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Untote sind ein klassischer Gegner im Pen-and-Paper-Rollenspiel. Vom einfachen Skelett oder Zombie bis zum mächtigen Vampirfürsten und Lich haben wir es mit einer faszinierenden und bunten Menagerie an Schwertfutter und charaktervollen Antagonisten zu tun. Hier erfährst du, wie du das Meiste aus den Untoten für deine Rollenspielrunden herausholen kannst.

Untote sind aus kaum einem Rollenspiel wegzudenken. Seien es die klassischen Skelette und Zombies aus der Fantasy, die Ghoule in der Sechsten Welt von Shadowrun oder der Postapokalypse von Fallout, die Untoten sind ein fester Bestandteil des Hobbys Rollenspiel.

Aber was macht ihre Faszination aus? Was macht sie interessant und hebt sie von generischem Schwertfutter ab? In diesem Artikel möchte ich den einen oder anderen Weg erkunden, wie du als Spielleitung das Beste und Schönste aus den Untoten herausholst, die du deinen Spieler*innen entgegenwirfst.

Ein Hauch Ewigkeit: die Faszination des Untods

Unsere moderne Gesellschaft hat sich wenige traditionelle Tabus erhalten. Dennoch sind Sex und Gewalt sowie ihr Einsatz am Spieltisch immer wieder wichtige Diskussionspunkte für Spielrunden. Auch der Tod ist für viele Menschen ein eher unangenehmes Thema. Die Untoten überschreiten mit ihrer bloßen Existenz eine Grenze zwischen Leben und Tod, die für die Charaktere der Spieler*innen noch viel grauenvoller sein muss, als wir Spieler*innen uns vorstellen können. Die Möglichkeit, dass der Tod nicht das Ende ist, kennen viele Religionen – aber nicht in dieser Form, welche eine Absage an jeden Erlösungsgedanken nach dem Tod darstellt. Mit dem Status als Untoter ist man verflucht und kann kaum noch auf eine friedliche Existenz nach dem Tod hoffen. Eben diesen transzendentalen Horror gut zu vermitteln, ist oftmals schwierig.

Was macht denn nun Untote und ihre Faszination aus?

Sie brauchen weder Nahrung oder Licht noch Schlaf. Sie sind somit vollkommen unabhängig von den Ressourcen, die andere Gegner der Held*innen benötigen.

Du musst rasten und schlafen. Sie nicht. Bei jeder Rast, jedem Ausruhen können sie wieder ein paar Schritte aufholen. Egal, wie schnell du rennen kannst, sie haben mehr Ausdauer. Irgendwann kriegen sie dich, denn ihre Geduld ist wie ihre Zahl endlos.

Sie kommen wieder. Ja, jeder halbwegs gesunde Mensch (oder Ork, oder Elf et cetera) kann ohne viel Mühe einen Zombie in einem fairen Kampf besiegen. Dank ihrer Magie (oder in ein paar Sonderfällen ihrer schweren Infektion mit einem aggressiv machenden Virus, gehirnzersetzenden Fungi et cetera) werden sie außer mit den schwersten Wunden immer wieder aufstehen und weiterkämpfen. Egal wie stark du bist, sie kommen wieder. Immer wieder.

Untote sind feige. Ja, die Horden an Skeletten und Zombies werden bis zum endgültigen Ende deine Held*innen bekämpfen, wenn ihre Herren es ihnen befehlen. Genau das ist der springende Punkt: Nekromanten, Liche und Vampire haben absolut keinen Grund, ihr Unleben auf irgendeine Weise in Gefahr zu bringen. Bösewichte, die tapfer sind, leben nicht lange, und das haben diese Wesen auf die bittere Art gelernt. Wenn es nur den Hauch einer Gelegenheit gibt, dass die Charaktere einen ehrlichen Kampf gewinnen könnten, werden die Untoten nicht ehrlich kämpfen, denn sie haben die Ewigkeit zu verlieren. Das bietet eine schöne Option für die Spielleitung: Wenn ein untoter Anführer wirklich zu stark für die Held*innen ist, dann kannst du als Spielleitung trotzdem den Rückzug antreten. Schließlich wird der Unhold nichts riskieren wollen. Andererseits darf eine untote Kreatur ruhig über ihre eigene Hybris stolpern und dadurch verwundbar werden.

