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Was wäre, wenn es eine Macht gäbe, die das Böse auf der Welt fördert? Was wäre, wenn es eine Möglichkeit gäbe, dieses Böse von innen heraus zu bekämpfen? In Voidheart Symphony lehnen sich normale Menschen gegen Ungerechtigkeiten ihrer Welt auf. Dabei werden sie zu stillen Held*innen – oder gehen daran zugrunde.

Voidheart Symphony wurde von Minerva McJanda entwickelt und war auf Kickstarter erfolgreich. Es basiert zwar auf den Rollenspielen Legacy: Life Among the Ruins und Rhapsody of Blood, stellt aber ein eigenständiges System dar.

Triggerwarnungen

Gesellschaftlicher/Sozialer Druck

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Die Spielwelt

In einer kaputten Welt voller Korruption, Ausbeutung und Machtspiele finden sich die SC als einzelne von vielen wieder. Doch etwas unterscheidet sie vom Rest, denn sie haben eine der Wunden gesehen. Eine Wunde in der Welt, durch die Böses hindurchsickert. Hinter ihr liegt die Leere und in ihr das Schloss; ein alptraumhafter Ort voller Monster. Jede offene Wunde beeinflusst ein Gebiet der Stadt um sich herum negativ. Dabei nutzt das Schloss die größten Bösewichte für seine Zwecke, sei es ein korrupter Politiker oder eine skrupellose Waffenhändlerin. Ihre Wünsche und Verlangen manifestieren sich in einem Teil des Schlosses, während dieses seine Vasall*innen unterstützt und allen anderen schadet.

Voidheart Symphony kann in jeder Stadt, sei sie real existent oder fiktiv, in der Gegenwart, Zukunft oder Vergangenheit spielen. Das Buch selbst geht grob von der aktuellen Zeit aus. In der Welt, beziehungsweise der Stadt, haben die Charaktere mit dem Druck und den Problemen des alltäglichen Lebens zu kämpfen. Doch sie wissen, dass es dort draußen noch etwas gibt, das ihnen und ihrer Heimat schaden will. Um zu retten, was ihnen wichtig ist, lehnen sie sich gegen dieses Böse auf. Nicht umsonst werden sie vom Regelwerk „Rebels“ genannt. In der Welt gehen sie Hinweisen nach, um die Machenschaften der Vasall*innen aufzudecken und betreten anschließend das Schloss, um sie dort endgültig zu besiegen. Doch solange es solche gibt, die vom Leid anderer profitieren, wird es nie aufhören.  

Im Schloss lauern viele Gefahren.
Im Schloss lauern viele Gefahren.

Die Regeln

Voidheart Symphony basiert auf den PbtA-Regeln. Nützlich für Veteran*innen des Regelsystems ist, dass zu Beginn die Abänderungen in Voidheart Symphony aufgeführt werden. Besonders an diesem System: Die Art und Weise, wie eine Probe abgehandelt wird, ändert sich, je nachdem, ob man sich in der Stadt oder im Schloss befindet. In der Stadt lastet der Druck des alltäglichen Lebens und der Gesellschaft auf den Charakteren. Hier wird mit 2W6 auf einen passenden von insgesamt fünf Gauges (Blood, Lack, Infamy, Heat, Fealty) gewürfelt. Jede Kategorie hat einen Wert von 1 bis 6, der durch verschiedene Situationen steigen kann. Erreicht ein Wert die 6, so ist man außer Gefecht gesetzt – je nach Wert landet man zum Beispiel im Krankenhaus oder Gefängnis – und erleidet massive Nachteile, bis der Rest der Gruppe sich um das Problem kümmern kann.

Ist nun das Ergebnis beider Würfel höher als der Wert, ist ein starker Treffer erzielt worden; ist nur einer höher, bedeutet das einen schwachen Treffer. Sind beide niedriger, ist es ein Fehlschlag. Leider wird der Unterschied zwischen einem starken und schwachen Treffer nicht erklärt. Anhand des dazugehörigen Beispiels lässt sich jedoch ableiten, dass das gewünschte Ergebnis bei einem schwachen Treffer zwar eintritt, jedoch mit einem negativen Nebeneffekt.

