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Kampagnen sind die schönste Form, Pen-and-Paper-Rollenspiel zu betreiben. Doch wie kann man nach vielen Abenteuern und epischen Erlebnissen die Charaktere in die wohlverdiente Ruhe schicken? Das Ende einer Kampagne ist wichtiger als ihr Beginn, denn daran werden sich die Spieler*innen erinnern. In diesem Artikel diskutieren wir, wie alles endet…

Der Beginn vom Ende – die Einleitung des Kampagnenendes

Jede Kampagne wird irgendwann unweigerlich enden. Damit sich alle Beteiligten lange im Guten an diese erinnern werden, sollte das Ende möglichst gut überlegt sein. Schauen wir uns einmal drei Beispiele an, wie es nicht aussehen sollte:

Eine langjährige Spielrunde hat sich zum letzten gemeinsamen Spielabend versammelt. Die Charaktere stehen ein letztes Mal gemeinsam ihrem alten Erzfeind gegenüber. Trotz schlechter Würfe wissen alle Beteiligten, dass die Charaktere nicht scheitern können. Man gewinnt ohne große Umstände. Man verabschiedet sich und vergisst den Spielabend schon in der nächsten Woche.

Eine andere Spielrunde hat schon viele Spieler*innen- und somit Charakterzu– und abgänge erlebt. Von der originalen Spielrunde sind nur noch ein ursprünglicher Charakter und zwei Spieler*innen übriggeblieben. Das anfängliche Thema der Kampagne ist schon lange in Vergessenheit geraten beziehungsweise wurde immer wieder gegenüber interessanteren aktuellen Problemen beiseitegeschoben. Manchmal trifft man sich noch und spielt ein wenig. Meistens aber hat man mehr Interesse für andere, neuere Runden. Man ist sich unausgesprochen einig, dass man das Ende der Runde nicht mehr erleben wird.

Eine dritte Spielrunde möchte gerne zusammenspielen. Leider ist ein*e Spieler*in schon vor längerer Zeit weggezogen, man sieht sich kaum noch und das Spiel übers Internet macht auch keine besondere Freude. Irgendwie mag man noch spielen, aber man hat eingesehen, dass in dieser Geschwindigkeit kein Ende in Sicht ist.

Was ist schief gegangen?

Kampagnen sind einer der schönsten Aspekte des Hobbys Pen-and-Paper. Neben der Möglichkeit, seinen Charakter leben, leiden und wachsen zu sehen, kann man mit hoffentlich lieben Menschen und ihren interessanten Spielfiguren unzählige Stunden gemeinsamen Spiels erleben und erzählt zusammen eine spannende Geschichte.

Leider kommt es irgendwann zu einem unweigerlichen Ende jeder Spielrunde und damit auch der Kampagne. Sei es durch Desinteresse, Zeitmangel, einen Streit, einen Wegzug von Spieler*innen, unüberwindlich scheinende Hindernisse oder logische Konsequenzen innerhalb der bespielten Welt, jede Spielrunde hat ein Ablaufdatum. Obwohl das natürlich schade ist, kann das dafür eine umso lohnendere Herausforderung für Spielleiter*innen, aber auch Spieler*innen sein, sich irgendwann Gedanken darüber zu machen, wie das Ende der Kampagne aussehen soll. Das Ende ist das Element der Geschichte, woran sich alle wahrscheinlich erinnern werden und auch sollen. Ein langweiliger Abschluss hinterlässt den faden Geschmack, dass die Geschichte so viel interessanter hätte sein können.

Welche Elemente benötigt ein würdiger Abschluss?

Idealerweise hat die Spielleitung für einen spannenden und erinnerungswürdigen Kampagnenabschluss gleich mehrere Elemente in petto:

  • Die Charaktere überwinden das Hindernis, welches sie schon seit Beginn der Geschichte quält
  • Die Charaktere hinterlassen einen bleibenden Eindruck auf der bespielten Welt, ihre Handlungen haben Konsequenzen
  • Persönliche Geschichten der Charaktere werden (zum größten Teil) abgeschlossen
  • Eben solches gilt auch für wichtige Nichtspieler*innencharaktere, die den Spielenden ans Herz gewachsen sind
  • Das Ende ist in sich logisch und bricht die Regeln des bespielten Universums nicht

Man sieht aus all diesen Beispielen schon, dass ein gelungenes Kampagnenende ein gar nicht so unterkomplex gestricktes Unterfangen ist. Die Hoffnungen, Wünsche und Ängste aller beteiligten Spieler*innen zu berücksichtigen, verlangt eine funktionierende Kommunikation unter allen Beteiligten und ein Verständnis dafür, was sie sich vom Spiel erhoffen. Leider wird das nicht immer möglich sein, aber Spielleiter*innen und Spielende haben die Aufgabe, es so gut es geht zu versuchen.

