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Europäische Romantik in einer Welt voller Feen und Kobolde – davon wimmelt es im Rollenspiel Household. Alleingelassen vom „Hausherrn“ haben die kleinen Wesen das Anwesen erobert und aufgeteilt. Ob der Hausfrieden halten wird? Im Grundregelwerk wird eine hübsche, viktorianische Welt beschrieben. Was euch sonst bei Household erwartet, erfahrt ihr hier.

Kaum ist der „Hausherr“ ein Jahrhundert aus dem Haus, liegen sich die „Geister“ schon in den Haaren: In dem Rollenspiel Household verwandelt sich ein altehrwürdiges Anwesen in eine große Welt für zahlreiche kleine Wesen. Viele spannende Geschichten erwarten die Spielenden zwischen den Dielen, auf den zurückgelassenen Möbeln und in den ewig wirkenden Weiten des Hausflurs. Angelehnt an das Europa des 19. Jahrhunderts wird eine hübsch ausgearbeitete und interessante Kulisse für viele Abenteuer gezeigt. Für große Emotionen und nervenaufreibende Intrigen kommt es nämlich nicht auf die Größe der handelnden Charaktere an …

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Krieg

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Die Spielwelt

Über mehrere Stockwerke erstreckt sich die Welt der Feen und Kobolde in Household. Zum Start der Handlung haben sich vier Territorien auf drei Stockwerken etabliert. Der obere Flur mit Badezimmer und Schlafzimmern gehört den Sprites. Diese teilen sich nach den äußeren Elementen Luft, Wasser und Feuer jeweils in Sylphs, Undines und Salamanders auf. Als ein Volk schätzen sie Arbeit und Fleiß, sowie die Gleichstellung, welche in den Free Dominions ausgelebt wird. Im Erdgeschoss herrschen die Faeries über Küche und Esszimmer, das Realm. Ihr Einzug ins Haus erfolgte nach der Zerstörung ihres Heimatbaumes außerhalb, welcher ein Loch in das Küchenfenster riss. Mit ihren Flügeln wirken die Faeries äußerst elegant und erhaben.

Rund um das Wohnzimmer und den wärmespendenden Kamin, das Hearth genannt, haben sich die Boggarts angesiedelt. Das wohl älteste Volk im Haus hat dem Master vor dessen Verschwinden gedient, und andere Eindringlinge ferngehalten. Die Boggarts halten diese Tradition aufrecht und wollen bis zur Rückkehr des Hausherrn dessen Eigentümer beschützen. Düster und exotisch mutet der Keller an, Heimat der Sluagh. Diese kamen als letzte in vielen unterschiedlichen Stämmen im Haus an. Vereint unter einem großen Khan starteten sie einen Eroberungsfeldzug, dem nur durch den Tod ihres Herrschers Einhalt geboten werden konnte. Die Sluagh sind an ihre persönliche Ehre gebunden und bekannt dafür, ihre Schuld nach verlorenen Wettkämpfen oder Wetten zurückzuzahlen.

Die Gestaltung der einzelnen Städte und Orte in Household ist an eine europa-zentrierte Welt angelehnt. Beispiele dafür sind die blühende Hafenstadt Tuberdam in der Badewanne oder das vom Kristallleuchter über dem Esstisch erleuchtete Astraviya. Wer das Wohnzimmer besucht, wird vielleicht einen Zwischenstopp bei den Leuten in Chesterfield machen, welche das Sofa bewohnen. Aufregender und gefährlicher ist die Reise in den Keller, wo die Marktstände in Al Sehir rund um die ehemalige Werkbank locken.

In der Geschichte des Hauses gab es einige erbitterte Schlachten

Die kleinen Völker verfolgen unterschiedliche Motive. Das hat in der fast 100-jährigen Geschichte seit dem Verschwinden des Masters für zahlreiche Konflikte, Blutvergießen und Opfer gesorgt. Der historische Überblick endet im Buch mit der „Zeit des fragilen Friedens“, nachdem vier Abgesandte der jeweiligen Ländereien sich zu einem Rat zusammengeschlossen haben. Ob dies so bleibt, oder es wieder zu Ausschreitungen kommt, bestimmen die Spielenden in ihren Geschichten selbst mit. Ein ähnliches Spielgefühl von kleinen Charakteren in einer riesigen Welt erzeugt das deutsche Mausritter von System Matters.

