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Musikfans aufgepasst! Ihr wollt etwas über echten, wahren Forest Doom lesen? Ihr wollt eine Abenteuergeschichte? Ihr wollt eine Hommage an die Musik-Szene? Dann kommt mit Rocking the Forest ein Roman in eure Hand, der passender nicht sein könnte. Oder ist es doch nur viel Krach um nichts?

Orks, Trolle, Elfen, Zwerge, Hobbits … Fantasy-Leser kennen wirklich alle möglichen Arten von Lebewesen, doch ein Wolfmorf dürfte für viele etwas Neues sein. Wenn dieser Wolfmorf, eine optische Mischung aus Fuchs und Eichhörnchen, dann auch noch Vollblutmusiker ist und einen Band-Contest gewinnen will, ist jedem Leser klar, dass er keinen typischen Fantasyroman in den Händen hält. Um direkt alle Unklarheiten zu beseitigen: Rocking the Forest ist wirklich alles andere als typisch. Nachdem Rocking the Forest bereits auf meiner Wunschliste für das Frühjahr 2018 stand, war ich umso gespannter auf den Roman. Zurecht?

Story

Rocking the Forest handelt von Iggy >Keeper of Doom< Wolfmorf, DEM Forest-Doom-Musiker schlechthin. So ist es nicht verwunderlich, dass Iggy zusammen mit seiner Band, den Müützel Monotones, bei Rocking the Forest gewinnen möchte. Rocking the Forest ist DER Band Contest für alle Forest-Doom-Musiker. Blöd ist nur, dass seine Band ihn zehn Tage vor dem Festival rauswirft. In seiner schieren Verzweiflung holt Iggy sich Rat bei einem Freund, dem Eulerich Gugu. Dieser weiß zu erzählen, dass angeblich nicht weit vom Müützelwald entfernt der größte Musikproduzent aller Zeiten lebt – Blubb die Pfütze. Da Iggy nichts mehr zu verlieren hat, beschließt er, auf die Suche nach Blubb zu gehen. Und so nimmt das Unheil seinen Lauf …

In den zehn Tagen seiner Reise erwarten Iggy zornige, mörderische Libellen – die der Musikrichtung der Libellen-Popper angehören und bis aufs Blut mit dem Forest Doom verfeindet sind – freche Glockenbolde und, Lila, die schärfste Wolfmörfin im ganzen Müützelwald. Iggy durchlebt eine nervenaufreibende Reise mit vielen Höhen und Tiefen (im wahrsten Sinne des Wortes) und steht am Ende vor der schwersten Aufgabe seines Lebens: Die Rettung des Forest Doom liegt in seinen Händen.

Der Roman ist etwas für Kenner der Musik-Szene der letzten Jahrzehnte.

Wer nun mit dem Gedanken spielt, den Roman zu lesen, sollte noch einmal genau weiterlesen. Denn wer kein Verständnis von den musikalischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte und nicht einmal ein generelles Faible für Musik hat, der wird von Rocking the Forest etwas enttäuscht sein. Ich habe die Entwicklungen der Musikszene der letzten Jahrzehnte, insbesondere der Metal-Szene, nicht verfolgt. Somit waren für mich während des Lesens keine Parallelen zur Realität sichtbar. Der Roman war für mich oftmals eine banale Abenteuergeschichte, der an manchen Stellen ein wenig der Biss fehlte. Unser Chefredakteur Roger hat die Entwicklungen des Death/Doom-Metals hingegen live miterlebt. Für ihn war Rocking the Forest eine Hommage an die Metal-Szene und ein großartiges Buch. Cornelius Zimmermann stuft seinen Roman selbst als „Rock-‚n’-Roll-Märchen ein. Dies sei ein Genre, das sicher eng mit der Fantasy verwandt und in Teilen möglicherweise auch wesensgleich sei, aber den Mief Tolkien’scher Universitätsbibliotheken der 1950er Jahre endgültig hinter sich gelassen habe.

