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Christine Rauscher hat nach acht Alben mit verschiedenen Bands wie Heiter bis Folkig und PurPur ihr erstes Solo-Album veröffentlicht. In den Gesungenen Geschichten geht es um genau das – fantastische und bewegende Geschichten. Mit Teilzeithelden hat sie über die Produktion des Albums, ihre Inspiration und die Veränderung der Musikszene gesprochen.

Gesungene Geschichten – so der Name des ersten Albums, das Christine Rauscher mit ihrem Alter Ego „Gabria die Gabenreiche“ Anfang des Jahres veröffentlicht hat. Ein Debüt ist das Album für die Sängerin bei Weitem nicht: Seit 2010 tritt die Bambergerin als Teil der Band Heiter bis Folkig und seit 2008 mit ihrer Zwillingsschwester Judith als das Duo PurPur auf. Die zwölf Geschichten, teils englisch-, teils deutschsprachig, handeln von epischen Schlachten, vom Verlust, von unzertrennlichen Freundschaften und mythischen Wesen – der Stoff, aus dem Legenden werden. Mit Teilzeithelden hat die Musikerin darüber gesprochen, wieso gerade die Pandemie sie dazu bewogen hat, ein Larp-lastiges Musikalbum zu produzieren. Außerdem erzählte sie über die Zusammenarbeit mit der Skulpturenmanufaktur Forgotten Creatures um Florian Schäfer und welche Rolle Twitch und Patreon für sie spielen.

Gabria aka Tini – eine Biografie

Gabria ist der Name der Bardin, die Christine ‚Tini‘ Rauscher unter anderem auf Larps spielt. Die Bambergerin wuchs bereits sehr musikalisch auf, sang seit ihrer frühesten Kindheit in Chören und studierte später Germanistik mit Schwerpunkt auf Mediävistik sowie Theater- und Medienwissenschaften in Erlangen. Neben ihrer Stimme begeistert sie auch mit Gitarre, Bodhran, Irish Bouzouki und Low Whistle.

Tini musiziert mittlerweile seit über einem Jahrzehnt in diversen Bandformationen, streamt seit einigen Jahren auch auf Twitch mit regelmäßigen Musikabenden und lädt regelmäßig Inhalte auf Patreon hoch.

Daneben ist die freischaffende Künstlerin auch als Traurednerin und Songwriterin aktiv, ist langjährige Larperin mit Herzblut und wird von Gremlins verfolgt.

© Carolin_Weltz
© Carolin_Weltz

Interview

Teilzeithelden: Hallo Christine, es freut uns, dass wir miteinander reden. Die meisten kennen dich ja vor allem von Heiter bis Folkig und dem Duoprojekt PurPur, das du zusammen mit deiner Schwester bestreitest. Was hat dich dazu bewogen, nun dieses Soloprojekt zu starten?

Christine: Ja, hallo! Es freut mich auch ungemein. Tatsächlich hatte ich diese Idee schon seit Längerem. So richtig dazu bewogen hat mich jedoch erst die Pandemie durch die damit einhergehenden Einschränkungen. Zum Beispiel bei den Proben mit meiner Band und mit meiner Schwester, die mittlerweile auch nicht mehr in derselben Stadt lebt. Das war so ein bisschen der Druck und die Notwendigkeit von außen, weil es natürlich immer aufregend und auch ein bisschen furchteinflößend ist, wenn man etwas Neues probiert. Oft brauche ich genau so etwas und so habe ich diesen jetzt genutzt.

Ich habe schon seit längerem angefangen, nebenher einzelne Songs für meine Patreons zu schreiben, habe mir aber nie wirklich überlegt, daraus eine offizielle CD zu machen.

Teilzeithelden: Du bist also deinem Publikum in das Internet „gefolgt“? Wie hat sich das auf deine Entscheidung, ein Album aufzunehmen, ausgewirkt?

Christine: Durch die Pandemie haben Plattformen wie Patreon und Twitch, auf denen ich sowohl meine Band- wie auch meine Soloprojekte streame, einfach mehr Bedeutung bekommen. Wenn ich alleine streame – und das habe ich in den letzten zwei Jahren vermehrt machen müssen – sind einige Bandsongs einfach nicht machbar. Deshalb war es auch da logisch, mich auf die Solosongs zu konzentrieren. Durch das Feedback der Leute kam der Punkt, an dem ich dachte: Hey, krass, das ist im Grunde eine CD, die ich hier über die letzten zwei Jahre nach und nach an meine Patreons rausgegeben habe. Wenn ich jetzt noch zwei, drei Lieder hinzufüge und das Ganze professionell aufnehme, dann ist das ein Album. So habe ich beschlossen: Ich mache das jetzt.

Teilzeithelden: Warum eine CD und nicht ein rein digitales Angebot? Das scheint ein wenig gegensätzlich zu deinem ansonsten sehr digitalen Angebot zu sein.

