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Deutschlands älteste Anime-Convention feierte dieses Jahr ihr Jubiläum. Die 20. Ausgabe fand am vergangenen Wochenende statt. Wie üblich mit einem rund 48-stündigen, durchgehenden Anime-Programm und in einem Tagungshotel – ja, der Marathon unterscheidet sich in einigen Punkten von anderen Cons. Sowohl vom Angebot, als auch durch seine Besucher.

Der Mittelpunkt sind die Besucher selbst.

„Wir wurden jahrelang als ‚Rentner-Con‘ belächelt in der Szene“, erzählt Orga-Mitglied Jenni. „Bei uns sind viele Besucher tatsächlich Otakus der ersten Stunde“, was dazu führte, dass der Altersschnitt vor ein paar Jahren bei rund 30 lag, also ungefähr 10 Jahre höher als auf anderen Conventions. Inzwischen ist der Altersschnitt wieder etwas niedriger und liegt nach ihrer Schätzung bei Mitte bis Ende 20, auch dank der „nächsten Generation“, durch die sich inzwischen ein neuer Spitzname einbürgert: Familiencon.

„Wir sind gerade bei Familien angesehen“, berichtet Jenni stolz, und ergänzt: „Auch bei vielen jungen Eltern, die es schätzen, dass wir auch für die ganz Kleinen etwas bieten. 2015 haben wir den ‚Otaku Mini Club‘ gegründet, der damals ein eigenes Spielzimmer für die Kleinen war. Seit diesem Jahr gibt es dagegen einige weitere Angebote, darunter eine eigene Ecke in der Manga-Bibliothek, eine Filmecke in der Teeküche und ein eigener Kostümbereich mit 17 Kostümen im Cosplay-Studio.“ Der jüngste Besucher in diesem Jahr sei dabei erst 2 Monate jung gewesen, wogegen der älteste 59 Lebensjahre zählte.

Was „die Traditionscon seit 1999“, so der Aufdruck auf dem Stoffbeutel aka Contüte, sonst so bot? Wir haben mal wieder vorbeigeschaut.

Allgemeines Angebot

Wie bereits seit einigen Jahren fand der Anime Marathon auch zum Jubiläum wieder im Tagungshotel AVALON Hotelpark Königshof statt, welches wir im letzten Jahr bereits genauer betrachteten. Kurz gesagt: Gut gelegen, vier Sterne inklusive Pool, und Zimmer vor Ort sind einfach klasse. Zumal 72 EUR für zwei Übernachtungen im Doppelzimmer mit Frühstücksbuffet wirklich günstig sind. Lediglich der Preis für das optionale Abendbuffet ist von 10 auf 13 EUR angestiegen, was angesichts der guten Qualität und Auswahl aber durchaus fair ist. Nicht gestiegen ist dagegen der Con-Eintrittspreis selbst: ab 28 EUR für die Dauerkarte (Freitag bis Sonntag, durchgehend geöffnet) im Vorverkauf, 37 EUR vor Ort – seit mittlerweile fünf Jahren unverändert.

Die diversen Händler boten ein breites Spektrum.

„Durchgehend geöffnet“ heißt dabei vor allem eines: durchgehendes Programm in den drei Videoräumen. Von Klassikern bis Neuheiten, in deutschem Ton oder japanisch mit Untertiteln und mit Besucher-Wunschprogramm am frühen Morgen – da weiß man, woher der Marathon seinen Namen hat. Aber auch Bowling oder Werwölfe von Düsterwald konnten nachts gespielt werden.

Mehr Angebot gab es natürlich tagsüber: beispielsweise diverse Händler mit unterschiedlichen Schwerpunkten, ein Bring & Buy, ein Brettspielbereich (inklusive Helfern, die die Spiele erklären) – so weit, so klassisch und bekannt. Besonderer wird es da schon bei Videospielen und der Manga-Bibliothek. Zweitere legte dieses Jahr noch einmal ordentlich zu auf nun 4.381 Mangas und Magazine – über 1.000 mehr als im Vorjahr. Auch der Games Room zeigte sich in neuem Glanz und fand sich dieses Jahr auf Wunsch des Zuständigen in einem anderen, größeren Raum wieder, was gut aufgenommen wurde. Mit einer breiten Auswahl von alten Klassikern aus der 8-/16-Bit-Zeit bis hin zur aktuellen Konsolengeneration dürfte für jeden Geschmack etwas dabei gewesen sein – und perfekt auf die Größe der Veranstaltung abgestimmt: Es war nie leer, aber auch nie so voll, dass jedes Gerät in Benutzung gewesen wäre.

Nur ein kleiner Ausschnitt des Games Rooms.

Die wohl größte Besonderheit im Vergleich zu anderen Cons – und mein persönliches Highlight – ist die Teeküche, in der es japanischen Tee, Kuchen, Reis und diverse Snacks gibt. Nun ist es auf einer Anime-Con sicher alles andere als ungewöhnlich, dass es ein solches Angebot gibt. Aber auf dem Marathon sind die angebotenen Speisen und Getränke kostenlos. Lediglich eine optionale Spendendose steht zur Verfügung. Und es funktioniert: Ausreichend Besucher spenden und das Angebot wird nicht ausgenutzt, um sich satt zu essen, sondern dient wie geplant als Snack für zwischendurch und zum Probieren.

 

Programm

Selbstredend gab es an allen drei Tagen auch diverse Programmpunkte, sowohl auf der Bühne als auch an verschiedenen anderen Orten.

Chaos nach dem Basteln von blumigem Haarschmuck.