Im Schloss sind die Charaktere frei von alltäglichen Lasten und können auf ihre inhärenten Fertigkeiten zurückgreifen. Diese sind Swords, Coins, Wands und Cups. Diese Wörter beziehen sich auf die Karten der Kleinen Arkana eines Tarot-Decks. Entsprechend ist es schwierig, daraus abzuleiten, welche Fähigkeiten damit verbunden sind, wenn man sich mit Tarot nicht auskennt. Tipps zu Tarot-Karten werden zwar gegeben, aber erst fast am Ende des Buches.

Bei einer Probe werden 2W6 gewürfelt und der Wert einer entsprechenden Fertigkeit addiert, welcher von -1 bis +3 reichen kann. Bei einer 7–9 hat man einen schwachen Treffer erzielt, bei 10 oder mehr einen starken Treffer und bei 6 oder weniger ist es ein Fehlschlag.

 Von großer Wichtigkeit sind Verbündete, die jeder Charakter besitzt. Sie nehmen dabei eine bestimmte Rolle wie The Fool oder The Tower ein. Diese sind erneut von Tarot-Karten inspiriert, wobei manche verändert wurden, um besser zum System zu passen. Zu Beginn besitzt jeder Charakter zwei Verbündete. Deren Rolle kann je nach seinem Playbook, also dem Grundgerüst sowie der Rolle in der Gruppe, ausgesucht werden und einen besonderen Move für jeweils die Stadt und das Schloss mit sich bringen. So ist es einem Charakter, der sich in der Stadt befindet, einmal am Tag möglich, einen Hinweis von der Spielleitung zur aktuellen Situation zu erhalten, wenn er eine*n Verbündete*n mit der Rolle The Oracle hat.

In der Stadt gilt es, dem alltäglichen Leben standzuhalten.
In der Stadt gilt es, dem alltäglichen Leben standzuhalten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Moves. Manche von ihnen besitzen einfach zu merkende Auswirkungen wie Help Out, bei dem einem anderen Charakter geholfen werden kann. Andere Moves sind hingegen deutlich komplexer. Insgesamt sind es 43, die in vier Kategorien eingeteilt sind: Moves, die jederzeit zur Verfügung stehen, Moves die entweder nur in der Stadt oder im Schloss ausgelöst werden können und Moves, um das Pacing einer Sitzung aufrecht und interessant zu gestalten.  Diese große Menge an Moves bedeutet, zumindest für den Anfang, viel Blättern im Buch, bis man weiß, welche es gibt und wie sie ausgelöst werden.

Im Kampf haben Gegner*innen im Normalfall ein bis drei Qualities, bestimmte Fähigkeiten, um den Charakteren das Leben schwer zu machen. Gleichzeitig dienen sie als Lebenspunkte. Haben die Charaktere eine Schwachstelle ausgemacht, können sie diese attackieren und bei Erfolg eine Quality eliminieren. Wurden alle ausgeschaltet, ist der*die Gegner*in besiegt. Im Gegenzug erhalten Charaktere, die einen Treffer einstecken, eine von fünf Conditions. Sind alle markiert verliert der*die Spielende bis zur nächsten Szene die Kontrolle über den Charakter.

Charaktererschaffung

Das System sieht vor, bereits während der Charaktererschaffung in der Gruppe ein kleines Abenteuer zu spielen, bei dem der*die Vasall*in bereits bekannt ist und möglichst schnell im Schloss bekämpft werden kann. Bevor dies geschieht, wird eines von neun Playbooks wie The Authority, The Harlequin und The Provider gewählt. Zusätzlich erhält man je Playbook eine von drei nützlichen Fähigkeiten, welche man in die Gruppe einbringt. So bekommt The Provider als Gardener die Fähigkeit, sich um andere zu kümmern und ihnen zu zeigen, wie sie glücklich sein können. Schließlich werden die Werte der vier Fertigkeiten während des Aufenthalts im Schloss aus dem Pool +1, +1, 0 und -1 verteilt.

