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Ein brisanter Diebstahl, ein moralisches Dilemma und dazwischen unerfüllte Romantik – diese Themen werden im Startabenteuer des Rollenspiels Household behandelt. Eine kleine Gruppe an Feen und Kobolden müssen im Anwesen ein Rätsel lösen, um den Hausfrieden zu bewahren. Was das Abenteuer gut macht, und was verbessert werden kann, erfahrt ihr hier.

In fast jeder Zuneigung gibt es so viel Dankbarkeit oder auch Eitelkeit, dass es nicht ungefährlich ist, auch nur eine dem Selbstlauf zu überlassen.

– Jane Austen, Stolz und Vorurteil

Mysteriöse Dinge geschehen in einem kleinen Örtchen nicht unweit der Great Stairs im beigefügten Abenteuer des Rollenspiels Household. Als nette Hommage an Jane Austens wohl berühmtestes Werk trägt es den erweiterten Titel Pride and Prejudice and Centipedes. Darin gilt es für die neuen Charaktere herauszufinden, was es mit dem Verschwinden einiger Farmtiere im großen Anwesen auf sich hat. Am Anfang ihrer Reise begegnen sie dabei zwei sehr entgegengesetzten Persönlichkeiten, die trotz dessen oder vielleicht auch gerade deswegen romantische Gefühle füreinander hegen…

Triggerwarnungen

Spinnentiere

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Die Spielwelt

Heimat der Feen und Kobolde in Household ist ein großes Anwesen, welches über mehrere Stockwerke verteilt in vier Herrschaftsgebiete eingeteilt wurde. Unterschieden wird bei den kleinen Völkern zwischen den elementarverbundenen Sprites, den galant-edlen Faeries, den herzensguten wie kräftigen Boggarts und den exotisch anmutenden Sluagh. Die jeweiligen Nationen haben mit dem Weggang des Masters in rund 100 Jahren häufige Kriege miteinander geführt.

Die Sprites gelangten über die Elemente der Natur ins Haus.

In den einzelnen Räumlichkeiten wurde eine Vielzahl an Siedlungen gegründet. Diese orientieren sich im Design an europäischen und orientalischen Städten aus der realen Welt. Mode, Architektur und Gesellschaft erinnern dabei an die Regency-Epoche, welche – wie bereits erwähnt – vielen aus Romanen von Jane Austen bekannt sein sollte. Die Handlung für die Gruppe beginnt in einer „Zeit des fragilen Friedens“, in der mehr Reisen durch die einzelnen Territorien möglich ist. Zwischen den Dielen und Wänden des Hauses gibt es ebenfalls eine Reihe an Abenteuerschauplätzen, in denen Spinnen und andere Gefahren auf die Charaktere lauern.

Die Regeln

Wie gelungen oder miserabel eine unklare Situation in Household endet, wird mit einem Würfel-Pool-System aus W6 bestimmt. Charaktere erhalten je nach Wurf zwischen zwei bis maximal neun Würfeln, die gewürfelt werden dürfen. Diese ergeben sich aus ihren Werten in den jeweiligen Fields sowie den Skills. Gezählt wird die höchste Anzahl an Würfeln mit dem gleichen Ergebnis. Ein Pasch gilt als ein einfacher Erfolg, bei einem Drilling als kritischer Erfolg und so weiter. Höherwertige Erfolge können auch in mehrere, kleinere Erfolge geteilt werden, etwa um anderen Charakteren in der Gruppe zu helfen.

Spielende haben mehrere Möglichkeiten, um ihr Ergebnis auch nach dem ersten Wurf zu verbessern. Sofern mindestens ein einfacher Erfolg oder mehr erreicht wurde, können beispielsweise die übrigen Würfel neu gewürfelt werden. Wenn damit ein höherer Erfolg erzielt wird, gilt das neue Ergebnis. Andernfalls wird der bisherig Erfolgsgrad heruntergestuft, was womöglich zum Scheitern der Aktion führt. Mit etwas Übung bietet das Regelwerk interessante Feinheiten und Möglichkeiten, um die Handlung zu gestalten. Eine genauere Übersicht zu den Regeln mit Beispielen wird im Ersteindruck vorgestellt.

