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„14 Kandidaten. 7 Tage. 1 Labyrinth ohne Entkommen“: Bereits der Blick aufs Cover von Amazement Park verspricht fesselnde Spannung. Kann die obdachlose Mack das Versteckspiel gewinnen und die versprochenen 50.000 Dollar einheimsen? Es beginnt ein tödlicher Wettbewerb, denn der verlassene Vergnügungspark hält mehr Gefahren als die unerbittliche Sonne bereit.

Wenn nichts zu verlieren ist, kann man nur gewinnen: Diesem Motto folgend, begibt sich Mack auf die Fahrt zu einem lange verlassenen Vergnügungspark, um an einer ominösen Herausforderung teilzunehmen. Ihre Aufgabe, und die ihrer Konkurrent*innen, ist, sich sieben Tage im Park zu verstecken und nicht gefunden zu werden. Eine vermeintlich leichte Aufgabe für die obdachlose Frau mit einer traumatischen Vergangenheit, die sich ihr ganzes Erwachsenenleben vor der Gesellschaft verborgen hielt und sich allein durchschlagen musste.

Auch ihre Mitstreiter*innen scheuen die Herausforderung nicht, obwohl sie ganz unterschiedliche Motive für ihre Teilnahme haben. Geld und Ruhm winken, und so startet eine ungewöhnliche Woche, in der nach und nach klarer wird, dass es sich nicht um einen simplen Wettbewerb handelt. Denn einmal im Park angekommen, offenbart dieser sein Geheimnis. Und das Talent, sich zu verstecken, wird für Mack und die anderen überlebenswichtig.

Triggerwarnungen

Mord, Tod von Haupt- und Nebenfiguren, Tod von Familienangehörigen, Sektenstrukturen, enge Räume, Body Horror, Dunkelheit

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Story

Lesende lernen gleich zu Beginn von Amazement Park Mack kennen, die in einer Obdachlosenunterkunft das unmoralische Angebot erhält, an diesem Versteckspiel-Wettbewerb teilzunehmen. Nach anfänglichem Zögern nimmt sie das Angebot an – vor allem deshalb, weil sie keine anderen Optionen hat. Als obdachlose, alleinstehende Frau kann sie das Geld, das im Falle eines Sieges winkt, gut gebrauchen. Sie weiß, dass Verstecken eine Sache ist, die sie beherrscht: Schließlich hat ihr diese Fähigkeit schon einmal das Leben gerettet.

Recht schnell ist das gegenseitige Kennenlernen im Bus abgehandelt und Lesende erhalten erste Eindrücke über die vierzehn Teilnehmenden. Von Beginn an wird klar, wer sympathisch ist und wer nicht. So unterschiedlich die Motivationen der vierzehn Personen für eine Teilnahme an dem ungewöhnlichen Spiel auch sind, eines eint sie alle: Sie möchten gewinnen, weil sie ihrem Leben eine neue, verbesserte Richtung geben möchten.

Lange hält sich die Handlung nicht mit diesem Vorgeplänkel auf: Bereits nach kurzer Zeit sind alle im Park angekommen und erhalten die Instruktionen für den bevorstehenden Wettbewerb. Das Spiel beginnt an jedem Tag bei Sonnenaufgang und endet bei Sonnenuntergang. In dieser Zeit müssen die Konkurrent*innen im Park versteckt bleiben und dürfen nicht gefunden werden. Wer genau sich auf die Suche nach ihnen begibt, bleibt ein Geheimnis. In der Nacht haben sie ein Basislager, in dem sich auch sanitäre Anlagen befinden.

Was klingt wie eine etwas abgewandelte Version der Hungerspiele aus Die Tribute von Panem, entwickelt sich rasch zu purem Horror, denn die Gefahr wartet weder außerhalb des Parks noch in Form der Teilnehmenden. Spätestens, als Konkurrent*innen verschwinden, wird Mack und den anderen klar: Das Grauen lauert innerhalb des verlassenen Geländes und schon bald sind sämtliche Regeln außer Kraft gesetzt.

Aufgrund der Vielzahl an Charakteren setzen im Schatten der sich intensivierenden Bedrohungslage zwangläufig Gruppen- und Aushandlungsprozesse ein, die sich vor allem mit den Beziehungen der Teilnehmenden untereinander und den vermeintlich besten Handlungsschritten befassen. In Anbetracht der unterschiedlichen Ausgangslagen und Pläne, die aufeinandertreffen, liegt hier schon einiges an Konfliktpotenzial vor, das sich durch das Konkurrenzdenken und die Erkenntnis, dass die verrosteten und brüchigen Attraktionen nicht das Einzige sind, das sie in diesem Vergnügungspark erwartet, verdichtet.

Schreibstil

Kiersten White überzeugt mit einer stringenten Erzählweise, die sich nicht mit Nebensächlichkeiten aufhält. Unweigerlich entwickelt sich ein Sog, der immer mit Blick auf die Protagonistin Mack und deren Beziehung zu ihren Mitbewerber*innen um den Gewinn in seinen Bann zieht. Gerade die Ausgestaltung dieser teilweise ambivalenten Figur stellt einen großen Pluspunkt von Amazement Park dar. Die traumatische Hintergrundgeschichte tut ihr Übriges, um die Lesenden mit einer außergewöhnlichen Hauptperson zu überzeugen.

Doch auch die Varianz der Nebenfiguren machen einen Reiz des Horrorromans aus, denn sie erlaubt, eben diesen Horror aus verschiedenen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Hintergründen wahrzunehmen. Und schließlich ist es die Bedrohung, die immer engere Kreise um die vierzehn Personen in ihren Verstecken und im Basislager zieht, die Lesenden einen stetig steigenden Spannungsaufbau bis zum überraschenden Finale bietet.

