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„Bessere Geschichten einfacher schreiben“ – das ist der Anspruch, den Storylike an sich selbst stellt. Was versteckt sich hinter der Website, die das gemeinsame Schreiben einfacher, besser und übersichtlicher gestalten möchte? Wir haben mit Stefan Koch, einem der beiden Unternehmensgründer, gesprochen: über die Idee, über das Jetzt und über die Zukunft.

Storylike ist ein Online-Werkzeug, welches Autoren dabei unterstützt, ihre Geschichten zu schreiben. Der Fokus liegt allerdings nicht auf dem reinen Schreibprozess, sondern darauf, eine Geschichte gemeinsam verfassen zu können. Ein Kapitel einer Geschichte wird als sogenannter „Block“ abgelegt. Leserinnen und Leser können am Ende eines solchen Blocks entscheiden, ob sie zum nächsten Kapitel springen, oder ob sie einem anderen Handlungsstrang folgen möchten. Dieser Handlungsstrang kann beispielsweise von einem anderen Ort oder einer anderen Person berichten – vor allem aber kann er auch von einem anderen Autor verfasst worden sein. Das ist das Neuartige an Storylike: Geschichten können gemeinsam geschrieben werden, während ein automatisch erstellter Graph den Geschichtsverlauf visualisiert.

Das Interview

Storylike-Gründer Stefan ist bereits seit vielen Jahren in der Rollenspielszene aktiv. Er ist einer der Hauptverantwortlichen für die Organisation eines jährlichen historischen Tanzballs und beteiligt sich regelmäßig an der Organisation von LARP-Veranstaltungen. Hauptberuflich arbeitet er als Cloud-Architekt für einen großen Versicherer.

Was ist Storylike?

Teilzeithelden: Hallo Stefan! Vielen Dank, dass du dir Zeit für uns nimmst. Verrate unseren Lesern zunächst: Was ist Storylike?

Nach einem Textblock wählt der Leser, wo es weitergeht.
Nach einem Textblock wählt der Leser, wo es weitergeht.

Stefan: Bei Storylike geht es zuallererst um das gemeinsame Schreiben. Wenn man einen Plot für ein Live- oder Tischrollenspiel verfasst oder ein Forenrollenspiel durchführen möchte, landet man über kurz oder lang immer bei derselben Herausforderung: Es wird unübersichtlich. Man muss blättern, springen, suchen. Plots verzweigen sich, Forenrollenspiele, gerade mit mehreren Beteiligten, werden immer unübersichtlicher, je länger sie laufen. Selbst eine Geschichte, die man alleine schreibt, wird irgendwann komplexer. Es gibt Zeitsprünge oder Perspektivwechsel. Diese Umstände waren die Motivation für Storylike: Wir wollten, dass gemeinsames Schreiben und auch das gemeinsame Erleben von Geschichten einfacher wird. Geschichten sollen wie ein Solo-Abenteuer erlebt werden können: Wenn du lesen willst, was passiert, wenn du die Türe öffnest, blättere nach hier. Wenn die Türe geschlossen bleiben soll, dann lies dort weiter.

Teilzeithelden: Der Autor schreibt und der Leser verfolgt, konsumiert die Geschichte. Kann der Leser nun selbst am Schreibprozess teilhaben?

Stefan: Ja, genau das ermöglichen wir. Man kann beispielsweise in seiner eigenen Story zulassen, dass Leser eigene Textblöcke beitragen. Natürlich können Leser auch über sogenanntes Clapping, quasi ein Like, signalisieren, dass sie einen Block besonders gut finden. Das größte Lob ist, wenn Leser sich dazu entscheiden, ebenfalls zu schreiben. So wird aus dem eigentlich einsamen Schreiben ein kollaboratives Erlebnis, ein kreatives Miteinander, das trotzdem übersichtlich und lesbar bleibt.

Übersicht im Schreibprozess

Teilzeithelden: Wie stellt Storylike diese Übersichtlichkeit denn sicher?