Charaktererschaffung

Die Charaktererstellung zum Spieltest war trotz des unbekannten Systems einfach und übersichtlich gestaltet. Zufallselemente wie Würfel wurden nicht benötigt. Die Spielenden suchten sich jeweils ihr Volk, ihre Herkunft, ihren beruflichen Hintergrund als Profession sowie eine Spezialisierung in Form einer Vocation aus. Anhand dieser Informationen konnten sie sich ihre Field– und Skill-Punkte notieren. Zusätzlich bekamen sie vier weitere Skill-Punkte, um den Charakter zu personalisieren. Für einige Grübeleien sorgten die Fragen, wie viel Wohlstand die SC haben und welches Inventar sie mit sich führen können. Abschließend formulierten die Spielenden für sich eine kurze Hintergrundgeschichte und eine Kern-Erinnerung, die sie aus dem Erlebnis mitgenommen haben.

In das Abenteuer starteten ein Sluagh Hunter mit der Vocation Scout, der als Reiseführer im Flur unterwegs war. Er begleitete einen Undine Scholar, der als Doctor einige Erfahrungen im Lazarett gesammelt hatte, sowie einen Salamander Criminal, welcher als Professional eine neue Anstellung suchte. Durch ihre breite Fächerung konnte die Gruppe im Spiel eine Reihe an Fertigkeiten abdecken und verschiedene Situationen meistern.

Spielbericht – Wo sind all die Mäuse hin?

Es folgt ein möglicher Ablauf des Abenteuers. Wer ohne Vorwissen die Geschichte erleben möchte, sollte diesen Abschnitt vorsichtshalber überspringen.

Die Gruppe startete zunächst in der Taverne Blue Rat in Stairside, einem beschaulichen Dörfchen im Kontrollbereich des Hearths an der Grenze zu den Great Stairs. Im Speisesaal überlegten sie, wie ihre weitere Reiseroute aussah, als plötzlich ein Trupp der Great Imperial Army aus dem angrenzenden Realm der Faeries den Raum betrat. Der Anführer, Leutenant D’Arcy, sorgte mit der Überprüfung der Papiere der Reisenden für jede Menge Wirbel. Erst Miss Elisabeth Abott, Enkelin des Inhabers, wies ihn wutentbrannt zurecht und trieb die Gruppe an Soldaten heraus. Die Unruhe bot den Charakteren Gelegenheit, erste Würfe zur Informationsbeschaffung zu machen. Schnell war klar, dass eine schuldige Person für ein paar verschwundene Tiere in der näheren Umgebung gesucht wurde.

In der Küche versuchten einige Charaktere zunächst ihr Glück bei Miss Elisabeth, welche sie von ihrer Sicht der Dinge überzeugen wollte. Eine unhöfliche Bemerkung des Scholars führte jedoch zu einer Tirade an Entrüstungen und einer zuknallenden Tür. Ihre weiteren Untersuchungen führten die Gruppe zu einem nahegelegenen Stützpunkt einer Botschaft der Sluagh-Horden. Dort waren zuletzt Reitmäuse verschwunden, weshalb keine Fremden mehr in die Nähe der Stallungen gelassen wurden. Der diplomatische Versuch, sich Zutritt zu verschaffen, scheiterte nach einer misslungenen Probe deutlich und die Gruppe sah sich umringt von grimmig dreinschauenden Gestalten.

Nur das Eingreifen von Leutnant D’Arcy verhinderte im letzten Moment den weiteren Konflikt. Dieser bat die Charaktere darum, ihn bei der Spurensuche nach möglichen Tätern zu begleiten. Mithilfe des erfahrenen Scouts gelang es tatsächlich, merkwürdige Schleifspuren zu finden, die außerhalb von Stairside und in Richtung Inbetweens führten. Es begann der mühsame Aufstieg an den Tapeten in Richtung eines Wandrisses, welcher sonst nur von gefährlichen Insekten und Spinnen bevölkert wird.

Dass Gefahr drohte, hörten die aufmerksamen Charaktere durch ein lautes Klackern rechtzeitig. Mit begrenzten Mitteln bereiteten sie einen Hinterhalt vor und warteten ab, als ein bläulicher Undine-Mann zusammen mit einem großen Tausendfüßler aus einer Kuhle hervorkam. Zur Rede gestellt gab der Beschuldigte zu, Tiere als Futter für den Tausendfüßler gestohlen zu haben. Er habe das mehrgliedrige Wesen gefunden und vor ausbeuterischen Sluagh-Händlern gerettet. Kurz drohte die Situation zu eskalieren, als hinter der Gruppe plötzlich Miss Elisabeth auftauchte, welche hinterher geklettert war.