Jeder Untote hat einen Grund für seine Existenz. Das klingt zunächst banal, bietet aber eine großartige Grundlage für Szenarien im Rollenspiel: Warum genau wälzt sich diese Horde Skelette oder jene kleine Gruppe Zombies durch die Gegend? Wer hat sie aus ihrem Grab geholt und warum? Die Antwort auf diese Fragen bietet Stoff für ganze Abenteuer.

Untote sind ein Fenster in die Vergangenheit. Wenn sie noch einen Hauch ihres Selbst bewahrt haben (und selbst bei Skeletten und Zombies kann man eventuell noch viel aus ihrer Ausrüstung herauslesen), so stammen ihre Anführer aus einer anderen Epoche, mehr noch, sind in manchem Fall sogar Intellektuelle, die sich viel Wissen erarbeitet und vielleicht sogar bewahrt haben. Man wird kein mächtiger Lich, wenn man nicht viele Tage an seinen geistigen Fertigkeiten gearbeitet hat. Vielleicht müssen deine Held*innen einen alten mächtigen Lich zu einem ganz anderen Thema als seinen Untod befragen, weil nur er ein lange vergessenes Ritual, eine längst ausgestorbene Sprache oder den Verbleib eines verloren gegangenen Artefaktes kennt. Der Untote als Fenster in eine vergangene Epoche ist definitiv eine spannende Möglichkeit, etwas alte Geschichte in dein Rollenspiel zu bringen.

Wir sehen schon aus dieser knappen Aufzählung, was uns die Untoten alles an Plotmöglichkeiten bieten. Während das Fußvolk durch ihre Anwesenheit Gefahr und Dringlichkeit zur Handlung ausdrückt, stellen die Herrscher der Untoten faszinierende Charaktere dar, die keinesfalls einfach nebenbei abgehandelt werden sollten.

Wir sind Legion: die Zombies

Wir sind Legion.

Zombies sind die wahrscheinlich am schwierigsten effektiv am Spieltisch einsetzbaren Untoten. Wir leben in einer Zeit der medialen ZombieÜbersättigung. Noch dazu weiß jede*r Spieler*in, dass der gemeine Wald-und-Wiesen-Zombie mit nassem Klopapier fesselbar ist und somit kaum eine Gefahr darstellt. Zombies haben daher stark an Schrecken verloren und langweilen eher. Setzt man hingegen als Spielleitung auf die Zombiewelle, baut sich am Spieltisch verständlicherweise Frust auf, weil Spieler*innen wie Charaktere wissen, dass sie keine Chance haben, einen Kampf zu überstehen (und das will man als Spielleitung ja auch vermeiden).

Was also tun?

Horror kommt am besten auf leisen Sohlen. Der einzelne Zombie, der aus einem ganz bestimmten Grund herumschlurft und vielleicht aus der Entfernung anfangs gar nicht als Untoter erkennbar ist, ergibt einen viel besseren Effekt als die große Herde Zombies, welche zum reinen Hack-and-Slay gedacht ist. Vielleicht ist dieser eine Zombie ein ehemaliger angehender Nekromantenlehrling, der bei seinem ersten Versuch zur Leichenbelebung vom Objekt seiner akademischen Neugier gemeuchelt wurde? Oder aber es ist ein Untoter, der einer ganz bestimmten Person ein verfluchtes Amulett überreichen soll und nicht ruhen wird, bis ihm diese Aufgabe gelungen ist?

Die klassische Zombielegion, welche ihre Feinde mit der eigenen Masse einfach wegdrückt, hat in epischen Kampagnen natürlich immer noch ihren Sinn und Zweck. Eine schöne Variante dieses Konzeptes wäre auch die Wiederverwendung alter dahingeschiedener Charaktere als neues Mitglied der untoten Horde, schließlich ist bei den Untoten absolut jeder willkommen. Stelle nur sicher, dass deine Spieler*innen damit umgehen können, gegen ihre eigenen Charaktere antreten zu müssen. Der Film The Gamers hat diese Idee mit der Wiederverwertung eines Total Party Kills der Vorgängerrunde schön dargestellt.

