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Auch dieses Jahr fällt das Zeit der Legenden coronabedingt leider aus. Doch nur weil wir nicht dort sein können, muss der Konflikt in der ersten Drachenwelt nicht ruhen. Daher werfen wir erneut einen Blick auf das Geschehen, das in unserer Abwesenheit vielleicht geschehen ist.

Nachdem die Grenzen in die erste Drachenwelt leider immer noch für uns geschlossen bleiben, müssen wir Drachengläubige uns weiterhin auf Gerüchte und Mund-zu-Mund-Propaganda verlassen, wenn wir erfahren wollen, wie der Konflikt zwischen Hexer (der mit dem Turban, nicht der mit dem Schwert auf dem Rücken) und Drachen verläuft. Ob das Wenige, das durch die Weltenleere hindurch zu uns dringt, der Wahrheit entspricht oder bloße Fiktion ist, werden wir wohl erst im nächsten Jahr erfahren, wenn wir wieder in die erste Drachenwelt reisen dürfen. Nachdem im letzten Jahr Siegesmeldungen des Drachenvolkes unsere Ohren erreichten, gelangt dieses Jahr ein etwas anderer Ton durch den Äther zu uns. „Der Regenbogen“, eine Zeitung der ersten Welt, berichtet in einer exklusiven Reportage über den Kriegsverlauf und lässt sogar den Hexer selbst zu Wort kommen. Wie die Glaubwürdigkeit dieser Flugschrift, die nach eigener Aussage „den neuen Bund des Befreiers mit allen freien Völkern“ verkündet, einzuschätzen ist, ist allerdings ungewiss.

In der ersten Welt nichts neues – Der Kampfverlauf

Wir, die Redaktion des „Regenbogens“, grüßen alle Aufgeweckten, die sich dafür interessieren, wie es in unserer Welt wirklich aussieht. An dieser Stelle möchten wir als erstes die wahren Gläubigen beruhigen. Entgegen anders lautender Gerüchte und Behauptungen der Lügendrachen ist unser ruhmreicher Befreier weder besiegt noch vertrieben. Seine treuen Gefolgsleute der wahren Wege stehen im Felde unbesiegt und mit ungebrochenem Kampfeswillen hinter ihm und seine Banner wehen über immer mehr Ländern dieser Welt. Durch schnelle Neugruppierungen und Frontverkürzungen lief die Offensive der Fremden ins Leere, während unsere Gruppen „Gold“ und „Kupfer“, konzentriert auf die Treusten der Treuen, bereitstehen, sie von zwei Seiten gleichzeitig anzugreifen, während unsere berühmte Streitmacht des Grauen den fremden Vormarsch zum Halten bringen wird. Doch bevor wir unsere Gläubigen mit Fachbegriffen wie „strategischer Rückzug“ oder „letztes Aufgebot“ langweilen, übergeben wir das Wort direkt an seine Gnaden, den Befreier selbst. Er wartet schon ganz ungeduldig darauf, endlich zu Wort kommen zu dürfen und wir wollen ihn sicher nicht zu lange warten lassen, denn immerhin muss er direkt im Anschluss noch sein grünes Rudel füttern gehen.

Die Stimme des Befreiers

„Ich grüße Euch, meine Getreuen.

Im Zeichen unseres bevorstehenden Sieges möchte ich Euch allen für Eure Mühen und Anstrengungen der letzten Jahre danken. Es war für uns alle nicht leicht. Nachdem ich diese Welt von der Bedrohung durch die Lorkaner gerettet hatte, hofften wir alle auf eine neue Zeit des Friedens und des Wohlstandes. Blühende Landschaften sollten unter meiner gerechten Herrschaft noch bis in den letzten Winkel der Welt entstehen. Wir alle waren optimistisch, wir alle hatten auch berechtigten Grund dazu. Niemand konnte ahnen, was geschehen sollte. Niemand konnte es gar vorhersehen. Doch mitten im Frieden überfiel uns der Feind. Die Fremden kamen und warfen die Brandfackel des Krieges. Angetrieben von grausamen Göttern brachten sie Gewalt und Verwüstung über uns, sodass wir noch in tausend Jahren es nicht würden wagen, ihre Drachengötzen auch nur schief anzusehen. Doch sie haben uns unterschätzt.