Die Hintergrunderzählung und Welt bieten für Spielleitungen wie Spielende jede Menge Anknüpfungspunkte, was Erinnerungen, Ereignisse oder schwelende Rivalitäten angeht. Gerade die Beschreibung von Höfen und Stände-Gesellschaften, wie in Romanen von Jane Austen, laden dazu ein, viel Dramatik und Intrigen in die Geschichten einzuweben.

Der Capitano im sagenumwobenen Kampf gegen den „weißen Drachen“.

Neben den Konflikten zwischen den kleinen Völkern lauern im Haus noch zahlreiche wie unterschiedliche Gefahren. Dazu gehören beispielsweise Spinnen und andere Tiere, die im Anwesen ihr Domizil aufgebaut haben. Als größte Bedrohung von außerhalb gilt allgemein der Angriff des „weißen Drachen“, welcher nach vielen entbehrungsreichen Gefechten von einer Schiffscrew rund um den mysteriösen Capitano zur Strecke gebracht werden konnte.

Die Regeln

Aktionen in Household werden über Ergebnisse eines Würfel-Pool-Systems entschieden. Dazu werden zwei Werte herangezogen, welche die Anzahl der sechsseitigen Würfel bestimmen. Im Regelwerk existieren insgesamt vier Fields, vergleichbar mit Attributen. Society deckt soziale Talente ab, Academia das Wissen über bestimmte Themen oder Nachforschungen. Unter War werden körperliche Fähigkeiten sowie Willensstärke zusammengefasst. Street fasst Fähigkeiten zusammen, die für das Überleben an fremden Orten, sowie Taschenspielereien hilfreich sind. Jedem Field werden fünf Skills zugeordnet. Je nach Wurf kann ein Field aber mit einem Skill aus einem anderen Bereich kombiniert werden.

Gezählt werden bei einem Wurf die höchste Anzahl an Würfeln mit dem gleichen Ergebnis. Ein Basis-Erfolg wird mit zwei gleichen Zahlen im Wurf erreicht, ein kritischer Erfolg mit drei Zahlen, ein extremer Erfolg mit vier Zahlen und ein unmöglicher Erfolg mit fünf Zahlen. Wer sogar sechs gleiche Zahlen oder mehr erwürfelt, hat wortwörtlich im Spiel den Jackpot geknackt. Generell gilt außerdem, dass ein höherer Erfolg so viel wert ist, wie drei geringere Erfolge und umgekehrt. Wer beispielsweise einen kritischen Erfolg würfelt, kann diesen auch als drei normale Erfolge werten. Andererseits können drei normale Erfolge als ein kritischer Erfolg umgemünzt werden.

Sollte das Würfelergebnis für die Schwierigkeit nicht ausreichen, muss das nicht das Ende der Aktion sein. Sofern mindestens ein Basis-Erfolg oder mehr erreicht wurde, dürfen alle übrigen Würfel noch einmal neu gewürfelt werden. Sollte mit diesen ein besserer Erfolg erzielt werden, gilt das neue Ergebnis. Sollte kein besserer Erfolg erzielt werden, geht ein Erfolgsgrad verloren.

Zur Veranschaulichung hier ein Beispiel: Eine Person würfelt mit fünf Würfeln als Ergebnis 2,3,3,3,5 – das entspricht einem kritischen Erfolg. Sie möchte aber ihr Glück wagen, und einen extremen Erfolg erzielen. Nun darf sie die 2 und die 5 erneut auswürfeln. Sollte unter den neuen Ergebnissen eine 3 sein, gilt der Wurf als extrem. Wenn nicht, wird der Erfolg eine Stufe herabgesetzt, und ist dann nur noch normal.

Zahlreiche Orte im Haus laden zum Erkunden und Entdecken ein.

Um Würfe zu erleichtern, können die Spielenden sogenannte Aces einsetzen, von denen Charaktere zum Spielstart in der Regel zwei besitzen. Ebenso erlauben gewisse Traits oder Moves Vorteile oder die Chance, einen Wurf ohne negative Konsequenzen bei einem Misserfolg zu wiederholen. Hinzu kommen weitere feinere Regeln, welche das System ergänzen. Sollten bei einem Wurf von fünf Würfeln ein Paar und ein Drilling als Ergebnis herauskommen, gilt das als zwei Erfolge. Diese können für unterschiedliche Aktionen aufgewendet werden. Ebenso können Spielende sich entscheiden, Erfolge in gewissen Graden an andere Charaktere in der Gruppe abzugeben, um ihnen einen Aktions-Wurf zu ersparen.