Die Idee, das Grundthema in einem verlassenen Vergnügungspark stattfinden zu lassen, erweist sich als äußerst gekonnter Kniff der Autorin. Der Rost, die Pflanzen und so mancher Schrecken wie beispielsweise zerblätterte Clownsfratzen unterstützen den Grusel in mannigfaltigen Situationen, die die Teilnehmer*innen meistern müssen. Die unerbittlich herunterbrennende Sonne setzt allen bereits zu Beginn zu, sodass von Anfang an bereits eine Bedrohung im Setting geschaffen wird.

Zwei weitere settingspezifische Gegebenheiten sorgen ebenfalls für strukturelle Spannung: die Zeit und der Grundriss des Parks. Während ersteres durch die Limitierung auf eine Woche, die den Teilnehmenden für das Bestehen der Herausforderung zur Verfügung steht, schon ab Beginn klarmacht, dass es auf ein wie auch immer geartetes Ende zugeht, bildet das Labyrinth ein beliebtes Element (hier ein weiterer lesenswerter Roman), um für Überraschungen und Unabwägbarkeiten zu sorgen. Beide Elemente spielen keine allzu große explizite Rolle – das Grauen spielt die Hauptrolle. Sie stellen aber, obwohl klischeehaft anmutend, dennoch sicher, dass eine stimmig gruselige Grundatmosphäre entsteht, die die Autorin stilistisch überzeugend einfängt.

Die Übersetzung von Kerstin Fricke fängt diesen eindringlichen Ton in ihrer Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch gekonnt ein. Im Lektorat scheinen allerdings ein paar grobe Schnitzer passiert zu sein, die durch falsche Wortwahl und Fehler den Lesefluss immer mal wieder trüben. Dieses Manko wirkt umso schwerer, da der Roman von der Spannung und dem beschriebenen Sog lebt.

Die Autorin

Die US-amerikanische Autorin Kiersten White verfasste mit Amazement Park, ihrem ersten Buch, das an ein erwachsenes Publikum gerichtet ist, einen New York Times-Bestseller. Zuvor veröffentlichte sie einige Jugendbücher, die auch auf Deutsch erhältlich sind. Die Schildkrötenliebhaberin lebt in San Diego, Kalifornien. Weitere Informationen sind auf der Homepage der Autorin zu finden.

Erscheinungsbild

Das Cover in einem schmutzigen Gelb und mit der schwarzen Silhouette eines Vergnügungsparks, unter dem etwas Undurchdringliches liegt, bildet den Inhalt und die Grundstimmung von Amazement Park perfekt ab. Die Spiegelung des Motivs in rot und weiß im Inneren der Klappe machen ebenfalls neugierig auf den Inhalt.

Leider verzichtet der Verlag, entgegen der aktuellen erfreulichen Entwicklung der zunehmenden Würdigung der Übersetzer*innen, darauf, die Übersetzerin in der hinteren Klappe vorzustellen.

 

Die harten Fakten:

  • Verlag: Piper
  • Autor*in: Kiersten White
  • Erscheinungsdatum: 29.06.2023
  • Sprache: Deutsch (Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Kerstin Fricke)
  • Format: Paperback
  • Seitenanzahl: 336
  • ISBN: 978-3-492-70639-1
  • Preis: 18,00 EUR (Print) + 14.99 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle Fachhandel, Amazon (deutsch und englisch), idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Zu Amazement Park ist eine Graphic Novel auf Englisch erhältlich, die ebenfalls gut umgesetzt zu sein scheint und aufgrund der Vielzahl an Charakteren den Einstieg erleichtert: Hide: The Graphic Novel.

Die vorangestellte Widmung der Autorin rührt, obwohl thematisch nicht zum Roman passend, zu Tränen:

„An die jüngsten Generationen, denen wir die Aufgabe übertragen haben, uns alle zu retten: Diese Last hätte nicht auf euren Schultern landen sollen. Es tut mir so leid .“

 

Fazit

Amazement Park zieht Lesende von Beginn an in einen Sog, der unweigerlich auf ein großes, dramatisches Finale hinführt. Vierzehn Menschen, die sich sieben Tage in einem seit langer Zeit verlassenen und dem Zahn der Zeit ausgesetzten Vergnügungspark verstecken sollen und denen das versprochene Preisgeld eine Chance verspricht, ihr Leben zum Besseren zu wenden: Spannend und gekonnt veranschaulicht erzählt Kiersten White stringent und dennoch mit gut ausgestalteten Charakteren von diesem Wettbewerb, in dem schon früh klar wird, dass auf dem verlassenen Gelände eine grauenhafte Bedrohung lauert. Als Teilnehmende verschwinden, wird der Ernst der Lage klar und der labyrinthartige Grundriss des Parks mitsamt seinen verrosteten Attraktionen entwickelt sich zum Schauplatz eines Kampfes auf Leben und Tod.

Verschiedene Erzählmechanismen sorgen dafür, dass man das Buch quasi nicht aus der Hand legen kann. Das Buch ist wie gemacht dafür, es in einer langen Lesesession komplett durchzulesen. Leider stören einige Lektoratsfehler massiv, sodass der Lesefluss ab und an ins Stocken gerät. Trotzdem ist das Buch aufgrund der variantenreich gestalteten Charaktere und den vielen Spannungselementen ein wahres Vergnügen für Fans von mysteriös-gruseligen Horrorromanen.

 

  • Gruselig-spannendes Setting
  • Variantenreich gestaltete Charaktere
  • Nervenkitzel bis zum Schluss

 

  • Störende Grammatik- und Wortwahlfehler

 

 

 

 

Artikelbilder: © Piper, depositphotos | © grandfailure
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Alexa Kasparek

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