Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Cthulhu-Abenteuer beginnen häufig mit großen Namen. Nyarlathotep, Carcosa, R’lyeh , sind gern gesehene Gäste in den Titelzeilen. Das FHTAGN-Abenteuer Riders On The Storm bildet da keine Ausnahme, wirbt aber mit The Doors für Ermittlungen im Hollywood der 1970er-Jahre. Wie die musikalische Reise in den Wahnsinn verläuft, erfahrt ihr im Kurzcheck.

Wer unvoreingenommen als SL oder Spieler*in an das Abenteuer herangehen möchte, sei hiermit gewarnt, es folgen Spoiler für Aufbau und Inhalt von Riders On The Storm.

Trotz der offensichtlichen Referenz auf die Rockband um Jim Morrisson hat das Abenteuer direkt auf den ersten Seiten eine Überraschung im Petto. Die Geschichte dreht sich nämlich in fiktionalisierter Version (die Namen wurden minimal abgeändert, um Copyright-Probleme zu vermeiden) um die Entstehung des Liedes „Hotel California“ beziehungsweise abgewandelt „Hotel Hell“ von einer anderen populären Band der Zeit: The Eagles, im Abenteuer einfach „The Band“ genannt. Die Lieder der 1970er-Jahre geben die Stimmung für den Rest der Geschichte vor: Düsternis, Melancholie und Dekadenz. Dabei verknüpft Autor Moritz Honert die musikalische Origin-Story mit einem Kriminalabenteuer in der „City Of Night“.

Als besonderes Schmankerl waten einige Audio-Handouts auf, die weiter in das musikalische Thema hineinspielen.

„Into this world we’re thrown“ – Allgemeines zum Setting

Riders On The Storm beginnt mit einer Einführung in das Amerika und insbesondere das Los Angeles der 1970er-Jahre. Auf einer Seite lesen wir über die tiefgreifenden Veränderungen, die die Gesellschaft in den vorangegangenen Jahren durchgemacht hat und weiterhin durchmacht. Eine Stärke der Hintergrundinformationen ist, dass sie sehr detailliert mit Beispielen unterfüttert sind und auch beispielhafte Filme der Zeit, aber auch Sachbücher und Comics oder ausgewählte Musik als Inspiration vorstellt, welche Stimmung auf das Abenteuer machen.

Ein gelblicher Dunst liegt über Los Angeles.

Die vielen Regieanweisungen zeugen davon, dass das Abenteuer bereits unzählige Male geleitet wurde und der Autor mit sinnvollen und sehr spielpraktischen Ratschlägen zur Seite steht. Dabei geht es nicht nur um Unterschiede in der Atmosphäre, wenn auf Conventions oder Daheim gespielt wird, sondern auch um typische Engstellen oder Sackgassen in dem Ermittlungsabenteuer.

Positiv hervorzuheben ist außerdem, dass gerade das Abarbeiten von Zeug*innen oder Tatorten vermieden werden soll. Alle nötigen Informationen werden der SL an die Hand gegeben, wie auch einige mögliche Orte, wo sie für die Spieler*innen zu finden sind. Jedoch legt sich das Abenteuer hierbei nicht fest und bietet größtmögliche spielerische Freiheit im Rahmen eines Ermittlungsabenteuers, welches sonst eher wie ein einengendes Korsett wirken kann.

„Lucky little lady in the city of night” – Zum Inhalt

Immer heftiger werdende Unwetter suchen die Stadt im Verlaufe des Abenteuers heim, die alsbald im Chaos zu versinken droht.

Inhaltlich geht es in dem Abenteuer um das Verschwinden mehrerer junger Tramperinnen, das es als Beamtenschaft der Mordkommission in Hollywood zu lösen gilt. Der Fall nimmt Fahrt auf, als eines der Mädchen ermordet und mit merkwürdigen Tätowierungen aufgefunden wird. Während Untersuchungen im familiären Umfeld wenig neue Informationen zu Tage fördern, abseits eines Charlie, der mit den Mädchen in Kontakt stand, geschehen weitere Morde. Gleichzeitig nehmen die Unwetter in L.A. und auch ihre Intensität ungewöhnlich stark zu.

Der zweite Mord, namentlich an Rockstar Don Freely (angelehnt an Eagles-Frontmann Don Henley), steht auf den ersten Blick in keinerlei Verbindung zu den verschwundenen jungen Frauen. Das Ganze scheint „nur“ ein weiterer verrückter und entlaufener Mörder in einer bereits kaputten Stadt zu sein, der nackt und stinkend, aber laut Zeug*innenaussagen unendlich schön, den Rockstar brutal zerstückelt hat. Der Tatort des toten Künstlers bringt die Investigator*innen jedoch auf die Spur des Liedes „Hotel Hell“, welches Freely als Soundtrack für einen Spielfilm der abgehalfterten Pornoproduzentin Susan van Kleef schrieb.

Achtung, Spoiler!

Bei einem Abstecher in die Wüste beim Mission Hotel wird ein weiteres der verschwundenen Mädchen tot aufgefunden, ebenfalls stark tätowiert. Nachforschungen bei den im Mission Hotel ebenfalls anwesenden Personen fördern zu Tage, dass sich ein Film namens „Der König in Gelb“ in Produktion befand. Bei weiterführenden Recherchen über die damals anwesenden Hotelgäste oder etwaigen Besuchen in ihren Wohnungen stellt sich heraus, dass sie alle kürzlich verstorben sind. Währenddessen versinkt die Stadt immer weiter im Chaos. Immer wieder wird in der Nähe der Verstorbenen der schöne nackte, aber stinkende Mann gesichtet, der bereits Don Freely auf dem Gewissen hat. Bei der Suche nach Susan van Kleef begegnet die Gruppe ihm sogar direkt.