Zwischen Lebenden und Toten: die Nekromanten 

In jedem Nekromanten, gleich ob wissbegieriger Lehrling oder erhabener Meister der dunklen Künste, liegt der tiefsitzende Kampf gegen den größten aller Diebe, den Tod. Diese grundlegende Furcht vor dem Versinken ins Nichts treibt diese Scholaren an, sich von ihrer Gemeinschaft loszusagen und ins gelehrte Exil zu flüchten.

Grundsätzlich kann jedes Volk der Versuchung erliegen, durch arkane Studien seine Lebenserwartung zu verlängern. Besonders wichtig bei der Ausgestaltung dieser Magier ist ihre Motivation: Was hat sie dazu angetrieben, der Gesellschaft den Rücken zu kehren? Machthunger, der Wunsch nach Rache, eventuell eine tragische verlorene Liebe? Nekromanten – oder, etwas vornehmer formuliert, Experten für post- und transmortale Kommunikation – können aus durchaus noblen Motiven ihre Studien begonnen haben. So ist der Wunsch, mit einem geliebten Verstorbenen zu kommunizieren, nicht per se verwerflich. Wenn man dazu allerdings dessen Seele aus dem Jenseits zwingen muss, begibt sich der angehende Nekromant schnell auf einen dunklen Pfad.

Im Laufe des Studiums der Nekromantie wird sich der Nekromant immer weiter von seiner Menschlichkeit entfernen, das bringt der Umgang mit den (Un)Toten mit sich. Spiele deinen Nekromanten ruhig weltfremd aus. Der Charakter muss nicht unbedingt von Grund auf bösartig sein, aber es kann durchaus sein, dass die Jahre an seinem Verstand gezehrt haben.

Nekromanten hinter der letzten Grenze: Liche

Als eine Sonderform der Nekromantie praktizierenden Magier könnte man die Liche betrachten. Diese Wesen haben die Sterblichkeit hinter sich gelassen und haben effektiv durch ihre Studien und die daraus resultierende Macht Unsterblichkeit erreicht.

Liche sind herrlich unverbrauchte Gegenspieler, die deine Spieler*innen überraschen können.

Auch für die Liche gilt, dass sie kein persönliches Risiko eingehen werden, das nicht unbedingt vermeidbar ist. Im Unterschied zu den Nekromanten, denen noch ein Rest an Menschlichkeit inne sein kann, haben sie jede menschliche Regung und Gefühle hinter sich gelassen. Sie sind daher die perfekte Anregung, einen Charakter bar jeder menschlichen Maßstäbe zu spielen. Vielleicht hat der Lich einfach zu lange gelebt, um noch in denselben Kategorien wie Sterbliche zu denken, vielleicht ist es auch der Untod selbst, der ihn anders denken lässt. Du hast mit dem Lich die Möglichkeit, kreativ im Umgang mit dem Antagonisten zu werden, es wäre schade, dies nicht zu nutzen.

Nobel nach Außen, Bestie im Inneren: die Vampire

„I am The Ancient, I am The Land. My beginnings are lost in the darkness of the past. I was the warrior, I was good and just. I thundered across the land like the wrath of a just god, but the war years and the killing years wore down my soul as the wind wears stone into sand.

All goodness slipped from my life; I found my youth and strength gone and all I had left was death. My army settled in the valley of Barovia and took power over the people in the name of a just god, but with none of a god’s grace or justice.“  –  Tome of Strahd von Zarovich

Zum wohl bekanntesten Vampir der Rollenspielgeschichte, Strahd von Zarovich, hat Teilzeithelden bereits eine eigene Rezension veröffentlicht. Die Bestie in eleganter Gestalt ist seit Bram Stokers Roman zu ihrem eigenen Klischee geworden und wird immer wieder neu entdeckt und gebrochen (sei es als vegane Variante bei den Ketchup-Vampiren oder als Ritter von der traurig glitzernden Gestalt). Mit Vampire hat sich ein eigenes Franchise dieser Art des Untodes angenommen, welche alle Untiefen des ewigen persönlichen Requiems ausloten können.

