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Aus eins, mach zwei, mach drei: Wer gern larpt, erschafft sich häufig mehr als einen Charakter. So viele Möglichkeiten dies auch birgt, so unangenehm wird es, wenn sich die Charaktere so ähnlich sind, dass Verwechslungsgefahr besteht. Es gibt Wege, dies zu verhindern, doch nicht alle sind gleich gut umzusetzen.

LARP ist ein Hobby, das häufig in die Breite wächst. Ist man einmal dem Zauber erlegen, folgen häufig weitere Charakterkonzepte, die man ausprobieren möchte. Manchmal bleibt man jahrelang bei einem Charakter hängen und ist zufrieden, manchmal wächst das Portfolio schnell an. Neben organisatorischen Schwierigkeiten, wie man mehr als zwei Charakterkonzepten pro Conjahr wirklich gerecht werden kann, ohne im Aufwand zu versinken, stellt sich dabei die Frage: Wie unterscheidet man die Charaktere sinnvoll voneinander, sowohl in äußerlichen als auch in inneren Aspekten?

So, dass man nicht ständig für den jeweils anderen gehalten wird oder das Klischee des „lang verschollenen Zwillingsbruders“ bedienen muss, der in so vielen Aspekten gleich ist, sich aber in zwei oder (nicht immer sichtbaren Merkmalen) von seinem Bruder unterscheidet.

Man könnte darauf achten, dass die Schnittmenge mit anderen bereits bekannten Spielern möglichst gering bleibt, indem man beispielsweise das Genre wechselt. Allerdings ist es dann doch häufig ein bestimmtes Genre (mittelalterliche Fantasy, Steampunk, Dystopien, Zombie, Western), welches die Kreativität am meisten anspricht und somit überhaupt erst dazu anregt, sich mehrere Charakterkonzepte zuzulegen.

Auch könnte man das Problem dadurch lösen, dass man linear denkt und erst einen Charakter eine Weile spielt, diesen dann aufgibt und sich dem nächsten zuwendet. Doch einerseits limitiert man sich damit häufig bei der Conauswahl, andererseits ist dies gerade bei Spielern, die überhaupt daran denken, mehrere Charaktere spielen zu wollen, nicht der Sinn der Sache. Sie wollen innerhalb desselben Jahres in verschiedene Rollen schlüpfen.

Es folgen also ein paar Gedanken zu inneren und äußeren Merkmalen, die es sowohl anderen Spielern als auch dem Spieler selbst einfacher machen können, diesen Spagat erfolgreich zu meistern.

Äußere Merkmale

Die äußeren Merkmale sind Informationen, die durch das Auge im Geist eine Verknüpfung herstellen und gewisse Erwartungshaltungen aufbauen. Wenn ein Spieler bereits in einer sehr ähnlichen Aufmachung irgendwo gesehen wurde, wird der andere Spieler aufgrund von dieser Verknüpfungsleistung sowohl IT als auch OT davon ausgehen, dass es sich um denselben Charakter handelt, und dies auch dementsprechend bespielen.

Um nicht ständig wie in The Gamers statt als Magellan als Ambrose angesprochen zu werden, sollte man sich daher gut überlegen, an welchen Stellschrauben gedreht werden kann, um die Charaktere im besten Fall schon auf den ersten Blick ohne Zweifel unterscheidbar zu machen.

Deutliche Schminke und eine krasse Gewandung ist nur ein Weg, die eigenen Charaktere voneinander abzugrenzen © Nabil Hanano, Drachenfest 2018

Fremdrassen

Zur einfachen Unterscheidung der Charaktere wäre es natürlich eine Möglichkeit, sich der verschiedenen im LARP möglichen Fremdrassen zu bedienen, auch über die Trias Mensch, Elf, Zwerg hinaus. Allerdings ist schon ein einziger Fremdrassencharakter mit Mehraufwand in Darstellung, Kleidung und sonstiger Ausrüstung verbunden. Daher sollte man sich gut überlegen, ob dieser sich potenzierende Mehraufwand die Herausforderung nicht noch erhöht statt erleichtert.

Gerade das, was an der Fremdrasse die Verwechslungsgefahr mit anderen Charakteren verringert, ist der meiste Aufwand in Geld, Zeit oder beidem: Masken, Perücken, Ohren, Makeup und natürlich die stimmige Gewandung. Denn schließlich möchte man ja nicht einfach nur einen ‚anderen‘ Charakter darstellen, sondern diesen möglichst stimmig in seinem eigenen Umfeld.