Stefan: Zunächst stellen wir den Ablauf der Geschichte über einen Graphen dar, der beim Schreiben immer aufgerufen werden kann. Wir verbinden so visuell die jeweiligen Blöcke der Geschichte miteinander. Die Reihenfolge der Blöcke ist beliebig und kann auch im Nachhinein noch geändert werden. Man kann Hauptlinien, beispielsweise die Autorenlinie festlegen, während andere Handlungsstränge, zum Beispiel Fanbeiträge, parallel laufen. Besonders praktisch ist diese Übersicht, wenn man einen Plot für eine Con schreibt: „Die Spieler vertrauen dem verräterischen NSC? Dann geht es hier weiter. Die Spieler enttarnen den verräterischen NSC? Dann geht es hier weiter.“

Außerdem ermöglichen wir die Verwendung von Wikis. Wörter, beispielsweise Personen- oder Ortsnamen, können verschlagwortet werden. So muss man eben nicht nochmal blättern, bis man den Hauptbösewicht aus dem Plotbuch verstanden hat, und hat alle Informationen genau da, wo man sie haben möchte. Spätestens dann, wenn man den im eigenen Kopf völlig klar verständlichen Plot den NSC schickt und die sich dann am Kopf kratzen, weil sie aus einem unstrukturierten Textdokument nicht schlau werden, macht Storylike Sinn: Nicht zuletzt daher, weil Graph und Handlung in verschiedenen Formaten einfach von der Website zu exportieren sind.

Handlungsstränge visualisieren und Hintergrund organisieren

Teilzeithelden: Diese Features finden natürlich nicht nur beim gemeinsamen Schreiben Anwendung. Wie können sie Autoren unterstützen, die alleine schreiben?

Stefan: Der Graph hilft dabei, Kristallisationspunkte, wichtige Ausgangspunkte, zu finden. Eine Handlung kann peu à peu entwickelt werden, manche Richtungen ausprobiert, wieder verworfen, umgeschrieben werden. So kann nach einem kurzen Brainstorming der Graph herangezogen werden, um dann die einzelnen Punkte auszuformulieren. Der Witz ist eben, dass man das eigentliche Buch niemals verlassen muss. Es ist alles da. An einem Ort. Andersherum unterstützt das Wiki, wenn man Charaktere oder Orte maßgeblich abändert. Die Verschlagwortung leitet nicht nur vom Buch in das Wiki, sondern gibt eben auch eine Übersicht darüber, in welchen Blöcken welche Wiki-Artikel oder Schlagworte vorkommen.

Teilzeithelden: Kann ich als Autor mit meiner Geschichte auf Storylike auch Geld verdienen?

Stefan: Bisher kannst du vor allem Geschichten schreiben und Geschichten lesen. Die geschriebenen Geschichten können in verschiedenen Formaten exportiert werden. Wir haben geplant, dass ein Autor für ein Leserecht an seiner Geschichte ein geringes Entgelt verlangen kann, um so über Storylike Geld zu verdienen. Da Wikis bei mehreren Geschichten verwendet werden können, wäre es auch möglich, dass das Nutzungsrecht an der eigenen Welt verkauft wird. Das ist allerdings noch Zukunftsmusik – momentan möchten wir einfach nur das gemeinsame Schreiben einfacher machen. Wichtig ist: Als Autor gibst du keine permanenten Rechte an uns ab. Wenn du morgen deine Story nicht mehr auf Storylike haben möchtest, dann ist die eben weg. Gerade wenn man ein junger, aufstrebender Autor ist, möchte man eng mit seiner Fanbase interagieren – genau das ermöglichen wir mit der Plattform.

Von der Idee zum realen Projekt

Teilzeithelden: Wie kam es zu der Idee von Storylike?

Mithilfe von Verschlagwortung und Wikis sind Charaktere, Orte und Begriffe schnell wieder präsent.

Stefan: Ich mache selbst Forenrollenspiel, ich plane Cons. Bei meinem Arbeitgeber baue ich Software-Plattformen. Da war der Gedanke an eine Website zum gemeinsamen Schreiben nah. Ich werde unruhig, wenn ich Ideen habe, die ich in eine Form gießen kann. Storylike ist nun schon seit dreieinhalb Jahren in Entwicklung, und das Tool kann hervorragend auch in anderen Bereichen Anwendung finden, zum Beispiel als typischer Hilfebaum: Wir werden also nicht nur in den kreativen Bereich gehen, sondern Storylike auch als Wissensmanagement-Werkzeug anbieten. Wir professionalisieren das Schreiben von Plots. Ob das so funktionieren wird, muss man sehen – aber man muss Visionen haben. Stefan lacht.

Teilzeithelden: Mittlerweile ist aus einer Idee ein Unternehmen geworden. Wer sind die Köpfe hinter der Plattform?