Christine: Das hatte natürlich auch finanzielle Gründe, weil man eine CD ganz anders promoten kann. Es ist ein Werkstück, nicht nur eine Reihe von Einsen und Nullen und auch für mich als Künstlerin etwas Greifbares. Die Entscheidung, eine komplette Solo-CD zu veröffentlichen, hat für mich bedeutet, anzuerkennen, dass ich wirklich ein Album geschrieben und aufgenommen habe. Vorher hat sich das für mich nicht so angefühlt und wurde so, glaube ich, auch nicht wahrgenommen.

Teilzeithelden: Wie du sagtest bist du aktuell sehr aktiv auf Twitch und Patreon, hast auf beiden Plattformen deine eigenen Kanäle. Wie sehen deine Pläne aus, wenn größere Veranstaltungen auf realen Bühnen wieder möglich sind? Wirst du nun vermehrt auch solo live auftreten?

Christine: Also, ich werde auf jeden Fall versuchen, live aufzutreten. Inwieweit ich das solo tun werde, überlege ich noch. Das ist eine schwierige Frage, da es für einen Live-Auftritt grundsätzlich mehr hermacht, nicht alleine dazustehen. Ich finde, für den sehr intimen Rahmen eines Streams, wo ich vor meiner Kamera sitze und meine Zuhörer in ihrem Wohnzimmer, ist das Soloprojekt vollkommen richtig. Ob ich diese Stimmung, diese Intimität eins zu eins auf einen Liveauftritt übertragen kann und will, weiß ich noch nicht.

Teilzeithelden: Das klingt, als ob die Streams auch nach der Pandemie weitergehen werden?

Christine: Ich werde definitiv mit den Streams weitermachen, das steht fest. Das ist eine Lektion, die die Pandemie uns Künstler*innen, teilweise sehr hart, gelehrt hat: Es ist klug, in dem Genre, in dem wir uns bewegen, mehrere Säulen zu bedienen und zu pflegen. Ich hatte noch Glück, hatte bereits vor Covid einen Patreon-Account und habe diese Säule schon als Einkommensquelle genutzt. Anderen Musiker*innen, die nur live gespielt hatten, brach ihre Einnahmequelle weg, und die mussten auf einmal eine 180°-Wende machen.

Teilzeithelden: Warum ist diese Veränderung der Musikszene genau nötig?

Christine: Auftritte sind ein unsicheres Feld, Events können abgesagt werden, man kann krank werden und ausfallen. Twitch-Streams von Zuhause sind niedrigschwellig und leichter zu organisieren, und Patreon als stabile Einnahmequelle ist für mich unverzichtbar geworden und wird auch in Zukunft wichtiger Bestandteil meiner Arbeit bleiben.

Teilzeithelden: Du hast deinem Soloprojekt den Namen deiner Larp-Bardin Gabria gegeben. Wie viel Larp steckt in deinen Gesungenen Geschichten?

Christine: Sehr viel. Es ist immer schwierig, sich selbst zu beschreiben oder sich ein Label zu geben, aber ich bin Rollenspielerin und Larperin aus Leidenschaft und mit Herz und Seele. Es ist ein Hobby, das ich zum einen sehr liebe und während der letzten Jahre schmerzlich vermisst habe , zum anderen liefert es mir unglaublich viel Inspiration. Ich habe das Album zwar erst jetzt gemacht, aber viele der Ideen und Konzepte der Lieder sind viel älter. Ich hatte sie schon vorher und habe sie während der Pandemie nur noch in Ton und Arrangement gemeißelt.

© Lichtschmiede
© Lichtschmiede

Teilzeithelden: Es ist uns aufgefallen, dass deine Liedtexte oft sehr emotional sind. Inwiefern haben deine Larperfahrungen das Album geprägt?

Christine: In diesen Songs und Geschichten geht es viel um grundsätzliche menschliche Erfahrungen, auch wenn sie in ein Fantasygewand gepackt wurden. Dementsprechend steckt wahnsinnig viel Larp drin. Ich kann im Liverollenspiel Situationen erleben, die ich im wahren Leben nie erleben könnte oder auch erleben wollen würde. Ich kann Emotionen spüren und erfahren, auch negative wie Verlust, aber eben im geschützten Rahmen ‚Rollenspiel‘. Es ist – natürlich – einfacher, den Tod eines befreundeten Charakters künstlerisch zu verarbeiten als den Tod eines Freundes. Diese spielerische Distanz macht es einfacher, solche intensiven Szenen als Inspiration zu nutzen.

Ich hoffe dennoch, dass das Album trotzdem auch für Menschen anhörbar ist, die nicht aus dem Bereich Pen-and-Paper und Liverollenspiel kommen.