Rocking the Forest erhebt nie den Anspruch anspruchsvolle Literatur zu sein. Dies macht selbst der Autor in seinen häufigen Zwischenanmerkungen deutlich:

„… Und nicht zuletzt, weil es sich hier eben doch nicht um einen epochalen Jahrtausendroman handelt, sondern um eine ziemlich lineare Abenteuergeschichte ohne allzu viele Handlungsebenen über ein Wesen, das – wenn wir mal ganz ehrlich sind – eben doch ziemliche Ähnlichkeit mit einem musizierenden Schnabeltier hat. Auf zwei Beinen. Und ohne Schnabel …“

Der Roman möchte unterhalten. Er möchte den Leser amüsieren und sich ein wenig über die hochklassische Fantasy-Literatur mit all ihren überaus wichtigen und bedeutenden Figuren lustig machen. Der Autor wird diesem Ansinnen im Großen und Ganzen gerecht. Und doch war ich zuweilen gelangweilt. An einigen Stellen ist die Story so banal und unaufgeregt, dass es sich durchaus um ein Kinderbuch handeln könnte. Die Betonung liegt hierbei auf könnte. Aufgrund von eindeutig zweideutigen Anspielungen und Gewalttaten, ist es definitiv nicht für Kinder geeignet.

Die Story hat durchaus ihre Höhen, plätschert im Allgemeinen jedoch eher seicht dahin. Lediglich gegen Ende kommt etwas Fahrt auf. Ähnlich verhält es sich mit den Charakteren. Iggy erinnert zu Anfang an den typischen narzisstischen und cholerischen Musiker, mit wenig Tiefe. Dies ändert sich im Laufe der Geschichte zunehmend, so dass dem Leser am Ende ein anderer Wolfmorf begegnet. In der Charaktergebung von Blubb der Pfütze erlaubt sich der Autor einen weiteren Seitenhieb auf die typische Fantasy-Literatur. Blubb ist die Geheimwaffe, der Gandalf von Iggy. Oder sogar noch viel mehr?

Schreibstil

So anders Rocking the Forest auch anmutet, der Schreibstil von Cornelius Zimmermann ist wie er sein sollte: flüssig zu lesen und lebhaft. Seine Sprache ist frech bis rotzig. Die Geschichte wird von einem auktorialen Erzähler und hauptsächlich aus der Sicht von Iggy geschildert. Selten kommt es zu Änderungen der Perspektive, in denen Blubb die Pfütze zum Gegenstand der Erzählung wird.

Der Wald ist die Welt.

Cornelius Zimmermann erschafft eine recht simple Welt, die nur aufgrund des kleinen Körperwuchses der Charaktere groß erscheint. Alles spielt in einem Wald mit ein paar Lichtungen. Aber wozu eine unermessliche große Welt erschaffen, wenn für die Charaktere der Wald die Welt ist.

Eine Besonderheit an Rocking the Forest sind die ständigen Einschübe des Autors. Am Anfang wird der Leser noch alleine gelassen, doch bereits nach den ersten 60 Seiten meldet sich die Stimme aus dem Off. Cornelius Zimmermann schafft mit diesen Einschüben humoristische Momente, die meistens gut gelungen sind. Er schildert zuweilen seine Beweggründe oder führt dem Leser vor Augen, dass er mal wieder auf einen der ältesten Autorentricks hereingefallen ist, bzw. dass sich der Leser doch gefälligst mal etwas mehr anstrengen sollte beim Lesen. Leider wurden die Kommentare gegen Ende des Romans etwas lästig. Wo das Buch endlich Fahrt aufnimmt, reißen die Einschübe des Autors den Leser unnötigerweise aus der Geschichte heraus.

Der Autor

Mit Rocking the Forest feiert Cornelius Zimmermann sein Roman-Debüt, zuvor hatte er bereits einige Kurzgeschichten veröffentlicht. Der 1978 geborene Südbadener lebt und arbeitet inzwischen in Berlin. Auf seiner Autorenseite beim S. Fischer-Verlag steht über ihn:

„Er sieht sich literarisch als Vertreter des rationalen Realismus, hält es aber für möglich, dass hinter seiner Tapete eine Kolonie mikroskopisch kleiner hochintelligenter Hamster haust, die Hebräisch mit brasilianischem Akzent sprechen und alle Günther heißen.“