Ist der erste Kampf schließlich vorbei, wird eine Waffe für den Charakter erstellt, die typisch für ihn ist und zu ihm passt, sowie ein weiteres Ausrüstungsstück je nach Playbook. Je erfahrener die SC werden, desto mehr verändert sich ihr Aussehen, wenn sie sich im Schloss befinden, was ihre wachsende Macht widerspiegelt. So kann ein Charakter Flügel haben, leuchtende Augen oder bestimmte Kleidung tragen. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

In Voidheart Symphony ist die Polizei nicht „Dein Freund und Helfer“.
In Voidheart Symphony ist die Polizei nicht „Dein Freund und Helfer“.

Anschließend wird die Rolle in Form eines Berufs festgelegt und entsprechende Markierungen bei den Gauges gemacht. Zuletzt legt man zwei Verbindungen zu anderen Menschen fest und erhält einen Shadow Move, eine besonders mächtige Fähigkeit des Playbooks.

Erscheinungsbild

Der Text ist gut zu lesen, während Regeln meist durch Boxen abgegrenzt sind. Wichtige Wörter sind fett gedruckt, jedoch ist nicht immer klar, ob es sich dabei nur um ein Fokuswort oder einen Regelbegriff handelt, da diese nicht immer einen Verweis auf die Seite erhalten, auf der sie erklärt werden. Hier wäre ein Index hilfreich, dieser ist jedoch nur für die verschiedenen Moves vorhanden.

Die Illustrationen, die von Fotografien bis hin zu groben, cartoonhaften Zeichnungen reichen, fügen sich passend in das Setting ein. Die recht geringe Größe des Hardcovers von 15 x 23 cm bringt der Qualität keinen Abbruch, es gilt einzig, das Buch am selbstständigen Zuklappen zu hindern.

Die harten Fakten:

  • Verlag: UFO Press Limited
  • Autor*in(nen): Minerva McJanda
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Englisch
  • Format: Hardcover, PDF
  • Seitenanzahl: 316
  • ISBN: 727785006620
  • Preis: ab 39,95 EUR (Hardcover), 19,99 USD (PDF)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, DriveThruRPG, Sphärenmeister

 

Fazit

Voidheart Symphony hat ein interessantes Konzept vorzuweisen: Auf der einen Seite müssen die Charaktere ihr alltägliches Leben führen, während um sie herum die Welt immer mehr zerfällt. Auf der anderen Seite tauchen sie in das Reich des Schlosses ein, um dort, fast schon wie klassische Held*innen, gegen das Böse zu kämpfen, um ihre eigene Welt ein Stück besser zu machen. Diese Dualität spiegelt sich auch in den Regeln für Proben wider, die sich verändern, je nachdem, auf welcher Seite sich die Charaktere gerade befinden.

Das Regelwerk ist hochwertig und man merkt, wie viel Arbeit und Hingabe in das fertige Produkt geflossen sind. Leider haben manche Regelbegriffe keine selbsterklärenden Namen, was das anfängliche Einfinden erschwert, da man immer wieder dazu gezwungen ist nachzulesen, was genau dahintersteckt. Dabei ist ihre Menge so zahlreich, dass selbst bei mehrfachem Lesen des Buches nicht sicher ist, ob manche einfach nicht beschrieben oder ihre Erklärungen und das Lesen derselbigen wieder vergessen wurden.

Die Welt selbst wird eher vage beschrieben. Das liegt jedoch daran, dass jede Gruppe sich ihre Stadt und das Schloss nach den eigenen Vorstellungen gestalten kann – natürlich unter der Prämisse, dass alles durch die Vasall*innen immer schlimmer wird und die Charaktere dagegen vorgehen wollen. Dennoch bleiben manche Konzepte, wie das Wechseln von Stadt zu Schloss und wieder zurück eher kryptisch. Hierbei helfen zum Glück die vielen Beispiele, um sich eine Vorstellung davon machen zu können, wie man die abstrakten Beschreibungen greifbarer machen kann.

Dieser Ersteindruck basiert auf dem Lesen des Regelwerks sowie dem Erstellen eines Charakters. Ein Spieltest ist vorerst nicht geplant.

 

  • Kreatives Konzept und Prämisse

  • Viele anschauliche Beispiele

 

  • Zu viele kleinteilige Regeln

  • Trotz der Beispiele teilweise zu abstrakt

 

 

Artikelbilder: © UFO Press Ltd.
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Max Düngen
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