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In Durchgeblättert werfen wir regelmäßig einen kritischen Blick auf Neuerscheinungen, Geheimtipps oder Klassiker aus der vielfältigen Welt der Graphic Novels. In dieser Ausgabe betrachten wir die Abschlussbände der Fantasy-Reihen Galkiddek und Heiligtum Genesis aus dem Hause Splitter, während gleichzeitig das apokalyptische Epos Extremity von Cross Cult einen fulminanten Einstieg hinlegen kann.

Der Abschluss einer Serie ist immer ein besonderer Augenblick. Handlungsstränge gehen zu Ende, und für den Leser heißt es, von eventuell liebgewonnenen Charakteren und Welten Abschied nehmen zu müssen. Und natürlich stellt sich immer die Frage, welchen Eindruck das Ende macht. Kann es überzeugen? Lässt es entscheidende Fragen offen?

Diese Ausgabe von Durchgeblättert sieht gleich den Abschluss von zwei Reihen. Wie wird die verzweifelte Liebe von Sir Galohan in Galkiddek zu Ende gehen? Und welches Unheil wird das uralte Übel in Heiligtum Genesis zur Folge haben?

Gleichzeitig ist es natürlich genauso spannend, den Start einer neuen Geschichte zu erleben – neue Konflikte, neue Entdeckungen, neue Charaktere. Diese Ausgabe entführt uns das erste Mal in die Welt von Welchen Eindruck wird diese hinterlassen?

Wir hoffen, ihr habt beim Lesen dieser Kritiken ebenso viel Spaß, wie uns das Lesen der rezensierten Werke bereitet hat. Über Fragen oder Diskussionen in den Kommentaren freuen wir uns ebenso wie über generelles Feedback zu unserem Format Durchgeblättert!

Galkiddek Bd. 3: Der Übergang

In der letzten Ausgabe von Durchgeblättert hat der zweite Band der Galkiddek-Trilogie einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Einer tieferen Charakterisierung der beiden Hauptcharaktere Galohan und Lillewyn steht der Stillstand der Hauptgeschichte entgegen, wodurch Der Magier wie eine Hinauszögerung des Finales wirkte. Nun ist mit Der Übergang der dritte und letzte Teil der Fantasy-Reihe erschienen. Kann der Abschlussband den Charme des Einstiegs in die Saga um verzweifelte Liebe erreichen? Oder hinterlässt er wie sein direkter Vorgänger eher einen unvollständigen Eindruck?

Schon der Eröffnungsszene merkt man an, dass Der Übergang die gemächliche Erzählweise des zweiten Bandes nicht fortzusetzen gedenkt. Die darin stattfindende Eskalation hat weitreichende Folgen für alle Protagonisten und schreckt auch nicht vor deutlicher Brutalität zurück. Die veränderte Ausgangslage schafft es, den Leser zu fesseln, da nun die Schicksale mehrerer Akteure im Ungewissen liegen.

Und hierin liegt die große Stärke dieses Bandes. An mehreren Stellen wird man von Wendungen überrascht, die den Status Quo komplett umwerfen. Dabei sind jedoch nicht nur Ereignisse innerhalb der Geschichte gemeint. Vielmehr müssen auch Einschätzungen zu einigen Charakteren revidiert werden. Hervorzuheben ist hier besonders der Alchemist/Magier Alcantor, der im letzten Band sträflich vernachlässigt wurde. Die Vermittlung seiner Motive und Hintergrundgeschichte bringt viel Licht in die Ereignisse der gesamten Galkiddek-Trilogie.

In dieser Hinsicht ist auch die Handlung im zweiten Band in einem anderen Licht zu sehen. Zwar bin ich nach wie vor der Meinung, dass diese mehr Höhepunkte nötig hatte. Doch durch die Fokussierung auf die Beziehung zwischen Galohan und Lillewyn in Der Magier wirken viele Szenen in Der Übergang intensiver. Für das Gesamtwerk funktioniert der Spannungsbogen somit.

Die künstlerische Ausarbeitung ist erneut schwächer als im ersten Band.