Die Great Stairs und der Flur trennen die Reiche voneinander.

Mit guten Argumenten und Würfen konnten die SC unter Führung des Professionals den tierlieben Undine davon abhalten, den Tausendfüßler auf sie zu hetzen. Er erklärte sich bereit für die Vergehen gerade zu stehen, wenn die Truppen von Leutnant D’Arcy im Gegenzug beim sicheren Abtransport des mehrgliedrigen Tieres garantiere. Davon gerührt und mit einigen weiteren Worten der Gruppe überzeugt, entschied sich der befehlshabende Militär dazu, Gnade vor Recht ergehen zu lassen und von einer weiteren Verfolgung abzusehen. Ob sein Ansehen bei Miss Elisabeth dadurch verbessert wurde, konnten die Charaktere zum Ende bereits erahnen.

Spielbarkeit aus Spielleitungssicht

Das Startabenteuer Pride and Prejudice and Centipedes soll vor allem Neulinge des Systems an das Regelwerk von Household heranführen und ihnen die Welt näherbringen. Das gelingt nach der Auswertung des Spieletests zu großen Teilen ganz gut. Positiv hervorzuheben ist unter anderem die übersichtliche Gestaltung der Handlung, die auf zwei Hauptpfaden mit Leutnant D’Arcy oder Miss Elisabeth bestritten werden kann. Der anfängliche Handlungsort in Stairside bietet genug Raum, dass eine Reihe an unterschiedlichen Charakteren zusammenkommen kann. Die Untersuchung in der ersten Szene bringt die Spielenden direkt ins Geschehen, unabhängig von ihrem Volk oder ihrer gewählten Profession.

Die Herausforderung in der weiteren Erzählung liegt darin, dass alle Charaktere von sich aus beschließen müssen, sich in den verschiedenen Szenen einer Fraktion anzuschließen und mit den NSC die Nachforschungen zu beginnen. Im Spieltest verfolgten die Spielenden jedoch zunächst eine eigene Suche, bevor sie durch Misserfolge an der Seite von D’Arcy landeten. Es werden zwei Wege im Sinne des Railroading vorgestellt, eine Aufteilung ist nicht gewünscht. Bei genauerem Nachdenken wird jedoch deutlich, dass die Reise mit Miss Elisabeth sich stimmiger anfühlt. Im Finale ergibt es mehr Sinn, dass Leutnant D’Arcy die Gruppe mit seinen Soldaten verfolgt hat, als dass die fast unbewaffnete Köchin des Gasthauses den Beteiligten in ein gefährliches Areal hinterher gestiegen ist.

Spielleitungen sollten darauf vorbereitet sein, die Gruppe – wenn nötig – wieder auf einen logischen Pfad der Geschichte zu bewegen. Wenn das gelingt, ergibt sich eine durchaus stimmige Erzählung, die einen Abend mit viel Spaß und Kitsch ausfüllen kann.

Spielbarkeit aus Sicht der Spieler*innen

Das System sowie die Idee der winzigen Welt in einem Haus wurden generell von den Spielenden gelobt. Die zügige Charaktererschaffung bietet genug Vorgaben, damit auch Neulinge direkt einsteigen können. Jeder SC verfügt über eigene Stärken und Spezialisierungen, was die Individualität trotz festgelegten Schemata erlaubt. Auch die Würfelregeln mit einem Pool an W6 erwies sich für die Spielenden nach einer kurzen Erklärung als recht simpel. Die Aufteilung in Fields und Skills wurde als flexibel beschrieben, was sich positiv auf das Spiel auswirkte.

Mit Blick auf die Szenerie gab es Pluspunkte für die Nutzung von realen Tieren. Bei der Erwähnung von Mäusen, Schnecken und Tausendfüßlern hatten die Spielenden direkt ein Bild im Kopf, anders als sonst bei verschiedenen Fantasy-Kreaturen in anderen Systemen. Ähnliches galt für den steampunk-esken Stil der Waffen aus Schlüsseln, Nadeln und Scheren. Für den Aufbau der Erzählung wurde hervorgehoben, dass auch eine friedliche Lösung zu einem validen und befriedigenden Ende führt. Es wurde die Auffassung vertreten, dass damit auch jüngere Spielende im Kindesalter an dem Abenteuer Spaß haben können.