Überraschungen

Als Spielleiter*in hat man die Kontrolle über die bespielte Welt. Da man natürlich nett sein will und den Spieler*innen ein Erlebnis bieten möchte, das sie noch Jahre bei gemeinsamen Treffen erzählen werden, erliegt man nur allzu leicht der Versuchung, ein ganzes Feuerwerk an überraschenden Plotwendungen, neuen Handlungen und unvorhergesehenen Wiedersehen mit längst tot geglaubten Charakteren zu veranstalten.

In den meisten Fällen wird die Enttäuschung eher groß sein.

Sobald man die innere Logik der Welt bricht, Charaktere ohne Notwendigkeit und Vorhersehbarkeit wieder von den Toten auferstehen lässt (ja, auch in nekromantisch und cybertechnisch angehauchten Settings kann man diesen Trick nur ein paar Mal ausspielen, bevor es zum Meme wird), werden die Spieler*innen wahrscheinlich eher irritiert denn positiv überrascht sein. Und das ist überaus schade.

Eine weitere Stolperfalle kann – neben einem Übermaß an Bombast – der langweilige Abschluss sein. Charaktere, welche eine gewisse Anzahl von Spieleabenden (was in der realen Welt durchaus Jahre bedeuten kann) überlebt haben, tendieren dazu, auch den Abschluss der Runde zu erleben. Das ist per se auch absolut nichts Schlechtes, zum Problem wird es allerdings dann, wenn das den Spieler*innen bewusst wird. Hier muss man eine feine Ausgewogenheit zwischen einem*r unkaputtbaren Held*in und dem sinnlosen Tod vor der Haustür des*r Oberschurken*in finden.

Präsentiere deinen Spieler*innen am Ende ruhig eine Überraschung – aber setze diese mit Bedacht ein.

Die finale Session – das endgültige Ende. Diesmal aber wirklich!

Einige Rollenspielsysteme haben in den letzten Jahren den Gedanken der „Session Zero“ aufgebracht, also ein Treffen vor dem Beginn des eigentlich Spiels, um die Erwartungen, Grenzen und weitere Ideen zu besprechen, bevor man mit dem eigentlichen Spiel beginnt. Ebenso verdient die letzte Sitzung ein paar vorauseilende Gedanken seitens aller Beteiligten. Wissen alle, dass es dem Ende zugeht? Weiß jede*r, was auf dem Spiel steht? Haben alle ihre Charaktere auf die finale Konfrontation, sei sie physisch oder sozial, vorbereitet?

Es kann leicht zu einem unbefriedigenden oder zumindest suboptimal verlaufenden Abschluss kommen, wenn den Spieler*innen gar nicht bewusst ist, was heute geschieht. Mach ihnen, am besten im Rahmen des Spiels, klar, dass es heute um alles geht. Dabei braucht es gar nicht so viel Bombast – zufriedenstellende Abschlüsse der kleineren Geschichten, die sich im Laufe der Abenteuer ergeben haben, sind letzten Endes genauso wichtig, weil erinnerungswürdig, wie der Fall des großen Übels, welches die Held*innen beschäftigt hat.

Nachdem das eigentliche Würfeln geendet hat, sollte man als Spielleiter*in alle Beteiligten kurz Luft holen lassen und alle weiteren Geschehnisse in der bespielten Welt, die noch von Interesse sein könnten, erzählend abschließen. Kommen der Drache und die Prinzessin doch noch zusammen? Kann der fiese Kraftwerksbesitzer seinen Traum eines eigenen Themenparks mit dem Monster von Loch Ness als Attraktion verwirklichen? Was geschieht mit der herr*innenlosen Dämonenarche vor dem Hafenbecken?