Leider setzt sich ein Schwachpunkt aus dem Vorgänger auch im finalen Band fort. Im ersten Teil wussten die Zeichnungen von Paolo Grella noch mit ihrer Detailliebe und Farbintensität zu glänzen und trugen damit maßgeblich zum Charme von Galkiddek bei. In Der Übergang sind davon nur noch Ansätze zu sehen. Das hat zum einen damit zu tun, dass im Laufe der Geschichte Charakterinteraktionen und keine epischen Landschaften oder Schlachten im Fokus stehen. Zum anderen hat man aber auch den Eindruck, dass dem Künstler weniger Zeit bei der Ausarbeitung vergönnt gewesen ist.

Besonders sichtbar ist das an der Strichführung. In Die Gefangene ist diese offensichtlich detaillierter ausgearbeitet, als es bei Der Magier und Der Übergang der Fall ist. Szenen und Figuren verlieren damit an Tiefgang und Wirkungskraft. Grellas Talent ist zu verdanken, dass die Emotionen der Charaktere trotz dieser Reduktion noch vermittelt werden können und somit der fehlenden Detailgrad das Lesevergnügen nur mindert, aber nicht fundamental einschränkt.

Als Fazit ist zu sagen: Der Übergang liefert einen würdigen Abschluss der Galkiddek-Trilogie. Die Handlung wartet mit zahlreichen Wendungen auf, wodurch das Lesen frisch und kurzweilig bleibt. Sämtliche Protagonisten der Reihe werden stimmig einbezogen und gehen die letzten Schritte ihrer Charakterentwicklung. Einziger Wermutstropfen ist die Qualität der Zeichnungen, welche nach wie vor nicht an die des Einstiegsbandes heranreichen kann. Zwar mindert das nicht das Verständnis der Geschichte durch den Leser, ist im Hinblick auf die gesamte Saga jedoch brachliegendes Potenzial. Deswegen hinterlässt der finale Band zwar einen deutlich besseren Eindruck als sein direkter Vorgänger, muss sich aber qualitativ knapp hinter Die Gefangene einreihen.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autor(en): Frank Giroud
  • Zeichner(in): Paolo Grella
  • Seitenanzahl: 48
  • Preis: 14,80 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Extremity 1

Der Klappentext beschreibt Extremity als Kombination der Intensität von Mad Max und der Vorstellungskraft von Studio Ghibli. Tatsächlich jedoch hinken diese Vergleiche mit dem Epos von Skybound, der Comic-Schmiede von The Walking Dead-Schöpfer Robert Kirkman. Denn während Extremity einem Adrenalintrip in einer apokalyptischen Welt gleicht, konnten mich seine Charaktere deutlich mehr berühren, als es die Mad Max-Filme jemals taten. Und auch, wenn die visuellen Elemente einen großen Bestandteil des Charmes ausmachen – die Atmosphäre und der Wirkungssog der Welten aus dem Hause Ghibli werden nicht erreicht.

Charakterentwicklung, Handlung, Darbietung: alles wird richtig gemacht!

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der erste Band von Extremity Unterhaltung auf höchstem Niveau darstellt. Der Leser begleitet die junge Heldin Thea und ihre Familie auf ihrem Rachefeldzug gegen den Clan der Paznina. Diese sind vor vielen Jahren für ein Massaker verantwortlich gewesen, das Thea ihre Hand und das Leben ihrer Mutter gekostet hat. Letztgenanntes brach das Weltbild von Theas Vater Jerome, der seitdem die Überlebenden des Gemetzels in einem Guerilla-Krieg anführt. So weit, so simpel. Die Prämisse von Extremity ist keine neue. Aufgewertet wird sie jedoch durch ein Ensemble aus vielschichtigen Charakteren, einen grandiosen Spannungsbogen und eine wundervolle Visualisierung.

Beginnen wir mit den Charakteren. Trotz der simplen Prämisse schafft es Autor Daniel Warren Johnson innerhalb weniger Szenen, deren unterschiedliche Motive und Eigenheiten in Szene zu setzen. Die Resignation von Thea über das Schicksal des eigenen Clans und darüber, welcher Weg nun eingeschlagen werden muss. Der innere Kampf ihres Bruders mit diesem Weg von Rache und Gewalt. Die gnadenlose Sichtweise des Vaters Jerome, der seinen Rachedurst mit der Verantwortung für seine Kinder in Einklang bringen muss. Extremity liefert nicht nur den offensichtlichen Konflikt zwischen zwei verfeindeten Clans, sondern bringt auch die Konflikte der Protagonisten immer wieder an die Oberfläche.