Dabei begann es in diesem Jahr zunächst mit einem Novum: Die traditionelle Eröffnung verspätete sich zum ersten Mal in der langen Geschichte – glücklicherweise nur um gut 20 Minuten. Ärgerlicher war da, dass der erste Workshop/Vortrag zum Thema „Im Cos gewinnen!“ ausfiel. Weder an der Rezeption, noch im Conbüro wusste jemand, was denn mit der Vortragenden war. Außer, dass sie nicht da war. Sehr unbefriedigend, auch wenn die Con-Orga nichts dafürkann. Der folgende Workshop, ein Bastelkurs zu Cosplay-Haarschmuck, hatte zudem eine Stunde Verspätung aufgrund eines Staus, was zumindest bereits bei der Eröffnung kommuniziert wurde. Sehr schön: Als klar war, wann die Kursleiterin vor Ort sein und der Workshop starten würde, bekam ich einen Anruf mit jener Info. Großes Lob für diesen Service!

In der Nähstube konnte man sich auch jederzeit sein Kostüm flicken lassen.

Generell fand ich das angebotene Workshop-Programm dieses Jahr etwas ansprechender als im Vorjahr, wobei durch das grandiose Wetter die Besucherzahlen in den Workshop-Räumen eher leider mäßig waren. Zu sehen (oder verpassen) gab es unter anderem einen Nähkurs in der Nähstube, Kyudo-Schwertkampf, Vorträge über Tokyo, Anime-Tourismus und Cosplay in Japan oder den hervorragenden Vortrag „Was ist Cosplay“ von Fritjof „Puka“ Eckardt. Von diesem gab es übrigens noch eine spannende Ankündigung bezüglich eines neuen Buches. Zusammen mit Desiree „Desi“ Richter arbeitet er an einem englischsprachigen Buch zum Thema Cosplay, das einzelne Aspekte stärker vertiefen wird, als es in seinem letzten Buch möglich war – inklusive Interviews mit Personen des öffentlichen Lebens, an die damals nicht einmal zu denken gewesen wäre. Kontaktaufbau und das erste Buch als Grundlage machen einiges möglich, und uns erwartet 2019 da wohl ein echtes Buch-Schwergewicht, welches aus gutem Grund international vertrieben werden soll.

Auch auf der Bühne gab es einiges zu sehen. Neben der traditionellen Auktion zur Bestzeit (Samstag, 20 Uhr) gab es einige Showacts zu sehen, die etablierte oder neue Programme aufführten – beispielsweise Desi, die erstmals Inochi 2018 aufführte. Allgemein stellten die Showacts eine breite Mischung dar, darunter Gesang (Shiroku und Masato), Comedy (Tanoshii, Loki Doki und Shadowpandas) oder Drama (All Stars).

Ergänzt wurde das Angebot um diverse Wettbewerbe. Mit dabei erneut das nächtliche Bowling mit diversen Sonderbedingungen, Videospiel- und Trading Card-Wettbewerben oder einem Charakterraten im Stile von Was bin ich? Und natürlich – wie schon in Vorjahren – zwei Cosplay-Wettbewerbe: Der Con-eigene und der erste Vorentscheid zur Deutschen Cosplaymeisterschaft.

Während der eigene Wettbewerb mit acht Startnummern in Anbetracht des prestigeträchtigeren DCM-Vorentscheids ordentlich besetzt war, war jener mit nur 12 Einzelteilnehmern mäßig stark besetzt. Allerdings fand bereits am Folgetag auf einer anderen Convention ebenfalls ein Vorentscheid statt. Im Vergleich zum Vorjahr, als Duos gesucht wurden, waren viele der Solo-Auftritte im Allgemeinen weniger lebhaft und mitreißend – was jedoch wohl nicht verwundern dürfte, schließlich erlauben Interaktionen zu zweit wesentlich mehr Dynamik.

Schlussgedanken

Eine entschleunigte Con in der der Besucher im Mittelpunkt steht, die Erlebnisse und Gespräche schafft und schnell familiär und vertraut wird.

Der Anime Marathon ist anders, und nicht für jeden Anime-/Cosplay-Fan die ideale Con. Wer große, auf Hochglanz gebürstete Cons liebt mit dem typischen „mehr von allem und immer größer“ wird den Marathon vielleicht als zu gemächlich empfinden. Hier geben sich nicht Stars und internationale Gäste die Klinke in die Hand, sondern der Mittelpunkt sind die Besucher selbst.

Zum Erlebnis gehört es, die Ruhe zu haben, einfach nur gemütlich mit alten und neuen Freunden zusammenzusitzen und sich zu unterhalten. Gleich ob beim Buffet, beim Nachtverkauf mit japanischem Bier, im Pool, im Cosplay-Fotostudio mit diversen für Fotos nutzbaren Kostümen oder auf einem Zimmer – diese Ruhe fehlt auf anderen Cons aufgrund der Menge an Programm und Masse an Menschen. Hier ist alles einfach ruhiger, persönlicher, gemütlicher – eine entschleunigte Con entgegen des Trends.

Man kann das altbacken oder zu ruhig finden. Wenn man sich aber darauf einlässt, erlebt man eine ganz andere Art von Convention, die Erlebnisse und Gespräche schafft, die woanders so nicht möglich wären, und schnell familiär und vertraut wird.

Angesichts der hektischen, schnelllebigen heutigen Zeit eine wohltuende Ausnahme, die das nächste Mal vom 12. bis 14. April 2019 stattfindet.

 

Fotografien: © Michael Fuchs, Artikelbild: © sahuad | Depositphotos, © Xneo | Dreamstime.com, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur

 

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