Zum Einstieg wirkt das Würfelsystem etwas ungewohnt, und mit den vielen Modifikatoren unübersichtlich. Letztere dienen aber nur dazu, einen erzählerischen Spielstil zu fördern, und können von der Spielleitung relativ frei hinzugefügt werden. Gerechnet werden muss abseits von der Zusammenstellung des Pools nicht. Das Sammeln von Erfolgen mit gleichen Würfelergebnissen ist eine willkommene Abwechslung zu anderen Systemen, und hebt sich gut von diesen ab. Mit etwas Übung bietet das Regelwerk interessante Feinheiten und Möglichkeiten, um die Handlung zu gestalten.

Charaktererschaffung

Bei der Gestaltung des eigenen Charakters haben die Spielenden viele Auswahlmöglichkeiten, um einzigartige Persönlichkeiten zu schaffen. Gewählt wird zunächst eines der vier Völker, die alle über eine spezielle Eigenschaft verfügen, sowie eine Nation, aus der ein Charakter stammt. Hinzu kommt eine der folgenden Professionen: Soldier, Scholar, Hunter, Criminal, Duelist oder Animal Handler. Jede Profession gewährt, neben Punkten in Fertigkeiten, eine weitere besondere Eigenschaft (Trait), sowie einen Move. Damit ist eine Aktion gemeint, die im Spiel eingesetzt werden kann. Hinzu kommt eine von sechs Spezialisierungen namens Vocations. Diese fungieren wie Archetypen, welche ebenfalls gewisse Fertigkeiten und Eigenschaften besitzen. Abschließend dürfen noch vier weitere Punkte verteilt werden, bevor es an Feinarbeiten, wie etwa Ausstattung, Vermögen und Hintergrundgeschichte, geht.

Zur Veranschaulichung folgt ein praktisches Beispiel: Eine Person möchte gerne einen Soldier mit der Vocation Guardian erstellen. Über den Soldier erhält der Charakter einen Field-Punkt in War und die Eigenschaft Master at Arms. Passend zum Konzept entscheidet sich die Person Bodyguard als Move auszuwählen. Über die Profession erhält der Charakter nun je einen Punkt in zehn Skills, darunter Athletics, Will und Shoot. Der Guardian gewährt einen Field-Punkt in Society, sowie eine weitere Eigenschaft zur Auswahl, wie etwa Selfless. Erneut werden zehn Skill-Punkte vergeben, die auch die gleichen wie zuvor sein können. Anschließend können mit vier selbst platzierten Punkten noch Anpassungen gemacht werden.

Die vorgegebenen Schablonen helfen dabei, den passenden Charakter für ein Abenteuer zu gestalten. Je nach Punkteverteilung ergeben sich für den Würfelpool automatisch Stärken und Schwächen, die ausgespielt werden können.

Spielbarkeit aus Spielleitungssicht

Eine Testspielrunde hat bis zum Erscheinen des Artikels nicht stattfinden können. Daher kann die Spielbarkeit nur allgemein bewertet werden. Für Spielleitungen wird in dem umfassenden Regelwerk eine Vielzahl an Informationen geboten, von der Historie, über das Würfelsystem, bis hin zu weiteren Mechaniken. Darin wird beispielsweise erklärt, wie eine Kampagne spannend erzählt und gestaltet werden kann. Ebenso wird eine grobe Zeitlinie vorgegeben, welche Ereignisse parallel in der Handlung in einem festgelegten Rahmen passieren. Das hilft, die Welt größer und lebendiger darzustellen. Um bei den vielen Informationen den Überblick nicht zu verlieren, gibt es im Anhang einen Index. Dennoch bleibt es gerade für Neulinge nicht aus, häufig zu blättern und nach den passenden Stellen zu suchen.

Das alte Anwesen ist Zentrum der Geschichte in Household.

