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2018 könnte das Venom-Jahr für Marvel werden: Ein Kinofilm, eine neue Reihe und das Venomverse. Für alle Freunde von alternativen Universen und Was-wäre-wenn-Szenarien zeigt uns diese Miniserie, was passieren würde, wenn sich der Venom-Symbiont mit Charakteren wie Logan, Ghost Rider oder Deadpool verbunden hätte. Könnte das etwas für dich sein?

Nach dem beliebten Miniserie Spider-Verse bei der diverse Spider-Charaktere aus verschiedenen Universen aufeinander trafen und für die auch Spider-Gwen erfunden wurde, versucht Marvel nun diesen Erfolg für Venom zu wiederholen. Venom als klassischer Spider-Man-Antagonist und Antiheld entstand ja bekanntlich, nachdem sich der Journalist Eddie Brock mit dem außerirdischen Symbionten verbunden hat. Bereits an Agent Venom (Flash Thompson) konnte man sehen, wie unterschiedlich der Symbiont auf einen anderen Wirt reagiert. Im Venomverse wird diese Idee nun weitergesponnen und uns werden diverse Parallelwelten gezeigt in denen sich der Symbiont mit anderen bekannten Figuren verbindet. Immer wieder getrieben von seinem unbändigen Hunger. Doch eine noch nicht greifbare Gefahr scheint jede dieser Figuren zu bedrohen und so müssen sie wohl alle zusammen in einen Krieg ziehen, um ihr Überleben zu sichern.

Handlung

Der Comic besteht aus fünf Einzelgeschichten von jeweils anderen Autoren. In jeder wird ein Charakter vorgestellt, der sich entweder im Laufe der Geschichte oder bereits am Anfang mit dem außerirdischen Venom verbindet. Am Ende jeder Geschichte taucht Captain Venom (ein venomifizierter Steve Rogers) auf und versucht die Charaktere für einen Krieg zu rekrutieren. Da dieser Band erst der Auftakt ist, wird leider verschwindend wenig über die zusammenhängende Storyline erzählt und jede Handlung fängt wieder bei Null an. Das ist ganz abwechslungsreich, führt aber auch dazu, dass die Geschichten mehr Lust auf die ursprüngliche Version dieses Charakters machen als auf die venomifizierte Version. Außerdem sind einige Einzelgeschichten wesentlich langweiliger als andere.

Laura Kinney als Wolverine-Klon

Begonnen wird mit der Geschichte von Laura Kinney, die als Wolverine-Klon aus einer Forschungseinrichtung entkommt und sich in New York mit ein paar Jugendlichen anfreundet. Im Gegensatz zum klassischen NYX-Comic verschmilzt sie hier aber in der Forschungsstation mit dem Symbionten, der sich kurz darauf teilt und auch ihre Freunde befällt. Der Rest der Geschichte besteht aus einem brutalen Abschlachten von Cops und anderen Personen, die sich der Truppe in den Weg stellen. Ein eigener Spannungsbogen wird nicht aufgebaut, und alle Charaktere außer Laura sind auch völlig irrelevant für die Handlung.

Die zweite Geschichte zeigt, wie man es besser machen kann und setzt dem Symbionten mit Gwenpool einen Wirt vor, dem natürlich auch bewusst ist, dass dies gar nicht das richtige Marvel-Universum ist und all ihr Handeln keine Konsequenzen hat. Außerdem ist sie hier in Daredevil verliebt und muss im Laufe der Geschichte verhindern, dass sie aus Versehen dessen Geheimidentität enthüllt. Das ist unterhaltsam und durch den in sich geschlossenen Handlungsbogen eindeutig die lesenswerteste Geschichte dieses Bandes.

Old Man Logan und der Saurier

In der dritten Geschichte verfolgen wir Robbie Reyes, der als Host Rider seinen Hunger nach Sündern stillen muss und Mister Hyde verfolgt. Ein sehr actionreiches Abenteuer ohne viel Substanz. Der Charakter ist recht ambivalent, da er gleich mit zwei inneren Dämonen zu kämpfen hat, doch aus diesem Grundaufbau wird leider wenig gemacht.

Es folgt eine Old Man Logan Geschichte, in der er sich vor Angel, Spider-Woman und Bruce Banner Junior für das verantworten muss, was er den X-Men angetan hat. Die Handlung funktioniert am besten, wenn man den modernen Klassiker von Mark Millar gelesen hat. Für alle anderen gibt es immerhin einen Kampf zwischen Logan und einem Tyrannosaurus Rex. Spannung mag aber trotzdem keine aufkommen. Dazu erhalten die Charaktere zu wenig Platz, um sich zu entfalten, so dass der Leser keine Verbindung zu der Figur aufbauen kann.

