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Blood Drive 2 & 3 für Savage Worlds/Deadlands Reloaded bilden Fortsetzung und Abschluss der mit Blood Drive 1 – Bad Times on the Goodnight (Klick) begonnenen Kampagne rund um einen Viehtrieb quer durch den unheimlichen Westen. Der erste Teil der Geschichte begann mit einem jener harmlosen Aufträge in einem kleinen Kaff in Südwest-Texas und endete nach zahlreichen Herausforderungen für die Überlebenden bei Denver. Während des Grundkurses „Cowboytum für Dummies“ säumten bereits etliche Schurken und Komplikationen den Weg  – in den Folgebänden wird das nicht anders sein.

Erscheinungsbild

Die PDFs umfassen 37 bzw. 39 Seiten mit dem gewohnten farbig-stimmungsvollen Seitenhintergrund, großer, gut lesbarer Schrift und angemessenen, aber nicht beeindruckenden Illustrationen. Das 6.5″ x 9″ Format sorgt für eine vergleichsweise geringe Textdichte, aber auf Bildschirmen, Tablets o. ä.  für bequeme Lesbarkeit.

Die harten Fakten:

  • Format: pdf
  • Verlag: Pinnacle Entertainment
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: Englisch
  • Preis: jeweils  USD 9.99 (PDF)
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG.com (Blood Drive 2: Klick; Blood Drive 3: Klick)

Inhalt

BD2Nachdem sich die Helden in Blood Drive 1 ihre Sporen verdient haben, können sie in Blood Drive 2 – High Plains Drovers den Treck von Denver aus weiter nach Wyoming begleiten. Die nur lose Verbindung mit dem ersten Teil ermöglicht es, Blood Drive 2 ohne besondere Mühe auch separat zu spielen. Im Wesentlichen besteht die Geschichte diesmal aus drei Segmenten mit innerem Zusammenhalt, die die Helden mit Ausläufern des Eisenbahnkriegs, Indianern und unheimlichen Phänomenen in den Sioux Nations sowie dem Grauen des Krieges konfrontieren.

Leider reiht das Abenteuer über weite Strecken wieder geradlinig Begegnungen aneinander und lässt den Helden keinerlei Möglichkeiten, den programmierten Ablauf zu beeinflussen. Probleme, die sich durch Abwarten und Würfeln nicht lösen lassen, gibt es zunächst kaum. Die rahmengebende Hintergrundgeschichte bleibt papierdünn und besteht aus gerade hinreichender Motivation für die mäßig konturierten Antagonisten der Segmente, aus dem Gebüsch auf die Füße der Helden zu springen. Das Wieder-Auftauchen eines bemerkenswert identitätslosen Schurken aus dem ersten Teil (und seine für den dritten Teil angedrohte Rückkehr) erinnern an C-Movies mit überlangem Finale, in denen der ausgereizte Bösewicht das Sterben hartnäckig verweigert. Half der Western-Charme dem ersten Teil noch über solche Hürden hinweg, dürfte die monotone Struktur allmählich die Geduld einer Spielrunde strapazieren – es sei denn, man hat das sadomasochistische Bedürfnis, am Nasenring durch eine Manege von Situationen zu zerren und/oder gezerrt zu werden. Bereits die Lektüre macht die Länge der zurückgelegten Wegstrecke fast physisch spürbar; mein Bedürfnis, wieder einen langsam-melancholischen Spät-Western zu sehen, stieg jedenfalls rasant an.

Erst spät, zum Finale des Bandes, findet das Abenteuer schließlich zum verfremdeten klassischen Western zurück – für all diejenigen jedenfalls, denen es gelungen ist, bis dahin wach zubleiben. Ohne zu viel verraten zu wollen: die Geschichte greift eine legendäre Sequenz aus einem der bekanntesten Western aller Zeiten auf, um sie im Deadlands-Universum mit dem Spiegel des unheimlichen Westens zu verzerren. Zugleich stellt sich den Helden damit eine echte Herausforderung, die nur mit Einfallsreichtum und planvollem Vorgehen zu bewältigen sein dürfte. Der clevere Western-Horror-Showdown entschädigt zumindest teilweise für die zähen ersten zwei Drittel und bietet der Spielrunde nach langer Durststrecke endlich eine interessante Aufgabe.

In Dirtwater am Bighorn River, Wyoming (nahe Yellowstone und den Sioux Nations), endet dieser Teil der Kampagne, mag also abgeschlossen oder mit dem letzten Kapitel fortgesetzt werden; die bisherigen Handlungsstränge lassen sich zu einem befriedigenden Abschluss bringen.

BD3Waren Blood Drive 1 und 2 noch Reiseabenteuer, so spielt Blood Drive 3 – Range War! nunmehr am Ziel des Trecks, im und um das Städtchen Dirtwater herum. Der Führer des Viehtriebes hat dort (zu) preisgünstig ein Stück Land erworben, auf dem er die Ansiedlung plant. Haben die Helden die ersten beiden Teile der Kampagne durchgefochten, so sind sie im Verlaufe dessen mutmaßlich Anteilseigner der Herde geworden und haben so entsprechendes persönliches Interesse; auch in einer Einzelgeschichte wird es nicht schwerfallen, anderweitige Anreize für den Einstieg zu erschaffen.