Die Computerspielreihe Fallout von Besthesda hat hier tolle Vorbilder geliefert. Je nach den Entscheidungen des*der Protagonisten*in werden am Ende jedes Spiels unterschiedliche Abschlüsse für die einzelnen anzutreffenden Fraktionen des Spiels gezeigt. Das können pro Fraktion vielleicht nur zwei Optionen sein, je nach erfolgter Interaktion, aber immerhin! Dieses Aufarbeiten der gemeinsam erlebten Geschehnisse und zu erfahren, was danach noch geschieht, lässt die Immersion und den Erinnerungswert stark steigen.

Und dann kam ein Meteor und löschte alles aus. Das Problem der Plotarmour

Wer schafft es bis zum Ende?

Das Problem der Plotrüstung, also der Unmöglichkeit, dass Charaktere ab einem gewissen Punkt sterben, haben manchen Systeme mehr, manche weniger. Die fünfte Edition von Dungeons & Dragons lässt die Held*innen auf höheren Stufen schon sehr mächtig werden. Gruppen, die gut zusammenarbeiten, werden hier nur selten Mitglieder verlieren. Andere Systeme wie Recon benötigen einen guten Drucker.

Wir balancieren dem Ende entgegen. © orlaimagen
Wir balancieren dem Ende entgegen. © orlaimagen

In jedem Fall ist eine Art Metakonsens zwischen allen Beteiligten sinnvoll – Charaktere können prinzipiell sterben, sollten dies aber möglichst nur dann tun, wenn es dramatisch von Nutzen ist (oder der*die Spieler*in eine bewusst unüberlegte Entscheidung trotz Warnung getroffen hat). Schließlich sind die Charaktere die Held*innen des Spiels. Und wer würde schon den Hauptcharakter seiner Geschichte innerhalb des ersten Buches von fünf (wobei zwei Bände noch erscheinen sollen) einfach so enthaupten…?

Dem Problem, dass sich Spielrunden aufgrund des Weggangs zu vieler Spieler*innen auflösen, kann man mit einem vorgezogenen Ende entgegenwirken. Wenn ein Auseinanderbrechen der Spielrunde absehbar ist – meistens durch Wegzug –, dann ist es vielleicht eine gute Idee, die gesponnenen Fäden möglichst rasch zu einem akzeptablen Ende zu führen und abzuschließen. Ein rasches Kampagnenende ist einem ewigen Hängen in der Luft hier vorzuziehen.

Fazit – am Ende ist alles nicht so einfach

Wer schafft es bis zum Ende? © lightsource
Wer schafft es bis zum Ende? © lightsource

Genauso, wie das Erzählen einer Geschichte über viele Spieleabende so einiges an Kreativität und Improvisationstalent verlangt, sollte man sich besonders überlegt auf das Finale vorbereiten. Welche Charaktere werden das Ende erleben und was sollen/können sie dort tun? Gibt es Dinge, die bestimmte Charaktere unbedingt zu einem vorgegebenen Zeitpunkt erledigen sollen oder haben sie die absolute Handlungsfreiheit? Was sollen die beteiligten Charaktere aus der finalen Begegnung mit dem Endgegner, ihren Freunden und sich selbst mitnehmen? Gibt es eine Lektion, die gelernt wurde oder war letzten Endes alles umsonst? Gab es ein die Kampagne übergreifendes Thema, das im Abschluss relevant war? Woran sollen sich deine Spieler*innen erinnern, wenn sie in ein paar Jahren wieder einmal an diese eine bestimmte Kampagne denken?

Denk daran, dass die Spieler*innen mindestens genauso viel Interesse an einem großartigen Ende haben wie die Spielleiter*innen. Von ihrer Seite kommen sicher gute Vorschläge und Ideen, was am Ende des Weges im Weg stehen soll. Schlimmstenfalls kann man diese guten Ideen als Spielleiter*in immer noch lächelnd ignorieren und sie somit überraschen. Wenn es denn gut gemacht ist.

Mach es erinnerungswürdig.

Titelbild: depositphotos © orlaimagen
Artikelbilder: depositphotos © wie gekennzeichnet
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Katrin Holst

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