Zum Schluss darf sich auch Deadpool einmal mit dem Symbionten verbinden während er sich in einem Komplex mit dem Namen Ripley Diagnostics befindet und sich mit außerirdischen Bandwürmern herumschlägt. Diese selbstironische Geschichte soll hauptsächlich lustig und ekelig sein und referriert mehr als einmal die Alien-Filme. Wirklich originell ist das leider nicht und außer derbem Humor bleibt hier auch nichts in Erinnerung.

Charaktere

Gwenompool, die glaubwürdigste Story

Keiner der fünf Venoms schafft es, einem in der kurzen Zeit wirklich ans Herz zu wachsen. Letztendlich erkennt man immer den ursprünglichen Charakter wieder kombiniert mit einem Monster, das hauptsächlich töten und fressen will. Die Nebencharaktere sind einem auch sehr egal, denn natürlich ist jedem Leser klar, dass nichts, was hier passiert, irgendeine Auswirkung haben wird. Einzig Gwenompool und Daredevil schaffen es, zeitweise als Protagonisten zu funktionieren. Das liegt an der eigenen Agenda und der Tatsache, dass ihre Motivation über das einfache Töten hinausgeht.

Captain Venom als Figur, welcher den Band irgendwie zusammenhalten soll, ist ein mutiger Soldat, über den man in diesem Band wenig erfährt. Im Band Venomverse: War Stories hätte man erfahren können, warum diese Figur auf die Suche nach weiteren Symbionten geht. Aber vermutlich kommt diese Geschichte erst im zweiten und finalen Venomverse-Band. Doch so bleibt der Charakter flach und total beliebig.

Zeichenstil

Jede Geschichte hat einen anderen Zeichner und einen komplett unterschiedlichen Stil. Dabei orientieren sich die Zeichner an den ursprünglichen Charakteren und dem Zeichenstil der Comics mit deren erstem Auftritt. So gibt es Ähnlichkeiten zwischen den Host-Rider-Zeichnungen von Tigh Walker und denen vom neuen Ghost Rider von Tradd Moore: viele zackige und kantige Linien. Jeder Zeichner fängt die Dynamik der jeweiligen Geschichte gut ein, und die Action kommt gut zur Geltung. Von verrückt (Venompool) über zuckersüß (Gvenompool) bis hin zu urban (X-23) und trostlos (Logan) sind diverse Stile vorhanden. Schade, dass sie nicht die Originalzeichner anheuern konnten. Das hätte dem Ganzen noch ein wenig mehr Nostalgie gegeben.

Erscheinungsbild

Das Panini-Paperback hat wie immer eine angenehme Dicke und Form. Das Cover gibt einen guten Eindruck von der Vielfalt der Geschichten. Beim Druck ist in meiner Ausgabe ein kleiner Fauxpas passiert. In den letzten beiden Comics wirken ein paar Seiten verwaschen, da anscheinend eine Farbe ein paar Millimeter versetzt gedruckt wurde. Das stört das Gesamtbild aber nur unerheblich, da es vielleicht eine Handvoll Seiten betrifft.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor(en): Clay McLeod Chapman, Christopher Hastings, Ryan Key, Matthew Rosenberg, Simon Spurrier
  • Zeichner(in): André Lima Araújo, Roland Boschi, James Stokoe,  Irene Strychalski,  Tigh Walker
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 116
  • Preis: 13,99 EUR
  • Bezugsquelle: AmazonPanini-Comics

 

Fazit

Der Band besteht aus fünf Charaktereinführungen komplett unterschiedlicher Figuren, die sich alle mit dem Venom-Symbionten vereinigen. Dementsprechend ist auch jede Geschichte ziemlich anders. Leider trifft das auch auf die Qualität zu. Mich konnte einzig die Gwenompool-Geschichte überzeugen. Alle anderen sind zwar auch sehr actionreich, bieten aber darüber hinaus wenig Substanz.

Der Band ist für Liebhaber von Venom geeignet, sofern sie Brutalität und Wahnsinn als die wichtigsten Bestandteile ansehen. Jeder der darüber hinaus interessante Charakterzeichnungen oder einen übergeordneten Spannungsbogen sucht, wird von dem Band vermutlich enttäuscht sein. Panini hätte gut daran getan, den Prolog Venomverse: War Stories ebenfalls in diesen Band zu packen, um das Interesse auf den nächsten Band zu erhöhen und mehr Fokus auf das verbindende Element zu legen. So bleiben ein paar nette Was-wäre-wenn-Geschichten mit durchwachsener Qualität. Vermutlich wird dieser Band seine Leser finden, denn er ist handwerklich gut gemacht. Für die meisten Leser ist er aber zu speziell und nichts, das man gelesen haben muss.

 

Artikelbilder: © Panini Comics, © Marvel Comics, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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