Neben dem Erarbeiten von lokalem Ansehen stellen sich natürlich weitere handfeste Probleme. In Anlehnung an Ereignisse wie den historischen  Johnson County War und entsprechende filmische Umsetzungen werden die Helden in einen genretypischen Weidekrieg mit den etablierten Größen der Region hineingezogen.

Nach einem Überblick über den Hintergrund des Abenteuers und der Stadtbeschreibung von Dirtwater folgt sodann die Schilderung des potentiellen Handlungsverlaufes. Strukturell hebt sich Blood Drive 3 wohltuend von seinen Vorgängern ab. Eine Reihe flexibel einsetzbarer Szenen bricht den bisher filmartigen Ablauf auf; zugleich wird den Helden freundlicherweise offiziell gestattet, beim Management der Ranch etwas Verantwortung zu übernehmen. Gleichwohl bleiben die Ereignisse im Wesentlichen aneinandergereiht, dynamisch nur in eng gezogenen Grenzen; unaufhaltsam rollt die Handlung auf den in weiten Teilen vorgezeichneten (und etwas skurrilen) Showdown zu. Ein kreativer Marshal wird mit der Story zwar so arbeiten können, dass die konventionellen Schienen verblassen, doch erreicht das Abenteuer die Offenheit der Szenarien aus beispielsweise Ghost Towns (Klick) nicht. Nebenbei hege ich erhebliche Zweifel, dass eine auch nur einigermaßen aktive Spielrunde auf die Zaunpfähle des Abenteuers warten wird, ohne früher das Heft in die Hand zu nehmen. Zu häufig geht der Band von der Vorstellung aus, dass die Runde erst einmal die Hände in den Schoß legt und auf das nächste Ereignis wartet, ohne Eigeninitiative zu entwickeln. Trotz des Gesagten bleibt festzuhalten, dass das Abenteuer genügend Material enthält, um daraus eine interessante, vom geplanten Verlauf abweichende Story zu schmieden.

Die Hintergrundgeschichte strebt (abgesehen vom schrägen Endgegner, der geheim bleiben soll) nicht nach Preisen für Originalität, sondern spielt mit vertrauten Versatzstücken aus dem Deadlands–Hintergrund. Versöhnlich stimmt die Betonung archetypischer Western-Facetten mit vielen klassisch inspirierten Szenen, deren Charme Freunde des amerikanischen Heimatfilmes für sich einnehmen dürfte. Zwar wird das Rad hier nicht neu erfunden, dreht sich aber vor stimmiger Weird West-Kulisse.

Preis-/Leistungsverhältnis

Nach dem Umfang sticht der Preis im Verhältnis zu den bisher veröffentlichten DLR-Abenteuern und ähnlichen Publikationen nicht heraus. Die nur 113seitige Gesamtkampagne aber reißt ein ca.  USD 30 großes Loch in die Geldbörse, ohne dass es Geschichte und Handlungsführung gelänge, mit wirklich interessanten strukturellen oder inhaltlichen Ideen zu punkten. Zwar mag sie gerade wegen ihrer Schlichtheit einsteigerfreundlich sein, bleibt aber qualitativ deutlich hinter den großen Plot-Point-Kampagnen zurück. Da bietet die für Neulinge gedachte Mini-Plot-Point-Kampagne Coffin Rock zum Preis eines der Abenteuer deutlich mehr Inhalt und Flexibilität; das zu investierende Kapital wäre darüber hinaus in den reichhaltig ausgestatteten Bänden The Flood (192 S.,  USD 19.99) oder The Last Sons (336 S.,  USD 34.99) besser angelegt.

Fazit

Das Gefühl, an einer einsteigertauglichen Besichtigungstour durch den unheimlichen Westen teilzuhaben, erhält in Blood Drive 2 in zunehmendem Maße eine arg fade Note. Pinnacle Entertainment selbst hat in den Plot-Point-Kampagnen und anderen Abenteuern bereits gezeigt, dass es auch ganz anders und besser geht. Nicht nur erfahrene Spielrunden dürften das vorgegebene Korsett als zu eng empfinden und/oder eine kohärente Story vermissen; auch Einsteiger sollten Rollenspiel nicht auf eine pfeilgerade, mit Würfeln kurz unterbrochene Erzählung reduzieren müssen. Erst im Finale des zweiten Teils findet sich in einem interessanten Szenario eine gelungene Kombination von klassischem Western mit einem Deadlands-Twist, die sich auch für alternative Geschichten plündern lässt.

Blood Drive 3 hebt sich als Stadt-und-Umland-Szenario angenehm vom Railroading der vorhergehenden Bände ab. Stimmungsvoll verschmilzt das Abenteuer nostalgiedurchtränkte Western-Stereotypen mit den Besonderheiten des unheimlichen Westens. Schwächen in der Handlungsführung wird der Marshal mit Hilfe des dargebotenen Spielmaterials kompensieren können. Als einzeln stehendes Abenteuer wäre Blood Drive 3 je nach Bedarf vielleicht sogar eine Empfehlung wert, gäbe es nicht bereits weitaus bessere (und im Preis-/Leistungsverhältnis günstigere) Alternativen.

Daumen3maennlich

 Artikelbilder: Pinnacle Entertainment Group

 

 

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