Erscheinungsbild

Für die Rezension lag die PDF-Version vor, weshalb über Haptik und Gefühl keine Aussagen getroffen werden können. Durch das Regelwerk von Household zu blättern, erinnert an das Lesen eines Fantasy-Romans. In klassischer Tradition erklärt der Autor zu Beginn, dass es sich bei Household keineswegs um eine ausgedachte Erzählung handelt. Vielmehr habe er eines Tages ein kleines Buch gefunden, und mit Unterstützung alle Texte und Bilder kopiert. Das Original, geschrieben von dem weitgereisten Boggart Herasmo J. Hemingway, erzähle die Historie seiner kleinen großen Welt im Herrenhaus.

Der eigentliche Autor der Geschichte, Herasmo J. Hemingway.

Eindrucksvoll und stimmig gestaltet sind die vielen Illustrationen im Regelwerk. Diese vermitteln einen guten Eindruck über das Leben in Däumlings-Größe. Gezeigt werden alltägliche Szenen mit den Einheimischen, die auf Mäusen reiten, sich durch Gebirge an Büchern und Geschirr hangeln, oder im Pilz-Dschungel gegen Spinnen kämpfen. Ergänzt werden die farbenfrohen Bilder immer wieder durch schlichtere Zeichnungen, Liedertexte oder andere Dialoge, welche das Bild einer lebendigen Welt unterstützen. Gleich mehrfach als Motiv wird die Herrscherin der Faeries, Tsarina Arcadia Oberonoyna, verwendet.

Was das allgemeine Layout angeht, sind die einzelnen Kapitel gut und sinnvoll aufgeteilt. Allein die große Menge an Informationen im Grundregelwerk machen aber häufigeres Nachschlagen nötig. Hilfe für den schnellen Überblick bieten ein Inhaltsverzeichnis zu Beginn sowie ein Index am Ende. Wer alle Details einbinden möchte, kommt aber nicht umhin viel zu blättern bei den über 318 Seiten.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Two Little Mice
  • Autor*in(nen): Riccardo Sirignano, Simone Formicola
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Englisch
  • Format: Hardcover/PDF
  • Seitenanzahl: 318
  • Preis: 59,95 EUR (Hardcover), 25 USD (PDF)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, DriveThruRPG, Sphärenmeister

 

Fazit

Viel Inhalt aus einer winzigen Welt, das bietet das Grundregelwerk des italienischen RPGs Household von Two Litte Mice. Nach dem Verschwinden des Meisters haben die kleinen Völker sich das Haus untereinander aufgeteilt und es mit Leben gefüllt. Angelehnt an den Stil des 19. Jahrhunderts erwartet die Spielenden eine Erzählung voller Dramatik, Intrigen und spannenden Abenteuern auf Däumlings-Größe. Für die Spielleitung hingegen gibt es viele Anknüpfungspunkte in der Historie, die für die Handlung genutzt werden können.

Bei den Faeries sind Bälle ein guter Ort, um mit guter Etikette zu glänzen.

Das Regelwerk bietet neben einem unverbrauchten Setting ein interessantes Würfel-Pool-System. Dieses wirkt mit vielen Modifikatoren im ersten Moment überbordend, erschließt sich aber nach und nach. Positiv festzuhalten sind die verschiedenen Archetypen für Charaktere, die eine große Auswahl ermöglichen und gleichzeitig bei der Zusammenstellung effektiv helfen.

Besonders schön sind die Illustrationen, die sich durch das gesamte Buch ziehen. Von Alltagsszenen der kleinen Völker, über Gedichte, bis hin zu kleinen Zeichnungen, wird so das Gefühl einer lebendigen Welt gefördert, die in dem Herrenhaus existiert. Aktuell ist Household nur auf Englisch verfügbar. Für alle, die sich nicht daran stören, lohnt sich aber ein Blick durchs Schlüsselloch – dorthin, wo die kleinen Völker wohnen. Wie gut das System tatsächlich funktioniert, wird in einem Spieltest noch nachgereicht.

  • Lebendige Welt, wirkt neu und kreativ
  • Hübsche Illustrationen, nette Anspielungen
  • Simples Grundsystem mit viel Entfaltung
 

  • Viele Details zum Nachschlagen

 

Artikelbilder: © Two Little Mice
Layout und Satz: Andreas Hübner
Lektorat: Sabrina Plote
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