Für kleine Wesen gibt es im Haus viel zu entdecken.

Kritischer gesehen wurde der Einstieg in die Handlung. Da offenblieb, wieso die Charaktere in der Gegend sind, mussten sie sich am Anfang mit einer eigenen Motivation beschäftigen. Ebenso bereitete der kulturelle Hintergrund rund um Faeries und Boggarts zu Beginn eine Einstiegshürde, da die mythischen Völker nicht eins zu eins in deutsche Äquivalente eingeordnet werden konnten. Wer Bezüge zu der Folklore der britischen Inseln hat, sollte damit weniger Schwierigkeiten haben. Von der mechanischen Seite war es für die Spielenden nicht immer eindeutig, wie „groß“ oder „klein“ sie verglichen zu anderen Objekten waren oder welche Räumlichkeiten das Anwesen haben muss. Generell wurde die Sichtweise aus Däumlings-Größe aber gut aufgenommen. So konnten aus vermeintlich einfachen Aufgaben wie das Erklettern einer Tapete spannende Herausforderungen werden, die gelöst werden mussten.

© Two Little Mice

Die harten Fakten:

  • Verlag: Two Little Mice
  • Autor*in(nen): Riccardo Sirignano, Simone Formicola
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Englisch
  • Format: Hardcover/PDF
  • Seitenanzahl: 318
  • Preis: 59,95 EUR (Hardcover), 25 USD (PDF)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, DriveThruRPG, Sphärenmeister

 

Fazit

Das Household-Grundregelwerk entführt Neulinge des Systems in eine zauberhafte kleine Welt im Regency-Stil. Die kleinen „Hausgeister“ haben sich nach dem Auszug des Hausherrn überall ausgebreitet, was selten friedlich verlief. Gespielt wird mit einem Würfel-Pool-System an W6, dass einen großen Fokus auf das Erzählen und die Kooperation zwischen den Spielenden legt. Positiv hervorzuheben sind die vielen schönen Illustrationen von wichtigen Persönlichkeiten, dramatischen Ereignissen und magisch anmutenden Orten inmitten einer realen Kulisse. Der Hintergrund ist detailliert beschrieben. Die Fülle an Informationen könnte für Neueinsteiger*innen allerdings anfangs eine gewisse Hürde darstellen.

Pride and Prejudice and Centipedes dient als Einstieg in die Welt des großen Anwesens. Die Spielenden haben die freie Auswahl zwischen den vier kleinen Völkern und einer ganzen Reihe an Professionen und passenden Vocations als Spezialisierung. Für den Spieltest ließ sich anhand einer übersichtlichen Liste schnell ein passender Charakter erstellen. Als gut verständlich erwies sich nach einigen Proben auch das Würfel-Pool-System, welches mit mehreren Neuwürfen für dramatischeres Rollenspiel am Tisch sorgte.

Für kleine Wesen gibt es im Haus viel zu entdecken.

Die kleine Truppe folgte nach einem dramatischen Einstieg den einzelnen Spuren nach den verschwundenen Nutztieren, bis sie schließlich den vermeintlichen Übeltäter fanden. Das Abenteuer erlaubte statt des klassischen Kampfes auch durch gute Argumente mit einigen Würfen die Handlung ohne Blutvergießen zu lösen. Dies wurde von den Spielenden positiv hervorgehoben.

Vereinzelt gab es jedoch Reibungspunkte. Dazu zählten eine fehlende Motivation für die Anwesenheit der Charaktere in der Geschichte zu Beginn, die Unklarheit über die exakten Größenverhältnisse der Völker sowie teilweise ein fehlendes Verständnis für die Mythologie dahinter. Dies wurde mit den Möglichkeiten und dem soliden Spielsystem im Hintergrund nicht als allzu großer Negativpunkt bewertet. Insgesamt hatten Spielleitung sowie die Spielenden in der Runde Spaß, für einen Abend auf Däumlings-Größe zu schrumpfen und eine große wie fantastische Welt zu erkunden.

  • Regeln schnell erlernt, hübsches Setting
  • Zwei Handlungsstränge
  • Handlung ohne Kampf lösbar

 

  • Teilweise Railroading nötig
  • Viele Details zum Nachschlagen

 

Artikelbilder: © Two Little Mice
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Nina Horbelt
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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