Die Profession

Man stelle sich nur mal theoretisch vor, dass dieser Ork einen anderen Charakter in Form eines Bettlerjungen haben könnte © Nabil Hanano, Drachenfest 2018
Man stelle sich nur mal theoretisch vor, dass dieser Ork einen anderen Charakter in Form eines Bettlerjungen haben könnte © Nabil Hanano, Drachenfest 2018

Häufig ist es nicht zuerst der Charakter mit seinen inneren Merkmalen, den man im LARP spielen möchte, sondern eine bestimmte Profession, die sich auch danach richtet, was man im LARP sucht und was man gerne einmal tun möchte. Sehr vereinfacht heruntergebrochen: Sucht man Kämpfe, wird man sich einen Krieger erstellen, erfreut man sich am Rätsellösen, wählt man häufig den Magier oder Geweihten.

Wer gerne den kämpferischen Kontakt hat und in der Schlacht von Nutzen sein möchte, aber selbst nicht kämpft, mag sich der Heilerprofession zuwenden. Hat man ein paar Cons gespielt, entdeckt man vielleicht noch andere Seiten an sich, die man ausprobieren möchte, und wagt sich so an eine andere Profession.

Mit der Profession ändern sich sowohl die Spielangebote zwischen den Spielern als auch die Plotherausforderungen, denen man sich zu stellen hat. Somit ist ein Professionswechsel häufig ein gutes Mittel, um sich vor merkbaren Überschneidungen von Charakteren zu hüten. Doch auch hier müssen sich sowohl Gewandung als auch Auftreten der Rolle unterordnen. Mag auch ein Schwert und eine Rüstung einen halbwegs brauchbaren Krieger machen, so macht ein Magierstab noch lange keinen Magier.

Die Gewandung und Ausrüstung

Wenn man doch keine weitere oder überhaupt eine Fremdrasse spielen möchte, oder wenn man auch an anderen Professionen wenig Spaß findet, sollte man sich zumindest überlegen, die Gewandung und die Ausrüstung der einzelnen Charaktere zu personalisieren. Hier kann ein unterschiedlicher Hintergrund viel weiterhelfen, denn Mensch ist natürlich nicht gleich Mensch.

Spielt man Barbarenkrieger oder Landsknecht, spielt man eine kräuterkundige, leicht mystische Heilerin oder eine Feldscherin? Eine Geweihte aus dem DSA-Hintergrund oder aus einem anderen Pantheon? Dies sollte wenn möglich schon in der Gewandung ersichtlich sein, denn das Auge erkennt eine Person bekanntlich zuerst. Allgemeine Ausrüstungsgegenstände können, soweit nicht eng mit dem Hintergrund verknüpft, natürlich mehrfach genutzt werden, das wird einem auch niemand krumm nehmen.

Sind alle Charaktere einer festen Gruppe gleich gekleidet, ist es einfach, durch Abweichung davon einen anderen Charakter darzustellen © Nabil Hanano, Drachenfest 2018

Innere Merkmale

Im Spiel ist es wichtig, eine zumindest diffuse Ahnung zu haben, was den Charakter wirklich ausmacht. Die Hintergrundgeschichte ist dabei einer der letzten Bausteine, da diese häufig auf Cons wenig bis gar nicht zur Sprache kommt. Natürlich prägt das, was er bisher erlebt hat, einen Charakter, doch es kommt selten dazu, dass ein Hintergrund wirklich bis ins Detail nachgefragt wird. Entscheidender ist da schon, wie sich der Charakter in einer Situation verhält, wie er anderen Charakteren derselben oder einer Fremdrasse gegenüber eingestellt ist.

Auch hier können Stellschrauben gefunden werden, die es nicht nur den anderen Spielern leichter machen, einen anderen Charakter als diesen zu erkennen, sondern auch einem selbst. Denn schließlich möchte man nicht das Gefühl haben, den lange gespielten Charakter nur in andere Kleidung und in ein anderes Land gesteckt zu haben, und somit den ‚neuen‘ Charakter selbst nie befriedigend spielen können.

Der Stand

Ein hoher oder niedriger gesellschaftlicher Stand lässt sich natürlich einfach in äußeren Merkmalen der Gewandung ausdrücken. Doch es ist ein beliebtes Versatzstück in heldenhaften Hintergrundgeschichten, dass ein adliges Erbe oder dergleichen nicht immer von außen sichtbar ist. Umso mehr muss es dann jedoch Signale im Verhalten des Charakters geben, die ihn nach außen hin anders erscheinen lassen, als das Auge vermuten ließe.

Bei Tag eine Adlige, bei Nacht vielleicht eine Drow? © Nabil Hanano, Drachenfest 2016
Bei Tag eine Adlige, bei Nacht vielleicht eine Drow? © Nabil Hanano, Drachenfest 2016

Glänzt er durch mehr Wissen, als ein Krieger eigentlich haben sollte (und es handelt sich dabei nicht um OT-Wissen, das ins IT gezogen wird), verhält er sich ‚edler‘ oder als Kontrast vielleicht weniger ‚edel‘, als man es erwarten würde?

