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Die Zivilisation ist vernichtet. Ein Virus hat zwei Jahre zuvor große Teile der Bevölkerung in wilde Zombies verwandelt und nur noch zwei Städte sind allem Wissen nach vor den untoten Horden sicher: Jena und Weimar. Dort finden die jungen Frauen Vivi und Eva einander und fliehen gemeinsam vor ihren Erinnerungen.

Ein weiterer Zombie-Comic, möchte man meinen. Mal wieder das Übliche. Viel Blut und Splatter und brutale Gewalt. Aber weit gefehlt. In diesem Buch betrachtet Autorin und Zeichnerin Olivia Vieweg das Genre von einer anderen Seite. Natürlich geht es nicht ohne Gewalt, die absoluter und fester Bestandteil einer postapokalyptischen Welt ist, doch spielt sie hier nicht die Hauptrolle. Diese ist dem Zwischenmenschlichen überlassen, der Beziehung der beiden Protagonisten, die zunächst unterschiedlicher nicht sein können.

Handlung

Vivi ist schüchtern und verwirrt. Sie hat Angst und will von der Welt außerhalb der schützenden Mauern der Klinik, in der sie sich befindet, nichts wissen. Die Leiterin dieser Einrichtung kümmert sich rührend um sie, nachdem sie eingeliefert wurde. Ihre Erinnerungen sind verschwommen und unklar. Sie wird von Albträumen geplagt, aber sie ist in Sicherheit. Die Heimleiterin beschützt das Mädchen vor der schweren Arbeit, nicht ganz uneigennützig, wie sich herausstellt. Dies ändert sich jedoch, als Vivi aus Mitleid mit einem anderen Patienten eine Dummheit begeht. Zur Strafe wird sie einer Arbeitsgruppe zugeteilt. Denn jeder muss arbeiten, damit alle in Sicherheit sind.

Eva ist forsch, eigenbrötlerisch und pragmatisch. Sie kümmert sich jedoch eher um sich selbst, als um andere und ist so wenig erfreut, als ihr zwei Neulinge zugeteilt werden, mit denen zusammen sie einen Abschnitt des Zauns rund um die Stadt auf Beschädigungen prüfen soll. Um sich Arbeit zu ersparen, lässt sie die beiden jungen Frauen, eine davon Vivi, den Zaun allein flicken, und es kommt zum schlimmstmöglichen Zwischenfall. Durch ein Loch im Zaun gelingt es einer Kreatur das Mädchen Isabelle zu beißen. Eva wird für den tragischen Zwischenfall verantwortlich gemacht, und obwohl sie ihr Leben riskierte, um das Mädchen zu retten, muss sie den Gesetzen der Stadt Folge leisten und die infizierte junge Frau töten. Noch am selben Abend beschließt sie aus der Stadt zu fliehen.

Die einzige Möglichkeit dazu ist ein S-Bahn-Zug, der automatisch auf der Strecke zwischen Jena und Weimar verkehrt. Zuvor hatte sie Vivi und Isabell dessen Funktion erklärt. Im Zug treffen Eva und Vivi erneut aufeinander. Die jüngere Frau hatte sich dort vor der Heimleiterin versteckt, nachdem sie aus der Einrichtung geflohen war. Hatte sie doch erkannt, dass die Dame sie nur aus Eigennutz dort festhielt.

Der Zug fährt los und bleibt nach einigen Kilometern mit einer Panne liegen. Von nun an sind die beiden Frauen gezwungen zu Fuß ihren Weg zu finden. Durch eine paradiesisch anmutende Landschaft voller Gefahren. Auf ihrem Weg treffen sie andere Überlebende, Zombies und ihre eigene Vergangenheit. Denn vor dieser kann man nicht weglaufen.

Charaktere

Als Hauptcharaktere stehen natürlich Vivi und Eva im Fokus der Geschichte, und alle anderen Figuren existieren nur am Rande. Vivi und Eva sind zwei normale, junge Frauen. Die eine ein Teenager, der gegen die Eltern rebelliert, und die andere eine zynische Mittzwanzigerin, die ihren Vorteil aus der jeweiligen Situation zu ziehen versteht. Bis vor zwei Jahren waren ihre Leben wie die aller anderen. Doch dann brach die Seuche aus und alles änderte sich binnen weniger Augenblicke. Beide Frauen haben dunkle Geheimnisse und sind sich ihrer Schuld mehr oder minder bewusst.