Stefan: Da wäre zunächst Bernhard Geulig, ebenfalls Liverollenspieler. Er hatte die ursprüngliche Idee, Geschichten in einem Graphen abzulegen, was meine Ideen aus den Erfahrungen beim Plotschreiben und Forenrollenspielen hervorragend ergänzt hat. Seit zwei Jahren unterstützt uns Sylvia Ploch als Community Managerin. Davon lässt sie sich auch nicht abbringen, obgleich wir momentan überhaupt keinen Profit machen. Sie koordiniert die Messeauftritte und Öffentlichkeitsarbeit. Dann haben wir noch zwei Entwickler an Bord, die mit LARP überhaupt nichts zu tun haben.

Herausforderungen des Markts

Teilzeithelden: Plots verfassen, Rollenspiel betreiben, Bücher schreiben – das erste ist ein kleiner, das zweite ein umkämpfter Markt. Wie stellt ihr euch diesen Herausforderungen?

Stefan: Es ist nicht trivial, in einem Markt, wo Blogplattformen etabliert, wo Netzwerkeffekte schon ausgerollt sind, Fuß zu fassen. Wir versuchen, durch Features zu überzeugen. Aber wenn ich dir jetzt das zeige, was du mit Storylike tun kannst, dann brauchst du eben eine Zeit, bis dein kreativer Schaffensprozess wirklich beginnt. Wir haben eine GmbH mit privatem Geld gegründet, keinerlei Geld von außen, und möchten das Projekt langfristig amortisieren. Wir sind eine solide aufgestellte Firma mit ordentlicher Geschäftsorganisation – und unsere Idee hat Hand und Fuß. Die Nutzung von Storylike ist kostenlos. Wir schalten allerdings Werbung, die gegen eine geringe Gebühr auch wieder ausgeblendet werden kann. In der Zukunft werden wir manche Features erst in einer Bezahlversion zugänglich machen.

Die ersten Schritte sind gemacht – und nun?

Stefan Koch mit Sylvia Ploch am Storylike Stand

Teilzeithelden: Storylike ist letztes Jahr an den Markt gegangen. Seitdem präsentiert ihr euch auf vielen Messen und Veranstaltungen. Wie wird eure Idee dort aufgenommen?

Stefan: Von den Leuten, die stehen bleiben, kommt hervorragendes Feedback. Die Leute nehmen sich Informationsmaterial mit, sind erkennbar begeistert von unseren Features. Der Markt ist also definitiv da, und anhand der Zugriffszahlen erkennen wir das generierte Interesse. Das schönste Feedback allerdings erreichte uns auf der BuchmesseCon. Ein Besucher sagte uns, er käme soeben von der Frankfurter Buchmesse – und nachdem wir ihm unsere Idee vorgestellt hatten, sagte er uns, dass er sich uns viel eher auf der Frankfurter Buchmesse erwartet hätte als auf der kleineren BuchmesseCon.

Teilzeithelden: Bleibt der Fokus denn beim kreativen Schreiben? Wo geht die Reise hin?

Stefan: Möglichkeiten gibt es viele. Wir haben Lehrer, die aufgrund der Corona-Krise auf unserer Plattform arbeiten, um Inhalte zu bearbeiten und zu teilen. Storylike eignet sich hervorragend, um beispielsweise eine Theateraufführung zu gestalten: Der Lehrer fertig ein Wiki an und erstellt erste Szenen, die Schüler können dann Dialoge oder weitere Szenen entwickeln. Tatsächlich haben wir hier unsere Fühler in Richtung der Waldritter ausgestreckt, um zu prüfen, wie wir im pädagogischen Bereich unterstützen können.

Die nächste große Sache allerdings, die mit Storylike geschehen soll, ist eine Alexa-Integration. Alexa kann Storylike Geschichten vorlesen, was quasi wie ein Abenteuerhörbuch ist: Nach einem Block entscheidet der Hörer, wie die Geschichte weitergehen kann. Das ist ein spannendes Gimmick, was auch Kinder zum Lesen animieren kann. Das Einsprechen einer Geschichte kann über Storylike erfolgen.

Teilzeithelden: Stefan, ich bedanke mich im Namen der Teilzeithelden herzlich für das Gespräch!

 

Artikelbild: © Hagen Hoppe
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Jessica Albert

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