Doch damit nicht genug – auch als Leser gerät man während der Lektüre immer wieder ins Grübeln. An mehreren Stellen habe ich mich bei der Frage ertappt: Wer ist hier eigentlich wirklich der Böse? Denn im Laufe des Rachefeldzugs lernt man auch mehr über die Beweggründe der Paznina und deren Clan-Mitglieder. Hatten diese vielleicht sogar gute Gründe für ihre Handlungen? Ist Jerome durch all die Jahre voller Hass und Rachsucht zu dem geworden, was er eigentlich bekämpfen wollte? Spätestens mit Hinzunahme des Charakters Dag von den Paznina verschwimmen die Grenzen zwischen Helden und Schurken.

Die konsequente Logik der Handlung trägt, ohne absurde Twists, zum Lesevergnügen bei.

Gepaart mit dem klug strukturierten Spannungsbogen ergibt das die Bestandteile einer fesselnden Geschichte. Eine Abwechslung von rabiaten Kämpfen und Actionszenen mit Dialogen und Momenten der Charaktergestaltung sorgt für Kurzweil und Lesefluss. Extremity kommt dabei ohne große Wendungen oder Enthüllungen aus, sondern überzeugt durch eine sehr natürliche und konsequente Entwicklung der Handlung.

Der letzte Faktor dieses gelungenen Gesamtwerks ist die visuelle Gestaltung durch die Zeichnungen von Daniel Warren Johnson und die Farben von Mike Spicer. Das dystopische Setting wird durch Kleidung, Technologie und Landschaften charmant eingefangen und liefert dadurch einen passenden Hintergrund für die erzählte Geschichte. Um hier jedoch nochmals auf den anfangs erwähnten Unterschied zu Studio Ghibli einzugehen: Im Gegenzug zu den meisten Schöpfungen des japanischen Filmstudios funktioniert die Welt von Extremity im Zusammenspiel mit Charakteren und Handlung, schafft es jedoch nicht, ein Interesse an der Welt selbst zu erwecken. Vielmehr dient diese als Mittel zum Zweck, der auch außerordentlich gut erfüllt wird.

Darüber hinaus müssen besonders die actionlastigen Szenen des Bandes positiv hervorgehoben werden. Diese verstehen es, Details und Dynamik zu vermitteln, ohne gleichzeitig überladen zu wirken. Als bestes Beispiel hierzu kann eine Szene gezählt werden, die direkt zu Beginn des Bandes erfolgt. Ein von Jerome angeführter Kriegertrupp attackiert eine Burg der Paznina, woraufhin ein erbitterter Kampf mit den Verteidigern erfolgt. Die Intensität des Gefechts kann anhand eines einzigen Panels festgehalten werden, in dem über ein Dutzend Kontrahenten um ihre Leben kämpfen.

Zusammengefasst lässt der erste Band von Extremity nichts zu wünschen offen. Ein Cast von interessanten Charakteren wird in eine simple, aber hochgradig mitreißende Geschichte um Rache und Vergeltung eingebaut. Gepaart mit der detaillierten und aussagekräftigen Darstellung hat mich diese Graphic Novel so sehr unterhalten, wie es zuletzt nur die Baltimore-Bände und Klaus konnten.

Die harten Fakten

  • Verlag: Cross Cult
  • Autor(en): Daniel Warren Johnson
  • Zeichner(in): Daniel Warren Johnson, Mike Spicer
  • Seitenanzahl: 144
  • Preis: 22,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Heiligtum Genesis Bd. 2

Der Abschluss dieser Ausgabe von Durchgeblättert sieht gleichzeitig auch die Rezension zum zweiten und abschließenden Band von Heiligtum Genesis. Und hier stellt sich besonders die Frage, ob der zwiespältige Eindruck des Vorgängers bestehen bleibt oder es Autoren und Zeichner gelingt, dessen Schwachpunkte anzugehen. Zur Erinnerung: Hauptkritikpunkte waren die erzwungen wirkende Hinzunahme einer Dreiecksbeziehung, sowie die verpasste visuelle Abgrenzung einiger Charaktere.