Die freien Völker der ersten Welt leisteten Widerstand. Es war nie einfach. Wir bezahlten unseren Freiheitskampf mit Blut, Schweiß und Tränen. Sie haben Weltenwacht vernichtet und nun droht Elitawana das gleiche Schicksal. Selbst die Li’Shima haben sie ermordet, weil sie nicht ihren Wegen folgen wollte. Gnadenlos war ihr Vormarsch, grausam und blutrünstig ihre Herrschaft. Aurora flößten sie einen bösen Geist ein, der den Verstand des armen Kindes noch heute verwirrt und sie wollten sogar die Lebenskraft unserer Welt in Siegel bannen und damit sich selbst eine andere Welt erschaffen, in der nur sie leben dürfen. Wie bei Parasiten sollte unsere Welt zugrunde gehen, damit sie auf unsere Kosten im Luxus leben. Glücklicherweise konnte ich persönlich diesen teuflischen Plan durchkreuzen und die Siegel zurückerobern. Aber statt anzuerkennen, dass auch wir ein Recht auf Leben haben, dass wir nur Ruhe und Frieden haben wollen, steigern unsere legitimen Akte der Selbstverteidigung nur ihren Furor. Immer wieder strecken wir den Fremden die Hand zum Frieden aus, laden sie sogar ein, über die wahren Wege und ihre Drachenlegenden zu disputieren. Aber sie antworten jedes Mal mit der geballten Faust. Nun sind unsere Gnade und unsere Geduld aufgebraucht. Die Fremden müssen endgültig vertrieben werden. Ich rufe alle wahren Gläubigen dazu auf, sich unter meinem Banner zu versammeln. Gemeinsam werden wir siegen. Auch wenn es unter euch unterschiedliche Ansichten, Moralvorstellungen oder Essensgewohnheiten gibt, dies alles verblasst vor unserer Großen Aufgabe, vor unserem gemeinsamen Feind. Völker dieser Welt, schaut auf die Ruinen von Weltenwacht. Jetzt ist der Moment, jetzt gilt es. Ich kenne keine Wege mehr, ich kenne nur noch wahre Gläubige.

Darum auf, zu den Waffen, für ein besseres Morgen!“

Von den Schandtaten der Echsen

Wir danken dem Befreier für diese bewegenden Worte. Unsere Redaktionsstube ist zu Tränen gerührt. Wir gedenken an dieser Stelle auch unseren Freunden von der „Friedenstaube“, die sich lange Jahre für eine Verständigung mit den Fremden eingesetzt haben. Eigentlich wollte der Befreier diese Rede bei ihnen veröffentlichen, aber die Fremden haben im Zuge ihrer Plünderungen vor Kurzem die Redaktion der „Friedenstaube“ niedergebrannt. Wir sind jedoch optimistisch, dass dank der Hilfe des Befreiers beim Wiederaufbau die „Friedenstaube“ zeitnah wieder erscheinen wird.

Auch gedenken wir an dieser Stelle dem Hexer, den die Drachengläubigen irrtümlich an Stelle des Befreiers in den Urstrom verbannt haben. Es passt zum beschränkten Geist dieser kleingläubigen Fremden, dass sie nicht zwischen unserem Befreier, den sie Hexer nennen, und den Hexern, einer Kriegerkaste aus einer fremden Welt, unterscheiden können oder wollen. Ihr Massaker an einem Unschuldigen mögen sie gerne feiern, aber diese Untat wird für lange Zeit ihr letzter Grund zur Freude sein. Bereits während sie feierten und sich in Sicherheit wogen, weil sie unseren Erlöser fälschlicherweise besiegt glaubten, konnten wir uns zum Gegenschlag sammeln. Nun stehen wir besser da denn je, während die feindlichen Nachschublinien überdehnt sind und bald sogar ihre Alkoholvorräte zur Neige gehen werden, was ihre Moral brechen lässt. Denn unsere sorgfältigen Beobachtungen haben ergeben, dass die Fremden ohne ihre den Geist vernebelnden Gifte nicht existieren können. Vermutlich brauchen sie sie, damit ihnen die Widersprüche in den Lügen der Drachen nicht auffallen. Das Blatt wird sich also wenden und unser Sieg ist unvermeidlich. Der mitreißende Aufruf unseres Befreiers dringt bereits jetzt bis in die abgelegenste Taverne und lässt unzählige Freiwillige zu seinen Fahnen strömen. Aus dem Dunkel der vergangenen Streitigkeiten werden wir ruhmreich dem Morgenrot entgegen ziehen, in eine neue Zeit.

Die Stunde Null

An dieser Stelle sind wir stolz, als Zeichen unserer unabhängigen Berichterstattung einen Vorabentwurf einer Rede des Befreiers veröffentlichen zu können. Wir haben sie von einer vertrauenswürdigen Quelle aus seinem näheren Umfeld erhalten, die ihre Echtheit garantiert und sich dafür mittels Blutschwur verbürgt hat. Die Rede soll nach dem Sieg über die Imperialisten, die unsere Welt kolonisieren wollen, gehalten werden und wir sind selbst gespannt, was die großen Pläne des Befreiers sind. Um unserer Neutralitätspflicht gerecht zu werden, veröffentlichen wir diese Rede unkommentiert und unzensiert in ihrer vollen Länge.

„Es ist getan. Ich danke allen meinen wahren Gläubigen. Ihr habt nicht gewankt und den religiösen Fanatikern, die in unser Land eingefallen sind, erfolgreich die Stirn geboten. Der Kampf war hart, aber eure Loyalität und eure Standfestigkeit haben ihn entschieden. Leider gab es große Verluste und Verwüstungen. Um einen schnellen Wiederaufbau zu gewährleisten, werden daher alle wahren Wege und alle verbliebenen Fürstentümer Abgesandte in den Großen Rat der Befreiten entsenden. Hier stehen sie mir mit Rat zur Seite, empfangen meine Weisheit und tragen meine Wünsche in ihre Heimat zurück. So koordinieren wir den Wiederaufbau und schaffen eine sichere und stabile Ordnung, die tausende von Jahren bestehen und den Frieden sichern wird. [kurze Pause für Applaus der Abgesandten]

Doch das ist nicht alles.