Vampire sind ein toller stilistischer Bruch mit allem, wofür ihre Horden an Gefolgsleuten stehen: Sie stehen für den einsamen, aber intelligenten und skrupellosen Jäger. Während das einzelne Skelett und der einzelne Zombie kaum eine Gefahr darstellen, ist der Vampir stets eine Bedrohung für deine Spieler*innengruppe. Diese Art von Antagonist wirkt am besten, wenn man sie möglichst subtil andeutet und bedacht einsetzt. Gerade die Kampagne Der Fluch des Strahd aus Dungeons and Dragons zeigt dies gut: Strahd als Antagonist wird zwar schon relativ früh gezeigt, wechselt auch ein paar freundliche Worte mit den Held*innen, aber es ist zu jeder Zeit deutlich, dass er eine Gefahr darstellt. Ein weiterer wichtiger Aspekt (der aber für alle Arten von Antagonisten gelten sollte) ist die Tatsache, dass er nicht einfach in der letzten Ecke seines Versteckes auf die Abenteurer*innengruppe wartet, sondern sich von Ort zu Ort bewegt und dann zuschlägt, wenn die Gruppe es nicht erwartet. Mit anderen Worten, spiel deinen Vampir intelligent, aber nicht unfair.

Um deinen Vampir noch etwas einzigartiger zu gestalten, kannst du dir überlegen, ob der Charakter notwendigerweise ein Mensch gewesen sein muss. Die Fantasy, aber auch viele andere Genres bieten so viele Möglichkeiten, dass ein Orkvampir, ein Halblingvampir oder etwas noch viel Exotischeres absolut legitim ist.

Auf ewig dein: Untote und Romantik

Aus irgendeinem obskuren Grund wurde in grauer Vorzeit festgelegt, dass Vampire und ihr Durst nach Leben etwas Erotisches an sich haben. Den wohl wesentlichsten Punkt zur romantischen Darstellung von Vampiren im Rollenspiel hat wohl Tracy Hickman zusammengefasst:

„… a selfish beast forever lurking behind a mask of tragic romance, the illusion of redemption that was ever only camouflage for his prey. […] The vampire we so often see today exemplifies the polar opposite of the original archetype: the lie that it’s okay to enter into a romance with an abusive monster because if you love it enough, it will change.“  – Tracy Hickman, The Curse of Strahd, Foreword

Kollegin Bitomsky hat schon in einem eigenen Artikel festgestellt, dass das romantische Bild der Blutsauger hinterfragenswert ist. Der Vampir als tragisch-romantischer Antagonist bietet trotz aller Ausgelutschtheit des Topos dennoch Möglichkeiten, ihn interessant zu gestalten.

Eine besonders unfaire Variante des Damsel-in-Distress-Motivs, also der Errettung der Jungfrau in Nöten vor einem Vampir ist die Möglichkeit, dass die Jungfrau unbedingt die Nähe zum Objekt seiner oder ihrer Begierde sucht, die Held*innen also aktiv das Opfer gegen seinen oder ihren Willen vor der Bestie retten müssen.

Fazit

Untote haben sich ihre unglaubliche Faszination und Bandbreite an möglichen Einsatzgebieten in der Fantasy und anderen Genres bis heute wohl erhalten. Ihre Reize können sie sowohl in der Masse als auch der Qualität des Einzelnen ausspielen.

Je nachdem, welche Art von Horror und Abenteuer du für deine Pen-and-Paper-Runde bevorzugst, bieten die Untoten das Richtige für dich. Mit ihnen ist sowohl Massengemetzel als auch subtiles Gruseln möglich. Bedenke immer, dass die Untoten, obwohl die Zombies Teil von ihnen sind, keinesfalls hirnlos vorgehen müssen, dafür haben sie schon zu viele Jahre hinter sich gebracht.

Artikelbilder: depositphotos © rfphoto, grandfailure, fotokostic
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Lukas Heinen

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