Auf dem Weg von Weimar nach Jena müssen sie sich ihrem Gewissen stellen, um zu überleben. Die Randfiguren werden kaum ausgeführt, jedoch erahnt man auch durch wenige Panels bei einigen zumindest ihren Gemütszustand und ihre Motivation. So entwickelt man durchaus Mitgefühl für die fröhliche Isabelle und versteht sogar die Handlungen der Heimleiterin.

Zeichenstil

Ich nenne ihn mal Deutsch-Manga-Stil. Der Einfluss der Manga ist deutlich, jedoch nicht ganz so prägnant wie in japanischen Veröffentlichungen. Es gelingt der Zeichnerin hervorragend, mit wenigen Strichen und mittels Farbgebung Stimmungen und Gemütslagen zu vermitteln. Auch ohne detailreiche Gesichter und Körpersprache.

Erscheinungsbild

Das Buch ist mit seinen 290 Seiten ein ganz schöner Brocken, liegt aber gut in der Hand. Umschlag und Inhalt sind mit Copics gestaltet, was bisweilen den Eindruck von Gemälden mit Wasserfarben erweckt. Die Farbgestaltung bringt einige sehr schöne, stimmungsvolle Bilder hervor, die sehr zur teils melancholischen Stimmung des Werkes beitragen. Aber auch dunkle Momente werden gekonnt in Szene gesetzt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Carlsen
  • Autor(en): Olivia Vieweg
  • Zeichner(in): Olivia Vieweg
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Comicalbum
  • Seitenanzahl: 290
  • Preis: 22,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

EndZeit ist als Koproduktion von ZDF und arte verfilmt worden und wird in der Reihe Das kleine Fernsehspiel zu sehen sein. Regie führte Carolina Hellsgård, das Drehbuch stammt von Olivia Vieweg.

Fazit

Eine postapokalyptische Geschichte, wie sie zumindest meines Wissens nach noch nicht erzählt wurde. Zwei einsame junge Frauen, die in einer Welt voller Gefahr überleben müssen und sich nur auf sich verlassen können, um ihr Ziel zu erreichen. Klingt so zusammengefasst doch wieder etwas abgedroschen, doch dem ist nicht so. Die Geschichte ist wohldurchdacht und nachvollziehbar. Sie birgt sowohl schöne als auch bittere Momente und nimmt den Leser mit. Dabei zerrt sie ihn aber nicht mit brachialer Gewalt voran und weg von den Zombiehorden, sie nimmt uns vorsichtig an die Hand und konzentriert sich auf die Emotionen und die Beziehung der Protagonisten. Das schüchterne, verwirrte Mädchen und die resolute, emotional abgestumpfte junge Frau geben sich gegenseitig viel mehr als nur Hoffnung und Wille zu überleben. Das Ende kommt unerwartet und ungewöhnlich bewegend für das Genre daher. Die Zeichnungen sind bisweilen sehr schön von der Farbgebung und Gestaltung her, doch bedaure ich ein wenig, dass manche Details, wie zum Beispiel Hände und Gesichter, oft nur aus wenigen Strichen bestehen.

Dennoch gelingt es überraschend gut, Emotionen und Einstellungen aus den Charakteren zu lesen. Viele kleine Details in den Bildern und den Dingen, die Vivi und Eva erleben, deuten die Geschichten hinter der Apokalypse an. Wer sich Zeit nimmt und über die Zombies nachdenkt, wird einen sehr subtilen Gruselfaktor finden, der noch einmal für mehr Lesespaß sorgt. Ein schöner Comic für ruhige Abende, die mit etwas Spannung und Melancholie gefüllt werden wollen.

Mit Tendenz nach Oben

Artikelbilder: Carlsen, Bearbeitung: Roger Lewin
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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