Die Investiagtor*innen verschlägt es abschließend zum Kult der „Children of the blessed star“, wo sich Charlie, der gemeinsame Bekannte der toten Mädchen, als Sektenführer Charles Danson entpuppt. Dieser – Plottwist – versuchte, mit den Ritualmorden ein durch Susan van Kleefs Drehbuch geöffnetes Portal nach Carcosa zu schließen und somit die Ankunft des „Königs in Gelb“ zu verhindern. Riders On The Storm überlässt es den Spielenden, ob sie Charles‘ Arbeit vollenden wollen oder die Welt dem Untergang anheimfallen lassen.

[Einklappen]

Erscheinungsbild

Riders On The Storm umfasst 79 Seiten und präsentiert sich in einem schlichten Grau mit braun-ockernem Layout, verwendet aber auch gelb Eingesprenkeltes in Form der zahlreichen Hilfestellungen und Regieanweisungen. Auch die Schrift ist nicht zu klein geraten, das Lesen geht daher leicht von der Hand. Die für eine Szene nötigen Informationen lassen sich schnell durchlesen und es gibt immer Verweise auf die entsprechenden Handouts.

Die Illustrationen sind weniger zahlreich und eher zweckdienliche L.A.-Bilder mit einem recht starken Gelbfilter, um eines der zentralen Themen im Buch aufzugreifen. Sie bleiben etwas hinter den restlichen Dreingaben zurück, allerdings liegt die Messlatte hierbei auch sehr hoch.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Deutsche Lovecraft Gesellschaft
  • Autor: Moritz Honert
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: PDF und Softcover
  • Seitenanzahl: 79
  • ISBN: –
  • Preis: 10,50 USD (PDF), 15,78 USD (Softcover)
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG

 

Texas Radio and the Big Beat – Bonus/Downloadcontent

Besondere Stärke des Abenteuers sind die über 30 frei verfügbaren Zeitleisten, Tabellen und Handouts, die dazu beitragen, dass weder SL noch die Gruppe den Überblick über den momentanen Ermittlungsstand und die Hinweise verlieren. Insbesondere die Audio-Handouts in Form von Radio-Beiträgen sind eine schöne und innovative Idee, eine bereits sehr auf Musik ausgerichtete Geschichte mit dem richtigen Medium zu versehen.

Die Handouts des Abenteuers sind frei verfügbar und zahlreich. Sie sind außerdem voller Anspielungen auf die Musik der Zeit.

Auch der Kniff, Erzählungen von Augenzeug*innen in Form von Flashbacks nachzuspielen, anstatt sich einfach Erzählungen der SL anzuhören, klingt überaus spannend, auch wenn es für unerfahrenere Gruppen zuerst überfordernd wirken mag, so schnell die Rollen zu tauschen und sich in völlig andere Umstände hineinzuversetzen.

Das Abenteuer kommt außerdem mit fünf sehr verschiedenen Charakteren, die im polizeilichen Hintergrund geeint sind und je nach Gruppenzusammensetzung männlich oder weiblich sein können. Das Hauptaugenmerk bei den Figuren liegt auf ihren Einstellungen zum Übernatürlichen und wie sehr sie die Vorkommnisse im Laufe der Geschichte an ihrem Verstand zweifeln lassen, oder ob sie sie für bare Münze halten. Daher gilt auch die ausdrückliche Empfehlung vom Autor, zu schauen, dass das Gleichgewicht von Charakteren auch in kleineren Gruppen erhalten bleibt.

Fazit

Riders On The Storm ist ein mehr als solides Cthulhu-Abenteuer in einer bisher wenig genutzten Epoche. Das dreckige Flair von Los Angeles und der Niedergang des „American Dream“ sind durchaus greifbar dargestellt. Auch die vielen praktischen Hilfestellungen und die offen gestalteten Szenen machen das Abenteuer äußerst gut umsetzbar und vielseitig.

Die vielen popkulturellen Referenzen wie auch die realweltlichen Bezüge dürften vor allem für Kenner*innen der Zeit interessant sein. Die Handouts sind nicht nur eine sinnvolle Spielunterstützung, sondern im Falle der Audio-Handouts auch Spielerweiterung. Dass dabei die Illustrationen mit ihrem starken Gelbstich etwas farblos wirken, ist daher auch verschmerzbar. Lediglich preislich ist das Abenteuer mit knapp 11 USD teurer, als es Käufer*innen von z. B. den Call of Cthulhu-Bänden Pegasus‘ gewohnt sein mögen. Riders On The Storm scheint ein gelungenes Werk mit genügend Material für ein oder zwei Spieleabende in der Stadt der Engel zu bieten.

  • Gelungene Verbindung von realen Gegebenheiten in eine klassische Cthulhu-Geschichte
  • Zahlreiche popkulturelle Referenzen
  • Offene und Innovative Spielmechaniken sowie Handouts
 

  • Verhältnismäßig hoher Preis

 

 

Artikelbilder: © Deutsche Lovecraft Gesellschaft e.V.
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Saskia Harendt
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein