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In Joker – Die Geheimnisvolle Rätselbox von Panini landet die Polizei von Gotham City einen Coup: Sie haben die größten Schurk*innen von Gotham geschnappt. Es gibt nur zwei Probleme: Jemand hat den Riddler erschossen. Und die Polizist*innen haben nur eine Nacht Zeit, um Batmans größte Feind*innen zu verhören…

Handlung

Es scheint wie der vielleicht größte Erfolg, den die Gothamer Polizei je feiern konnte. In einer Razzia haben sie praktisch die gesamte Riege von Batmans Feind*innen verhaften können. Joker, Pinguin, Black Mask, Bane, Poison Ivy, Professor Pyg, Killer Moth, der Verrückte Hutmacher, Killer Croc, Two-Face, Harley Quinn, Man-Bat, Mr. Freeze, Deathstroke, Scarecrow und Catwoman sitzen im Revier in der Verwahrungszelle und warten darauf, ins Gefängnis überführt zu werden. Das einzige, was die Feierlaune trübt (abgesehen von den 16 wahnsinnigen Supermörder*innen im Nebenraum) ist, dass bei der Razzia die Leiche des Riddler gefunden wurde. Nun müssen Commissioner Gordon, Harvey Bullock und die restlichen Polizist*innen das Rätsel lösen, wer den Riddler umgebracht hat.

Der Joker meldet sich freiwillig zum Verhör und erklärt, was die Superschurk*innen dazu brachte, sich zu versammeln und zur leichten Beute für die Polizei zu werden. Alles begann damit, dass der Riddler von einer Maschine erfuhr, die Wünsche erfüllt. Klingt erstmal unglaubwürdig, wurde aber dadurch rationalisiert, dass die sogenannte Master Engine ein verschollenes Artefakt der Neuen Götter der Vierten Welt sei. Diese Aliens, zu denen unter anderem Mister Miracle gehört, besitzen Technologie, die auch den Genies der DC-Erde wie Magie erscheint und die Master Engine den anderen Superschurk*innen plausibel erscheinen lässt. Als der Riddler diese um Hilfe bei der Suche nach den fünf über die Erde verteilten Teilen der Maschine bittet, sind aber nicht alle bereit ihm zu helfen. Der Joker schart eine konkurrierende Gruppe von Schurk*innen um sich, sodass sich die beiden Gruppen bald gegenseitig bekämpfen, hintergehen und austricksen.

Der Großteil der Geschichte findet in Rückblenden statt, die vom Joker erzählt werden. Der ist natürlich kein verlässlicher Erzähler. Teils wird das durch Kommentare und Nachfrage der Polizist*innen deutlich, teils auch durch die Aussagen der anderen Schurk*innen. Die wollen sich vom Joker natürlich nichts anhängen lassen und geben ihre eigene Version der Ereignisse zum Besten.

Die Suche nach der Wahrheit ist aber nicht das einzige, was in dem Polizeirevier vor sich geht, die Gefangenen sind schließlich allesamt Superschurk*innen. Manche sind im notorisch korrupten Gotham extrem einflussreich, manche verfügen über Superkräfte, manche sind fast übermenschlich intelligente Planer*innen und Manipulator*innen. Friedlich abwarten, bis sie ins Gefängnis verlegt werden, werden sie wohl alle nicht…

Der Ansatz von Joker – Die Geheimnisvolle Rätselbox ist nicht unbedingt innovativ. Verschiedene, widersprüchliche Versionen derselben Geschichte zu erzählen, gibt es nicht erst seit Rashōmon. Dafür ist es aber ein grundsolides Konzept, das immer wieder überzeugen kann. So auch hier: Die vom Joker erzählten Rückblicke sind durchgehend unterhaltsam und lustig erzählt. Die Versionen der anderen Schurk*innen konterkarieren indes und spiegeln dabei angenehm die verschieden Charaktere der diversen Gruppe wieder. Ein Profikiller wie Deathstroke spricht, verhält sich und beschreibt hier anders als der Ex-Anwalt Two-Face, der wahnsinnige Verrückte Hutmacher oder der überhebliche Mafiaboss Black Mask.

Dabei fällt auch der Joker positiv auf. In den letzten Jahren gab es vermehrt den Ansatz, den Joker zu einem nahezu übernatürlichen Monster zu stilisieren. Einer unmenschlichen, dämonischen Schreckgestalt, die entweder als philosophisches Symbol für das Böse steht, oder in einer verdrehten wahnsinnigen Liebesbeziehung mit Batman dessen dunkle Seite und Seelenverwandter ist. Besonders aktiv dabei war der Autor Scott Snyder, der von 2011 bis 2016 die Batman-Comicreihe schrieb. Diese Joker-Version muss nicht unbedingt schlecht sein, aber sie ist doch ziemlich vom Kern des klassischen Jokers entfernt. In Joker – Die Geheimnisvolle Rätselbox ist der klassisch-moderne Joker aber wieder zurück, ein fieses, sadistisches Genie, das sich von den widersprüchlichsten, albernsten Launen leiten lässt. Aber vor allem ist der Joker wieder lustig und macht Witze voll sardonischen, schwarzen Humors. Joker – Die Geheimnisvolle Rätselbox ist natürlich nicht der einzige Comic, in dem der Joker sich wieder so verhält, führt es aber hervorragend aus.

Joker – Die Geheimnisvolle Rätselbox weist allerdings zwei Schwachstellen auf. Die erste ist nicht unbedingt negativ, aber die Geschichte ist nun mal kein Krimi zum Miträtseln. Sie wird in Rückblenden erzählt, die sich um das Rätsel von Riddlers Mörder drehen. Hier wäre Potential gewesen, Hinweise zu verstecken, mit denen Leser*innen den Mörder selbst hätten herausfinden können. Für Leute, die so etwas mögen, wäre das ein zusätzlicher Anreiz zum Lesen gewesen. So können die einzelnen Rückblenden und Erzählungen mit Action, Witz und Charakterinteraktion unterhalten, das große Rätsel der Rahmenhandlung wird jedoch nur am Ende erklärt. Das ist, wie gesagt, nicht unbedingt negativ, aber verschenktes Potential.

Das andere Problem, das daraus entsteht, ist die Form der Geschichte insgesamt. Letztendlich liest man praktisch eine Anthologie von Kurzgeschichten, in der verschiedene Superschurk*innen gegeneinander antreten. Zu Anfang und zum Ende werden diese zwar zusammengeführt, die überwiegende Menge liest sich aber sehr eigenständig und könnte teils fast unabhängig von der Rahmenhandlung spielen. Ein wenig erinnert es an alte Team-Comics, wie die Justice League Comics der 60er. Auch diese begannen mit einem Treffen der Held*innen, die sich dann aufteilten, um Einzelabenteuer zu erleben, und erst am Ende zur Auflösung wieder zusammenkamen. Und auch dort ging es meistens darum, über die Erde verteilte MacGuffins zu finden, so wie in Joker – Die Geheimnisvolle Rätselbox. Vielleicht ist das eine bewusste Hommage an die alten Comics, allerdings ist diese Erzählstruktur schlecht gealtert. Und vor allem ist es einfach zu viel davon. Im Original besteht Joker – Die Geheimnisvolle Rätselbox aus sieben Einzelheften, dafür passiert insgesamt aber zu wenig, und zu wenig Neues. Die Geschichte hätte sicherlich auf fünf Hefte gestrafft werden können, ohne etwas zu verlieren.

Zeichenstil

Jesús Merino ist der Hauptzeichner von Joker – Die Geheimnisvolle Rätselbox, der den Gegenwartsteil der Handlung bebildert. Sein Stil ist realistisch, mit einem cartoonhaften Einschlag, den er effektiv nutzt, um Mimik deutlich zu kommunizieren und Charaktere mit einzigartigen, leicht erkennbaren Gesichtern auszustatten. Das ist sehr schön anzusehen und passend zum Setting.

Die zeichnerische Pointe von Joker – Die Geheimnisvolle Rätselbox liegt aber darin, dass die Rückblenden von jeweils anderen Gastzeichner*innen ausgeführt wurden: Joshua Hixson, Keron Grant, Dani, Dominike Stanton, Juni Ba, Vanesa Del Rey, Ricardo López Ortiz, Chris Mooneyham, Freddie E. Williams II., Juan Doe, Vicente Cifuentes und Mike Norton. Der Großteil dieser Gastzeichner*innen arbeitet in ziemlich cartoonhaften, übertrieben stilisierten Stilen. Das funktioniert gut, um die vom Joker und anderen verrückten Superschurk*innen erzählten Rückblicke mit der realistischeren Gegenwart zu kontrastieren und betont zusätzlich die Unzuverlässigkeit des Erzählers. Aber auch auf andere Art wurde das gut genutzt. Black Mask ist zum Beispiel kein wahnsinniger Superschurke, sondern ein vergleichsweise geerdeter Gangsterboss. Dementsprechend wurde seine Rückblende von Keron Grant mit stimmigen, an Noir-Filme erinnernde gemalten Bildern illustriert.

Erscheinungsbild

Panini-typisch ist Joker – Die Geheimnisvolle Rätselbox ein solide verarbeiteter und ansprechend gestalteter Comicband. Das Titelbild mit dem Gesicht des Jokers und von seinem Mund abstrahlenden Puzzleteilen passt zwar symbolisch, ist für einen Kaufanreiz aber womöglich etwas zu abstrakt. Ein Nachteil ist allerdings, dass ein paar Figuren, um ihre unmenschliche Stimme zu symbolisieren, einen schwer lesbaren Schriftsatz bekommen haben.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor*in(nen): Matthew Rosenberg
  • Zeichner*in(nen): Jesús Merino
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 252
  • Preis: 29 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini

 

Fazit

In Joker – Die Geheimnisvolle Rätselbox legen Superschurk*innen ihre widersprüchlichen Versionen der Geschichte dar, wie es zum Mord am Riddler kam. Die unterschiedlichen Charakterisierungen der Figuren sind dabei gut getroffen, vor allem der Joker als Hauptfigur ist witzig und unterhaltsam.

Die Grundidee, den Joker und den Riddler mit jeweils einem Team an Superschurk*innen gegeneinander antreten zu lassen, ist solide und erinnert etwas an den Joker/Riddler Krieg vor ein paar Jahren. Die von verschiedenen Gastzeichner*innen illustrierten Rückblicke sind zu Anfang spannend, genauso wie die Handlung in der Gegenwart auf dem Polizeirevier.

Insgesamt zieht sich die Geschichte aber zu lang. Die Rückblicke sind zwar nett, aber auf die Dauer nicht spannend genug. Der Gegenwartsteil zieht sich indessen vor sich hin, bis es endlich zum überraschenden Ende kommt. Hier wäre weniger definitiv mehr gewesen. Vor allem wirkt sich die Länge auf den Preis aus. 29 EUR für 252 Seiten sind an sich kein schlechtes Preis/Leistungs-Verhältnis. Bei Joker – Die Geheimnisvolle Rätselbox kommt aber noch der Faktor Qualität zur Quantität, und damit lohnt es sich schlussendlich nicht.

  • Der Joker überzeugt
  • Unterhaltsame Charakterinteraktionen
 

  • Zu lang
  • Zu viel Nebenhandlung, zu wenig Kern

 

Artikelbilder: © Panini Comics
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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