Und tatsächlich hinterlässt dieser Band einen insgesamt runderen Eindruck. Die genannten Probleme bestehen zwar weiterhin, doch dringen sie nicht mehr so stark in den Vordergrund. So ist die Dreiecksbeziehung beispielsweise an einigen Stellen für genervtes Kopfkratzen von meiner Seite verantwortlich gewesen, doch schaffte sie es im Ausgleich dazu, eine entscheidende Stelle emotional aufzuwerten. Und auch die visuelle Verwechslungsgefahr der Charaktere ist nur noch geringfügig gegeben – die Geschichte vermeidet es nun schlichtergreifend, davon „gefährdete“ Personen zu häufig zusammenzubringen.

Gleichzeitig zieht die mystische Atmosphäre rund um die Ruinen von Ugarit an. Während der erste Band diese stellenweise angedeutet hat, bestimmt das unbekannte Grauen in der verfallenen Stadt indirekt alle Aktionen dieses Bandes. Mitte des Bandes ist man Zeuge mehrerer verstörender Szenen und Enthüllungen geworden.

Jedoch hat diese Entwicklung auch zur Folge, dass die Charaktere gefühlt mehr auf die Gefahren reagieren, als die Handlung selbst voran zu treiben. Eine Ausnahme ist der Archäologe Kämper, der zu Beginn des Bandes eine schwerwiegende Veränderung durchmacht. Infolgedessen entwickelt er sich mehr und mehr zum Dreh- und Angelpunkt unter den Protagonisten, während die Bedeutung der anderen abnimmt. Diese Entwicklung ist jedoch nicht problematisch – sie erlaubt eine stärkere Darstellung der Auswirkung der Schrecken durch einen klaren Fokuspunkt.

Ein hoher Detailgrad illustriert Schlüsselzenen sehr eindrücklich.

Neben der Verbesserung des Storytellings kann auch Zeichner Stefano Raffaele sein Talent deutlicher unter Beweis stellen. Der zweite Band von Heiligtum Genesis weist mehrere imposante Szenen auf – von mysteriösen Hundeattacken bis hin zu den weitläufigen Tiefen der Ruinen von Ugarit. Gerade das Finale hält einige Panels bereit, die einen enormen Detailgrad aufweisen und den Schrecken der Situation gut einfangen.

Der zweite Band von Heiligtum Genesis macht insgesamt viele Punkte besser als sein Vorgänger. Die Story ist fokussierter, spannungsgeladener und leidet unter weniger fragwürdigen Entscheidungen. Auch visuell werden mehr eindrucksvolle Szenen präsentiert, die besonders die mysteriöse und übernatürliche Atmosphäre einfangen.

Zuletzt sei darauf hingewiesen, dass dieser Band einen unmittelbaren Übergang zur Trilogie Heiligtum bietet, in welcher die Geschichte um die mysteriösen Ruinen und die dort verborgenen Schrecken fortgeführt wird. Heiligtum Genesis stellt damit ein Prequel dar, dessen Vorgänger (oder besser gesagt Nachfolger) Heiligtum bereits im Juni 2010 erschienen ist. Da die Vorgeschichte in dieser Reihe jedoch zu kurz gekommen ist, soll Heiligtum Genesis diese Lücke in der Geschichte des Fantasy-Epos schließen.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autor(en): Cristophe Bec, Philippe Thirault
  • Zeichner(in): Stefano Raffaele
  • Seitenanzahl: 56
  • Preis: 14,80 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Zwischenfazit des Monats

Sowohl Galkiddek als auch Heiligtum Genesis haben mit ihrem Abschluss bewiesen, dass die Schwachstellen der Vorgänger nicht die Nachfolgewerke belasten müssen. Beide Serien konnten entscheidende Verbesserungen erzielen und damit die erzählten Geschichten zu einem würdigen Abschluss bringen. Doch auch ein Einstieg in eine neue Welt kann einen bleibenden Eindruck hinterlassen, wie Extremity eindrucksvoll gezeigt hat.

In der nächsten Ausgabe von Durchgeblättert erwarten uns drei komplett neue Serien. Zum einen werden wir an die Front von Starcraft entführt und reisen in Schatten der Shinobi zurück ins alte Japan. Und nicht zuletzt gelangen wir nach Westeros und erleben in Der geheimnisvolle Ritter eine Vorgeschichte zu Game of Thrones. Bis dahin wünschen wir wie üblich: „Frohes Lesen!“.

 

Artikelbilder: © Splitter, Cross Cult, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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