tinte beschrieben, eine schwarze Tinte fast; selten und ungewöhnlich. Die Handschrift einer Frau oder eines ordentlichen Schreibers, geübt und versiert. Die Worte, die darauf stehen …“

Geschichten sind etwas Schönes, aber Spielleitungen sind keine Märchenerzähler*innen! © furtaev
Geschichten sind etwas Schönes, aber Spielleitungen sind keine Märchenerzähler*innen! © furtaev

Solche Beschreibungen sind in einem Buch interessant – zumindest für Fans, die auch die ausufernden Beschreibungen Tolkiens oder Cäsars mögen. Als SL sollte man nicht alle Details zu genau beschreiben, denn damit nimmt man den Spieler*innen die Möglichkeit, selbst zu erkunden oder zu handeln. Das bedeutet nicht, dass man wichtige Informationen, wie die drei Schergen, die ebenfalls im Raum sind und mit gezückten Dolchen angreifen wollen, verheimlicht. Das bedeutet nur, dass Beschreibungen nicht zu ausufernd sein sollten.

Die Spielleitung hat ein Recht darauf, Spaß an einer Runde zu haben, wie jede*r andere Teilnehmer*in auch. Wenn die Welt dicht und detailliert beschrieben werden soll, kann das durchaus geschehen, sollte aber nicht zu häufig am gleichen Spielabend passieren. Die liebevoll ausgearbeiteten Details gehen erfahrungsgemäß ab einer gewissen Anzahl unter. Vielleicht möchten die Spieler*innen ganz dringend agieren und hören nicht mehr richtig zu oder unterbrechen die liebevoll vorbereiteten Beschreibungen.

Zwei Grundregeln können dabei helfen, Beschreibungen zu organisieren: Wichtige Informationen gehören an den Anfang der Beschreibung und je mehr Action in einer Szene vorhanden ist, desto kürzer sollte die Beschreibung sein. Außerdem unterstützen Visualisierungen in komplexen Szenen außerordentlich.

Spielleitung: Die Verheimlichenden

Als Spielleitung versucht man, mit den Spieler*innen gemeinsam eine Geschichte zu erschaffen, an der alle Spaß haben. Dabei ist die SL jeder NSC und verkörpert alle Weltaspekte, die nicht die Spielercharaktere sind. Spannung kann dabei auf viele Arten und Weisen erzeugt werden und oft ist es ein schmaler Grat zwischen „genug Informationen“ und „genug Mysterien“, denn immerhin wollen die Charaktere die Welt erkunden und Erfolgserlebnisse haben, indem sie geheime Dinge entdecken oder entscheidende Missetaten aufdecken.

Klare Informationen helfen Spieler*innen und Spielleitungen © SIphotography
Klare Informationen helfen Spieler*innen und Spielleitungen © SIphotography

„Vielleicht“ und „relativ“ sind als SL Wörter, die Unsicherheiten wecken. Sie reflektieren, dass es Informationen gibt, die vorenthalten werden. Wenn man wissen will, ob ein NSC lügt, eine großartige Probe hinlegt und die Antwort „Du glaubst, dass die Person vielleicht lügt.“ lautet, ist das höchst unbefriedigend. Der*die Spieler*in weiß, dass die Probe erfolgreich war, doch die Beschreibung spiegelt das nicht wider. Da kommt zwangsläufig die Frage auf, welche Information man verpasst.

In manchen Systemen ist das sogar ein Gamebreaker. Bei Grid-basierten Kampfsystemen ist es wichtig, genau zu wissen, wo man steht. Nicht jede Szene wird mit einer Battelmap begonnen und wenn sich spontan ein Kampf ergibt, will man nicht „relativ weit weg“ stehen, um dann herauszufinden, dass der Gegner trotzdem in der ersten Kampfrunde die Streitaxt in den eigenen Charakter versenken kann.

Spieler*innen müssen ihrer SL vertrauen können. Natürlich wollen sie auch, dass man sie überrascht, doch absichtliches Vorenthalten von Informationen oder bewusstes Relativieren, um Nachteile zu schaffen, rüttelt an diesem Vertrauen. Ehrlichkeit und klare Aussagen sorgen für Sicherheit und Klarheit und beugen Missverständnissen vor.

Fazit

Gesunde Mischungen sind in fast allen Lebensbereichen die beste Wahl. Ruhige und offensive Menschen kommen nicht nur am Spieltisch, sondern auch in der realen Welt immer wieder zusammen und ergänzen sich zum Teil hervorragend. Dieses Potpourri der Persönlichkeiten kann man nutzen.

Nur, weil jemand still und zurückhaltend ist, ist das kein Grund, ein Problem daraus zu machen. Genauso sind diejenigen, die gerne im Mittelpunkt stehen, nicht per se ein Problem. Durch eine Mischung dieser „Aktivitätstypen“ entsteht eine Gruppe, in der alle zur Geltung kommen und genau so spielen können, wie es ihnen am meisten Spaß macht. Und darauf kommt es letzten Endes an. Nicht immer ist es möglich, eine Gruppe mit unterschiedlichen Typen zusammenzustellen, weil es zum Beispiel wichtiger ist mit Freunden zu spielen, als darauf zu achten. Da Freundesgruppen aber zumeist gut harmonieren, ergibt sich dort in der Regel kein Problem.

Auch die Spielleitung verdient es, Spaß am Spiel zu haben und nicht nur die Vorbereitung und Leitung bewerkstelligen zu müssen. Da es nur eine Spielleitung gibt, ergänzt man sich in diesem Fall nicht mit einem*r Partner*in – Ausnahmen bestätigen die Regeln, denn es gibt auch Gruppen mit mehreren Spielleitungen – und gewisse Aktivitätsgrade wirken sich deutlich spürbarer aus. Erzählt eine SL zu viel oder zu wenig, macht zu viele Witze oder verheimlicht Informationen, kann schnell Frust entstehen.

Gruppen sollten gemeinsam an einem Strang ziehen und Rücksicht auf die Individualität der Mitspielenden nehmen – dazu zählt auch die SL. Dann gelingt es auch, dass alle Beteiligten nach jedem Spielabend mit einem Lächeln nach Hause fahren und sich auf das nächste Mal freuen.

Artikelbilder: © depositphotos, wie gekennzeichnet
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Sabrina Plote

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