Diese Unterscheidung kann auch helfen, Charaktere derselben Profession oder desselben Titels voneinander abzugrenzen. Prinz ist nicht gleich Prinz, Krieger ist nicht gleich Krieger. Wurde der Charakter immer als solcher behandelt, ist er oder sie es gewohnt, mit Ehrerbietung oder Geringschätzung behandelt zu werden, oder fühlt er sich gar in der ihm zugestandenen Rolle unwohl?

Es sind kleine Nuancen, die vielleicht eher innerlich als äußerlich wirken. Doch gerade die Beantwortung solcher inneren Fragen werden es für den Spieler selbst leichter machen, die Charaktere unterschiedlich zu spielen und somit auch anderen Spielern klar zu machen: Dies ist Magier Magellan, nicht Magier Ambrose!

Die Gesinnung

Das D&D-Gesinnungssystem kennt 6 bzw. 9 Gesinnungen, welche es erleichtern können, den Charakter auch im LARP einordnen zu können. Wie wird er auf bestimmte Situationen reagieren? Ist er „lawful good“, ein sog. „Lichti“, der jeder Ausgeburt des Bösen sofort und ohne Fragen mit der Waffe gegenübertritt und auch gegenüber Verbündeten häufig auf Extremstandpunkten verharrt, entscheidet er von Fall zu Fall und sieht sich keiner Seite zugeordnet, oder ist er gar selbst jemand, der dem Opportunismus absolut nicht fremd ist und der dem eigenen Vorteil im Zweifel immer den Vorzug vor dem Allgemeinwohl gibt?

Es muss dabei nicht immer der Fall vom einen Extrem ins andere sein, um dem anderen Charakter Kontur zu verleihen. Häufig genügt schon ein bisschen weniger Beharren auf einen Standpunkt, eine etwas verschobene moralische Kompassnadel, um innere wie äußere ‚Aha-Effekte‘ und ein anderes Spielgefühl zu erzeugen, welches ja häufig den Reiz an mehreren Charakteren ausmacht.

Charaktereigenschaften

Rechtschaffen Gut! © LARPNet
Rechtschaffen Gut! © LARP.Net/Rhodier.de

Abseits von der Gesinnung gibt es einen ganzen Blumenstrauß an Eigenschaften, die einen Charakter reagieren lassen, wie er es tut. Man mag sich dabei ertappen, für einen Erstcharakter etwas gewählt zu haben, das einem selbst recht ähnlich ist, vielleicht ohne sich dessen zuerst bewusst zu sein. LARP lädt jedoch auch dazu ein, in den Spiegel zu blicken und an sich selbst neue Seiten zu entdecken. Jeder von uns spielt auch im Alltag verschiedene Rollen, und es mag wenige Mitmenschen geben, die sie alle kennen.

Daher lohnt sich auch einmal eine kleine eigene Charaktererforschung. Welche Eigenschaften sind ‚typisch‘ für mich, welche kommen vielleicht nur selten zum Vorschein? Und welche davon verkörpert Charakter A, welche davon könnte ich in Charakter B stärker machen, damit er sich von A unterscheidet? Beispielsweise kann man sich drei Eigenschaften nehmen und diese ausgehend von sich selbst entweder verstärken oder abschwächen und dies in Spielsituationen aktiv forcieren. Auf diese Weise wird es auch dem Spieler selbst leichter fallen, sich in den anderen Charakter hineinzuversetzen.

Fazit

Es ließen sich sicher für beide Punkte noch einige Merkmale mehr finden, weitere Stellschrauben die vielleicht klein sind, aber eine große Wirkung entfalten im Spiel und im Gefühl des eigenen Spiels. Auch wenn die LARP-Welt immer größer zu werden scheint, bleibt sie ein Dorf, und je länger man in diesem Dorf unterwegs ist, desto mehr andere Spieler lernt man kennen.

Daher: Legt euch beim Entwerfen des nächsten Charakters vielleicht eine kleine Checkliste an, in der ihr die obengenannten Punkte und noch andere, die euch einfallen, bedenkt. Und selbst wenn ihr keine Lust habt, euren Charakter wie am Reißbrett schon vorher zu entwerfen, sondern euch auch von den besuchten Cons beeinflussen lassen wollt – den einen fällt es leichter, viele verschiedene Konzepte zu jonglieren, den anderen weniger.

Denen, die weniger darin geübt sind und sich trotzdem die Frustration des ständigen Verwechseltwerdens ersparen wollen, hat dieser Artikel hoffentlich ein paar kleine Hilfestellungen gegeben.

Artikelbilder: © Nabil Hanano, Drachenfest 2018, Drachenfest 2016, bearbeitet durch Roger Lewin

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