Erscheinungsbild

Das Cover von Rocking the Forest ist sehr liebevoll gestaltet. Auf einem Baumstumpf steht der kleine Wolfmorf Iggy und singt aus voller Kehle; auf dem Waldboden sitzen, so vermute ich, Blubb die Pfütze und der Glockenblod Gunnar; an einem anderen Baum lehnt Iggys Angebetete Lila. Alle tragen rockige Outfits oder machen zumindest eine eindeutige Rocker-Geste. Alles in allem ist das Cover sehr ansprechend und gibt einen guten Einblick in den Inhalt des Romans.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Fischer TOR
  • Autor: Cornelius Zimmermann
  • Erscheinungsdatum: 21. März 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 364
  • ISBN: 9783596299270
  • Preis: 9,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Persönlich bin ich eine große Verfechterin von Karten in Romanen, daher hätte ich mir auch bei Rocking the Forest eine Karte gewünscht. Da die Welt jedoch recht überschaubar ist, war die Orientierung auch ohne Karte möglich.

Bei Amazon erhält man den beinahe schon obligatorischen Blick ins Buch.

Fazit

Es gibt Bücher, die sich schwer bewerten lassen. Rocking the Forest ist ein solcher Fall. Die Story an sich ist recht banal und unaufgeregt. Lediglich gegen Ende kommt etwas Fahrt auf. Allerdings macht der Autor durch seine Einschübe im Roman selbst deutlich, dass es nicht seine Intention war, den nächsten Jahrtausendroman zu schreiben. Viel mehr wollte er eine humoristische Geschichte schreiben, die eine Hommage an die Musik-Szene der letzten Jahrzehnte ist. Wahrscheinlich liegt hier meine persönliche Problematik. Ich kenne mich mit den musikalischen Entwicklungen der letzten Jahre, insbesondere denen der Doom-/Death-Metal-Szene, nicht aus. Demnach habe ich viele Anspielungen nicht verstanden und wahrscheinlich nicht einmal bemerkt. Es sei an dieser Stelle also festzuhalten, dass die Zielgruppe klar die Musikfans sind. Für mich war die Story zum Teil eher langweilig, doch kann ich mir vorstellen, dass ein Musikfan, wie zum Beispiel unser Chefredakteur Roger, durchaus Spaß an der Geschichte haben wird.

Der Schreibstil ist definitiv gut zu lesen, so dass Rocking the Forest im Großen und Ganzen ein solider Unterhaltungsroman für entspannte Stunden ist.

Die zweite Meinung

Von Roger Lewin

Oh teuerste Julia, wärest Du doch ein Kind der 80er und 90er Jahre gewesen. Ich selbst war damals Leadgitarrist in mehreren Bands und habe die vielen Anspielungen vollauf genossen. Wie wichtig ist Iggy doch der Kampf um die Trueness des Forest Doom, oder gar seiner urtümlichen und wuchtigen Wurzel, dem Mountain Doom.

Die Spannungen zwischen den Libellen-Poppern von der Ping-Pop-Arena erinnert mich zu gut an die damaligen Jahre, wo Kuttenträger und Haarspray/Haarlack-Nutzer oft nicht im Guten zusammentrafen. Das war Krieg! Nun gut, nicht wirklich, aber Handgreiflichkeiten kamen schon hin und wieder vor.

Dabei erinnert mich Iggys Reise – übrigens durchaus monomythisch – an den Kult vieler Rockfilme aus der alten Zeit. Vom Verlassen der wohlbekannten Heimat zur Selbstfindung, Läuterung und ja, in diesem Fall bis zu einer anderen Form der Apotheose. Und das Ganze natürlich immer gewürzt mit einem Stück Trueness!

Der Autor präsentiert hier vor allem aber auch eine frische unverbrauchte Welt, die sich in vielen Bereichen angenehm von üblichen Fantasy-Welten abhebt. Das, verbunden mit der Nostalgie der sich damals in Untergattungen aufteilenden Metal-Szene, hat den Roman für mich zu einer sehr angenehmen Erfahrung gemacht. Vielleicht ist es sogar eines der wenigen Bücher, das ich mehrfach lesen werde. Das passiert nicht häufig.

In einem muss ich der werten Kollegin jedoch Recht geben: die Geschichte könnte ein besseres Pacing vertragen. Ab und an plätschert sie wirklich vor sich her, allen Einschüben des Autors, der damit die vierte Wand bricht, zum Trotz.

Artikelbild: © Tor Verlag, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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