Wir haben die Fremden vertrieben. Letzte Aufräumarbeiten stehen noch an. Alle hier verbliebenen Ungläubigen, die dem Drachenglauben nicht abschwören wollen, sowie zahlreiche Gefangene müssen [dieser Abschnitt war leider unleserlich]. Dies wird auch unsere Wirtschaft stärken.

Nachdem wir die Fremden vertrieben haben, müssen wir nun weiterdenken. Bisher sind wir die, die überfallen wurden. Die Fremden kommen hierher und nehmen uns unser Land, unsere Kultur und unsere Lebensweise. Sie veralbern unsere Sprache und unsere Kleidung, wollen uns lächerlich machen und herabwürdigen. Dies mag vorübergehend aufhören, nun, da wir sie endgültig ausgemerzt haben. Doch wenn unser Friede von Dauer sein soll, dürfen wir nun nicht innehalten. Als letzte Bastion der Kultur in einer Wüste der Barbarei werden wir nicht überdauern können.

Sogar ihre Sprache diskriminiert uns und verurteilt uns zum Tode. Sie sprechen von einer ersten und einer zweiten Welt. Unsere Welt soll nach ihrem Willen vernichtet werden, ja sie muss angeblich vernichtet werden, damit sie ihre errichten können. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir dürfen erst ruhen, wenn diese Gefahr beseitigt ist. In einem haben die Drachengläubigen nämlich recht: Es gibt zwei Welten, wir teilen sie und mit ihnen. Aber ein geteiltes Haus kann nicht bestehen bleiben. Es muss geeinigt werden. Diese Einigkeit können nur wir erreichen. Die Drachen streiten selbst untereinander, wie wollen sie da mit uns Frieden halten? Es liegt an uns, die Veränderung zu sein, die wir in den Welten wünschen.

Wir haben Äonen lang immer die andere Wange hingehalten. Nun schlagen wir zurück. Auch wenn der Feind uneins ist, wird der Kampf uns alles abverlangen. Doch denkt immer daran, warum wir siegen werden, warum wir überlegen, besser sind. Unsere Stärke erwächst aus Einigkeit! Unsere Einigkeit erwächst aus Glauben! Unser Glaube wird uns zum Sieg führen.

In seiner panischen Flucht hat der Feind zahlreiche Artefakte zurückgelassen. Die intensive Befragung gefangener Drachengläubiger, darunter hochrangige Funktionsträger in deren Welt, ergab, wie wir damit den Urstrom als Portal verwenden können. Diesmal werden wir die Eroberer sein. Wir werden in ihre Welt gehen. Unser Banner wird über beiden Welten wehen. Vereint im Glauben wird uns nichts und niemand aufhalten. Bereits jetzt haben wir die Treusten der Treuen vorgeschickt. Verkleidet als Drachengläubige nehmen sie seit Jahren Schlüsselpositionen in den Reihen der Feinde ein. Wenn wir kommen, schlagen sie zu. Aus dem Schatten treten sie ins Licht und Bahnen unseren Truppen den Weg.

Ich erkläre daher diesen Moment unseres Sieges, dieser Moment, in dem unsere Herrschaft über alle Welten und die endgültige Vernichtung der Drachen endlich bevorsteht, zur Stunde Null. Von nun an soll eine neue Zeitrechnung gelten. Alles vor diesem Moment wird als vB, als vor Erscheinen des Befreiers bezeichnet und alles danach als nB, als nach Erscheinen des Befreiers. Nur so können wir die Bedeutung des Augenblicks angemessen würdigen.

Und nun marschiert, meine Gefolgsleute. Marschiert zur Vernichtung und zum Ende der Drachenwelten. Bringt ihnen die neue Zeit und fegt das Alte beiseite. Vorwärts zum Sieg!“

Artikelbilder: © DrachenFest UG & Co. KG
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Alexa Kasparek
Fotografien: Nabil Hanano

 

2 Kommentare

  1. Hallo! Ein toller Inhalt, aber für mich ungemein verwirrend zu lesen. Ich komme mit den Informationen ohne eine Erklärung nicht wirklich mit. Was für ein Befreier? Als Beispiel. Gibt es Möglichkeiten sich irgendwo soweit zu informieren dass man auch ohne Anwesendheit auf den letzten beiden ZDL noch weiß was passiert? Danke im Vorraus!

  2. Hallo Xeno,
    der Artikel ist nicht über ein ZdL, das Tatsächlich stattfand. Das ZdL 2020 und 2021 sind aufgrund der Pandemie ausgefallen. Dieser Beitrag ist eine Hommage und überspitztes „was hätte sein können“.

    Du findest in unserem Archiv jedoch auch die Berichte der letzten ZdLs die stattfanden und kannst dort die Geschehnisse nachlesen.

    Viele Grüße
    Michael

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