Teilzeithelden: Welche Cons und Veranstaltungen planst du mit deinen Charakteren zu besuchen?

Christine: Ich hoffe, auf das Geraltsfest und das Epic Empires gehen zu können, das wären die größeren Veranstaltungen in dem Zusammenhang. Meine Bardin Gabria spiele ich eher auf kleineren Veranstaltungen, auf Tavernen oder mal einen Abend auf dem Conquest.

Letztendlich kann man mich als Bardin auch anfragen. Ich muss natürlich sagen, dass die Musik mittlerweile mein Job ist. Manchmal ist es deswegen terminlich schwierig für mich, nur noch zum Spaß kostenlos als Bardin aufzutreten.

Man kann mich natürlich auch für Cons buchen, das ist überhaupt kein Problem, oder einfach mit mir reden – ich liebe es, im Larp für die Menschen Musik zu machen, mit Menschen zu spielen, und bisher hat man immer einen gemeinsamen Nenner gefunden. Oft sind es auch die zufälligen Begegnungen, die die beste Inspiration bringen.

Teilzeithelden: Wo wir von Inspiration sprechen: Wie stark hat sich deine Zusammenarbeit mit Forgotten Creatures und deren mythologische Kunstwerke auf das Album ausgewirkt?

Christine: Sehr konkret in zwei Liedern: „Der wilde Reiter“ und „Der Ruf der Nixe“. Forgotten Creatures und der liebe Flo (der Künstler und Gründer hinter Forgotten Creatures, Anm. d. Red.) haben dem Album bei diesen zwei mythologischen Songs einen anderen Fokus gegeben. Fantasy ist eigentlich nur eine moderne Ausformung von historischer Mythologie, daher hat das super gepasst. Es hat mir aber auch neuen Input geliefert. Ich liebe Kooperationen und würde viel lieber und öfter mit so coolen Menschen wie Flo zusammenarbeiten. Er baut seine Figuren basierend auf historischen Textquellen, die beschreiben, wie sich die Menschen diese Wesen tatsächlich vorgestellt haben. Das ist eine andere Art von Verbindung und Inspirationsquelle. Das fand ich sehr, sehr hilfreich und gibt dem Album neben den fantasylastigen, den larpigen und auch den irisch-folkigen Teilen neue Nuancen.

Teilzeithelden: Deine Musik ist sehr folklastig, stimmt. Welchen Stellenwert misst du dem Genre in deiner eigenen Musik bei?

© Antje Hamann
© Antje Hamann

Christine: Ich liebe Folk einfach, da komme ich her und das ist meine große Leidenschaft. Das habe ich auch immer in meinem Bardenspiel eingebracht. Ich würde meine Musik als Deutsch-Folk bezeichnen – nicht Volksmusik –, weil sie die entsprechenden Instrumente, die Musikführung und Motive beinhaltet. Es gibt im deutschsprachigen Raum eine reichhaltige Mythologie, und ich finde es super, diese aufzugreifen und in meiner Musik zu verarbeiten. Ich bin in Deutschland geboren und mit genau diesen Geschichten aufgewachsen, und es ist ein bisschen schade, dass der Fokus im Folk aus historischen Gründen im Ausland liegt. Daher schätze ich das Projekt von Forgotten Creatures sehr, diese fast vergessenen Kreaturen wieder in unser Bewusstsein zurückzuholen. Das sind Teile unseres kulturellen Erbes, die wunderschön und vielseitig sind und nicht automatisch nur schlimm oder gefährlich – man muss den Kontext beachten und genau hinsehen, was woher kommt und wie von wem genutzt wird. Das ist schon wichtig, aber ich möchte diese Kultur als Teil meiner Musik bewahren.

 


 

Wir bedanken uns herzlichst bei Gabria für das wunderbare Gespräch. Wenn ihr nun neugierig seid und mehr über die Künstlerin und ihre Musik erfahren wollt, besucht sie doch auf ihren regelmäßigen Musikabenden auf Twitch oder unterstützt sie via Patreon!

Artikelbilder: © Christine Rauscher, Antje Hamann, Hygin Graphix, Carolin Weltz, Lichtschmiede
Layout und Satz: Roger Lewin

Über den Autor

Florian Zimmermann liebt das Narrativ, ihn fesseln die Geschichten mehr als die Grafik. Seit seinem ersten Point-and-Click hat sich daran in drei Dekaden auch nichts geändert. Wenn er in seiner freien Zeit nicht gerade am Computer sitzt und in fremde Welten, alternative Realitäten oder düstere Dystopien versinkt, spielt er in Pen-and-Paper-Runden oder bearbeitet seine Larp-Ausrüstung für die nächste Con. Zumindest erzählt er sich das selbst und weiß gar nicht, wieso er immer zwei Tage vor Beginn die Nächte durcharbeitet, damit alles rechtzeitig fertig wird.

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